Slow Burn - Gefährliche Lust - Maya Banks - E-Book

Slow Burn - Gefährliche Lust E-Book

Maya Banks

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Beschreibung

Seit zwölf Jahren ist Zack Covington auf der Suche nach seiner Jugendliebe Gracie. Einst waren die beiden unzertrennlich, bis eine verhängnisvolle Nacht alles veränderte und Gracie spurlos verschwand. Als Zack nun bei einem Auftrag für die Sicherheitsfirma Deveraux über ein Gemälde stolpert und darauf den Ort erkennt, der für ihn und Gracie damals eine tiefe Bedeutung besaß, ist er sich sicher: Gracie will ihm etwas mitteilen. Doch als er ihr nach all der Zeit endlich wieder gegenübersteht, muss er feststellen, dass aus dem lebensfrohen Mädchen von damals eine verängstigte Frau geworden ist, die noch immer um ihr Leben fürchtet ...

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Inhalt

Titel

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Die Autorin

Maya Banks bei LYX

Impressum

MAYA BANKS

Slow Burn

GEFÄHRLICHE LUST

Roman

Ins Deutsche übertragen vonBritta Lüdemann

Zu diesem Buch

Seit zwölf Jahren ist Zack Covington auf der Suche nach seiner Jugendliebe Gracie. Einst waren die beiden unzertrennlich, bis eine verhängnisvolle Nacht alles veränderte und Gracie spurlos verschwand. All seine Bemühungen, sie aufzuspüren, liefen ins Leere. Als Zack bei einem Auftrag für die Sicherheitsfirma Deveraux ein Gemälde entdeckt, das einen Ort zeigt, der für ihn und Gracie damals eine tiefe Bedeutung besaß, ist er sich sicher: Gracie ist am Leben und will ihm etwas mitteilen. Doch als er ihr endlich gegenübersteht, erlebt er einen Schock. Das lebensfrohe junge Mädchen, das er kannte, ist verschwunden, und vor ihm steht eine verängstigte junge Frau, die glaubt, er habe sie vor all diesen Jahren verraten und sei verantwortlich für das Martyrium, das sie durchleben musste. Zack ist entschlossen, ihr Vertrauen und ihre Liebe zurückzugewinnen, doch Gracies seelische Wunden sitzen tief. Und als Zacks Feinde von ihrer Existenz erfahren, wird sie zur Zielscheibe für ihre Rache …

1

Zack Covington fieberte dem Befehl seines Teamleiters zum Zugriff ungeduldig entgegen. Er hatte keine Ahnung, was im Keller von McMansion vor sich ging – ein Haus, gar nicht so unähnlich dem, wie er es zu bauen einst geträumt hatte und das für das Mädchen gewesen wäre, mit dem er sein Leben hatte verbringen wollen. Nein, er hatte zwar keine Ahnung, was da drinnen los war, aber ihm war klar, dass es nichts Gutes sein konnte. Manchmal lauerte das Böse an Orten, die nach außen hin freundlich wirkten. Die Menschen lebten in dem Glauben, dass ihnen in ihrer kleinen Welt nichts passieren könnte. Wie sehr sie sich doch täuschten.

Diese Lektion hatte er auf die harte Tour gelernt. Er stammte aus einer Kleinstadt am Kentucky Lake und hatte – nicht anders als der Großteil ihrer Einwohner – geglaubt, dass ihnen das Böse nichts anhaben würde. Und Zack? Noch mehr als die meisten anderen war er – schließlich war sein Vater der Polizeichef – mit der Ansicht aufgewachsen, dass die Polizei die Aufgabe hatte, für die Sicherheit der Stadt zu sorgen, wie gewaltig diese Aufgabe auch sein mochte.

Doch als es um Gracie ging, hatten sie kläglich versagt. Sie war von jedem im Stich gelassen worden – und allen voran von Zack. Die Weigerung seines Vaters, öffentliche Mittel für eine Person zu verwenden, die eh am Rande der Gesellschaft lebte, hatte Zacks Beziehung zu seinem Vater nachhaltig beschädigt, und bis zum heutigen Tage war diese Kluft nicht geschlossen worden.

Und das würde sie auch nie.

Zack seufzte, als er die stattlichen Eigenheime betrachtete, die teuren Autos, die Swimmingpools hinter den hohen Zäunen, die makellosen Grundstücke. Die privilegierten Familien dieser bewachten und mit höchsten Sicherheitsmaßnahmen versehenen Wohnsiedlung wären schockiert gewesen, hätten sie gewusst, dass das Böse mitten unter ihnen weilte. Es entbehrte nicht einer gewissen makabren Komik, dass das wohlhabende Viertel erst kürzlich zur sichersten und begehrtesten Wohngegend im Großraum Houston gewählt worden war und unter den Top Fünf des Bundesstaates Texas rangierte und unter den Top Zwanzig des gesamten Landes. Kein Wunder also, dass diese Leute sich in völliger Sicherheit wähnten.

Doch er wusste es besser. Da drinnen war ein Kind, ein Baby noch. Na ja, nicht mehr ganz ein Baby – das Mädchen war schließlich nur zwei Jahre jünger als seine Gracie. Verdammt. Nicht hier. Nicht jetzt. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von der Vergangenheit einholen zu lassen. Außerdem war Gracie nicht mehr das hübsche, unschuldige sechzehnjährige Mädchen, das er vor mehr als einem Jahrzehnt geliebt hatte. Inzwischen musste sie achtundzwanzig sein.

Falls sie überhaupt noch lebte.

Und »seine« Gracie war sie auch nicht mehr. Sie war seine … gar nichts mehr.

Möglicherweise war es ihm nicht gelungen, Gracie zu retten. Möglicherweise hatte er sie im Stich gelassen. Aber nur über seine Leiche würde er dieses junge Mädchen hier im Stich lassen, das bestimmt noch so viele Träume hatte und von den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben – oder zumindest den beiden, die es hätten sein sollen – auf ganzer Linie enttäuscht worden war.

Alyssa Lofton war schon in jungen Jahren eine äußerst vielversprechende Ballerina gewesen, und es hatte ihre Mutter immer mit Stolz erfüllt, wenn ihre Tochter im Kindergarten aufgetreten und sowohl lokal als auch in ganz Texas mit Lob und Auszeichnungen überschüttet worden war. Später, als die Anforderungen des Trainings begannen, ihre Mutter und ihren Vater einzuschränken, hatten Alyssas Belange längst nicht mehr den gleichen Vorrang bei ihren Eltern besessen wie einst.

Doch dann hatte der Vater sehr konkrete Drohungen erhalten – Drohungen, die gegen Alyssa gerichtet waren.

Die Loftons hatten fünf Kinder, von denen Alyssa mit zwei älteren Brüdern und zwei jüngeren Schwestern das mittlere war. Als der Devereaux Sicherheitsdienst von Howard Lofton um Hilfe gebeten worden war, hatte Zack nichts als Verachtung für den Mann empfunden, der lediglich verwundert schien, dass nicht er selbst, sondern seine Tochter das Ziel dieser Drohungen war. Es hatte sein Ego schwer getroffen, dass er offensichtlich als weniger wichtig erachtet wurde als seine Tochter.

Der Typ war ein aufgeblasener, selbstherrlicher Mistkerl, der mit Kindern nichts am Hut hatte. Und seine Frau war in dieser Hinsicht nicht besser. Von einem Leben, wie sie es führten, konnte Zack nur träumen – ein Leben, wie er es sich einst für sich selbst vorgestellt hatte, ein Leben in einem Haus voller Kinder. Ein glückliches Leben. Und trotzdem machte dieses Paar sich mehr Sorgen um seine gesellschaftliche Stellung als um die eigenen Kinder.

Sie hatten ein Kindermädchen eingestellt, und es war dieses Kindermädchen, das die Sprösslinge zu sämtlichen Sportveranstaltungen und Tanzvorführungen begleitete und ihnen die Liebe und Unterstützung zuteilwerden ließ, die ihnen eigentlich durch ihre Eltern hätte zukommen sollen. Und jetzt war die Frau tot – erschossen bei dem Versuch, eines der jüngeren Lofton-Kinder zu beschützen, nachdem maskierte Männer in die Ballettvorstellung gestürmt waren, die Lichtanlage ausgeschaltet und das Kulturzentrum mit einer wilden Schießerei von einer Sekunde auf die andere in ein einziges Chaos gestürzt hatten.

Und der Vater? Dieser feige Hund hatte sich hinter seiner Frau versteckt, während das Kindermädchen seinen Sohn rettete. Allein hierfür hätte Zack diesem widerlichen Kerl nur allzu gern eine Kugel in den Schädel gejagt.

Dazu kam noch, dass Howard und Felicity Lofton gar nicht dagewesen waren, um ihre Tochter glänzen zu sehen. Vielmehr hatten sie die Veranstaltung nur besucht, weil der Firmenchef einer anderen Ölgesellschaft eine Tochter hatte, die ebenfalls vortanzte, und Howard in Verhandlungen zur Fusionierung der beiden Firmen mit ihm stand, da alles darauf hindeutete, dass sein Konkurrent sich zur Ruhe setzen wollte. Und diese Chance wollte Howard nutzen, um beide Gesellschaften zu vereinen und so sein »Imperium« zu vergrößern. Er und seine Frau hatten nicht einmal bei ihren Kindern gesessen. Sie hatten es dem Kindermädchen überlassen, sich um die Kleinen zu kümmern, und während die Töchter auf der Bühne ihr Können zeigten, wurde in der Reihe dahinter über Geschäfte geredet.

Die Männer hatten es auf Alyssa abgesehen. Und Alyssa war in Zacks Verantwortlichkeit gefallen. Eigentlich waren, verdammt noch mal, alle Sicherheitsleute von Devereaux für sie verantwortlich gewesen, aber Zack hatte sich ganz in ihrer Nähe befunden. Doch in dem sofort entstehenden Tumult hatte ihm eine hysterische Frau den Weg zu Alyssa versperrt. In dem ganzen Chaos war die arme Frau dann erschossen und Alyssa, noch ehe er etwas dagegen tun konnte, in einem professionell durchgeführten Handstreich entführt worden.

Das waren keine Amateure gewesen, und Zack kam nicht umhin sich zu fragen, warum sich jemand so viel Mühe machte, das Kind eines in sämtlichen Medien präsenten Ölmoguls zu entführen, wenn der Vater für sich selbst keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte. Wäre man auf ein Lösegeld aus gewesen und hätte ein paar Nachforschungen über Howard Lofton angestellt, hätte eigentlich er das Opfer sein müssen.

Sein eigenes Leben wäre Lofton sicher ein Heidengeld wert gewesen. Aber das seiner Kinder? Diese Frage konnte selbst Zack auf Anhieb beantworten, und dabei kannte er den Mann erst seit Kurzem. Er hatte Lofton vom ersten Augenblick an verachtet, weil der sich nur zähneknirschend und zur Wahrung des äußeren Scheins von einem Teil seines kostbaren Geldes trennte, um seiner Tochter Schutz zu gewähren. Schließlich durfte ja nicht publik werden, dass ein Vater die Drohungen gegen sein Kind ignoriert hatte, und darüber hinaus besaß Howard Lofton ein Ego so groß wie der Staat, in dem er wohnte.

Als das Schweigen in seinem Headset andauerte – und er hatte wirklich eine kleine Ewigkeit gewartet – verlor Zack den Rest seiner Geduld. Mist. Er würde jetzt reingehen. Den Loftons mochte ihre Tochter ja egal sein, Zack aber nicht, und er würde nicht tatenlos herumsitzen, wenn jede Sekunde, die verging, womöglich über Leben und Tod entschied.

Auf leisen Sohlen schlich er zum Fenster des Gästezimmers – der Devereaux Sicherheitsdienst hatte sich die Grundrisse der einheitlich geplanten Häuser der Wohnanlage besorgt – und fuhr geräuschlos mit dem Messer am Rahmen entlang, um die Verriegelung zu lösen. Erst als er das Fenster nach oben schieben konnte, flüsterte er in sein Headset: »Ich bin drin.«

Er ignorierte Danes Fluch und hörte Eliza so etwas wie »wurde auch langsam Zeit« murmeln, während Capshaw und Renfro gar nichts sagten.

Zack schlüpfte gewandt durchs Fenster in das Haus und zog schnell mit der einen Hand seine mit einem Schalldämpfer versehene Waffe, während er mit der anderen nach einer Blendgranate griff. Nachdem er die Pläne so lange studiert hatte, bis ihm sämtliche Details regelrecht ins Gedächtnis gebrannt waren, kannte er sie jetzt in- und auswendig.

Geradezu gespenstische Dunkelheit empfing ihn, als er aus dem Gästezimmer ins Innere des Hauses schlüpfte, aber irgendwo von fern war das Geräusch eines Fernsehers zu hören. Sollten seine Partner doch die Vorderseite decken. Sein Ziel war das Kellergeschoss, und davon würde er sich durch nichts ablenken lassen.

Aus dem Augenwinkel registrierte er einen Schatten. Zack drückte sich sofort flach an die Wand, als auch schon ein Mann um die Ecke bog und direkt auf ihn zuhielt. Eine flüchtige Betrachtung des Mannes sagte ihm, dass es kein Hausbewohner war. Er trug Tarnhosen und ein schwarzes Shirt sowie ein Schulterhalfter mit einer Pistole und einen Gürtel mit mehreren Kampfmessern. Was zum Geier wollten diese Witzbolde mit einer Vierzehnjährigen? Unterhielten sie so etwas wie einen Mädchenhändlerring? Und wenn ja, warum dann ausgerechnet dieses Mädchen? Bei der Vorführung waren mehr als zwei Dutzend Mädchen zwischen acht und achtzehn gewesen. In dem Tohuwabohu, das von der ersten Sekunde an ausgebrochen war, hätten sie sich leicht mehrere andere Mädchen greifen können.

Zack riss seine Waffe hoch, als der andere ihn erspähte und dasselbe tat. Aber Zack hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite, und so wurde die Stille nur kurz vom dumpfen Aufprall eines toten Körpers gestört.

»Eine Person ausgeschaltet«, meldete Zack leise. »Und seid vorsichtig; die Jungs sind gut ausgebildet.«

»Verdammt, Zack«, zischte Beau. »Warte auf Verstärkung.«

»So viel Zeit bleibt Alyssa vielleicht nicht mehr«, zischte Zack zurück, während er sich auf die Treppe am Ende des Flurs zubewegte.

Direkt vor dem Abgang blieb er noch einmal stehen, um nach unten zu spähen und angestrengt zu lauschen, ob jemand auf dem Weg nach oben war. Was er hörte, ließ ihn förmlich erstarren.

Leises Weinen. Laute voller Schmerz und Verzweiflung. Es brach ihm das Herz.

Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, nicht kopflos nach unten zu stürzen, und er zwang sich, ganz bewusst eine Stufe nach der anderen zu nehmen, um ja kein Geräusch zu erzeugen, wenn doch alles in ihm schrie, endlich zuzugreifen und die Dreckskerle, die ein unschuldiges Kind entführt hatten und quälten, auszuschalten.

Unten angekommen verharrte er einen Moment, weil der Bereich zwischen dem Fuß der Treppe und der Wand sehr klein war und er sich um die Ecke wagen musste, um in den Hauptteil des Raums zu gelangen. Den Teil, wo man Alyssa gefangen hielt und noch immer das leise Weinen zu hören war.

Die Granate zu werfen, kam wegen Alyssa überhaupt nicht infrage. Außerdem könnten die Entführer, sobald ihnen klar wurde, dass man sie gefunden hatte, sie im Bruchteil einer Sekunde umbringen. So gut ausgebildet, wie sie Zacks Meinung nach waren, hatten sie bestimmt schon das eine oder andere Mal mit diesen Dingern »gespielt« und waren darauf trainiert, sich auch in Extremsituationen angemessen zu verteidigen – oder den Feind auszuschalten.

Er holte tief Luft, nahm das Messer in die linke Hand und packte die Pistole mit der rechten, wobei sein Finger nur leicht am Abzug lag. Den Anblick, der sich ihm bot, würde er bis ans Ende seiner Tage nicht mehr vergessen.

Blutig, zerschrammt, schreckensbleich und die Augen von Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung glänzend, saß Alyssa vor dem Sockel des Schornsteins, an den man sie gefesselt hatte. Das Ganze wirkte wie eine Szene aus einem im Mittelalter spielenden Horrorfilm.

Das Schlimmste daran jedoch war ihr Peiniger, oder besser gesagt ihre Peinigerin.

Zack verharrte regungslos und hielt den Atem an, als er inständig hoffte, dass das Mädchen, das Alyssa ein Messer an den Hals hielt, nicht durch seine Anwesenheit aufgeschreckt wurde und ihr in die verletzliche Kehle schnitt.

»Warum tust du mir das an, Lana?«, flüsterte Alyssa mit tränenerstickter Stimme, während sie ihre Peinigerin mit starrem Blick ansah. »Ich dachte, wir wären Freundinnen!«

»Wenn du nicht mehr da bist, werde ich die Beste sein. Nicht du«, zischte der Teenager. »Alles hat sich immer nur um dich gedreht. Ich kann es nicht mehr hören, wie toll Alyssa ist, wie talentiert Alyssa ist, dass Alyssa zu nichts anderem bestimmt ist, als ein großer Star zu werden. Und wie nennt man mich? Die Zweitbeste. Die ewige Zweite. Gleich hinter dir. Aber jetzt werde ich der Star sein, und selbst an deinen Namen wird sich niemand mehr erinnern.«

Großer Gott. Zack erkannte das Mädchen. Sie war direkt vor Alyssa aufgetreten und hatte gezeigt, dass sie ebenfalls Talent besaß. Doch in dem Moment, als Alyssa die Bühne betreten hatte, war offensichtlich geworden, dass Alyssa sie mühelos überstrahlte.

Wie sehr sie ihre Konkurrentin dafür hasste, war ihr deutlich anzuhören. Die Boshaftigkeit und der Triumph, die in ihrer Stimme mitschwangen, drehten Zack den Magen um. Ein Tropfen Blut glitt über Alyssas Hals, und sie stieß einen kurzen Schrei aus, der jedoch mehr auf Anspannung und Angst beruhte als auf Schmerz.

Das Schlimmste an der ganzen Sache aber war, dass das Mädchen sich einen derart ausgeklügelten Plan auf keinen Fall selbst ausgedacht haben konnte. Und sicher kannte sie auch keine Männer, die in der Lage waren, ihn im Rahmen eines so professionell durchgeführten Schlags in die Tat umzusetzen. Und das bedeutete, dass ihre Eltern offensichtlich nicht nur Kenntnis von den Vorgängen im Keller ihres Hauses besaßen, sondern wahrscheinlich selbst hinter allem steckten.

Zack musste handeln, und zwar schnell. Er wusste Menschen einzuschätzen und zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass dieser eifersüchtige Teenager Alyssa umbrächte, wenn er jetzt nicht einschritt. Er wollte zwar um nichts in der Welt eine Jugendliche töten, ein Kind noch – aber nein, das hier war kein Kind. Sie war eine Psychopathin, kaltblütig und ohne jegliche Skrupel, einen Menschen aus dem Weg zu räumen, den sie als Konkurrenz betrachtete.

Und dann wurde ihm die Entscheidung plötzlich abgenommen, als Alyssas Blick an dem Mädchen vorbeiging und sie seine Anwesenheit verriet, weil sie erschrocken die Augen aufriss. Zum Glück ließ das Mädchen das Messer sinken und drehte sich um. Vielleicht, weil sie dachte, hinter ihr würde einer von den an Alyssas Entführung beteiligten Männern stehen. Doch als sie ihn erblickte, hob sie die Messerhand wieder, und es lag dabei ein so niederträchtiger Ausdruck auf ihrem Gesicht, dass es ihm eiskalt den Rücken herunterlief. Dann wirbelte sie zu Alyssa herum und holte mit dem Messer aus, um es ihr in die Brust zu stoßen.

All das geschah im Bruchteil einer Sekunde und trotzdem meinte er, es in Zeitlupe ablaufen zu sehen.

Alyssa schrie auf und warf sich zur Seite, um der tückischen Klinge auszuweichen. Zack zielte auf Lanas Arm, drückte ab und traf sie knapp über dem Handgelenk, worauf das Messer klirrend zu Boden fiel. Lana stieß einen Schrei aus, der wie eine Nachahmung von Alyssas Schrei klang, ließ sich aber trotz des offensichtlichen Schmerzes durch die Schusswunde nicht von ihrem geplanten Rachefeldzug abbringen.

Die getroffene Hand hing schlaff herab, als sie sich wie eine Furie auf Alyssa stürzte und versuchte, ihr das Gesicht mit der unversehrten Hand zu zerkratzen.

Zum Teufel noch mal!

Zack stürzte vor, packte die Rasende bei den Haaren und riss sie zurück. Zwei Stimmen dröhnten ihm ins Ohr und verlangten einen Lagebericht. Er schenkte ihnen jedoch keine Beachtung, da seine größte Sorge momentan Alyssas Schutz vor Überraschungsgästen galt, die jederzeit die Treppe herunterstürzen konnten – und keine Mitglieder seines Teams waren.

»Ich bring Sie um!«, kreischte Lana und richtete ihren Zorn jetzt gegen Zack.

Doch in der nächsten Sekunde verwandelte sich ihre Wut schon wieder in Triumph, als sie voller Boshaftigkeit in Alyssas Richtung sah.

»Sie sind ohnehin zu spät«, erklärte sie mit einem hinterhältigen Unterton.

Zack verschwendete keine Zeit mit Überlegungen, was diese Wahnsinnige wohl meinte, sondern zwang sie auf einen in der Nähe stehenden Stuhl, legte ihr eine Handschelle um das unverletzte Handgelenk und fesselte sie an die Armlehne. Diesmal war sie es, die die Anwesenheit des anderen verriet. Als Erleichterung in ihren Augen aufflackerte, warf Zack sich sofort auf den Boden und rollte sich mit einer geschmeidigen Bewegung zu Alyssa, um sie mit seinem Körper vor einer möglichen Bedrohung zu schützen.

Mit der Waffe im Anschlag zögerte er keine Sekunde, als er einen Mann in einem ähnlichen Aufzug erblickte wie jenen, den Zack oben im Flur zur Strecke gebracht hatte. Ihm blieb keine Zeit, um den Angreifer mit einem gezielten Schuss endgültig auszuschalten, weshalb er ihm eine Kugel in den Oberschenkel verpasste und so außer Gefecht setzte. Der Art und Weise nach, wie das Blut aus der Wunde des zu Boden gehenden Mannes spritzte, hatte Zack vermutlich die Hauptschlagader getroffen. In dem Fall stellte der Kerl vermutlich keine Gefahr mehr dar, da er innerhalb weniger Sekunden verbluten würde.

Da Zack allerdings lieber auf Nummer sicher ging, legte er noch einmal an und gab dem Angeschossenen mit einer zweiten Kugel in den Nacken den Gnadenschuss.

»Wo zum Teufel bleibt ihr alle?«, wandte Zack sich jetzt zum ersten Mal an seine Kameraden. »Alyssa ist im Keller, und zwei der Entführer sind tot. Hätte wohl jemand die Güte, mich hier zu unterstützen?«

»Tja, wärst du etwas geduldiger gewesen, hättest du deine Unterstützung bekommen«, erwiderte Dane trocken.

»Hätte ich noch länger gewartet, wäre Alyssa jetzt tot«, fauchte Zack zurück.

»Wir haben das Hauptgeschoss gesäubert und sind auf dem Weg zu dir«, warf Eliza ein. »Und Zack, wir haben es hier mit einer ganz üblen Sache zu tun.«

»Ihr wisst noch nicht mal ansatzweise, was hier los ist«, erwiderte Zack bitter.

Froh, dass er sich nicht mit weiteren unliebsamen Überraschungen herumschlagen musste, kam Zack hoch und machte sich sofort daran, Alyssas Handgelenke mithilfe des Schlüssels zu befreien, der nur wenige Schritte entfernt auf einem Tisch lag. Sobald sie frei war, fiel sie ihm um den Hals und brach in lautes Schluchzen aus. Er schloss die Augen, legte eine Hand an ihren Kopf und strich ihr tröstend übers Haar.

»Es ist alles wieder gut, Kleines. Du bist jetzt in Sicherheit.«

»Nein, gar nichts ist gut«, widersprach sie unter heftigem Schluchzen. »Nichts wird je wieder gut sein.«

Je länger sie sich an ihn klammerte, desto größer wurde der Kloß, den Zack wegen ihres Kummers im Hals hatte. Die Welt war voller kranker und hirnverbrannter Idioten aller Art, aber das hier hatte ein Potenzial, mit dem selbst er nicht gerechnet hatte. Dass ein so junger Mensch so böse und – krank sein konnte. Ihm fehlten die Worte.

»Kannst du aufstehen oder soll ich dich tragen?«, fragte Zack mit betont sanfter Stimme. »Wie schlimm bist du verletzt?«

Bei dieser Frage brach sie vollends zusammen. Ihr bitterliches Weinen enthielt eine Trostlosigkeit, die seine Wut schürte, dass man solch ein unschuldiges Wesen derart zugrunde gerichtet hatte. Doch was sie dann sagte, traf ihn trotzdem wie ein Schlag.

»Sie hat mir die – Kniescheiben gebrochen«, schluchzte Alyssa. »Sie wollte, dass ich nie wieder tanzen kann. Das Tanzen war alles, was ich hatte, und jetzt ist es aus und vorbei. Sie war doch meine Freundin. Wir sollten im selben Zimmer untergebracht werden, gemeinsam die Akademie für Darstellende Kunst besuchen. Oh Gott! Wenn ich nun nie wieder laufen kann?«

Zack schwieg schockiert. So sanft, wie es ihm angesichts der Tatsache, dass er vor Wut bebte, möglich war, löste er sich von ihr, sodass er ihre Beine betrachten konnte. Da seine ganze Konzentration vorher Lana, dem Messer in ihren Händen und der Furcht in Alyssas Augen gegolten hatte, war ihm ihr Zustand gar nicht aufgefallen.

Doch was er jetzt sah, hätte er sich schlimmer nicht ausmalen können.

Der Ballettanzug, den sie während der Vorführung getragen hatte, war zerrissen und blutverschmiert, der Stoff um die Knie herum unnatürlich weit von gigantischen Schwellungen gedehnt, die von den gewaltsam zugefügten Verletzungen stammten. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so furchtbar gefühlt. Nicht mehr seit …

Er schüttelte den Kopf und weigerte sich, an jenen Moment in seinem Leben zurückzudenken. Hier war ein junges Mädchen, das ihn jetzt brauchte. Er war alles, was zwischen ihr und dem Tod gestanden hatte. Und für sie war diese Verletzung verheerenden Ausmaßes vielleicht sogar schlimmer als der Tod.

Mit größter Vorsicht schob er einen Arm unter ihre Beine – zwischen Kniekehlen und Po – und schlang den anderen unter der Achsel um ihren Oberkörper, sodass er sie fest im Griff hatte.

»Das wird jetzt ein bisschen wehtun, aber ich muss dich ins Krankenhaus bringen – in Sicherheit. Vielleicht sind deine Verletzungen ja gar nicht so schlimm, wie du befürchtest.«

Hoffnungslosigkeit und Zweifel standen ihr deutlich ins verweinte Gesicht geschrieben, doch sie presste die Lippen aufeinander und gab nicht einen Mucks von sich, als er sie hochhob und an Lana vorbeitrug, die noch immer an den Stuhl gefesselt war.

»Und was ist mit mir?«, schrie Lana mit schriller Stimme. »Sie haben mich angeschossen!«

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Alyssas Kopf fest unter seinem Kinn lag und ihr Gesicht an seinen Hals geschmiegt war, damit sie ihre Peinigerin nicht mehr sehen musste, richtete Zack seinen eiskalten Blick auf Lana.

»Verklag mich doch«, knurrte er.

2

Zack veränderte seine Position auf dem unbequemen Hocker in der mehrere Blocks von seiner Wohnung entfernten Bar, die eher die Bezeichnung Spelunke verdiente. Sie war zu einer Art Zuflucht für ihn geworden, ein Ort, wo ihn niemand kannte. Obwohl er regelmäßig herkam, blieb er immer für sich, redete niemals mit anderen und nutzte die Bar auch nicht, um Frauen für einen One-Night-Stand aufzureißen. Sie war einfach nur ein Ort zum Dampfablassen nach einem besonders schlimmen Auftrag und in Zeiten, wo ihn die Vergangenheit entgegen aller Bemühungen, sie hinter sich zu lassen, wieder einholte.

Und im aktuellen Fall hatte das Schicksal gleich doppelt zugeschlagen.

Weil dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – Höllenauftrag das gesamte Paket schmerzlicher Erinnerungen wieder zutage gefördert hatte, die einen bemerkenswert langen Zeitraum von ihm im Zaum gehalten worden waren. Er hatte sogar bereits geglaubt, über das Schlimmste hinweg zu sein, Fortschritte gemacht zu haben, endlich losgelassen und akzeptiert zu haben. Akzeptiert zu haben, dass das Leben, so wie er es geplant hatte – das Leben, von dem er geträumt hatte – niemals sein würde, und dass es daher an der Zeit war, sich auf einen neuen Traum zu konzentrieren. Eine neue Vision. Oder bis in alle Ewigkeit zu opfern, was auch nur ansatzweise einem glücklichen, zufriedenen und erfüllten Leben entsprach.

Ja, wenn man es so sah, musste man kein Genie sein, um festzustellen, dass er sich viel zu lange zum Gefangenen von Dingen gemacht hatte, die nicht in seiner Hand lagen. Es wurde Zeit, endlich darüber hinwegzukommen und den Hintern hochzukriegen.

»Hey.« Eine sanfte Stimme riss ihn aus der Endlosschleife seiner Selbstkasteiung.

Dankbar und erleichtert, dass ihm eine Atempause von seinen Grübeleien gewährt wurde, drehte er sich um, obwohl er es sonst vorzog, nicht gestört zu werden, wenn er hier war – an einem Ort, wo er sich normalerweise darauf verlassen konnte, in Ruhe gelassen zu werden, weil jeder für sich blieb und sich nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte.

Er lächelte, als er Tonya erkannte, eine Krankenschwester, aus jenem Hospital, in das er Alyssa früher am Abend gebracht hatte. Sie arbeitete in der Notaufnahme, weshalb Zack wie auch andere Angestellte des Devereaux Sicherheitsdienstes sie gut kannten. Ohne Übertreibung konnte man ihn und seine Kollegen als »Stammkunden« der Notaufnahme bezeichnen, ob es sich nun um verletzte Mitglieder ihres Teams handelte oder um Personen, die in direktem Zusammenhang mit ihren Aufträgen standen – wie Alyssa.

»Harter Abend, was?«, meinte Tonya ruhig, während ihr Blick über Zacks Züge huschte, als wären sie ein grelles Neonschild, das auf seine Seelenqualen hinwies.

Zack seufzte und leerte seine Bierflasche in einem Zug, um sie dann auf den Tresen zu stellen und dem Barkeeper ein Zeichen zu geben.

»Das kann man wohl sagen. Möchtest du was trinken?«

Tonya glitt auf den Hocker neben ihm und deponierte ihre Handtasche auf ihrem Schoß. »Ich nehme, was du nimmst.«

Zack hob die Hand, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu ziehen, und hielt zwei Finger hoch.

»Das Mädchen war zwar nicht meine Patientin, aber die gesamte Notaufnahme hat über nichts anderes geredet«, erzählte Tonya, wobei ihr hübsches Gesicht sich verzog. »Falls du nicht darüber reden kannst, kein Problem. Aber stimmt es, dass ihre Freundin ihr das angetan hat, weil Alyssa die bessere Tänzerin war?«

Zack schnaubte höhnisch. »Freundin, ha.«

»Du meine Güte. Dann stimmt es also. Zu was für durchgeknallten Jugendlichen erziehen die Eltern ihre Kinder eigentlich heutzutage?«

»Ich glaube, dass Problem ist, dass gar keine Erziehung mehr stattfindet«, entgegnete Zack angewidert. »Ist wohl eher so, dass die Eltern sich fest im Griff ihrer missratenen Sprösslinge mit ihrem maßlosen Anspruchsdenken befinden. Wo, zum Donnerwetter, sind eigentlich der gute alte Schmollmund und die Wutausbrüche hin, weil sie ihr Lieblingsspielzeug nicht bekommen? Anscheinend gehört es neuerdings zum Standard, unliebsame Konkurrenten einfach fertigzumachen.«

Tonya nahm sich eine der Bierflaschen, die der Barkeeper vor sie hingestellt hatte, und stieß mit Zack an, ehe sie einen kräftigen Schluck nahm.

»Da überlegt man es sich auf jeden Fall zweimal, ob man Kinder in die Welt setzt.«

Zack nickte, obwohl eine große Familie genau das war, was er sich immer gewünscht hatte. Wäre alles nach Plan gelaufen … Er schloss die Augen, doch erst, als er den einmal angefangenen Gedanken zu Ende geführt hatte. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte er sich irgendwann aus der Profiliga zurückgezogen und wäre jetzt Vater seines zweiten, wenn nicht gar dritten Kindes gewesen, statt sich im zweiten Jahr als Quarterback eine schlimme Verletzung zuzuziehen und sich zu entschließen aufzuhören.

»Hey, alles in Ordnung?«, fragte Tonya.

Er sah in ihre Richtung. Die Sorge in ihrem Blick war unübersehbar. Er versuchte gar nicht erst zu lügen, schließlich bekam sie diese Art von Elend jeden Tag zu Gesicht – Dinge, die sie genauso wenig kaltließen wie ihn.

»Ja. War nur wieder ein lausiger Tag im Büro.«

Sie lachte und stieß noch einmal mit ihm an. »Darauf trinke ich. Andererseits, ist nicht jeder Tag lausig, wenn man so einen Job hat wie wir? Da kommt einem unweigerlich die Frage, ob wir nicht schon völlig abgestumpft sind.«

Zack wusste, warum er nicht zu den Profis zurückgekehrt war, warum er eine Laufbahn als Polizist eingeschlagen hatte. Sicher gab es den einen oder anderen, der sagte, dass er nur in die Fußstapfen seines alten Herrn getreten war, auch wenn das das Letzte gewesen wäre, was er je angestrebt hätte. Und er wusste auch, warum er an einem Scheidepunkt seines Lebens, als eine Regierungsbehörde ihn umworben hatte, schließlich einer Anstellung beim Devereaux Sicherheitsdienst den Vorzug gegeben hatte.

Ihm gefiel es beim Devereaux Sicherheitsdienst, und er mochte die Leute, mit denen er zusammenarbeitete. Außerdem gefiel ihm die Tatsache, dass gewisse Fähigkeiten, die von den meisten Menschen mit Skepsis oder offenem Hohn betrachtet wurden, dort nicht nur akzeptiert waren, sondern dass mit sowohl Calebs als auch Beaus Ehefrau gleich zwei lebende Beweise für diese außergewöhnlichen Kräfte in ihren Reihen zu finden waren.

Denn Erfahrung mit übernatürlichen Dingen hatte Zack schon selbst gemacht. Gracie hatte so eine Gabe besessen – die Fähigkeit, Gedanken zu lesen, auch wenn es für den Umstand, dass sie sie besaß, keine Erklärung gab. Genetisch bedingt war sie ganz bestimmt nicht, da ihre Eltern die reinste Verschwendung menschlicher DNA gewesen waren. Und trotzdem hatten sie es irgendwie geschafft, eine außergewöhnliche Tochter hervorzubringen, die auf ganz erstaunliche Weise anders war, als es ihre Herkunft oder ihr Umfeld hätten vermuten lassen. Leicht kam da der Gedanke auf, dass man sie bei der Geburt womöglich vertauscht hatte oder dass diese hochwissenschaftliche Diskussion um vererbte und erworbene Anlagen nichts weiter als das Hirngespinst einiger abgehobener Genies war, die nichts Besseres zu tun hatten, als Hypothesen über das Sein und Werden des Menschen aufzustellen.

Gracie hatte sich sowohl über ihre Erbanlagen als auch ihre Lebensumstände hinweggesetzt. Was ihre Gene betraf, war sie ein total kaputtes Wesen, dem ein Leben auf der Verliererseite vorherbestimmt war. Und warf man einen Blick auf ihr Umfeld, wäre die Prognose auch in dieser Hinsicht negativ ausgefallen, da sie unter Einflüssen hatte aufwachsen müssen, die dem Heranreifen zu einem verantwortungsbewussten, mitfühlenden, intelligenten und zauberhaften Wesen nicht gerade förderlich gewesen waren. Nichtsdestotrotz besaß Gracie all diese Eigenschaften. Und was hatte es ihr eingebracht? Er hatte nicht die geringste Ahnung, sich über die Jahre hinweg jedoch so manch grausames Schicksal ausgemalt, von dem ihm jedes einzelne endlose Qualen bereitete.

»Hey«, sagte Tonya, womit sie seine Gedanken ein weiteres Mal dem Dunkel entriss, in das sie hinunterzutrudeln begannen.

Er blickte wieder in ihre Richtung, begegnete ihrem süßen Lächeln, ihrem freundlichen, funkelnden Blick und ihren verlockenden Zügen.

»Wollen wir vielleicht zusammen ein bisschen Dampf ablassen? Bei dir, bei mir … mir ist es gleich. Und nein, ehe du fragst, das soll kein Heiratsantrag sein, und nein, ich suche auch nicht nach einer Beziehung. Ich bin ganz glücklich mit meinem Leben, so wie es im Augenblick ist, aber das heißt nicht, dass ich blind bin oder eine heiße Liebesnacht mit einem Prachtexemplar von Alphamann ausschlagen würde.«

Ihre Frage brachte ihn ins Wanken, obwohl er sich eigentlich als einen Menschen sah, wie er standhafter nicht sein konnte, und als einen Meister im Verbergen von Gefühlen.

Tonya war eine schöne und intelligente Frau. Darüber hinaus besaß sie einen feinen Humor, war nicht selbstgefällig und nahm sich auch nicht allzu ernst. Und sie war ein guter Mensch. Eine Frau, die zu besitzen jeder Mann sich verdammt glücklich schätzen könnte, und das nicht nur als kurzes Intermezzo, wie sie es vorschlug.

Warum, zum Teufel, saß er dann also noch hier herum und starrte sie an, als hätte er keine Idee, was er darauf antworten sollte, anstatt sie längst Richtung Tür zu schleifen?

Was, zur Hölle, war bloß los mit ihm?

Scham begann sich in ihm zu regen, und strömte in seine Brust, bis er das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Sie bot ihm etwas an, wofür die meisten Männer ihre rechte Hand hergegeben hätten, doch sie verdiente einfach mehr als eine schnelle Nummer mit einem Kerl, der mit den Gedanken nicht voll und ganz bei ihr war. Und genau das würde er ihr heute Nacht nicht garantieren können. Außer einem Orgasmus hätte er ihr wahrscheinlich gar nichts zu geben, und selbst der war infrage gestellt, da keiner seiner beiden »Köpfe« bei der Sache war. Aber auch wenn er nicht unbedingt sein edelstes Stück dazu brauchte, um eine Frau abheben zu lassen und ihre Welt ins Wanken zu bringen, war ihm heute Abend einfach nicht danach zumute.

Tonya lächelte weiter, ließ aber ihre Hand seinen Arm hinabgleiten und umschloss sein Handgelenk, um es dann sanft zu drücken.

»Mein Ego zerbricht nicht schon beim kleinsten Widerstand, Zack. Dein Gesichtsausdruck ist mir Antwort genug, also zermartere dir nicht das Hirn, wie du mir am schonendsten beibringst, dass du nicht auf einen One-Night-Stand aus bist. Ich hab’s kapiert, okay? Und falls du später mal darauf zurückkommen willst, ist es nicht so, dass ich deswegen jetzt eingeschnappt bin und dich für alle Zeiten abblitzen lasse.«

Mit ernster Miene ließ Zack die Finger an ihrem Kinn entlanggleiten und legte seine Hand an ihre Wange.

»Genau das ist der Beweis dafür, warum du etwas Besseres verdient hast als mich – und sei es auch nur für eine Nacht.«

Sie griff nach seiner Hand, löste sie sanft von ihrem Gesicht und legte sie auf den Tresen zurück, jedoch nicht ohne sie noch einmal kurz zu drücken.

»Wer auch immer sie war, sie muss dir wirklich übel mitgespielt haben.«

Überrascht von ihrer Feinfühligkeit, dass sein Zögern irgendetwas mit einer früheren Beziehung zu tun haben musste, sah er sie verblüfft an. Und obwohl er merkte, dass sie die falschen Schlüsse gezogen hatte, widersprach er ihr nicht.

»So was passiert den Besten von uns«, sagte sie voller Mitgefühl. »Was aber die Starken von den Schwachen unterscheidet, ist, was man dann daraus macht.«

Zack beugte sich vor, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Danke. Das zu hören, habe ich heute Abend gebraucht.«

Als er von seinem Barhocker rutschte, runzelte sie die Stirn. »Soll ich dich nach Hause fahren? Wie viel hast du getrunken?«

Der tadelnde Unterton in ihrer Stimme entlockte ihm ein Lächeln. Ja, sie war schön, humorvoll und pfiffig, aber vom Gefühl her eher eine Schwester für ihn denn eine Geliebte. Warum fühlte er sich nicht zu ihr hingezogen? In sexueller Hinsicht? Sicher würde es ihm momentan eine ganze Menge Dinge erleichtern. Allerdings konnte man nicht behaupten, dass frühere sexuelle Begegnungen je von mehr als flüchtiger Attraktivität und einem kurzen Moment der Lust geprägt gewesen waren, um Spannungen abzubauen.

Falls er Tonya also doch irgendwann mehr Zuneigung entgegenbrachte, als man für eine Schwester oder eine gute Freundin empfand, dann käme nur eine ernstere Beziehung infrage, da sie nicht weniger als das verdiente. Nebenbei bemerkt hatten alle Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, mehr verdient, als sie von ihm bekommen hatten. Zumindest aber hatte er sie nicht belogen oder zu falschen Vorstellungen verleitet, und beide Seiten hatten gewusst, woran sie waren. So ein Mistkerl war er nun doch nicht.

Und Tonya? Trotz ihrer wortreichen Beteuerung, dass sie weder eine Ehe noch sonstige Verpflichtungen wollte – und das nahm er ihr ab, weil sie durch und durch ehrlich und erfrischend geradeaus war – gehörte sie zu den Ich-möchte-dich-gern-mal-meiner-Familie-vorstellen-Frauen.

»Ich hatte genau ein und ein Viertel Bier und kann noch fahren, oder willst du vielleicht einen Bluttest machen?«, neckte er sie.

Sie verdrehte die Augen. »Okay. Dann erkläre ich dich für fahrtauglich. Ich will nur nicht, dass du in der Notaufnahme landest, wenn ich keinen Dienst habe. Also sei vorsichtig.«

»Werd’ ich sein. Und Tonya, danke. Das sage ich nicht nur so daher.«

»Jederzeit – für einen Freund.«

»Dann will ich mal los und mich ein bisschen aufs Ohr hauen. War echt ein beschissener Tag. Wird Zeit, ihn zu beenden und morgen ganz neu zu beginnen. Hauptsache, er wird nicht genauso schrecklich.«

Sie prostete ihm mit der Bierflasche zu, als er sie noch einmal umarmte und dann zur Tür ging.

Nach gut einer Stunde in der stickigen Bar war die kühle Luft draußen eine wahre Wohltat. Außerdem riss sie ihn förmlich vom unseligen Pfad der sentimentalen Gedanken, in denen er sich zuletzt ergangen hatte.

Er schlüpfte hinter das Lenkrad seines SUVs und hielt inne, ehe er den Motor anließ. Nein, er hatte nicht gelogen. Auf der Skala der beschissenen Tage rangierte dieser wirklich ganz oben. Nur wenige andere Ereignisse in seinem Leben besaßen das Potenzial, ihm Konkurrenz zu machen. Und vielleicht war das auch der Grund, warum es ihn so mitgenommen hatte.

Gracie zu verlieren, nicht zu wissen, wie oder warum, war keine Sache, die er einfach so weggesteckt hatte. Ja, er war immer noch nicht darüber hinweg.

Sein alter Herr war furchtbar wütend auf ihn gewesen, weil Zack im Abschlussjahr nach einer grandiosen Zeit als Starting-Quarterback der University of Tennessee ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, nicht einmal den Wehrdienst zu leisten. Aber er war weder mit dem Kopf noch mit dem Herzen bei der Sache gewesen. Wie auch, wenn der einzige Mensch, mit dem er seinen Traum hatte teilen wollen, plötzlich verschwunden war – spurlos –, und er deshalb vom absolut Schlimmsten hatte ausgehen müssen. Welchen Sinn hatte das Ganze dann noch?

Sein Vater hatte sich aufgeregt und ihm vorgeworfen, sein Leben wegen einer Asozialen wegzuwerfen, für die jede Sekunde vergeudet wäre. Er hatte Gracie nie gemocht, wobei nie gemocht noch nett ausgedrückt war. Er hatte sie verachtet. Das einzige Mal, als Zack Gracie mit nach Hause genommen und sie seinem Vater vorgestellt hatte, war sie von diesem Mistkerl gedemütigt worden, indem er sie als »weißen Abschaum« bezeichnet und mehr als deutlich gemacht hatte, dass es keinen Platz in Zacks Leben für sie gäbe, dass er nach Wichtigerem strebte und dass sie nicht gut genug für ihn wäre und es niemals zu etwas bringen würde.

Zack hatte sie nie wieder mit nach Hause mitgenommen. Und seitdem war da diese riesige Kluft zwischen ihm und seinem Vater. Eine Kluft, die bis zum heutigen Tage nicht geschlossen worden war.

Nach ihrem Verschwinden hatte er sich an seinen Vater gewandt und ihn um seine Hilfe gebeten. Schließlich war es seine verdammte Pflicht als Polizeichef, jeden Bürger seiner Stadt zu beschützen. Sein Vater hatte nur gelacht. Der verfluchte Kerl hatte tatsächlich gelacht und förmlich frohlockt, dass sie nicht mehr da war. Nicht einen Finger hatte er gekrümmt, um ihrem Verschwinden auf den Grund zu gehen.

Und als Zack dann zögerte, seinen Wehrdienst zu leisten – vor allem, weil er befürchtete, bei ihrer Rückkehr nicht da zu sein, was dann womöglich so aussähe, als hätte er sie einfach aufgegeben, sie im Stich gelassen – war sein Vater ausgerastet.

Nur dem guten Zureden seiner Freunde, die ihm versicherten, Gracie hinzuhalten und ihm Bescheid zu geben, hatte er es zu verdanken, dass er seinem Traum einer Karriere als Profispieler gefolgt war. Das hätte er sich ohne Gracie an seiner Seite nie vorstellen können.

Sie hatten heiraten, eine große Familie haben wollen. Er wollte zehn Jahre in der Profiliga spielen, genug Geld zur Absicherung seiner Familie beiseitelegen und sich dann zurückziehen, um sich voll und ganz seiner Frau und seinen Kindern widmen zu können.

In seiner ersten und zweiten Saison hatte er sein Team aus dem Keller geholt und bis in die Play-offs geführt. Man hatte ihn zum Retter des Teams ausgerufen, demjenigen, der dafür gesorgt hatte, dass es wieder ganz oben mitmischte, dass man der Mannschaft wieder Beachtung schenkte. Und dann hatte ihm ein übler Zusammenprall während des Touchdown-Passes, der den Spielgewinn brachte, einen Rotatorenmanschettenabriss beschert, was für ihn das Aus nach nur zwei Jahren als Profi-Footballspieler bedeutet hatte.

Seine Karriere war damit zwar nicht automatisch beendet gewesen, aber er hatte an einem Scheideweg gestanden, wo ihm zwei Möglichkeiten offen standen. Entweder nutzte er die spielfreie Zeit, um sich einer umfassenden Reha zu unterziehen, bis zum Umfallen zu trainieren und dann zurückzukommen. Oder er nahm das Geld, das ihm vertraglich zustand, und hörte auf.

Er hatte sich für Letzteres entschieden.

Er hätte wieder eingesetzt werden können, hätte zurückkehren und wahrscheinlich noch viele Jahre lang spielen können. Doch er war zur Polizei gegangen, weil Gracie in seinen Gedanken immer noch an oberster Stelle stand und er die Hoffnung einfach nicht aufgeben wollte, sie eines Tages doch noch zu finden. Oder zumindest zu erfahren, was mit ihr passiert war.

Sein Vater war stinksauer gewesen, war vor Wut fast geplatzt und hatte ihm vorgehalten, der Zusammenprall wäre absolut vermeidbar gewesen, hätte er sich nur aufs Spiel konzentriert, statt mit seinen Gedanken bei diesem nichtsnutzigen Ding zu sein, von dem er wie besessen schien. Er würde sein ganzes Leben nur wegen einer Frau ruinieren. Sein Vater war ein regelrechter Frauenhasser, der sich nicht vorstellen konnte, für ein weibliches Wesen irgendein Opfer zu bringen. Schon gar nicht eine Karriere, mit der sich Millionen verdienen ließen.

Als Kind hatte Zack es seiner Mutter sehr übel genommen, dass sie ihn und seinen Vater sitzengelassen hatte, doch als er älter geworden war, hatte er sie verstanden. Welche Frau hätte es auch mit einem Mann wie seinem Vater aushalten können? Das Einzige, was er ihr heute noch vorwarf oder übel nahm, war die Tatsache, dass sie ihn mit einem Mann allein gelassen hatte, der keine andere Bezeichnung als selbstsüchtiges Arschloch verdiente.

Also hatte Zack eine Karriere gewählt, die es ihm ermöglichte, die Suche nach Gracie aktiver zu gestalten, und war nach der letzten Auseinandersetzung mit seinem Vater nie wieder nach Hause zurückgekehrt. Es gab einfach nichts, das ihn dorthin zog, und jedes Mal, wenn man eine Leiche fand, starb er tausend Tode, weil er sich fragte, ob es vielleicht Gracie war. Zu schmerzhaft war die Rückkehr an einen Ort, der so ein wichtiger Bestandteil seines Lebens, seiner Vergangenheit gewesen war. Der Ort, wo er und Gracie sich begegnet waren, sich ineinander verliebt und ihre Hoffnungen und Träume von einer gemeinsamen Zukunft geteilt hatten.

Weil er immer das Gefühl gehabt hatte, noch warten zu müssen, hatte er sich seine Jungfräulichkeit bis zum Einstieg in die Profiliga bewahrt, obwohl es ihm auf dem College wahrlich nicht an Gelegenheiten gemangelt hatte. Und wenn er an jene Nacht zurückdachte, beschlich ihn auch heute noch ein Gefühl der Demütigung, weil sein erstes Mal ihn tief erschüttert hatte. So sehr, dass er aus dem Bett ins Bad getaumelt war und den Inhalt seines Magens an die Toilette übergeben hatte. Denn dieser Teil von ihm war eigentlich für Gracie bestimmt gewesen. Sie hatten gewartet. Ihm war es wichtig gewesen, damit zu warten, bis sie verheiratet waren. Da Gracie vier Jahre jünger war als er, wollte er sich hinterher nicht fühlen, als hätte er sie irgendwie ausgenutzt. Er wollte, dass ihre Hochzeitsnacht zu etwas ganz Besonderem wurde. Verdammt, er konnte sich nicht einmal an den Namen des Mädchens erinnern, bei dem er seine Unschuld verloren hatte. Was für ein Schwein war er eigentlich?

Zum Glück hatte sie gedacht, er hätte zu viel getrunken, da sie sich auf der Mannschaftsfeier nach dem Gewinn eines Playoff-Spiels kennengelernt hatten.

Zack schlug mit der Hand aufs Lenkrad, als sein Ärger immer größer wurde und Selbstverachtung ihn übermannte. Wegen seiner persönlichen Probleme und Unfähigkeit, nach vorne zu schauen und endlich über den ganzen Mist hinwegzukommen, hatte er heute Abend eine in jeder Hinsicht wundervolle Frau beleidigt.

Zwölf Jahre. Zwölf gottverdammte Jahre. Jetzt reichte es!

Das war doch Schwachsinn.

Entweder war Gracie tot, oder sie hatte verschwinden wollen. In beiden Fällen konnte er nichts tun, und es war an der Zeit, damit aufzuhören, sich wie ein Zombie durchs Leben zu schleppen, und sein Schicksal endlich wieder in die Hand zu nehmen.

Der ganze Wahnsinn musste ein Ende haben und zwar jetzt. Er wollte nicht mehr auch nur einen verfluchten Tag länger darüber nachdenken, was hätte sein können, während es jeder einigermaßen vernünftige Mensch in seinen Schädel bekam, dass das, was hätte sein können, niemals geschehen, und dass kein auch noch so intensives Bedauern oder Wünschen je etwas daran ändern würde.

Er warf den Motor an und packte das Lenkrad mit einer Entschlossenheit, die ihn wie ein Stahlpanzer umgab.

Loslassen.

Nach vorne schauen.

Aufhören, sich wie ein Jammerlappen zu benehmen.

Glücklich sein.

Und gleich morgen damit anfangen. Genau das würde er tun. Heute Abend war die Zeit, sich von alten Träumen und dem, was nie sein würde, zu verabschieden. Und morgen?

Morgen würde er die Zukunft willkommen heißen, eine Zukunft ohne all den Ballast, den er seit mehr als einem Jahrzehnt mit sich herumschleppte.

3

Anna-Grace hob das Gemälde an die Wand und hielt es mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung, wobei sie es mit vor Konzentration finsterer Miene aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete.

»Wenn du mich doch nur einmal so ansehen würdest«, neckte eine männliche Stimme.

Die Falten der Konzentration – wie auch die Konzentration an sich – waren schlagartig verschwunden, als sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen zu Wade Sterling umdrehte.

»Ich wusste gar nicht, dass du auf Frauen stehst, die dich kritisch ansehen«, meinte sie heiter.

Bis sie und der wohlhabende, gut aussehende Galeriebesitzer einen Punkt erreicht hatten, an dem es ihnen möglich war, solch einen lockeren Schlagabtausch zu führen, war es ein hartes Stück Arbeit gewesen. In den Augen der meisten Frauen, wenn nicht gar aller, war sie sicher ziemlich dumm, dass sie auf Wades Avancen, die mit der Zeit subtiler und nicht dreister geworden waren, nicht einging.

Er stieß ein Schnauben aus. »Du siehst ein Bild vielleicht mit finsterer Miene an, wenn dir die Lichtverhältnisse nicht gefallen, aber wenn sie stimmen, betrachtest du es, als wäre es dein Geliebter«, schnaubte er mit gespielter Empörung

Sie ärgerte sich über die leichte Röte, die sich auf ihre Wangen stahl. Und über die Tatsache, dass sie seinem Blick sofort auswich und überall hinsah, nur nicht zu ihm. Er stellte keine Bedrohung für sie dar. Vom Kopf her wusste sie das. Aber mit dem Verstand war Angst nicht zu besiegen. Angst war nicht rational. Sie trotzte allen Regeln der Vernunft.

Er seufzte, ging jedoch nicht auf ihre Abfuhr ein. Allerdings hatte er sich im Laufe ihrer Bekanntschaft auch recht gut an ihre Zurückweisungen gewöhnt. Zu Anfang hatte sie ihn eisern, ja ziemlich energisch abgewiesen. Doch mit der Zeit hatte sie versucht, entspannt zu bleiben und ihre oftmals unbewusste Ablehnung weniger schroff auszudrücken. Um sie allerdings gänzlich abzulegen, dafür war sie einfach viel zu tief in ihr verankert. Und ihr Bedauern darüber wuchs mit jeder Zurückweisung – ob unabsichtlich oder nicht.

»Warte, lass mich das machen«, sagte er anscheinend unbeeindruckt von dem Moment verlegenen Schweigens.

Er nahm das Bild, hing es dort auf, wo es ihrer Meinung nach am besten ausgeleuchtet wurde, und trat dann ein Stück zurück, um es auf sich wirken zu lassen.

»Ich find’s gut«, sagte er schlicht. »Aber das weißt du ja. Sonst würdest du es gar nicht erst ausstellen, und ich auch nicht – trotz aller Freundschaft. Diese Ausstellung wird dich groß rausbringen, Anna-Grace. Wegen deines letzten Werkes …«

Er führte den Satz ganz bewusst nicht zu Ende und musterte sie mit einem durchdringenden Blick, unter dem sie unsicher wurde und anfing zu zappeln.

»Es ist fertig«, murmelte sie ausweichend, denn zumindest wäre es das, wenn sie es irgendwann losließe. Bildlich gesprochen. Glücklicherweise hatte Wade Verständnis dafür – wie auch für sie. Er verstand, dass das fragliche Gemälde kein x-beliebiges kommerzielles Kunstobjekt war, welches ihr Talent belegte. Nebenbei gesagt stand es nicht einmal zum Verkauf, war es doch viel zu persönlich, um sich je davon zu trennen, und ihre Methode, um sich selbst – nicht anderen – ihr Gelübde vor Augen zu halten. Sie hatte sogar überlegt, ob sie es überhaupt ausstellen sollte und welchem Zweck es eigentlich diente. Aber es war in vielerlei Hinsicht ein Symbol für …

Tja, es gab viele Worte, mit der sich die Symbolik des Bildes beschreiben ließe. Nach vorne schauen – sie hätte fast losgelacht, obwohl die ganze Angelegenheit alles andere als zum Lachen war. Nach vorne zu schauen, weiterzugehen, bedeutete, eine – schwierige Zeit hinter sich zu lassen. Das Ende einer Beziehung vielleicht. Den Tod eines geliebten Menschen. Erholung von einer Krise. Das Erreichen eines Punkts, an dem man sich entschied, Stellung zu beziehen und es sich nicht mehr zu gestatten, an der Vergangenheit zu kleben und nur zu existieren. Nun, zumindest Letzteres war eine sehr treffende Beschreibung ihrer Situation.

Für sie war mit dem Titel bereits alles gesagt.

Verlorene Träume.

»Zerstörte« Träume wäre zwar noch passender gewesen, aber zu dramatisch für ein Bild, das auf einen unwissenden Betrachter fast schon skurril wirken musste. Ein Bild, das durch die pure Unschuld, die es über das auf der Leinwand eingefangene Licht-und-Schatten-Spiel auszustrahlen schien, nostalgische Gefühle beschwor.

Sie hatte mehrere Anläufe gebraucht, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Und für ihre erste Interpretation des Ortes, der eine sehr wichtige Rolle in den Jahren ihrer Prägung gespielt hatte, war der Titel einfach bezeichnend gewesen – und hatte daher gleich zu Anfang festgestanden.

Die erste Version war sehr düster gewesen, fast schon gespenstisch. Man kam nicht umhin, in eine traurige Stimmung zu verfallen, wenn man die kahle Landschaft und die das Gemälde beherrschende Verlorenheit betrachtete. Eigentlich wäre sie selbst nicht in der Lage gewesen, etwas zu betrachten, das Erinnerungen an so viel Kummer, Enttäuschung und Verzweiflung zurückholte.

Sie gab gerne zu, dass es die präzisere Version gewesen war, diejenige, die ihren Schmerz, ihr Leid, am besten wiederzugeben vermochte. Aber das Bild war ihr einfach zu persönlich gewesen, um es mit Fremden zu teilen, die es nicht verstehen würden – verstehen konnten. Wie auch? Doch die ursprüngliche Fassung zeigte die Person, die sie jetzt schon viel zu lange gewesen war, und es wurde Zeit, der Welt ein anderes Bild von sich zu präsentieren. Auch wenn die Welt für sie immer noch ein schmaler, behüteter Pfad war, von dem sie nicht abweichen mochte. Kein Mensch wusste von ihren Dämonen. Sie teilte sie mit niemandem und zog es vor, es auch dabei zu belassen. Nur zu Wade hatte sie Vertrauen gefasst, aber bis sie sich immerhin einem Menschen geöffnet hatte, war es ein langer, steiniger Weg gewesen, und sie verspürte nicht den Wunsch, den Kreis ihrer Vertrauten zu vergrößern.

Deshalb hatte sie nicht einfach nur einen knorrigen, ausladenden Baum gemalt, an dem das Alter seine Spuren hinterlassen hatte – mit ausgedünnten Ästen, die nicht den Eindruck erweckten, mit ihrem Blätterdach noch irgendjemandem Schutz bieten zu können, vor einer kahlen Landschaft mit einem grauen, aufgewühlten See, der wirkte, als wäre er aufgebracht durch den Verrat, der mit dem Titel angedeutet wurde. Nein, sie hatte auch sich selbst gemalt – allein – eine Überlebende, die etwas außerhalb des Bereichs der einst schützenden Krone und des verworrenen Wurzelwerks einer mächtigen Eiche mit dem Rücken zum Betrachter stand und auf den See hinausstarrte.

Die Sonne schien, nicht ein einziges schmächtiges Wölkchen verunzierte den makellosen Himmel, und das Blau des Wassers funkelte wie winzige Diamanten, die ein Kind in ausgelassenem Spiel verstreut hatte. Und der Baum, dem man sein Alter ansah, erinnerte eher an einen zeitlosen Beschützer, der mit weit ausgebreiteten Armen stets aufmerksam über jene wachte, die unter ihm Schutz suchten.

Flucht. Freiheit. Genau jene Dinge hatte sie einst erlebt. Und nun hatte der Kreis sich geschlossen, da das fertige Bild ihre Befreiung von einer absolut destruktiven Vergangenheit darstellte.

Jetzt musste sie es nur noch aufhängen. Der letzte Schritt ihrer ganz persönlichen Metamorphose, weg von völliger Hoffnungs- und Hilflosigkeit, hin zu Stärke und Optimismus.

»Hast du deine Meinung geändert? Bist du bereit, es auszustellen?«, fragte Wade.

Ein Anflug von Hoffnung schwang in seiner Stimme mit, fast als wüsste er, dass sie die Vergangenheit, wenn sie sich jetzt dazu durchringen konnte – akzeptierte. Dass sie dadurch all das preisgab, was sie in den letzten zwölf Jahren sorgsam für sich behalten hatte. Und er hatte Angst, dass sie vielleicht doch noch nicht dazu bereit sein könnte. Er machte sich Sorgen, dass sie sich in die Frau zurückverwandelte, die sie bei ihrer ersten Begegnung gewesen war. Niemand wusste, warum er an ihr festgehalten hatte. Warum er ihre unzähligen, zum Teil sehr schroffen und kalten Zurückweisungen geschluckt und sich unbeirrt und Schicht für Schicht durch die Angst, Betäubung und fast völlige Erstarrung gearbeitet hatte, die ihr Herz mit eisernem Griff umschlossen. Warum er sich mit dem Einzigen, das sie ihm schenken konnte, zufriedengab. Freundschaft. Und schließlich – unerklärlicherweise – ihr Vertrauen.

Nein, er glaubte nicht, dass sie auch nur im Entferntesten bereit war.

Er irrte sich.

Sie war bereit. Das hier hätte sie schon viel früher tun sollen. Viel zu lange war sie wie betäubt gewesen, hatte es sich nicht gestattet, auch nur irgendetwas zu fühlen. Denn Leere war ohne Frage weitaus besser zu ertragen als der überwältigende Schmerz, dem sie sich vor langer Zeit hingegeben hatte, als gäbe es keine Alternative zu ihrem öden Leben.

Nein, sie spürte kein Verlangen nach Wade. Nicht, wie man es für einen Geliebten empfand, von dem er eben gesprochen hatte. Aber sie brauchte ihn. Seine Freundschaft, seine Verlässlichkeit, seine Unterstützung. All das brauchte sie mehr, als einzugestehen ihr lieb war, aber sie hatte es satt, sich selbst etwas vorzumachen und ständig so zu tun, als ob es ihr gut ginge, als ob alles in Ordnung wäre, als ob sie in Ordnung wäre. Normal.

Denn das war sie nicht, und würde es wahrscheinlich auch nie mehr sein. Aber das hatte sie schließlich akzeptiert, und sie hatte sich dazu entschlossen, endlich damit aufzuhören, sich Gedanken über all die Dinge zu machen, die sie verloren hatte. Stattdessen wollte sie das Beste machen aus dem, was sie hatte.

Sie sah ihn wieder an und verbarg diesmal nichts von der Verletzlichkeit, die er ihr von den Augen ablesen konnte, wie sie wusste. Es hatte Zeiten gegeben, da wäre sie lieber gestorben, als jemandem zu erlauben, sie so schwach und verletzlich zu sehen.

Seine Miene wurde sanfter, und in seinem Blick sah sie die Freundschaft, die mittlerweile der wichtigste Teil ihrer Beziehung war. Jene Zuneigung, die sie am meisten brauchte, sich aber nie zu eigen gemacht hatte. Bis heute. Und von seinem Gesicht wiederum war abzulesen – einem Gesicht übrigens, das zuweilen auch Härte, Unnachgiebig- und sogar Bedrohlichkeit zeigen konnte – dass er das Einzige akzeptiert hatte, das ihm zu bieten sie in der Lage war.

Sie wusste, dass er sich schon vor langer Zeit damit abgefunden hatte. Aber vielleicht hatte sie das bis heute nie richtig gesehen – oder nicht sehen wollen. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass er am Ende doch aufgeben könnte und sie damit den einzigen Halt verlöre, den sie abgesehen von ihrer Kunst besaß.

Ihre Schultern sackten unmerklich nach vorn, und ihr wurde bewusst, dass sie den Atem angehalten und damit jener Angst Raum gegeben hatte, die sie geschworen hatte, nie wieder in ihr Leben zu lassen. Der Angst, von ihm im Stich gelassen zu werden und dann allein zu sein. Erneut. So wie sie einst für lange, lange Zeit allein gewesen war.

Er legte einen Arm um ihre Schultern, ließ das Gemälde, das er noch in der anderen Hand hielt, sinken und lehnte es vorsichtig an die Wand. Dann zog er sie eng an sich und ließ ihr Wärme und Stärke durch seine Umarmung zuteilwerden. Mittlerweile hatte sie gelernt, das zu genießen, und der Körperkontakt, den sie stets mit aller Macht verhindert hatte, war ihr kein Graus mehr.

»Ja, du bist bereit«, beantwortete er seine Frage selbst, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Ich bin stolz auf dich, Anna-Grace.«

»Bring mich jetzt bloß nicht zum Weinen«, warnte sie ihn, als sie das verräterische Brennen in den Augen spürte.

Er drückte sie noch einmal freundschaftlich an sich, ehe er sie aus der Umarmung entließ.

»Also, wo wollen wir das gute Stück jetzt aufhängen? Es hat einen Ehrenplatz verdient«, sagte er, während sein Blick durch die Galerie und über ihre anderen Werke glitt, die bereits kunstvoll und so vorteilhaft wie möglich in Szene gesetzt worden waren. »Ich würde sagen im Zentrum, meinst du nicht auch? Es bedeutet etwas, Anna-Grace. Du bedeutest etwas. Und das muss gefeiert werden – genau wie du.«

Okay, er brachte sie also doch zum Weinen. Sie wischte sich ärgerlich eine Träne aus dem Auge und bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Funkeln, worauf er nur mit einem Lächeln reagierte, und sie wunderte sich, dass sie ein Gefühl der Nähe – eine Verbindung – zu einem anderen Menschen empfand. Wenn sie für eine romantische Beziehung nun doch nicht bereit war? Vielleicht wäre sie das nie mehr. Eine Frau brauchte keinen Mann, um sich ganz zu fühlen, was sie nur allzu gern unter Beweis stellte.

Aber einen Freund? Jeder brauchte einen Freund. Und nicht zum ersten Mal merkte sie, dass ein Grund, warum ihr Schmerz, dieses zutiefst niederschmetternde Gefühl, von Zack verraten worden zu sein, so unvermindert scharf war, darin bestand, dass er sich als ein anderer Mann entpuppt hatte als der, den sie geliebt, ja, vergöttert hatte und mit dem sie eigentlich den Rest ihres Lebens hatte verbringen und Kinder haben wollen. Der Mann, der ihre Hoffnungen und Träume geteilt hatte und all ihre Geheimnisse kannte, die einem anderen Menschen anzuvertrauen ihr nie in den Sinn gekommen wäre.

Er war ihr bester Freund gewesen – und auch ihr einziger. Der Mensch, bei dem sie Trost, Liebe und Anerkennung gefunden hatte. Der absolut beste Teil ihres Seins, ihres Herzens, ihrer Seele. Er war ihr Vertrauter gewesen, der einzige Mensch, bei dem sie nie befürchtet hatte, er könnte sie im Stich lassen, so wie es ihr in ihrem noch jungen Leben durch so viele andere widerfahren war.

Im Vergleich zu Zacks Verrat jedoch waren jene Enttäuschungen nur Lappalien gewesen.

Sie ärgerte sich, dass sie die Erinnerungen – wieder einmal – nicht ruhen lassen konnte, und verdrängte ihre unseligen Gedanken, um Wade dann voller Entschlossenheit einen Blick zu schenken, den er unmöglich missverstehen konnte.

Zack war ihre Welt gewesen, und die hatte er komplett auf den Kopf gestellt, als er sich ihrer entledigt hatte wie des Abfalls, des Abschaums, als den die Menschen ihrer Stadt sie bezeichnet hatten. Übrigens auch sein Vater. Wie hatte sie nur glauben können, dass er anders wäre? An einem Ort, wo sie praktisch gar nicht existierte oder in irgendeiner Hinsicht zählte.

Doch jetzt war ihre Welt das, was sie daraus machte. Und die Welt, in der sie noch vor Kurzem gelebt und die sie sich selbst geschaffen hatte, gefiel ihr nicht mehr. Und nur sie konnte etwas daran ändern. Nur sie konnte dafür sorgen, dass ihre Welt besser wurde – geradezu perfekt. Und es wurde höchste Zeit, dass sie genau das jetzt vorantrieb.

Aus einem Impuls heraus schob sie ihre Finger zwischen Wades und drückte seine Hand, womit sie ihn fast schon erschreckte. Sie konnte verstehen, warum, denn sie hatte sich ihm noch nie irgendwie genähert, nicht einmal auf freundschaftliche Art und Weise. Sie hatte einen sorgfältig errichteten Schutzwall um sich geschaffen, den niemand durchbrechen durfte und aus dem sie sich aus reinem Selbsterhaltungstrieb auch niemals herauswagte.

Aber wie sie selbst schon festgestellt hatte, brauchte jeder Mensch einen Freund. Und einen Freund zu verlieren, bedeutete nicht automatisch, dass es nicht irgendwo einen anderen gab, auch wenn sie lächerlich viel Zeit für diese Erkenntnis gebraucht hatte.

Von Wade hatte sie nichts zu befürchten. Bei ihm war sie sicher. Und sie wollte ihn wissen lassen, dass sie ihm vertraute. Ihr stockte fast der Atem, als sie es sich gestattete, das Wort Vertrauen auch nur zu denken.

Denn bis sie es nach Zack nun Wade schenkte, hatte sie niemandem vertraut. Und dass man niemandem vertrauen konnte, war eine Lektion, die sie auf sehr schmerzliche Weise hatte lernen müssen, und zwar wiederholt. Die verheerendste Lektion war jedoch notwendig gewesen, um ihr schließlich klar zu machen, dass sie sich, wenn sie einem Menschen ihr Vertrauen schenkte, genauso gut gleich ein Messer nehmen und es sich ins eigene Herz rammen konnte.

Ihr Kinn bebte leicht, was Wade – stets ein guter Beobachter – sofort sah. Zärtlich umfasste er es mit den Fingern.

»Denk es nicht einmal, Anna-Grace«, sagte er sanft, womit er sie aufs Neue daran erinnerte, dass er trotz des äußeren Scheins keinesfalls harmlos war.

Er war ein gefährlicher Mann, der sich fest unter Kontrolle hatte und dessen Sicht der Dinge sich von der der meisten anderen unterschied. Die Künstlerin in ihr sah die Welt in leuchtenden Farben – Farben, die lange Zeit sehr gedeckt gewesen waren, bis sie ihnen schließlich erlaubt hatte, sich wieder zu ihrer vollen Pracht zu entfalten. Doch Wades Welt war in Grautöne und finstere Schatten getaucht – genau wie ihre ursprüngliche Version von Verlorene Träume.

Die Intensität seines Blickes ließ sie zittern, und sie schluckte nervös, weil sie sich fragte, ob sie am Ende doch den Verstand verloren hatte. Sie näherte sich einem Mann wie ihm? Vertraute ihm, wo sie doch geschworen hatte, nie wieder irgendeinem Menschen zu vertrauen – schon gar nicht einem Mann? Einem Mann, der wie sie keine Freunde zu haben schien, und offensichtlich an denselben Vertrauensproblemen litt. Das konnte gut der zweitgrößte Fehler ihres Lebens werden.