So macht es das Krokodil - Lisa Signorile - E-Book

So macht es das Krokodil E-Book

Lisa Signorile

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Beschreibung

Die Fortpflanzung ist die entscheidende Triebfeder der Evolution. Lisa Signorile führt uns anhand ebenso amüsanter wie teils höchst skurriler Beispiele aus den fünf wichtigsten Wirbeltiergruppen systematisch und in unverkrampftem Ton durch die verschiedenen Teilgebiete der Fortpflanzungsbiologie. Welche Fantasien haben Knochenfische? Sind Haie Exhibitionisten? Sind Krokodile tatsächlich Erektionskünstler? In diesem Buch lernen wir wirklich alles über das Sexualleben der Tiere – vom Balzverhalten über die Kopulation, die Anatomie der Geschlechtsorgane und die Brutpflege, bis hin zu Selbstbefriedigung und Homosexualität im Tierreich.

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Zum Buch

Die Fortpflanzung ist die entscheidende Triebfeder der Evolution. Lisa Signorile führt uns anhand ebenso amüsanter wie teils höchst skurriler Beispiele aus den fünf wichtigsten Wirbeltiergruppen systematisch und in unverkrampftem Ton durch die verschiedenen Teilgebiete der Fortpflanzungsbiologie. Welche Fantasien haben Knochenfische? Sind Haie Exhibitionisten? Sind Krokodile tatsächlich Erektionskünstler? In diesem Buch lernen wir wirklich alles über das Sexualleben der Tiere – vom Balzverhalten über die Kopulation, die Anatomie der Geschlechtsorgane und die Brutpflege bis hin zu Selbstbefriedigung und Homosexualität im Tierreich.

Zur Autorin

LISA SIGNORILE hat nach ihrem Diplom in Biologie und einer zeitweiligen Laufbahn als Biochemikerin an verschiedenen Orten der Welt gearbeitet, um Lurche umzusiedeln, tropische Mäuse zu zählen oder Wölfe und Eichhörnchen zu beobachten. Zurzeit lebt sie in London, wo sie sich mit Populationsgenetik beschäftigt.

Lisa Signorile

So macht es das Krokodil

Das Sexualleben der Tiere

Aus dem Italienischen von Franziska Kristen

Mit Illustrationen von Cristiana Santini

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Die italienische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel »Il Coccodrillo Come Fa – La Vita Sessuale Degli Animali« bei Codice edizioni, Torino.

1. AuflageDeutsche Erstveröffentlichung August 2017Copyright © Lisa Signorile 2014Copyright Illustrationen © Cristiana SantiniCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: semper smile, MünchenUmschlagmotiv: © shutterstock/judilyn; secondcornerSatz: Uhl + Massopust, AalenAH · Herstellung: scISBN 978-3-641-16463-8V001www.btb-verlag.dewww.facebook.com/btbverlagBesuchen Sie auch unseren LiteraturBlog www.transatlantik.de

Für Eugenio

Inhalt

Vorwort

Two is company, three’s a crowd: Wie viele Geschlechter gibt es?

Die Balz

Fische: Die Kleinkünstler der Balz

Das zärtliche Gefühlsleben der Neunaugen

Sex, shark and Rock and Roll

Die Fantasien der Knochenfische

Herzensbrecher dieser Erde

Der Chor der Froschlurche

Tanz der Molche

Verliebte Reptilien

Schillernde Schuppenkriechtiere

Duftende Schlangen

Besessene Schildkröten

Zärtliche Krokodile

Vögel: Evolutionisten, Künstler und Vergewaltiger

Die Vergewaltiger

Die Künstler

Säugetiere

Igel und Seeelefanten

Satyrn der Meere

Ein Abstecher in die Vergangenheit

Zur Anatomie des Geschlechtsakts: Die Fortpflanzungsorgane der Wirbeltiere

Manche mögen’s äußerlich

Der doppelte Penis der Haie

Die Exhibitionisten

Wenn der Schwanz kein Schwanz ist

Schwänze und innige Umarmungen

Schleichenlurche und Phallodea

Fifty Shades of Green

Krokodile und andere Erektionskünstler

Von Kobras und Komodowaranen

Vögelnde Vögel

Die überreichlich Ausgestatteten

Die Vielgestaltigkeit der Säugetiere

Vierfach beim Kloakentier

Zweigeteilt beim Beutelsäuger

Beim Plazentatier auf den Punkt gebracht

Hoden im Kühlschrank

Die Größe zählt

Was sich mit Hydraulik und Knochen bewerkstelligen lässt

Hast du da unten einen Velociraptor, oder freust du dich nur, mich zu sehen?

Wohin mit den lieben Kleinen? Die Freuden der Brutpflege

Eier legen und nichts wie weg

Warten, bis die Jungen schlüpfen, und dann nichts wie weg

Kinder sind das Größte

Kinder sind das Größte. Teil zwei für Fortgeschrittene

Mütter & Väter

Wenn man sich einsam fühlt: Sex selbstgemacht

Homosexualität, ein reines Naturprodukt

Das Geschlecht des Ungeborenen

How many roads must a male walk down?

The answer is blowin’ in the wind (jedenfalls manchmal)

The Y-Factor

Sind die X-Men unter uns?

Nachwort

Dank

Bibliografie

Anmerkungen

Vorwort

Die Fortpflanzung und Weitergabe der eigenen Gene sind das Leitprinzip und das oft unbewusste Bestreben eines jeden Lebewesens. Wenn Ihnen diese Behauptung allzu mechanistisch erscheint, bedenken Sie, dass es gar nicht anders sein könnte: Diejenigen Lebewesen, die in den letzten fünfhundert Millionen Jahren nicht den Großteil ihrer Energie in die Fortpflanzung gesteckt haben, schafften es schlichtweg nicht, sich fortzupflanzen. Folglich sind wir die Nachkommen derer, die ihre Gene um jeden Preis weitergegeben haben.

Durch natürliche Selektion sind die Fortpflanzungsmechanismen im Lauf der Zeit verfeinert worden. Sie haben sich zu einer unbeschreiblichen Triebfeder und einem nahezu perfekten Apparat entwickelt. Nahezu, denn nicht alle Mechanismen passen sich rasch an Veränderungen an. Manchmal ist ein Detail nicht länger geeignet, und die Art stirbt aus.

Es gibt zwei Arten der Fortpflanzung: entweder mit jemandem, den man wirklich mag, also mit sich selbst (Woody Allen weiß gar nicht, wie recht er aus evolutionärer Sicht mit seiner Bemerkung hat), oder aber mit einem Partner. Im zweiten Fall handelt es sich immer um geschlechtliche Fortpflanzung. Die Fortpflanzung mit nur einem Beteiligten kann, je nachdem, geschlechtlich oder ungeschlechtlich sein: So sind zum Beispiel Schweinebandwürmer (mit dem treffenden lateinischen Namen Taenia solium, wörtlich: »einsames Band«) Hermaphroditen, die in geschlechtlicher Weise Sex mit sich selbst haben und ihre eigenen Eier befruchten. Auf eine der verschiedenen ungeschlechtlichen Weisen pflanzen sich hingegen Schwämme oder Kartoffeln fort: in Form von Knospung und ohne dass befruchtete Eier im Spiel wären.

Die Gruppe der Wirbeltiere, zu der wir Menschen gehören, neigt tendenziell zur geschlechtlichen Fortpflanzung und zu Sex mit einem Partner. Säugetiere und Vögel pflanzen sich immer zu zweit fort (mit Ausnahme der Truthennen, die es in seltenen Fällen schaffen, ihre Eier selbst zu befruchten). Manche Arten in der Gruppe der Wirbeltiere schlagen dagegen den Weg der Einsamkeit ein, indem sie auf Männchen verzichten und zur Parthenogenese greifen. Das ist eine Form geschlechtlicher Fortpflanzung, bei der sich der Embryo aus einer unbefruchteten Eizelle und somit ohne den väterlichen Beitrag entwickelt. Die dabei entstehende geringere genetische Variabilität hat in der Regel zur Folge, dass die Wirbeltierarten, die sich ohne Partner fortpflanzen, in Anbetracht erdgeschichtlicher Dimensionen relativ schnell aussterben. Dies erklärt wiederum, weshalb sie so selten sind.

Bei den Wirbellosen ist die Sache wesentlich komplizierter, und es finden sich alle möglichen Spielarten. Neben geschlechtlichen und parthenogenetischen Arten existieren auch jene, die beide Fortpflanzungsmöglichkeiten nutzen, wie etwa die Bienen.

Weiterhin gibt es Arten, deren Individuen allesamt vollständige Hermaphroditen sind und dementsprechend sowohl männliche als auch weibliche Keimdrüsen (Hoden und Eierstöcke) besitzen. Andere sind unvollständige Hermaphroditen, das heißt, sie haben zwar beide Formen der Keimdrüsen, tauschen aber die Geschlechtszellen (Gameten) mit einem anderen Individuum derselben Art. Wieder andere bestehen teils aus Weibchen, teils aus Hermaphroditen oder teils aus Männchen, teils aus Hermaphroditen oder aber aus Männchen, Weibchen und Hermaphroditen. Bei manchen Arten pflanzen sich die Weibchen entweder mit einem Männchen fort, oder sie »beschließen«, sich zu klonen (wobei sie das natürlich nicht bewusst tun, denn Bewusstsein ist ein uns Wirbeltiere auszeichnender Defekt). Außerdem gibt es Arten mit vielen Männchen und andere, bei denen sie sehr selten vertreten sind und die Weibchen in erster Linie auf Parthenogenese zurückgreifen.

Wie bei den Wirbeltieren landen auch bei den Wirbellosen die rein parthenogenetischen Arten für gewöhnlich in einer evolutionären Sackgasse und sterben früher oder später aus. Bemerkenswerte Ausnahme bilden die Rädertierchen, die seit ein paar Hundert Millionen Jahren nur aus Weibchen bestehen, ohne dass ihnen diese Tatsache Probleme zu bereiten scheint.

Wenn Sie sich angesichts all dieser Fortpflanzungsmöglichkeiten überfordert fühlen, seien Sie unbesorgt: In diesem Buch geht es in erster Linie um die gewöhnlichste und am weitesten verbreitete Fortpflanzungsmethode von Tieren, nämlich um die Paarung zu zweit. Dabei stehen die fünf Wirbeltierklassen der Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Die folgenden Seiten werden sich in sehr expliziter Weise mit Geschlechtsverkehr und Fortpflanzungsmechanismen beschäftigen, ohne sich jedoch ausschließlich an Erwachsene zu richten. Die Fortpflanzungsbiologie liefert den Schlüssel zur natürlichen Selektion und somit zur Evolution, und es ist wichtig, sie schon in jungen Jahren verstehen und schätzen zu lernen.

Der Text ist in ungezwungenem Ton gehalten, um die Neugierde aller Leser zu wecken und ihnen jenseits von überzogenen und der Wissenschaft wenig dienlichen Moralvorstellungen die Vielfalt der Mechanismen des Lebens nahezubringen.

Two is company, three’s a crowd: Wie viele Geschlechter gibt es?

Eine Frage stellt sich früher oder später jeder: Warum braucht man zur Fortpflanzung zwei? Warum sind, laut dem englischen Sprichwort, »drei einer zu viel«? Weshalb hat unter all den jemals auf der Erde existierenden Tieren keine einzige Art drei oder gar vier verschiedene Geschlechter herausgebildet, während all die zahlreichen bei zwei Geschlechtern bestehenden Kombinationsmöglichkeiten erprobt worden sind? Mit anderen Worten: Worin liegt der Vorteil, zu zweit zu sein?

Wie bereits im Vorwort erwähnt, durchlaufen viele Gruppen von Tieren während ihrer evolutionären Entwicklung früher oder später den Weg der Parthenogenese, also der Fortpflanzung eines Einzelindividuums. Auf kurze Sicht handelt es sich tatsächlich um eine erfolgreiche Strategie. Nehmen wir an, ein bestimmter Lebensraum, zum Beispiel ein kleiner Teich, bliebe gleichbleibend unverändert. Nehmen wir außerdem an, dass er über alle nötigen Ressourcen verfüge, da man ihn mit Pflanzen, mit einer Sauerstoffpumpe, einem betriebsfähigen Kohlefilter und anderem Schnickschnack ausgestattet hätte, dass er sich in sonniger Lage befände und der Wasserstand stets gleich bliebe. Alles wäre also optimal. Stellen wir uns nun vor, in diesem Teich lebe eine Population mit Vertretern einer beliebigen Art von Wirbellosen. Mein eigener Tümpel ist momentan fast ausschließlich von Blutegeln bevölkert. Ich hoffe, Sie haben mehr Glück als ich, falls Sie planen, in einen Teich zu investieren, zumal Blutegel Hermaphroditen sind und sich für mein Beispiel wenig eignen. Sagen wir, es handle sich um Süßwasserkrebse. Sie sind niedlich und außerdem getrenntgeschlechtlich. Nehmen wir darüber hinaus an, dass alle Individuen der Krebspopulation in dem Teich aus genetischer Sicht sich voneinander unterschieden. Folglich werden einige »geeigneter« zum Überleben sein als andere, zum Beispiel, weil sie die beste Tarnfarbe aufweisen oder die besonders reichlich vorhandene Nahrung der weniger vorhandenen vorziehen. Stellen wir uns nun vor, zwei Individuen, deren Gene immerhin so gut sind, dass sie das fortpflanzungsfähige Alter erreichen, paaren sich und zeugen Junge. Die geschlechtliche Fortpflanzung basiert darauf, dass die Gene der Eltern wie ein Kartenstapel beim Poker durchmischt werden: Ein geringer Teil der Nachkommen erbt demzufolge einen Royal Flush, andere dagegen lauter verschiedene Karten und die restlichen ein Blatt, mit dem sie irgendwo im Mittelfeld liegen.

Wer den Royal Flush bekommt, wird den Wettlauf ums Überleben natürlich gewinnen und sich fortpflanzen, während die weniger begünstigten Geschwister auf der Strecke bleiben. Am Ende schafft es lediglich ein kleiner Teil des gesamten Nachwuchses eines Paares, die Gene der Eltern weiterzugeben. Stellen wir uns nun vor, dass in demselben Teich ein kleiner Krebs durch Mutation zur Parthenogenese befähigt worden ist, dass er also identische oder sehr ähnliche Kopien seiner selbst erzeugen kann.1 Wenn die Umwelt stabil bleibt und sich die Gene des Individuums hinreichend gut für die Fortpflanzung eignen, wird der Nachwuchs dieselben Spielkarten oder einen Teil davon in die Hand bekommen2 und daher gleichermaßen in der Lage sein, die Ressourcen zu nutzen (die laut unserer Voraussetzung unbegrenzt sind, sodass keine direkte Konkurrenz zwischen Individuen einer Art besteht). Folglich wird ein deutlich größerer Anteil von parthenogenetisch gezeugten Krebsen die Gene des Elternteils weitergeben können und innerhalb kurzer Zeit den gesamten Tümpel in Beschlag nehmen. Entsprechend wird den langsamer und mühsamer zu zweit sich fortpflanzenden Tieren der Lebensraum entzogen. All dies ist unglaublich komplex und effizient. Und wenn es immer so funktionieren würde, müssten wir uns jetzt nicht mit dem Partner darum streiten, wer den Abwasch erledigt, da wir alle einzig und allein mit uns gleichen oder sehr ähnlichen Klonen zusammenleben würden, die alle gern den Abwasch erledigen (oder ihn allesamt verabscheuen).

Die Balz

Der Fortpflanzungsprozess lässt sich in vier Phasen unterteilen: Balz, Paarung, Heranwachsen der Embryonen, Brutpflege. Dabei ist die Balz wohl die bemerkenswerteste und aus evolutionärer Sicht wichtigste Phase. Die Fortpflanzung zu zweit setzt notwendigerweise voraus, dass sich besagte Individuen begegnen, sich einander nähern und akzeptieren. An diesem Punkt kommt es zu der gemäß Darwin sogenannten »sexuellen Selektion«, mit der sich die Hierarchien zwischen den Individuen desselben Geschlechtes herausbilden und der Partner gewählt wird, der für das Überleben der Nachkommen besonders geeignet erscheint. Die Partnerwahl führt also zur Selektion eines für bedeutsam erachteten Merkmals, seien es die Schwanzfedern des Pfaus, die schillernden Farben vieler Fische und Vögel. Oder – wie bei unserer Spezies – ein gemessen an den tatsächlichen Notwendigkeiten unverhältnismäßiges Gehirn bzw. ein ebensolcher Penis (wobei vielleicht einige Frauen, was das »Federkleid« des eigenen Partners betrifft, so manches zu bemängeln hätten).

Einmal abgesehen von der Unersättlichkeit der menschlichen Spezies sei an dieser Stelle betont, dass bei der sexuellen Selektion allem Anschein zum Trotz, die Wahl oft von den Weibchen getroffen wird. Dagegen sind die Männchen, vor allem bei den polygamen Arten, meist nicht so wählerisch mit ihren Partnerinnen. Aus diesem Grund stellen sich für gewöhnlich die Männchen mit Federkleid, Geweih, Gesängen oder bunten Schuppen zur Schau, um von den Weibchen erwählt zu werden. Das geschieht sogar bei den Tieren mit Harem, wo genau das Gegenteil der Fall zu sein scheint: Nichts hindert beispielsweise eine Hirschkuh oder ein Meerechsenweibchen daran, sich mit einem untergeordneten Tier zu paaren. Das kommt übrigens oft genug vor, obwohl dem Weibchen eigentlich daran gelegen sein müsste, sich mit einem dominanten Tier fortzupflanzen. Bei den Menschen sind die Dinge ein wenig komplizierter. Wir unterliegen einer extrem komplexen sozialen Dynamik. Beide Sexualpartner leisten auf ganz unterschiedliche Weise ihren Beitrag zur Partnerwahl, wobei der kulturelle Hintergrund und Formen des erweiterten Phänotyps6, wie etwa materielle Güter, ebenfalls Faktoren bilden. Jedenfalls wird die Rolle der Frau bei der Wahl des Vaters ihrer potentiellen Kinder vermutlich selbst im Kontext patriarchalischer Gesellschaften unterschätzt.7

Der Grund für all dies ist rasch erläutert: Wirbeltierweibchen wenden für die Fortpflanzung und oft auch für die Brutpflege in anderem Maße Energien und Ressourcen auf als Männchen. Da sie sichergehen wollen, dass sich ihr Einsatz lohnt, wählen sie für ihren Nachwuchs den Vater mit den offenkundig besten Genen. All das ist selbstverständlich nur Theorie, denn letztlich machen die Tiere natürlich, was sie wollen (oder müssen), und bei vielen Arten sind die Männchen eher choosy, vor allem, wenn es sich um monogame Arten handelt oder um solche, bei denen das Männchen, wie bei uns, an der Brutpflege beteiligt ist.

Im Folgenden soll das Balzverhalten innerhalb der fünf verschiedenen Wirbeltierklassen untersucht werden. Wenn Sie jetzt mit Pralinen und Blumensträußen rechnen, liegen Sie allerdings vollkommen falsch.

Fische: Die Kleinkünstler der Balz

Es gibt drei Hauptgruppen (Klassen) von Fischen: die Kieferlosen oder Agnatha (Neunaugen und Schleimaale), die Knorpelfische (Haie, Rochen und Seekatzen) und die Knochenfische (der gesamte Rest).8

Das zärtliche Gefühlsleben der Neunaugen

Das Sexualleben der Kieferlosen ist bisher recht wenig erforscht, aber zumindest gibt es einige Beobachtungen zum Balzverhalten von Neunaugen, einem seit geraumen Zeiten existierenden Parasiten größerer Fische. Neunaugen haben keine Kiefer, sondern bedienen sich stattdessen ihrer Mundscheibe, einer Art Saugnapf mit spitzen Zähnen, mit dem sie ihre Opfer angreifen, Haut- und Muskelschichten abschaben und ihnen schließlich das Blut aussaugen.

So hässlich und primitiv diese Tiere auch aussehen, legen sie doch ein auffallend sanftes und zärtliches Balzverhalten an den Tag. So bauen sich beispielsweise die beiden in Amerika beheimateten Neunaugen Lampetra tridentata und L. richardsoni am Grund des Flusses ein Nest.

Sie graben ein Loch, in dem sie nur kleine Kiesel zurücklassen, während die größeren mithilfe des Saugnapfes der Mundscheibe aus dem Nest geschoben werden. Am Nestbau sind ein oder mehrere Individuen beteiligt, je nachdem wie viele Tiere anschließend davon Gebrauch machen. Mehrere Weibchen können gleichzeitig ein und dasselbe Nest benutzen und mehrere Männchen gemeinsam ein und dasselbe Weibchen befruchten (da die Befruchtung äußerlich erfolgt, müssen sie nur dafür sorgen, bei der Eiablage in der Nähe zu sein). Falls sich in der Nähe »heimlich« ein Fisch herumtreibt und darauf lauert, sich die Eier einzuverleiben, wird er mit dem Saugnapf gepackt und ohne viel Umschweife aus dem Nest befördert. Den Berichten der amerikanischen Forscherin Jen Stone zufolge klammert sich das Weibchen nach Abschluss der »Bauarbeiten« an einen flussaufwärts gelegenen Stein und positioniert den Körper über dem Nest. Nun beginnt das größte Männchen, sie mit seiner Mundscheibe am ganzen Körper zu liebkosen und sich dabei auf und ab zu bewegen. Nach diesem Vorspiel heftet es sich mit seinem Saugnapf in der Nähe ihres Kopfes fest, windet sich um ihren Körper, und beide sondern gleichzeitig ihre Geschlechtszellen ab. Die befruchteten Eier fallen in das Nest, wo sich die Embryonen entwickeln. Es kann passieren, dass sich mehrere Männchen gleichzeitig – in einer Art »Befruchtungs-Gruppensession« – um ein einziges Weibchen winden.

Sex, shark and Rock and Roll