Slow Slim - Iris Zachenhofer - E-Book

Slow Slim E-Book

Iris Zachenhofer

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  • Herausgeber: edition a
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Mit Radikaldiäten abzunehmen hat einen großen Nachteil: Der Gewichtsverlust verändert dabei unser Gehirn auf eine Art, die wir nicht wollen. Denn danach können wir jahrelang Hunger haben, ohne genau zu wissen, woher er kommt. Dr. Iris Zachenhofer, Neurochirurgin und Psychiaterin und Dr. Marion Reddy, Neurochirurgin, räumen mit den Illusionen von den Schnelldiäten auf und bieten eine einfache Lösung für das Problem an: Wer dauerhaft abnehmen will, muss sich ein Jahr Zeit dafür nehmen. Der 12-Monats-Plan, den sie vorlegen, klingt einfach, aber er funktioniert.

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Seitenzahl: 256

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Dr. Iris Zachenhofer, Dr. Marion Reddy:

Slow Slim

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 edition a, Wien

www.edition-a.at

Cover: JaeHee Lee

Gestaltung: Lucas Reisigl

1    2    3    4    5    —    19    18    17    16

ISBN 978-3-99001-221-5

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Inhalt

Level 0Was wir wissen müssen

Level 1Beobachten und dokumentieren

Level 2Zeit zum Schlafen

Level 3Kalorien ersetzen

Level 4Zeit für uns selbst

Level 5Bewegung, die Spaß macht

Level 6Wellness für den Darm

Level 7Zeit für Kochen, Essen, Familie und Freunde

Level 8Wetterhart wie Islandpferde

Level 9Mehr Wellness für den Darm

Level 10Die Schatten beleuchten

Level 11Heim-Arbeit

Level 12My way

Anhang

Level 0

Was wir wissen müssen

Unser Körper ist älter, als in unserem Pass steht.Ein paar Hunderttausend Jahre älter.Das macht uns heute noch das Leben schwerer als nötig.Wir sehen es jeden Tag auf der Waage.

Es war ein kalter, nebliger Novembertag, als ich mich mit einer Schulfreundin in einem Wiener Kaffeehaus traf. Ich hatte mich schon seit Wochen darauf gefreut. Wir hatten in den vergangenen Monaten nur telefonieren können, ein gemütlicher Tratsch war längst überfällig. Es war viel passiert und höchste Zeit, unsere Höhenflüge und Katastrophen durchzukauen und uns auf den jüngsten Stand in unseren Beziehungen, Jobangelegenheiten und sonstigen Befindlichkeiten zu bringen. November ist der perfekte Monat, um stundenlang im Kaffeehaus abzuhängen. Er ist geradezu dafür erfunden, während es draußen kalt und allerheiligentrüb ist, den beginnenden Winterblues mit heißer Schokolade zu verjagen.

Ich kam ein paar Minuten zu spät, blieb an der Eingangstür stehen und sah mich um. Erst nach längerem Suchen entdeckte ich Paula versunken in einer gemütlichen Sitzecke mit einer alten, U-förmigen, dick gepolsterten Sitzbank. Sie sah irgendwie anders aus, wirkte etwas geknickt, den Kopf stützte sie schwer auf den linken Arm. Erst als sie mich sah, hüpfte ihr das alte Grinsen wieder ins Gesicht. Wir begrüßten uns mit einer ausgiebigen Umarmung, die erst der Kellner beendete, der wissen wollte, was wir denn gern hätten.

Schon auf der Herfahrt hatte ich überlegt, ob ich einen Mohnkuchen oder einen Apfelstrudel essen sollte, entschied mich aber dann doch (wie meistens) für die Sachertorte. Mit heißer Schokolade, um die Schokoladendosis noch zu steigern. Paula überlegte kurz und orderte ein Soda-Zitron. »Was ist los mit dir?«, fragte ich, immerhin hatten wir dieses Café extra wegen der tollen Mehlspeisen ausgesucht. Seit wann fand sie Soda-Zitron so prickelnd?

Ich kannte Paula seit dem Gymnasium. Wir sahen uns nicht sehr oft, weil sie viel im Ausland war. Sie ist Architektin und arbeitete in der Raumplanung an Projekten in nordeuropäischen Städten mit, in Kopenhagen, Stockholm oder Kiel. Aber wenn wir uns trafen, war alles wie immer. Wir hatten lustige Abende wie früher und wussten trotz der Distanzen immer über einander Bescheid. Vor ein paar Wochen hatten wir etwas regeren E-Mail-Verkehr gehabt, in dem Paula mir von einer neuen Diät erzählte und wie viel sie damit schon abgenommen hat. Paula hatte immer mit ihrem Gewicht gekämpft. Seit ich sie kennengelernt hatte, hatte sie einmal etwas mehr, einmal etwas weniger gewogen. So richtig glücklich war sie mit ihrer Figur nie.

Als der Kellner die Getränke und meine Sachertorte (mit Schlagobers) serviert hatte, stand Paula auf und zeigte mir ihre neue High-Waist-Diesel-Jeans. Und wow, die Hose sah genial aus, man konnte deutlich sehen, dass sie wirklich abgespeckt hatte. »Toll siehst du aus«, sagte ich, aber sie schien sich nicht darüber freuen zu können.

»Du hast keine Ahnung, was mich diese Figur kostet«, sagte sie. Ich dachte unwillkürlich an Geld, aber das meinte sie nicht. Während es draußen zu dämmern begann, erzählte mir Paula, wie sich ihr Leben seit der letzten Radikalkur verändert hatte, und das nicht gerade zum Besseren:

»Seit dieser Diät ist irgendetwas anders in meinem Hirn. Ich denke ständig nur an Essen, viel öfter als früher, und ich habe dauernd Hunger. Eigentlich habe ich überhaupt nie das Gefühl, so richtig satt zu sein. Sicher, ich fühle mich wohl jetzt mit dem flacheren Bauch, alles passt super. Ich habe mir neue Jeans gekauft, und es fühlt sich wirklich gut an, in eine Hose einfach so hineinzupassen. Aber um welchen Preis! Es ist nämlich nicht so, dass diese Diät vorbei ist, und ich jetzt einfach gesünder und weniger esse, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt habe. Nein, wenn ich nur einen Krümel mehr esse, nehme ich sofort wieder zu und ich möchte dieses Gewicht doch endlich einmal halten. Aber das funktioniert nur mit absoluter Disziplin. Ich muss ständig kontrollieren, was ich esse, wie oft und wie viele Kalorien. Alles aufschreiben, rechnen, überlegen. Das ist wie ein eigener Job. Ich sage dir, ich werde noch depressiv, das hat ja keine Lebensqualität mehr.«

Die überschüssigen Kilos auf ihren Hüften ist sie mit ihrer Diät offenbar losgeworden, dachte ich betroffen, dafür lastet jetzt das ganze Gewicht auf ihrer Psyche. Das Problem war für mich nachvollziehbar, unter solchen Umständen würde ich auch depressiv werden.

Paula erzählte weiter. Vier bis fünf Mal pro Woche betrieb sie eine Stunde Sport, führte strenge Essensprotokolle, wog die Lebensmittel ab und füllte Excel-Dateien mit Kalorienangaben. Sie nahm nie mehr als 2000 Kilokalorien pro Tag zu sich und allein durch den Sport verbrauchte sie davon schon 500. Viele Wege erledigte sie mit dem Fahrrad und Brot und Nudeln hatte sie komplett von ihrem Speiseplan gestrichen. »Das sollte doch genügen«, meinte sie, trotzdem begann sie langsam wieder zuzunehmen. Schleichend, aber verlässlich.

Paula hatte ihren Laptop mit und wie zum Beweis zeigte sie mir im Kaffeehaus ihre Essenspläne und ihre Fitnessprotokolle. Ich war beeindruckt. Sie hatte tatsächlich alles genauestens dokumentiert. Allerdings hätte ich ihr auch so geglaubt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich heimlich irgendwo ein Wienerschnitzel einschoss und das vor sich selbst und vor mir verschwieg, um gut dazustehen. Dazu hatte sie ihre Situation gerade zu ehrlich geschildert, außerdem müsste sie sich dann die ganze Arbeit, alles abzuwiegen und aufzuschreiben, nicht antun.

Es war inzwischen dunkel geworden, und während um uns herum schon Abendessen und Rotwein bestellt wurde, versuchte ich Paula die Sachlage zu erklären. Vom Standpunkt der Neurologie aus, hatte sich wahrscheinlich wirklich etwas in ihrem Gehirn verändert, was den ständigen Hunger und die üble Laune erklären konnte. Der Körper tat einfach alles, um seine Kilos zurückzubekommen und manipulierte dadurch auch ihr Gehirn.

»Am besten ist es man wird gar nie fett«, hat mir eine Kollegin einmal erklärt, »denn die meisten von uns bleiben fett, wenn sie einmal fett geworden sind, trotz aller Bemühungen.«

Das ist entsetzlich ernüchternd und es ist das Letzte, was wir hören wollen, aber wahrscheinlich hat sie Recht. Es ist so simpel wie entmutigend. Unser Körper tendiert dazu, immer wieder das höchste Gewicht zu erreichen, das er je hatte.

Der Grund war einmal ein sehr guter, leider ist das ewig her. Die Ursache lag an den Lebensumständen in der Steinzeit. Nahrung war keine Selbstverständlichkeit damals, Essen war nicht ständig verfügbar, so wie heute. Wenn die Jagd schlecht verlief, gab es längere Hungerphasen und die Jagd verlief oft schlecht. Nicht alle Tage lief den Männern ein Mammut über den Weg. Unsere Vorfahren konnten nur durch zwei Mechanismen im Körper überleben.

Erstens, indem der Körper überschüssige Energie sorgfältig in den Fettzellen einlagerte.

Zweitens, weil sich diese eingelagerte Energie nicht einfach so verpuffen ließ, wenn wieder einmal ein paar Wochen lang fast nichts auf den Steinteller kam.

Alles andere wäre nicht Sinn der Sache. Ein Eichhörnchen futtert auch nicht am ersten kühlen Herbsttag seine gesamten Wintervorräte auf. Es sammelt nicht den ganzen Herbst über, um alles auf einmal zu verputzen. Mit lange gesparten Vorräten muss man gut wirtschaften, egal ob als Eichhörnchen oder als Mensch. Der Unterschied ist, dass ein Eichhörnchen seine Schätze irgendwo vergräbt, der menschliche Körper aber seine Vorratskammer praktisch eingebaut hat und sie ständig mit sich herumschleppt. Er ist sozusagen seine eigene Speis. Die Natur hat sich jedenfalls etwas gedacht dabei und es bis heute nicht vergessen.

Das Prinzip ist das Gleiche geblieben. Sobald wir weniger essen, macht unser Körper alles, um so wenig Gewicht wie möglich zu verlieren. Früher war das lebensnotwendig, heute kommt es uns heimtückisch und gemein vor. Es passt nicht zu unserem Schönheitsideal, boykottiert unsere Figurpläne und wirkt sich ganz mies auf den Bikini-Absatz aus. Auf ein genetisches Update warten wir noch immer vergeblich. Unsere Körper sind weiterhin für die Lebensumstände in der Steinzeit konzipiert und Abnehmen gehörte da definitiv nicht dazu.

Im Gegenteil. Dagegen wehrt sich der Körper mit allen Mitteln. Wenn der Organismus merkt, dass wir in kurzer Zeit sehr viel abnehmen oder mehr als zehn Prozent des Gesamtgewichts verlieren, setzt sich eine Maschinerie in Gang, die nur ein Ziel hat: So schnell wie möglich zumindest wieder das ursprüngliche Gewicht zu erreichen.

Dabei schießt der Körper mit sechs ausgesprochen effektiven Geschützen.

Waffe Nummer 1:Ghrelin

Es klingt schon recht unfreundlich, Ghrelin. Von Beruf ist es Hungerhormon, was eigentlich eh schon alles sagt. Es ist der Stoff, aus dem der Appetit ist. Zumindest sehen wir das heute so. In der Steinzeit hatte das Hormon einen wesentlich besseren Ruf, ohne Ghrelin hätten wir die dürren Zeiten nicht überstanden.

Ghrelin entsteht in den Zellen der Magenschleimhaut und zwar abhängig vom Füllungszustand des Magens. Ist der Magen leer, läuft die Produktion auf Teufel komm raus, das Hormon dockt im Gehirn an und schreit: »Hunger!«. Der Körper gehorcht sofort. Umgehend knurrt uns der Magen und wir schauen, dass wir was zu essen finden. Damit füllen wir den Magen, bis er voll ist und wieder weniger Ghrelin bildet.

Aber das ist noch nicht alles.

Das Hungerhormon steigert nicht nur den Appetit, es reduziert auch die Fettverbrennung und senkt den Grundumsatz des Körpers. Das Ziel der steinzeitlichen Einrichtung ist es ja, den Hunger größer und gleichzeitig den Energieverbrauch kleiner zu machen. Beides verhindert, dass die Vorratsspeicher zu schnell zur Neige gehen.

Eine wunderbare Lösung für die Quartalsesser, die wir einmal waren. Eine gewaltige Hürde für die Überflussgesellschaft, in der wir jetzt leben.

Man kann sich gut vorstellen, was Ghrelin fürs Abnehmen bedeutet. Beim Fasten ist es in den meisten Fällen dauerhaft erhöht. Auch chronischer Stress oder psychische Belastungen feuern die Produktion an.

Aber auch das ist noch nicht alles.

Die Ghrelin-Ausschüttung ist nicht nur während des Abnehmens hoch. Es kann sein, dass sie auch danach nicht gedrosselt wird.

Dazu gibt es Studien an Testpersonen, deren Ghrelin-Spiegel vor und nach einer Diät mit großer Gewichtsreduktion gemessen wurde. Dabei zeigte sich, dass der Wert nach dem Abnehmen um bis zu 20 Prozent höher war als der vor der Diät. Das Hungerhormon schrie sich quasi die Seele aus dem Leib nach Futter. Das Hungergefühl der Versuchsteilnehmer war entsprechend quälend, womit sie nach Abschluss der Diät nun wirklich nicht gerechnet hätten. Genau wie Paula.

Waffe Nummer 2:Leptin

Nach allem, was wir über Ghrelin gehört haben, kommt das Leptin wie mit einem Heiligenschein daher. Dass es Sättigungshormon genannt wird, macht es noch sympathischer, und tatsächlich: Leptin ist das Hormon, das den Hunger unterdrückt und darüber hinaus den Metabolismus ankurbelt.

Leptin wird in den Fettzellen des Körpers gebildet und hat die Aufgabe, den Körperfettspiegel konstant zu halten. Nimmt das Körperfett zu, schicken die Fettzellen Leptin als Warnraketen aus, die dem Gehirn signalisieren: Wir sind satt, wir sind voll, wir brauchen keinen Nachschub mehr. Danke.

Leptin wirkt nachhaltig, längerfristig und im Gehirn als eine Art Lebensmittelpolizei. Unbewusst sorgt sie dafür, dass wir Nahrungsmittel nach deren Fettgehalt scannen. Haben wir einen hohen Leptin-Spiegel im Blut, wählen wir automatisch deutlich weniger fette Nahrungsmittel, um schnell wieder auf einen besseren Körperfettlevel zu kommen.

Als jemand, der sich bemüht, Gewicht zu verlieren, wünscht man sich Leptin in Familienpackungen in der nächsten Apotheke. Die Pharmaindustrie wäre dabei auch sehr gern behilflich. Groß ist das Interesse, das Wunderhormon künstlich herzustellen, die Welt von der Fettsucht zu befreien und dabei noch ein Milliardengeschäft zu machen. Ein derartiges Mittel wäre sicher längst am Markt, wenn es da nicht ein großes Aber gäbe.

Bedauerlicherweise verliefen nämlich die Studien, bei denen Übergewichtige Leptin erhalten hatten, bisher ausgesprochen enttäuschend. Auch mit dem zusätzlichen Leptin hatten die Testpersonen nicht weniger Appetit und wurden deshalb auch nicht mehr Gewicht los.

Der Grund ist einleuchtend. Die Forscher vermuteten bei den übergewichtigen Versuchsteilnehmern so etwas wie eine Leptin-Resistenz. Das bedeutet: Selbst wenn prinzipiell genug von dem Sättigungshormon vorhanden ist, fehlen die Andockstellen, an denen es landen kann. Überschüssiges Leptin irrt in der Gegend herum, ohne sich irgendwo niederlassen und seine Arbeit verrichten zu können.

Das Ganze lässt sich vielleicht mit einer überfüllten Einkaufsstraße in der Vorweihnachtszeit vergleichen: Es gibt viel zu wenige Parkplätze für viel zu viele Autos, die herumkreisen und nirgends parken können. Wenn mehr Autos herumkreisen, ändert sich gar nichts, denn davon werden es auch nicht mehr Parkplätze. Mehr Leptin ist also keine Option.

Weniger leider auch nicht. Seiner Jobbeschreibung nach können wir das dem Sättigungshormon auch nicht verdenken.

Was nun im Falle einer Diät passiert, ist kein Mirakel mehr. Kaum beginnen wir mit dem Abnehmen, lehnt sich das Leptin einmal gemütlich zurück. Der Körperfettspiegel sinkt, aus der Sicht des Leptins ist die Welt also in Ordnung. Das bleibt zunächst auch so. Während der Diätphase und auch danach hat das Leptin nichts zu tun, das Körperfett zeigt ja weiterhin keine Anzeichen, um Alarm schlagen zu müssen.

Studien wiesen bei den Testpersonen allerdings auch lange nach Abschluss der Diät noch einen deutlich niedrigeren Leptin-Spiegel aus als vor dem Abnehmen. Damit schließt sich der Teufelskreis. Wenig Leptin bedeutet wenig Sättigungsgefühl. Wenig Sättigungsgefühl bedeutet mehr Hunger. Mehr Hunger bedeutet Frust und was Frust bedeutet, weiß jeder, der sich schon einmal ein paar Kilos hinaufgefressen hat.

Durch das viel zu niedrige Leptin besteht das permanente Hungergefühl, das auch Paula so zusetzte: »Essen beschäftigt mich ständig, eigentlich den ganzen Tag über.«

Waffe Nummer 3:Peptid YY

Von der Ausrichtung her ist Peptid YY ein Verwandter des Leptin: Es unterdrückt den Appetit, und zwar den, der zwischen den Mahlzeiten auftritt. Anders als Leptin wird es aber nicht in den Fettzellen, sondern im Verdauungstrakt gebildet. Gemeinsam mit Ghrelin und Leptin bildet es ein Trio, das wir beim Abnehmen überhaupt nicht brauchen können.

Das Prinzip ist einmal mehr dasselbe. Nach Radikaldiäten kommt es zu einer kompletten Verschiebung der hormonellen Situation. Der Körper reagiert darauf wie auf eine Hungersnot, die Auswirkungen sind ja dieselben, kein Essen. Ob das aufgrund von Naturkatastrophen, Kriegen und religiöser Askese, der Gesundheit oder auch nur der Unzufriedenheit mit der Figur wegen passiert, ist dem Hirn bekannt, aber völlig egal. Hungern ist Hungern, aus welchem Grund auch immer.

Die Maschinerie läuft unbeirrt an. Das ganze Programm: vermehrte Bildung des Hungerhormons Ghrelin, gedrosselte Produktion der Sättigungshormone Leptin und Peptid YY impfen dem Gehirn ein ständiges Hungergefühl ein, das auch noch viel stärker und intensiver ist als vor der Diät. Das Essen wird zur ständigen Beschäftigung, zur Obsession. Umso mehr, als man ja dachte, dass jetzt die ganze Mühe endlich vorbei ist.

Was für ein Irrtum. Messungen in Studien haben ergeben, dass sich die Hormonspiegel der drei Stoffe sogar ein Jahr nach Abschluss der Radikaldiät noch nicht wieder auf das Ausgangsniveau eingependelt haben. Das Gehirn sendet nach wie vor die Signale Hunger, Hunger, Hunger. In der Gefühlswelt hallt der Hilferuf weiter wie ein Echo: Hunger, Hunger, Hunger. Die Disziplin, die dagegen ankommt, ist nicht jedem gegeben.

Der australische Forscher Professor Joseph Proietto fasst zusammen, was der Laie befürchtet. Wer zu schnell zu viel abgenommen hat, ist einem koordinierten Abwehrmechanismus des eigenen Körpers ausgesetzt, dessen einziges Ziel es ist, wieder Gewicht zuzunehmen. Das war immer so und das wird leider noch lange so bleiben.

Waffe Nummer 4:das Duo Belohnungssystem und präfrontaler Cortex

Es ist faszinierend, wie perfekt die Rädchen im menschlichen Organismus zusammenspielen. Das muss man zugeben, auch wenn uns diese unaufhaltsame Präzision nach Ende einer Diät so gar nicht gelegen kommt. Nicht genug damit, was Hunger- und Sättigungshormone da veranstalten, der Abwehrmechanismus des Körpers greift auch noch tief in unseren Denkapparat ein. In dem Zusammenhang machen wir Bekanntschaft mit zwei unterschiedlichen Strukturen im Gehirn, die für gegensätzliche Wirkungen stehen.

Hier das Belohnungssystem. Es ist der Teil in unserem Gehirn, der Lust, Freude und Befriedigung möchte. Im Hinblick auf die Ernährung ist das Belohnungssystem die Stimme in unserem Gehirn, die uns flüstert:

»Du hast so viel gearbeitet heute. Einen Brioche mit Nutella hast du dir wirklich verdient, jetzt, wo die Kinder endlich schlafen.«

»So viele Kalorien wird das Wiener Schnitzel schon nicht haben. Außerdem enthält das Fleisch Eiweiß, und das ist doch so gesund.«

»Ein paar Chips werden dich schon nicht umbringen.«

Dort der Präfrontale Cortex. Er ist der Gegenspieler des Belohnungssystems, unser Vernunftdenken. Mit diesem Teil des Gehirns bewältigen wir alles Logische und Rationale. Es ist für die Planung und Bewertung von Handlungen zuständig. Die Stimme des Belohnungssystems sagt uns:

»Willst du wirklich die zweite Portion auch noch verdrücken? Der Sommer steht knapp bevor, in ein paar Wochen wirst du dich grün und blau ärgern.« »Wenn du die Nachspeise auch noch isst, wird dir deine Wampe über die neue Stretch-Jeans hängen. Da kannst du dir gleich die nächste Größe kaufen.«

»Wäre gut, wenn du vielleicht das Abendessen ausfallen lässt nach diesem opulenten Mittagessen.«

So unterschiedlich die beiden auch drauf sind, in den Ring steigen sie, wenn man es genau nimmt, eigentlich nicht. Sie treffen sich eher auf dem Parkett. Ihr Zusammenspiel ähnelt einem Tanz, bei dem einer dem anderen die Führung abspenstig machen will.

Im Idealfall geht das durchaus elegant über die Bühne. Harmonisch wechseln sich die beiden ab. Mal ist die Vernunft gefragt, mal darf man auf den Putz hauen.

Hätte immer das Belohnungssystem die Oberhand, würden wir jedem Impuls nachgeben. Wir würden alles in uns hineinstopfen, was unseren Weg kreuzt, ohne auch nur ein bisschen darüber nachzudenken.

Dass wir uns damit nicht belohnen, sondern bestrafen, ist eine andere Sache. Ob oder wie lange so eine Belohnung denn eigentlich gut für uns ist, entscheidet sich ja nicht im Belohnungszentrum. Es will uns bloß eine Riesenfreude machen, und ehrlich, sind Spaghetti Carbonara vor einem Tiramisu keine Riesenfreude? Die Speisen sind nach Geschmack natürlich austauschbar.

Wenn dagegen immer der präfrontale Cortex das Sagen hätte, wären wir andauernd vernünftig. Wir würden uns keinen Leckerbissen gönnen und wenn, dann könnten wir ihn auch gar nicht genießen. Fürs Abnehmen erscheint das als eine segensreiche Strategie. Fürs Gemüt ist es auf Dauer etwas, das es nicht geben sollte: ein Pro-Depressivum, quasi ein Magnet für die Melancholie.

Das Geheimnis ist also die Balance. Um einigermaßen ausgeglichen zu leben, müssen die Systeme sich das Gleichgewicht halten. Für manche ist das im Normalfall schon schwierig. Nach einer Radikaldiät ist schwierig kein Ausdruck.

Von Balance kann in der Post-Diät-Phase keine Rede sein. Die künstliche Hungersnot hat die gewohnten Abläufe im Körper komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Notfallprogramm, das der Organismus da abspult, ist eine generalstabsartig geplante Hilfsaktion gegen den Hungertod. Allerdings fühlt es sich ganz und gar nicht wie Hilfe an. Vom Gefühl her ist es astreines Chaos. Die Medizin kann das sogar sichtbar machen und zwar mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie, kurz fMRT.

Die fMRT ist eine Untersuchung, bei der die Gehirnregion, die gerade aktiv ist, besonders bunt und intensiv aufleuchtet. In den Studien, die uns im Sinne des Abnehmens interessieren, legten sich die Versuchsteilnehmer zweimal in die fMRT: vor und nach der Gewichtsreduktion. In beiden Fällen bekamen sie in der Röhre jeweils dieselben Bilder von unterschiedlichen Köstlichkeiten vorgeführt, wobei das Gerät die Gehirnaktivität im Belohnungssystem und im präfrontalen Cortex gemessen hat.

Beim zweiten Durchgang machten die Forscher eine spannende Entdeckung. Das Belohnungssystem war nach der Diät viel aktiver als davor. Dafür zeigte der präfrontale Cortex deutlich weniger Aktivität.

Diese Konstellation ist leider denkbar ungünstig für jeden Vorsatz zum Abnehmen. Denn durch die vermehrte Aktivierung des Belohnungssystems ist die Lust auf bestimmte Nahrungsmittel viel größer. Die emotionelle Bedeutung des Essens nimmt zu. Gleichzeitig nehmen die vernünftigen Gedanken ab, die Kontrolle über sich selbst sinkt, und sämtliche Pläne verlieren an Bedeutung. Der Mechanismus ist darauf ausgelegt, alle Gedanken in eine einzige Richtung zu verschieben. Sie werden darauf fokussiert, möglichst rasch möglichst fette oder süße Speisen zu konsumieren.

Wir stecken sozusagen in unserer eigenen Gehirnwäsche.

Wissenschaftler haben dieser Veränderung des Körpers und vor allem des Gehirns nach radikalen Abnehmkuren einen seriöseren Namen gegeben. Manche nennen es das Post-Diät-Syndrom.

Der amerikanische Neurochirurg Frank T. Vertosick hat einmal geschrieben: »You will never be the same when the air hits your brain.« Sie werden niemals mehr dieselbe Person sein, wenn einmal Luft an ihr Gehirn gekommen ist. Er meinte damit eine Gehirnoperation.

Doch die ist gar nicht nötig, um unser Gehirn komplett zu verändern. Eine Radikaldiät hat den gleichen Effekt.

Waffe Nummer 5:Serotonin

Die nächste Waffe, mit der der Körper droht, um uns jede Diät zu vermiesen, ist das Serotonin. Genauer gesagt, droht er damit, es uns wegzunehmen.

Serotonin ist ein im Gehirn gebildeter Neurotransmitter, der für unsere Stimmung und gute Laune verantwortlich ist. Deshalb nennen wir es auch das Wohlfühl- oder sogar Glückshormon. Es gehört eindeutig zu den Sonnenscheinchen unter den Botenstoffen.

Damit wir im Gehirn Serotonin bilden können, benötigen wir zunächst seinen Vorläufer: das Tryptophan. Es ist eine der essentiellen Aminosäuren, die in unserem Organismus nicht selbst gebildet werden können, und deshalb von außen kommen müssen, also über die Nahrung. Tryptophan muss die Barriere zwischen Blut und Gehirn, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, überwinden, um zu Serotonin umgebaut zu werden.

Ausschlaggebend dafür ist der Insulinanstieg nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit. Durch ihn wird der Serotonin-Vorläufer Tryptophan viel leichter im Gehirn aufgenommen. Kohlenhydrate steigern also die Bildung und Freisetzung von Serotonin im Gehirn.

Jetzt heißt es aber, dass es sich mit sehr kohlenhydratarmen Diäten sehr schnell abnehmen lässt. Das ist an sich nicht falsch, aber wir dürfen uns nur kurzfristig darüber freuen. In Studien wurde nachgewiesen, dass sich längerfristig keine besseren Ergebnisse zeigen als bei den Diäten, in denen die Kohlenhydrat-Polizei weniger streng ist.

Außerdem haben kohlenhydratarme Diäten die meisten Nebenwirkungen, auch das ist von Studien untermauert. Die Versuchsteilnehmer wurden häufiger depressiv, hatten Stimmungsschwankungen und seelische Tiefs. Man braucht sich nicht lange zu fragen, woher das kommt. Schließlich fehlten ihnen die Kohlenhydrate, die mithelfen sollten, das Tryptophan über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn zu lotsen.

Wer im Winter abnehmen will, kann leicht in eine weitere Serotonin-Falle stolpern. Sonnenlicht begünstigt nämlich die Bildung des Glückshormons. Bei Lichtmangel fällt die Serotonin-Ausbeute weit bescheidener aus und auch der Transport zwischen den Zellen ist eher zäh. Das erklärt teilweise auch den Blues und die Depression im Winter. Dem Körper ist die Serotonin-Flaute nicht gleichgültig und er versucht, den Lichtmangel auszugleichen. Leider ausgerechnet damit, dass uns das Gehirn Lust auf tryptophanhaltiges Essen macht. Allem voran Schokolade, in der eine Menge Tryptophan enthalten ist, und schon sind wir wieder am Anfang: beim Anstieg von Zucker- und Insulinspiegel im Blut, der die Aufnahme von Tryptophan im Gehirn erleichtert, aus dem dann das Serotonin wird.

Ins Kalorienhaltige übersetzt, pfeif auf die Wintersonne, eine große Tafel Vollmilch-Schokolade ist geradezu ideal, um ordentlich Serotonin zu bilden.

Egal aus welchem Grund das Glückshormon Mangelware ist, die Auswirkungen sind immer dieselben. Wir sind schlecht gelaunt, depressiv, können uns zu nichts aufraffen und haben Heißhunger auf Kohlenhydrate. Die üblichen vier Stationen auf dem direkten Weg in die nächste Fressphase, der kaum etwas entgegenzusetzen ist. Dass der Körper nach Serotonin giert und das Gehirn uns in Solidarität zu ihm von simplen Morgen- zu herzhaften Ganztagsmuffeln macht, bringt uns selten auf gute Gedanken. Im Gegenteil, auch sie verschwören sich gegen uns. Im Bestreben, die üble Stimmung möglichst schnell loszuwerden, fällt ihnen nur noch etwas Süßes ein.

Wer unter diesen Umständen seine Diät durchsteht, ist ein Held. Aber selbst ihm wirft die Natur, die es einst so gut gemeint hat mit uns, noch Knüppel zwischen die Beine. Während oder nach einer Diät werden, auch das ergaben Studien, Enzyme gebildet, die die Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin hemmen.

Die Steppschritte zur Schokolade sind uns nun schon hinlänglich bekannt. Aber dieses Wissen nützt uns wenig. Wir tänzeln gegen jede Vernunft auf die Katastrophe zu. Unsere Gedanken kreisen um die Schoko-Regale und das Gehirn kennt nur noch ein Thema: Bei welcher Gelegenheit können wir sie am besten plündern.

Wenn es dann passiert ist, ist das Desaster perfekt. Die 300 Gramm Milchschokolade mit ganzen Haselnüssen ist verputzt, aber das ganze Tryptophan, das wir uns damit einverleibt haben, kann nicht ausreichend zu Serotonin umgewandelt werden, weil die Radikaldiät ja die Enzyme beschädigt hat, die das Tryptophan in Serotonin umwandeln.

Um die Kalorienbombe so richtig platzen zu lassen: Trotz des Hochgenusses aus Nuss-Nougat, Milchschokolade und fetten Haselnüssen bleibt das Serotonin auf einem Tiefstand. Dafür nähert sich die üble Stimmung rapide dem Maximum. Nicht zu reden vom Heißhunger auf neue Süßigkeiten.

Paula braucht man diesen Zustand nicht weiter auszumalen. Sie kennt ihn. Sie hat ihn mir anschaulich beschrieben, bei unserem Treffen im Kaffeehaus. »Ich kann mich nicht wirklich freuen über diese Figur, über mein neues Gewicht. Ich denke ständig an Essen, wie viel besser es mir durch einen Kuchen oder eine kleine Schokolade gehen würde. Dann versuche ich wieder meine Gedanken zu kontrollieren, weil sie mir Angst machen. Es ist, als ob mir etwas fehlen würde. Ich bin gereizt, angespannt und trotzdem irgendwie schlaff.«

Ohne es beim Namen nennen zu können, hat Paula schon gewusst, was ihr fehlte. Ihr fehlte das Glück in der einfachen Form des Hormons Serotonin. Die Steinzeit sitzt uns immer noch in Fleisch und Blut. Damals war es echter Hunger, heute ist es eine Diät, derentwegen der Körper uns mit allen Mitteln dazu bringen will, uns Kalorien zuzuführen.

Der Kreislauf ist absurd. Die Serotoninbildung zu erschweren, damit wir Schokolade essen, um Serotonin zu bilden. Das ist so gut wie ein Giftgasangriff auf unsere Figur.

Waffe Nummer 6:Veränderung der Muskelfasern

Wenn wir schnell Gewicht reduzieren, baut unser Körper zunächst jene Gewebe ab, die wir am wenigsten zum Überleben brauchen, zum Beispiel die Muskulatur. Das klingt zuerst wie ein Denkfehler, aber es ist keiner. Denn wir benötigen dringend jeden Anteil unseres Gehirns, wir brauchen das Herz, die Leber und die Nieren, um über die Runden zu kommen. Ob wir etwas mehr oder weniger Muskelmasse haben, ist für unser Überleben vollkommen egal.

Beim Abnehmen nimmt sich der Körper also Energie, indem er Muskelfasern abbaut.

Das wirkt sich allerdings in der Folge schlecht auf unseren Grundumsatz aus. Denn ein Körper mit mehr Muskulatur verbraucht mehr Energie als ein Körper mit weniger Muskulatur. Die einfache Rechnung führt zu einem ebenso einfachen, wenn auch für die meisten Übergewichtigen unsympathischen Ergebnis: Muskulösere Menschen dürfen viel mehr schlemmen, ohne gleich zuzunehmen.

Durch jede Radikaldiät reduzieren wir nun unsere Muskelmasse etwas weiter. Jeder schnelle Gewichtsverlust macht uns das Abnehmen beim nächsten Mal schwieriger, und es gibt ein nächstes Mal, da dürfen wir drauf wetten. Unser Körper braucht dann einfach weniger Energie und damit auch weniger Nahrung. Leider ist weniger Nahrung genau das, womit wir unsere Probleme haben.

Neuerdings wurde auch nachgewiesen, dass sich nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Muskelfasern ändert. Forscher haben Muskelbiopsien von Versuchsteilnehmern vor, während und nach einer Radikaldiät entnommen. Dabei zeigte sich, dass es nach dem Gewichtsverlust innerhalb der Muskelfasern zu Transformationen, also zu Veränderungen der Struktur und der Zusammensetzung gekommen ist. Die Muskeln haben dadurch nach der Diät bei jeder alltäglichen Aktivität auch zwischen 20 und 25 Prozent weniger Energie verbrannt.

Und schon wieder ist etwas, das uns beim Abnehmen helfen könnte, dahin. Weniger und zum Schlechteren veränderte Muskulatur verbraucht weniger und nicht so effektiv Energie. Das reduziert unseren Grundumsatz deutlich und erschwert das Abnehmen.

Das waren sie also, die sechs Mechanismen, die dem Körper zur Verfügung stehen, um nach einer Radikaldiät wieder das ursprüngliche Gewicht zu erreichen. Fünf davon funktionieren, indem unser Gehirn beeinflusst wird und es in der Folge unsere Gedanken manipuliert.

Wenn wir also noch dicker werden wollen, dann auf zur nächsten Radikaldiät. Bei der wir ständig ans Essen denken, immer hungrig sind und schlechte Laune haben, die uns den Antrieb nimmt und die Muskeln schlaff werden lässt. Das alles geht ganz einfach mit der nächsten Wunder-Diät, dem nächsten Turbo-Trainings-Programm so schnell wie möglich, so viel Gewicht wie möglich zu verlieren und wieder zuzunehmen.

Das Waffenarsenal, das die Natur gegen den Gewichtsverlust eingerichtet hat, sorgt verlässlich dafür. Immerhin konnte sie ja nicht damit rechnen, dass wir dereinst keine Tagesmärsche hinter Mammuts her sein werden, sondern bloß ein paar Schritte von der Couch zum Eiskasten haben, gefüllt mit Essbarem, gegen das ein Mammut nicht mehr als ein zäher Batzen Fleisch ist.

Jedes der sechs Geschütze allein genügt schon, uns auf dem Weg zu einer besseren Figur und einem leichteren Leben scheitern zu lassen. In Summe machen sie die Sache eigentlich unmöglich.

Außer wir suchen uns Unterstützung bei der Zeit. Dem einzigen Gegenmittel, mit dem wir den ausgeklügelten Mechanismen der Natur im menschlichen Körper beikommen können. Die Zeit ist unsere Waffe, um die Natur auszutricksen. Langsamkeit und Geduld sind unsere Verbündeten. Nehmen wir uns ein Jahr Zeit. Nähern wir uns in zwölf Etappen dem Ziel: Kilos zu verlieren, die der Körper zur Abwechslung einmal nicht zurückholen will.

MONAT 1

Level 1

Beobachten und dokumentieren

Nichts ist mehr wie früher, aber alles bleibt beim Alten.

Es gibt Sätze, die jemand, der abnehmen will, auf keinen Fall hören möchte. Zum Beispiel:

»Iss halt einfach nicht so viel.«

Das ist ungefähr so, als würde man einem Choleriker sagen: Jetzt reg dich nicht so auf.

Noch so ein guter Rat:

»Du musst nur deine Ernährung umstellen.«

Das heißt ins Hungernde übersetzt: Ändere dein Leben, sofort und für immer. Noch dazu mit diesem hinterhältigen Wörtchen nur heruntergespielt, als wäre das nichts. In solchen Momenten steht man auf, geht zum Eiskasten und genehmigt sich eine Doppelportion Irgendwas.

So machen wir es also nicht.

Wir sehen Slow Slim als ein Spiel, bei dem wir auf jeden Fall nur gewinnen können. Wie bei einem Computerspiel werden wir unterschiedliche Levels durchschreiten, bis wir bei Level 12, dem Masterlevel, angekommen sind.

Jeder Level dauert genau einen Monat. Einsteigen können wir natürlich jederzeit, nicht nur am Monatsersten.

In jedem Level gibt es ein neues Thema, das wir erlernen und den ganzen Monat lang üben. Nennen wir es Mission.

Danach steigen wir zum nächsten Level auf, behalten aber die Fertigkeiten bei, die wir in den vorherigen Levels schon erlernt haben und üben sie weiter. Wir bauen immer weiter auf.

Am Anfang mag viel neu und vielleicht etwas ungewohnt sein. Aber davon sollten wir uns nicht einschüchtern lassen, das Prinzip kennen wir von den echten Computerspielen. Wir wissen, wenn wir dann einmal in den höheren Levels spielen, sind uns die Levels 1 und 2 schon sehr vertraut und längst in Fleisch und Blut übergegangen. Wir wundern uns, wie sie uns je schwer fallen konnten.

Zum Wundern gibt es bei Level 1 von Slow Slim gar nichts.

Die Mission

Wir starten das Slow Slim-Programm, indem wir diesen ersten Monat lang absichtlich genauso weiter essen wie bisher. Der einzige Unterschied ist: Wir beobachten uns und dokumentieren, was wir sehen.