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Das Alter ist für einen Revolvermann der schlimmste und teuflischste Feind. Manuel Di Rocco befand sich schon seit Monaten auf der Flucht. Einst ein gefürchteter Schießer, musste er nun vor zweitklassigen Banditen fliehen. Er hatte sich in seinem langen Leben viele Feinde gemacht, und ein alter, kurzsichtiger Revolvermann ist so gut wie tot.
Schon hatte Di Rocco mit seinem Leben abgeschlossen, da traf er seinen ehemaligen Schüler aus vergangenen Tagen wieder - Chet Quade von der Skull-Ranch...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Revolver-Freundschaft
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Impressum
Revolver-Freundschaft
von Frank Callahan
Das Alter ist für einen Revolvermann der schlimmste und teuflischste Feind. Manuel Di Rocco befand sich schon seit Monaten auf der Flucht. Einst ein gefürchteter Schießer, musste er nun vor zweitklassigen Banditen fliehen. Er hatte sich in seinem langen Leben viele Feinde gemacht, und ein alter, kurzsichtiger Revolvermann ist so gut wie tot.
Schon hatte Di Rocco mit seinem Leben abgeschlossen, da traf er seinen ehemaligen Schüler aus vergangenen Tagen wieder – Chet Quade von der Skull-Ranch ...
Die Hufschläge wurden lauter, näherten sich schnell und klangen dumpf durch die nächtliche Stille. Bleiches Mondlicht sickerte vom wolkenlosen Himmel und überzog das unwegsame Gelände wie mit Raureif.
Ein paar Vögel flogen krächzend davon, als sich der schon ältere Mann zwischen den Büschen hindurchschob und dann aus brennenden Augen auf den schmalen Reitweg hinausspähte, der sich eine Steinwurfweite entfernt zwischen Büschen, Bäumen und Felsen hindurchwand.
Emanuel Di Rocco schob seinen staubigen Stetson in den Nacken. Ein verzerrtes Lächeln legte sich um seine Mundwinkel. Sein hageres, faltenreiches Gesicht spannte sich.
»Sie kommen«, murmelte Emanuel Di Rocco tonlos. »Wenn sie mich hier finden, dann ist es vorbei mit mir.«
Noch lauter wurden die Hufschläge. Es waren mehrere Reiter, die jeden Augenblick hinter der Wegkrümmung auftauchen mussten.
Der ungefähr fünfzig Jahre alte Mann blinzelte, ehe er die Augen zusammenkniff. Dann hob er den Lauf seiner Winchester an.
Die Reiter tauchten auf.
Es waren fünf Männer, die auf schnellen Pferden den schmalen Weg entlangjagten. Die Hufschläge wurden zu einem hämmernden Stakkato. Dann war der Reiterpulk wie ein unheimlicher Spuk auch schon vorbei.
Träge senkte sich der aufgewirbelte Staub zu Boden.
Der Oldtimer blickte auf seine Waffe. Etwas Resigniertes lag in dieser Bewegung. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen und schlich dann zu seinem Pferd zurück, das zwanzig Yards entfernt auf einer kleinen Lichtung weidete und nun den Kopf hob, als der hagere Mann mit schnellen Schritten heraneilte.
Der graue Wallach schnaubte leise und rieb dann seine Nüstern an der Schulter seines Herrn.
»Schon gut, mein Alter«, sagte Di Rocco leise. »Nun müssen wir aber schleunigst verschwinden, denn diese Hundesöhne werden schnell herausfinden, dass ich ihnen einen Streich gespielt habe.«
Manuel Di Rocco kletterte in den Sattel und trieb den Grauen an, der sich willig in Bewegung setzte. Das Tier brach durch die Büsche und erreichte auch schon bald den Reitweg.
Manuel Di Rocco ritt in die Richtung, aus der seine Verfolger gekommen waren. Er spürte feinen Staub auf seiner Zunge.
»Lauf, mein Alter!«, rief er immer wieder. »Lauf, sonst geht es mir an den Kragen.«
Eine halbe Stunde verging. Im Osten kündigte sich bereits das schmutzige Grau des beginnenden Tages an. Bodennebel hingen wie Leichentücher zwischen Büschen und Bäumen und wirbelten dem dahinstürmenden Pferd zwischen den Beinen.
Bald glänzte eine Schweißschicht auf dem Fell des Wallachs. Weiße Schaumflocken hingen an seinen Nüstern.
»Wir schaffen es«, stieß der Oldtimer hervor. »Wer hätte das gedacht, dass wir beide einmal vor einem Rudel zweitklassiger Revolverschwinger fliehen müssen?«
Wieder legte sich Resignation auf das verwitterte Gesicht des Flüchtenden. Seine Hand tastete zum tiefhängenden Revolver am rechten Oberschenkel.
Eine weitere halbe Stunde verging. Es war noch heller geworden. Alles wirkte grau in grau. Sogar die Natur schien in dieser Stunde zwischen Nacht und Tag den Atem anzuhalten.
Manuel Di Rocco hielt auf einen kleinen Hügel zu, von dem er sich einen guten Ausblick erhoffte. Er zügelte seinen Wallach, zog ein Fernglas aus der Satteltasche und schwang sich vom Pferderücken.
Dann kletterte er den mit Büschen und Colorado-Zedern bewachsenen Hügel empor und hielt nach seinen Verfolgern Ausschau.
Er sah sie kommen.
Die fünf Verfolger hatten längst bemerkt, dass sie an ihrem Opfer vorbeigeritten waren. Das raue Rudel war noch ungefähr zwei Meilen zurück und verschwand in diesem Moment hinter hohen Douglasfichten.
»Sie geben nicht auf«, sagte der Oldtimer zu sich selbst. »Diese Burschen werden wohl nicht eher aufgeben, ehe sie mich tot oder lebend erwischt haben.«
Manuel Di Rocco hastete zu seinem Pferd zurück, verstaute das Fernglas und ritt weiter. Irgendwann erreichte er eine Abzweigung. Ein Wagenweg führte in die unwegsame Wildnis der Berge hinein.
Vielleicht verlieren die Burschen hier meine Fährte, dachte Di Rocco und trieb sein Pferd an. Wenn mich nicht alles täuscht, dann führt der Weg zu einer dieser Goldgräberstädte. Vielleicht kann ich dort untertauchen. Mit diesen fünf rauen Burschen werde ich nicht fertig. Vor einigen Jahren wäre es natürlich eine Kleinigkeit gewesen, diese Kerle auszuschalten.
Manuel Di Rocco zwinkerte mit den Augenlidern und fuhr sich müde übers Gesicht. Während sein Wallach den Wagenweg entlanggaloppierte und eine große Staubwolke hinter sich herzog, blickte der alternde Revolvermann immer wieder zurück, ob von seinen Verfolgern etwas zu sehen war.
Meile um Meile legte er zurück.
Eine Postkutsche kam ihm entgegen, jagte vorbei und puderte ihn mit grauem Staub ein. Bald traten die Felsen noch mehr zusammen und öffneten sich dann einige Meilen später zu einem Tal.
Manuel Di Rocco sah Goldgräber, die in den Bergwänden nach dem gelben Metall suchten. Die Diggerclaims wurden immer zahlreicher. Es dauerte nicht lange, dann öffnete sich die Schlucht zu einem großen Tal. Der Oldtimer sah die Häuser einer Stadt vor sich auftauchen. Auf einem verwitterten Schild las er den Namen Golden City.
Wieder warf er einen Blick zurück, doch von den Verfolgern war nichts zu sehen. Auf der Mainstreet ritt Di Rocco langsamer und sah sich suchend nach allen Seiten um.
Als er ein Marshal's Office entdeckte, atmete er auf und kletterte vor dem Mietstall aus dem Sattel. Er gab einem grauhaarigen Burschen sein Pferd in Verwahrung und stiefelte dann zu einem Hotel hinüber, wo er sich ein Zimmer mietete.
Dann stand Manuel Di Rocco hinter den wehenden Gardinen und blickte auf die Straße hinunter.
Zu dieser frühen Vormittagsstunde herrschte kaum Leben in der Goldgräberstadt. Di Rocco nahm an, dass es hier erst gegen Abend rund gehen würde.
Der alte Revolvermann seufzte tief. Seine Augen verengten sich, als er seine fünf Verfolger auftauchen sah. Sie ritten im Schritt und spähten vorsichtig nach allen Seiten.
Ihr Ziel war der Mietstall. Manuel Di Rocco wusste, dass ihm ein Fehler unterlaufen war. Er hätte sein Pferd woanders unterstellen sollen. Es dauerte auch nicht lange, dann hatten die fünf Männer erfahren, dass ihr Opfer sein Pferd im Livery Stable untergestellt hatte.
Und bestimmt würden sie auch schnell herausgefunden haben, dass er sich hier im Hotel verkrochen hatte. Dann würden sie ihn sich schnappen und zu Big Boss Mulligan schleppen.
Manuel Di Rocco starrte auf seine zitternden Hände. Er verschränkte sie ineinander. Ein heiseres Stöhnen brach zwischen seinen zuckenden Lippen hervor.
Ich bin am Ende, dachte er. Was ist nur aus dem legendären Revolvermann Di Rocco geworden? Ein Wrack, ein alter Mann, der sich vor seinen Gegnern fürchtet.
Manuel Di Rocco grub seinen Kopf in beide Hände. Lange Sekunden verhielt er so, ehe sich sein hagerer Körper straffte. Seine Hand schraubte sich um den blankgewetzten Revolvergriff.
Noch gab er sich nicht verloren. Noch nicht!
»Hallo, Marshal«, sagte Chet Quade, der Vormann der Skull-Ranch und nickte George Rockwell, dem Gesetzeshüter von Golden City, freundlich zu. »Kannst du mir vielleicht sagen, wo Brazos, Shorty und Doc Smoky stecken?«
Rockwell grinste und schüttelte den Kopf.
»Du glaubst wohl, dass ich deine Jungs eingebuchtet habe? Tut mir leid, doch deine Cowboys haben längst die Rückreise ins Bluegrass Valley angetreten. Ich habe sie heute Nacht in die Stage Coach gepackt. Eigentlich müssten sie schon längst auf der Ranch eingetroffen sein.«
»Dann ist es ja gut«, lächelte der so indianerhaft wirkende Chet Quade. »Ich bin nicht wegen meiner Jungs nach Golden City gekommen. Es gibt hier einige geschäftliche Dinge zu erledigen. Aber vorher wollte ich nach diesen Heldensöhnen fragen, denn meistens haben sie ja etwas angestellt.«
»Komm rein, wir genehmigen uns einen Whisky«, sagte der Marshal. »Du kannst natürlich auch eine Tasse Kaffee haben, wenn es dir für einen harten Drink noch zu früh ist.«
»Dann lieber erst einen Kaffee und dann einen Whisky«, feixte der Skull-Vormann. Er schlürfte kurze Zeit darauf von der heißen und pechschwarzen Brühe.
Zufrieden streckte Chet seine staubigen Stiefel von sich.
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten, Marshal?«
»Nichts Besonderes, Chet. Ich habe die Stadt so ziemlich im Griff, obwohl es immer wieder Ärger gibt. Einige wilde Jungs wollen sich nicht in der Gemeinschaft einordnen, und dann gibt es Ärger. Aber du kennst ja diese rauen Spielchen.«
Chet Quade stellte seine leere Kaffeetasse auf Rockwells Schreibtisch und griff nach dem Whiskyglas.
In diesem Moment peitschten Schüsse auf der Mainstreet auf. George Rockwell sprang mit einem Satz zum Fenster und blickte hinaus. Er sah gerade noch drei Männer, die hinter einem anderen herschossen, der in einer Seitengasse verschwand.
»Es gibt Arbeit für mich, Chet«, knurrte der Marshal von Golden City. »Möchte nur wissen, warum diese verdammten Kerle schon am frühen Morgen durch die Gegend ballern?«
Rockwell verließ sein Office. Die Straße war wie leergefegt. Er eilte auf die Gasse zu. Neue Schussexplosionen peitschten durch die Stille. Irgendwo wieherten Pferde.
Der Marshal zog seinen Revolver, während er fluchend die Straße überquerte. Erneut klangen Schüsse auf.
Rockwell spähte vorsichtig in die Gasse hinein, konnte aber niemanden entdecken. Er lief weiter bis zur nächsten Querstraße und späht dort ebenfalls vorsichtig hinein.
Hämmernde Schritte dröhnten ihm entgegen. Ein schon älterer Mann taumelte ihm beinahe in die Arme. In letzter Sekunde schlug Rockwell den Revolverarm des Oldman zur Seite. Donnernd entlud sich der Revolver. Die Kugel schmetterte in die gegenüberliegende Hauswand.
»Was soll das, Mister?«, herrschte Rockwell den Oldtimer an, der sich aus seinen Armen befreien wollte. Erst in diesem Moment erkannte Manuel Di Rocco das Marshalabzeichen auf der Jacke von George Rockwell.
Di Roccos Körper erschlaffte. Sein schnellgehender Atem beruhigte sich nur langsam. Rockwell sah drei Männer am Ende der Gasse auftauchen. Sie hielten Revolver in den Fäusten, die sie zögernd senkten, als sie den Marshal erkannten.
Dann verschwanden die drei Burschen blitzschnell.
»Was geht hier vor, Mister?«, fragte Rockwell. »Sind diese Typen hinter Ihnen her?«
»Yeah, Marshal. Es sind insgesamt fünf Burschen, die mir ans Leder wollen.
Sie stöberten mich im Hotel auf. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu flüchten. Vielleicht habe ich einen der Kerle verwundet.«
George Rockwell sah sich unbehaglich um.
»Banditen?«, fragte er.
»So etwas Ähnliches, Marshal. Man könnte sie auch als Prämien- oder Kopfgeldjäger bezeichnen.«
Der Marshal runzelte die Stirn.
»Werden Sie vom Gesetz gesucht?«
Manuel Di Rocco schüttelt den Kopf.
»Es ist eine längere Geschichte, Marshal. Ich werde Sie Ihnen erzählen. Können wir in Ihr Office gehen?«
George Rockwell nickte und spähte nochmals in die Gasse hinein. Die drei Burschen blieben verschwunden. Sie tauchten auch nicht auf, als der Marshal von Golden City mit dem alten Revolvermann die Straße überquerte und sich seinem Office näherte.
Chet Quade verließ gerade das Gebäude, winkte Rockwell zu und rief: »Bis später, Marshal. Danke für den Drink. Ich sehe später nochmals bei dir vorbei.«
Rockwell winkte zurück. Dann saß er dem Oldman gegenüber, der seinen staubigen Stetson vom Kopf nahm und sich die grauen Strähnen seines Haares zurückstrich.
Der Marshal wartete geduldig, bis Manuel Di Rocco den Kopf hob. Der Oldtimer blickte verlangend auf den Topf mit dampfenden Kaffee, der auf dem kleinen gusseisernen Ofen stand.
George Rockwell verstand diesen Blick und schenkte Di Rocco eine Tasse Kaffee ein.
»Wir sollten zur Sache kommen«, meinte Rockwell, nachdem sein Gegenüber getrunken hatte.
»Yeah, Marshal. Es sind fünf Männer, die hinter mir her sind. Sie hetzen mich schon über hundert Meilen durch die Rocky Mountains. Ich hatte gehofft, ihnen entkommen zu können, doch es gelang mir nicht.«
George Rockwells Blick blieb an dem tiefhängenden Revolver des Oldman hängen.
»Eigentlich machen Sie mir nicht den Eindruck, dass Sie sich wie ein Hase jagen lassen«, sagte er. »Dürfte ich Ihren Namen erfahren?«
»Di Rocco. Manuel Di Rocco.«
Der Marshal lauschte dem wohlklingenden Namen nach. Irgendwo in seinem Gehirn klingelte es.
»Heh«, sagte er. »Sind Sie vielleicht der legendäre Revolvermann Di Rocco?«
Der Oldtimer senkte den Kopf. Er wirkte wie ein Häufchen Unglück in diesen Sekunden. Seine Hände zitterten. Sein Gesicht schimmerte bleich wie eine frischgekalkte Wand.
»Ich bin, vielmehr ich war, der Revolvermann Di Rocco. Die wilden Jahre liegen nun hinter mir. Viel ist nicht geblieben, Marshal. Was Sie vor sich sehen, ist ein alter, verbrauchter Bursche, der Angst um sein bisschen Leben hat. Ein alter, kranker Wolf, der bei einem Marshal Hilfe sucht, weil er sich nicht mehr wehren kann.«
Das alles sagte Manuel Di Rocco mit bitter klingender Stimme. Resigniert seufzte er.
Der Marshal von Golden City nagte an seiner Unterlippe. Dabei starrte er den alten Mann neugierig an.
Das also sollte Di Rocco sein, dachte Rockwell. Dieser eisenharte Bursche, der wie kaum ein anderer mit seinem Colt zaubern konnte, sitzt mir nun gegenüber und bittet um meine Hilfe.
Irgendwie fühlte Rockwell Mitleid mit seinem Gegenüber.
»Wir alle werden älter«, sagte Di Rocco nun. Es klang wie eine Entschuldigung. »Viele meiner Kollegen sterben jung in den Stiefeln. Ich habe sie alle überlebt. Nun haben mich die Schatten der Vergangenheit eingeholt.«
Di Rocco lächelte nun. Es war ein bitteres, humorloses Lächeln, das seine Lippen teilte. Er kniff seine Augen zusammen und blinzelte mit den Lidern, als könne er den Marshal nicht richtig erkennen.
»Meine Augen«, sagte Di Rocco dann. »Sie spielen nicht mehr so richtig mit. Manchmal geht es, doch manchmal kann ich keine zehn Yards weit sehen. Wissen Sie, was das für einen schnellen Revolvermann bedeutet, Marshal?«
Rockwell konnte es sich denken, was der Oldtimer meinte. Ohne ein sicheres Auge hatte Di Rocco keine Chancen mehr, ein Revolverduell zu seinen Gunsten zu entscheiden.
»Okay, Mr. Di Rocco. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Wieder lächelte der alte Revolvermann und zuckte mit den hageren Schultern.
»Ich fürchte, dass Sie mir nicht helfen können, Marshal. Gegen diese fünf Burschen liegt nichts vor. Sie können die Kerle nicht einsperren, nur weil sie hinter mir her sind. Wenn Sie die Männer aus der Stadt weisen, dann werden sie mich außerhalb erwarten. Ich sitze auf jeden Fall hier fest.«
George Rockwells Stirn furchte sich.
»Warum werden Sie gejagt, Mr. Di Rocco?«
»Ein gewisser Morse Mulligan zahlt eine Prämie von zehntausend Dollar, wenn man mich lebend zu ihm bringt. Tot bin ich ihm nur die Hälfte wert, Marshal.«
»Verfolgt Sie dieser Mulligan mit einem solch gnadenlosen Hass, oder warum setzt er diese gewaltige Summe aus?«
»Es liegt schon einige Jahre zurück, da kämpfte ich gegen Mulligans raue Horde. Ich trug damals den Stern in El Paso. Der Big Boss hatte sich schon fast die ganze Stadt unter den Nagel gerissen, ehe ich ihm ganz gewaltig auf die Hühneraugen trat. Damals fühlte ich mich noch im Vollbesitz meiner Kräfte und wurde spielend mit meinen Gegnern fertig. Ich musste zwei Söhne von Mulligan in Notwehr erschießen, als sie sich der Verhaftung widersetzten. Auch Morse Mulligan fing eine Kugel ein. Er konnte trotzdem entkommen. Später hörte ich, dass meine Kugel sein Rückgrat gelähmt hatte. Er kann nicht mehr laufen und sitzt in einem Rollstuhl.«
Manuel Di Rocco fuhr sich über die Stirn, als könnte er die dunklen Schatten der Vergangenheit vertreiben. Starr blickte er an dem Marshal von Golden City vorbei, der keinen Blick von seinem Gegenüber nahm und voller Konzentration auf dessen Worte gelauscht hatte.
»Irgendwie wurde Morse Mulligan wieder reich und mächtig. Wie ich hörte, ist er der Besitzer einer riesigen Ranch in Texas. Vor einem halben Jahr setzte er die Prämie auf meinen Kopf aus. Seit dieser Zeit bin ich auf der Flucht. Einige Burschen der rauen Horde konnte ich niederkämpfen, doch es wurden immer mehr. Zehntausend Bucks sind nun einmal mächtig viel Geld in dieser lausigen Zeit. Ich kann es meinen Verfolgern nicht einmal verdenken, dass sie Jagd auf mich machen. Viele Hunde sind nun einmal des Hasen Tod, sagt ein altes Sprichwort, Marshal. Nun bin ich wohl am Ende meines Trails angelangt. Die, Burschen haben mich in der Falle. Es gibt keine Chance mehr für mich. Vielleicht könnte ich einen oder auch zwei dieser Burschen niederkämpfen, doch gegen fünf Schießer habe ich keine Chance. Es werden immer mehr kommen, sollte es sich erst herumsprechen, dass ich mich hier in Colorado aufhalte. Ich bin so oder so verloren.«
Wieder senkte der legendäre Revolvermann den Kopf und bot wieder diesen niedergeschlagenen Eindruck.
»Ich werde mich um diese fünf Gunner kümmern, Mr. Di Rocco«, sagte Marshal Rockwell entschlossen und rückte seinen Revolvergurt zurecht, nachdem er sich erhoben hatte.
»Lassen Sie es bleiben, Marshal. Sie kaufen sich da nur in ein höllisches Spiel ein, dass Sie im Grunde genommen nichts angeht. Ich danke Ihnen für die Hilfe. Außerdem hat es mir gutgetan, mir meinen Kummer einmal von der Seele reden zu können.«
Di Rocco erhob sich ebenfalls. Lächelnd wollte er auf die Tür zu stiefeln, doch der Marshal von Golden City vertrat ihm den Weg.
»Ich werde Sie in Schutzhaft nehmen, Mr. Di Rocco. Außerdem schicke ich Ihnen Doc Finnegan vorbei. Der soll sich mal um Ihre Augen kümmern. Vielleicht gibt es irgendein Mittel, um...«
Der alte Revolvermann winkte ab.
»Zwecklos, Marshal, ich bin schon von über einem Dutzend Ärzte untersucht worden. Ich verstehe zwar nicht viel von dem Zeugs, was die Docs gemurmelt haben, doch es hat mit der Hornhaut meiner Augen zu tun. Es gibt kein Mittel. Ich werde wohl in einigen Jahren blind sein, falls ich dann noch lebe.«
»Ich bringe Sie in eine Zelle, Mr. Di Rocco. Dort können Sie sich erst einmal ausruhen, denn im Hotel wären Sie nicht sicher. Wenn Sie wollen, lasse ich die Zellentür offen.«
Manuel Di Rocco lauschte in sich hinein, ehe er nickte.
»Okay, Marshal, ein paar Stunden Ruhe könnte ich schon vertragen. Legen Sie sich aber nicht mit diesen Schießern an, Marshal. Ich möchte nicht, dass Ihnen etwas geschieht.«
Marshal Rockwell nickte nur.