Society - Das Ende der Welt - Maggie Hall - E-Book

Society - Das Ende der Welt E-Book

Maggie Hall

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Beschreibung

Was bist du bereit zu opfern? Für die Welt, deine Familie und die Liebe ...

Avery West hat alles verloren: ihre Mutter, die gerade erst gefundene Familie und den einen Jungen, dem sie trauen konnte. Dafür bekommt sie nun: unermessliche Macht, eine Beziehung, die jedes echte Gefühl, das sie je hatte, infrage stellt und eine unmögliche Mission. Um sich selbst zu retten, müssen Avery und ihre Freunde Jack und Stellan in einem Wettlauf mit der Zeit das Grab Alexander des Großen finden. Und darin werden sie entweder den Schlüssel zur Rettung der Welt finden – oder zu deren Zerstörung.

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Seitenzahl: 512

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Maggie Hall

SOCIETY

Das Ende der Welt

Aus dem Amerikanischen

von Doris Attwood

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Für alle Mädchen, die nach dem Lesen dieser Geschichte stärker sind als davor.

Erstmals als cbt Taschenbuch Juni 2020

© 2017 Margret Hall

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel

»The Ends of the World« bei G. P. Putnam’s Sons,

einem Verlag der Penguin Random House, New York

© 2020 für die deutschsprachige Ausgabe

cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Doris Attwood

Lektorat: Christina Neiske

Umschlaggestaltung: Suse Kopp, Hamburg unter Verwendung der Abbildungen

von © GettyImages (BJI/Blue Jean Images; panic_attack;

Cesare Ferrari; Tobias Greve/EyeEm; Ray Kachatorian);

© istockphoto (CaoChunhai)

MP · Herstellung: AS

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-17881-9V001

www.cbj-verlag.de

PROLOG

DIE GERÜCHTEVERBREITETEN sich wie ein Lauffeuer, schneller als eine Seuche.

Einige von ihnen entsprachen der Wahrheit: Sie hat die Augen, sagten sie. Er hat Alexanders Blut.

Andere nicht: Er ist unverwundbar. Es ist Magie.

Der Eine und das Mädchen mit den violetten Augen, flüsterten sie. Ihr Schicksal ist das Schicksal des Kreises.

Das wahre Geheimnis dieses Schicksals kannten sie jedoch nicht. Sie konnten es nicht kennen. Und das mussten sie auch nicht.

Außerhalb des Kreises der Zwölf verbreiteten sich die Gerüchte ebenso schnell, aber es waren andere. Gerüchte von Terrorangriffen, zuletzt mit einer biologischen Waffe in Paris. Verschwörung, flüsterten sie. Es geschieht etwas, hörte man sie raunen.

Nachdem das Virus in Paris freigesetzt worden war, war die Welt stiller geworden. Aber es war nicht die Stille tiefer Ruhe. Es war die Art von Stille, die den Atem anhielt. Wie ein straff gespannter Bogen, der zerreißen würde, wenn er nicht bald losgelassen wurde.

Und hinter alldem fand ein Wettlauf statt. Ein Wettlauf um das größte Geheimnis in der Geschichte der Archäologie. Um das Grab von Alexander dem Großen, in dem sich das Heilmittel gegen das Virus befand, das den Kreis zerstören konnte. Das einen Krieg auslösen konnte. Wer immer es als Erster fand, konnte die Zukunft des Kreises bestimmen. Vielleicht sogar die Zukunft der Welt.

Es waren nicht dieses Mädchen und dieser Junge, die über das Schicksal der Welt bestimmten. Es war eine weit zurückreichende Ahnenreihe, deren Geschichte vor Tausenden von Jahren ihren Anfang genommen hatte. Eine Ahnenreihe, die einige der größten Eroberer hervorgebracht hatte, die die Welt je gesehen hatte. Und einige der größten Torheiten.

Ihr Schicksal war in die Sterne geschrieben.

KAPITEL 1

BEI NACHT, IN DER DUNKELHEIT, schaffte ich es einfach nicht, sie loszuwerden.

Die Schreie. Das herablassende Grinsen auf Cole Saxons Gesicht. Das erste bellende Husten meiner Mutter, als ich es noch nicht begriffen hatte. Und das zweite, als es mir klar wurde. Ihr blutüberströmtes Gesicht. All die Menschen, die um mich herum zu Boden fielen und an ihrem eigenen Blut erstickten, wegen meinem.

Und auch wenn ich wach war, krallte sich mein Hirn in diesen Erinnerungen fest und spielte mir Streiche.

So wie jetzt auf dieser Party: Der junge Mann, der mir aufgefallen war, war klein, hatte dunkles Haar und trug einen Smoking. Ich konnte nur seinen Rücken sehen, als er von der Bar zum Rand des Anwesens schlenderte und über die funkelnden Lichter von Jerusalem blickte.

»Kuklachka«, flüsterte Stellan mir ins Ohr.

Ich zuckte zusammen. Aus der geringeren Entfernung erkannte ich, dass die Haare des Mannes lockiger waren, als ich geglaubt hatte. Länger. Schließlich drehte er mir doch das Gesicht zu, während er einen Schluck von seinem Champagner trank. Es war nicht Cole Saxon. Keiner von ihnen war hier. Ich hätte froh darüber sein sollen, denn wenn die Saxons tatsächlich hier aufgetaucht wären, hätte dies nichts Gutes bedeutet.

Ich drehte mich zu Stellan um. »Was?«

Er legte besitzergreifend eine Hand auf meinen Rücken und lehnte sich ganz dicht zu mir. »Ich habe dich gefragt, ob du vielleicht nackt mit mir in den Springbrunnen hüpfen willst. Diese Party könnte ein bisschen mehr Leben vertragen.« Ich starrte ihn mit leerer Miene an. Er seufzte. »Ich habe dich gefragt, ob du zufällig gesehen hast, ob die Rajeshs eingetroffen sind, während ich mich mit Elodie unterhalten habe.«

Ich hätte über seinen Witz lächeln sollen. Genau das beabsichtigte er schließlich: mich lockerer zu machen, damit ich so aussah, wie ein Mädchen in einem Cocktailkleid auf einer Party eben aussehen sollte. Aber mein Gehirn wusste einfach nicht mehr, wie es bestimmte Gefühle erzeugen sollte. Ich verzog daher angestrengt das Gesicht und hoffte, dass mein Ausdruck freundlicher und weniger roboterhaft wirkte, als er sich anfühlte. »Nein. Ich glaube nicht, dass sie schon hier sind. Vielleicht sollten wir mit jemand anderem anfangen.«

Stellan machte sich noch nicht einmal die Mühe, ein falsches Lächeln aufzusetzen.

Ein Feuerwerk explodierte, laut genug, um die Erde zum Beben zu bringen. Ganz in der Nähe, direkt neben dem Springbrunnen, über den Stellan eben noch gescherzt hatte, blickten Jack und Elodie in den Himmel empor. Elodie lehnte sich zu Jack, um ihm etwas zuzuflüstern, und zuckte dabei kaum merklich zusammen. Ihre Schusswunde war noch immer nicht ganz verheilt, sodass sie nach wie vor nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte war. Das passte ihr gar nicht. Trotzdem war sie heute Abend hier. Für uns. Genau wie an jedem anderen Tag. Im vergangenen Monat waren sie und Jack als unsere Freunde an Stellans und meiner Seite gewesen. Heute Abend waren sie als unsere Hüter hier.

Diese Party war eine Feier, bei der wir die Ehrengäste waren. Morgen würden wir offiziell als die dreizehnte Familie in den Kreis der Zwölf aufgenommen werden.

Es war nun schon fast einen Monat her, seit meine Mutter gestorben war. Seit Cole Saxon das Virus in einem überfüllten Saal bei der Pariser Modewoche freigesetzt und damit meine Welt – die ganze Welt – auf den Kopf gestellt hatte. An jenem Abend hatten wir dem Rest des Kreises verkündet, was die Saxons wirklich getan hatten. Wir hatten ihnen erzählt, wie meine Halbgeschwister Lydia und Cole – mit dem Segen unseres Vaters Alistair – Kreismitglieder auf der ganzen Welt getötet und dem Orden, den Erzfeinden des Kreises, die Schuld dafür in die Schuhe geschoben hatten. All das mit dem Ziel, im Kreis dadurch so viel Angst und Schrecken zu verbreiten, dass er sich geschlossen hinter sie stellen würde. Wir hatten ihnen erzählt, dass sich die Saxons nun im Besitz einer biologischen Waffe befanden, durch die weitere Angriffe für sie noch leichter durchzuführen waren.

Was wir ihnen nicht erzählten, war, dass diese biologische Waffe aus unser beider Blut bestand.

Stellan und ich waren der Eine und das Mädchen mit den violetten Augen. Das Paar, von dem im Mandat die Rede war, einer Prophezeiung, an die der Kreis seit Jahrtausenden glaubte. Wir hatten jedoch vor einiger Zeit herausgefunden, dass die darin erwähnte Vereinigung, von der der Kreis glaubte, sie würde ihm schier grenzenlose Macht verleihen, in Wahrheit etwas anderes bedeutete, als sie bislang angenommen hatten: Wenn Stellans und mein Blut miteinander vermischt wurden und ein nichts ahnendes Mitglied des Kreises es in irgendeiner Form zu sich nahm, wurden dadurch unkontrollierbare innere Blutungen ausgelöst und der Betroffene starb innerhalb weniger Minuten.

Die nächsten Feuerwerkskörper erleuchteten eine Brücke in der Ferne. Etwas näher wurden die Mauern der Altstadt von Jerusalem in verschiedene Violetttöne getaucht. Einer von ihnen hatte exakt die Farbe meiner Augen.

Anfangs hatte mich das überschwängliche Luxusleben des Kreises fasziniert: die Wohnung im Louvre. Der Ball im Eiffelturm. Ein Feuerwerk über der ganzen Stadt für eine private Feier. Inzwischen erkannte ich jedoch, dass das alles nur Schall und Rauch war. Dieser Prunk sollte den Kreis nur daran erinnern, wie bedeutend er war.

Und wir steckten nun mittendrin.

Ich hatte den vergangenen Monat in der Hoffnung verbracht, es würde nie so weit kommen.

Dem Kreis zu offenbaren, wer wir waren, war die einzige Möglichkeit gewesen, die Saxons zur Rechenschaft zu ziehen und sie davon abzuhalten, noch mehr Menschen zu verletzen. Doch seit sich meine Wut und Angst allmählich in Trauer und Benommenheit verwandelten, wollte ich das, was damit einherging, immer weniger. Sicher, als offizielle Familie des Kreises anerkannt zu werden, würde uns mehr Macht verleihen, und in gewisser Hinsicht betrachtete ich dies durchaus als erstrebenswert. Aber es würde auch politische Kämpfe und Gefahren mit sich bringen und mich – das war das Allerschlimmste – in eine hübsche kleine Schachfigur dieser Welt verwandeln, die mir alles genommen hatte.

Doch trotz all unserer Bemühungen war es uns nicht gelungen, die offizielle Aufnahme in den Kreis noch weiter hinauszuzögern. Und wie sich herausstellte, war das auch gut so. Wir brauchten etwas, das nur der Kreis uns geben konnte, und auf diese Weise würden wir es bekommen.

Auf der anderen Seite des Gartens erkannte ich Laila Emir und ihren kleinen Bruder. Sie starrten uns an. Stellan hatte sie ebenfalls gesehen. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und lächelte. Ich schmiegte mich in seine offene Handfläche und lachte kokett.

Hinter den Emirs entdeckte ich auch Daniel Melech in der Menge. Er warf uns einen finsteren Blick zu. Die Melechs hatten diese überschwängliche Feier zwar organisiert, weil sich die Stätte für die Initiationszeremonie hier in Jerusalem befand, aber sie waren auch die Familie des Kreises, die den Saxons gegenüber am loyalsten war. Ihr Sohn Daniel stand vor allem Lydia sehr nahe.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das Messer, das in einer Scheide an meinem Bein steckte, an Daniels Kehle zu drücken und ihn zu zwingen, mir zu verraten, wo sich meine Schwester befand. Ich wollte ihm sagen, dass ich seit Wochen davon träumte, meinem Bruder eine Kugel in den Kopf zu jagen und dass er selbst an allem, was sie taten, eine Mitschuld trug, weil er ihnen half, sich weiter zu verstecken.

Mir war vage bewusst, dass ich mich für diese Gedanken selbst verachten sollte. Aber alles, was ich empfand, war Leere. Seit jenem Abend kam ich mir vor wie ein Roboter, in den nur ein einziger Befehl einprogrammiert war: Halte sie auf. Töte sie. Ich könnte lügen und behaupten, dass ich damit nur verhindern wollte, dass sie noch mehr Menschen verletzten. Und natürlich wollte ich das. Aber in Wahrheit war die einzige echte Emotion, die hin und wieder das Gefühl der Leere durchbrach, der Drang, das Leben der Saxons genauso zu zerstören, wie sie meins zerstört hatten.

Eine violette Feuerwerksrakete explodierte. Goldene Bogen spannten sich über den Himmel und ergossen sich über die Stadt wie die Äste einer Trauerweide. Ein Oooooh ging durch die Menge.

Ich drehte uns ein wenig mehr in Daniel Melechs Richtung und streichelte mit den Fingern zärtlich an Stellans Arm auf und ab, während ich den Blick über die Gäste schweifen ließ. Die meisten Familien des Kreises, auf die wir gewartet hatten, waren inzwischen eingetroffen.

Als wir von dem Virus erfahren hatten, hatten wir auch noch etwas anderes erfahren: Es gab ein Heilmittel. Napoleon hatte es jedoch im Grab zurückgelassen. Ich befürchte, dass es alles nur schlimmer machen würde, hatte er geschrieben.

Er hatte recht.

Mithilfe des Virus konnten sich die Saxons die Kontrolle über den Kreis erschleichen – oder sie mit Gewalt an sich reißen. Im Idealfall hätten wir das Virus natürlich einfach zerstört, aber das war unmöglich – wir waren das Virus. Und sämtliche Bemühungen der Wissenschaftler, die wir angeheuert hatten, damit sie es in unserem Blut deaktivierten, waren erfolglos geblieben. Es gab nur noch eine Möglichkeit.

Lydia hatte mich wochenlang jeden Tag angerufen, nachdem meine Mutter getötet worden war. Ebenso wie mein Vater. Als ich schließlich einen ihrer Anrufe entgegengenommen hatte, hatte Lydia Stein und Bein geschworen, dass sie niemals gewollt hatten, dass meine Mutter in die Schusslinie geriet. Sie wollten nur zum Wohl der Familie einsetzen, was wir herausgefunden hatten. Das Virus in Paris ging allein auf Coles Konto und war nicht mit den anderen beiden abgesprochen gewesen, beteuerte sie. Ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Lydia und mein Vater waren viel zu vorsichtig, um etwas so Gefährliches freizusetzen – ohne eine Möglichkeit, es wieder aufzuhalten.

Daher suchten die Saxons nun nach dem Heilmittel. Und wir mussten es finden, bevor sie es taten. Da wir das Virus nicht zerstören konnten, mussten wir stattdessen das Heilmittel zerstören.

Weitere Explosionen erleuchteten den Himmel, begleitet von Musik, die nur die Gäste der Party hören konnten. Bunte Ranken und Lichter schlängelten sich durch die Wolken, während ich über irgendetwas lächelte, das Stellan mir zuflüsterte.

Im Prinzip waren wir einer Schatzkarte von Napoleon Bonaparte gefolgt, seit ich zum Kreis gekommen war. Der letzte Hinweis deutete auf Alexandria in Ägypten als Grabstätte Alexanders des Großen hin. Dort war das Heilmittel versteckt. Doch obwohl uns die beinahe unerschöpflichen Ressourcen des Kreises zur Verfügung standen, hatten wir dort nichts gefunden. Nicht an den verschiedenen Ausgrabungsstätten. Nicht mithilfe modernster Bodenradargeräte.

Beinahe durch Zufall stießen wir dann schließlich auf den Hinweis, der uns den richtigen Weg wies. Ich hatte Napoleons Tagebücher immer wieder gelesen und einen Eintrag nach dem anderen durchkämmt, obwohl sie nicht das Geringste mit unserer Suche zu tun hatten, sondern nur von Schlachten, Strategien, Hochzeiten und Affären handelten. Plötzlich hatte jedoch etwas meine Aufmerksamkeit erregt: ein Eintrag, in dem es darum ging, einen unbekannten Leichnam seiner angemessenen letzten Ruhestätte zuzuführen. Die Seiten direkt davor waren herausgerissen worden. Nach kurzer Recherche hatten wir entdeckt, dass sich Napoleon zu diesem Zeitpunkt in Venedig aufgehalten hatte.

Jack hatte schließlich – mit seinem scheinbar unerschöpflichen Erinnerungsvermögen, wenn es um willkürliche Fakten ging – den Zusammenhang hergestellt. Es gab eine Theorie, die Venedig mit dem Leichnam von Alexander dem Großen in Verbindung brachte. Eine Art archäologisches Gerücht, in die Welt gesetzt von einem Wissenschaftler, der es nie hatte beweisen können. Die meisten Historiker verspotteten seine Theorie, die besagte, dass Alexanders Gebeine im neunten Jahrhundert nach Christus nach Venedig überführt worden waren, wo sie jahrhundertelang im Markusdom ruhten. In dem Fall hätte Alexanders Leichnam überhaupt nie in seinem Grab gelegen.

Es war eine lächerliche, verzweifelte Vorstellung, aber wir waren schließlich verzweifelt. Wir reisten also zum Markusdom, wo wir letzten Endes feststellen mussten, dass die Gebeine des Heiligen Markus gar nicht seine Gebeine waren – aber sie gehörten auch nicht Alexander. Sie stammten aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. »Genau zu dieser Zeit hat Napoleon auch den Tagebucheintrag verfasst«, sagte Elodie, die sich schließlich doch für die Theorie erwärmte. »Er hätte Alexanders Leichnam wieder in sein eigentliches Grab bringen und irgendeine andere Leiche in Venedig zurücklassen können, um seine Spuren zu verwischen.«

Doch da Alexanders Leichnam nicht dort war, half uns das nicht weiter. Zu diesem Zeitpunkt wären wir mit unserem Latein am Ende gewesen, wenn Elodie nicht wieder eingefallen wäre, dass die Katholische Kirche Reliquien einiger ihrer bedeutendsten Heiligen im Vatikan aufbewahrte.

Dem Kreis anzugehören, brachte einige nützliche Privilegien mit sich. Dazu gehörte auch, dass wir einfach in den Vatikan reisen und nachschauen konnten. Wie sich herausstellte, verwahrten sie dort tatsächlich eine Reliquie des Heiligen Markus: einen Oberschenkelknochen. Wir nahmen ihn mit und untersuchten ihn.

Trotz der Beweise waren wir schockiert, als sich herausstellte, dass der Knochen ungefähr aus dem Jahr 350 vor Christus stammte. Aus der Zeit Alexanders.

»Kurz nach Alexanders Tod gab es eine Prophezeiung, die besagte, wer immer im Besitz seiner Leiche sei, würde niemals besiegt werden. Das war einer der Hauptgründe für die frühen Diadochenkriege«, erinnerte sich Jack. »Ist es vielleicht möglich, dass dieser Knochen irgendwie das Heilmittel birgt?« Diese Idee vernachlässigten wir jedoch fürs Erste, als unsere Wissenschaftler etwas anderes entdeckten: eine Nachricht, die in eine Spalte des Knochens eingeritzt worden war.

Dort, wo unsere Königin die Zwölf erschuf, entriegelt der Knochen unseres Königs eine Karte zur Stätte ewiger Ruhe.

Unser König, so vermuteten wir, war Alexander, und der Knochen der in unseren Händen. Unsere Königin schien sich auf Olympias zu beziehen, Alexanders Mutter. Sie hatte das Virus erschaffen, um ihrer eigenen Blutlinie wieder an die Macht zu verhelfen. Sie hatte auch die Modifikationen an den Diadochen vorgenommen – Alexanders zwölf Generälen, die sein Reich untereinander aufgeteilt hatten und zu den zwölf Familien des Kreises geworden waren –, die sie nicht nur empfänglich für das Virus gemacht, sondern ihnen auch das Gen der violetten Augen beschert hatte. Die Zeremonie, die sie damals durchgeführt hatten, war bis heute das einzige Initiationsritual des Kreises geblieben.

Morgen würde die Zeremonie mit unserer offiziellen Aufnahme zum zweiten Mal stattfinden.

Welche Ironie, dass ich mich so lange gegen mein »Schicksal« innerhalb des Kreises gewehrt hatte und er nun doch genau der Ort war, an dem wir sein mussten. Dies bedeutete jedoch nicht, dass wir nicht noch einen allerletzten Versuch unternehmen würden, um herauszufinden, was der Knochen entriegelte, bevor wir die Zeremonie über uns ergehen ließen.

Nachdem uns bewusst geworden war, dass der Hinweis etwas mit dem Initiationsritus zu tun haben musste, hatten wir so viele Informationen zusammengetragen, wie wir konnten. Jack, Stellan und Elodie wussten bereits ein wenig über die ursprüngliche Zeremonie, da sie in der Geschichte des Kreises unterrichtet worden waren. Unsere Freunde Luc und Colette wussten als Mitglieder der Familie Dauphin noch etwas mehr. Außerdem gelang es Luc, ein paar alte Texte aus der Bibliothek der Dauphins mitgehen zu lassen, um einen Teil unserer Wissenslücken zu füllen. Höchstwahrscheinlich würde Feuer eine Rolle spielen, wie unsere Recherchen ergaben. Außerdem bestimmte Beschwörungen und Eide, durch die wir offiziell aufgenommen wurden. Trotzdem fehlten uns immer noch genauere Einzelheiten. Wir nahmen an, dass wir nach einem Objekt suchen mussten. Nach irgendetwas, das man tatsächlich entriegeln konnte.

Heute Abend mussten wir daher zwei Dinge tun: herausfinden, worum es sich bei dem Objekt handelte, das den nächsten Hinweis enthielt, und es noch vor der Initiationszeremonie morgen in unseren Besitz bringen, ohne dass der Kreis etwas davon erfuhr.

Stellan räusperte sich. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder von den Gästen ab und sah, dass er mir eine Hand hinhielt. »Willst du tanzen?«, fragte er.

»Warum?«, fragte ich mit gezwungenem Lächeln zurück.

»Weil wir uns allem Anschein nach auf der Tanzfläche befinden und es seltsam aussehen würde, wenn wir es nicht täten.«

Er hatte recht. Während ich meinen Gedanken nachgehangen hatte, hatte sich eine Gruppe tanzender Paare rund um uns versammelt.

Ich blickte hinter Stellan und sah, dass Jacks Augen auf uns ruhten. Mit einem, wie ich hoffte, nicht allzu deutlichen Seufzen legte ich meine Hand in Stellans.

»Hast du Lucien gesehen?«, fragte er und schlang einen Arm um meine Taille. Darum hatte er mich also dazu überredet, uns unters Partyvolk zu mischen. Obwohl Stellan nun theoretisch das Oberhaupt seiner eigenen Kreisfamilie war, war ich mir nicht sicher, ob er jemals damit aufhören würde, Luc zu beschützen. »Er wollte sich Colette schnappen und versuchen, noch irgendetwas herauszufinden, aber sie sind verschwunden.«

Stellans für gewöhnlich so leichter Akzent war in letzter Zeit ein wenig stärker geworden. Er rollte das r etwas mehr. Sie sind verrschwunden. Es lag vermutlich daran, dass er mehr Zeit in Russland verbrachte als normalerweise. Seine kleine Schwester Anya gehörte ebenfalls der dreizehnten Blutlinie an, was bedeutete, dass es eine Menge Leute gab, die sie nur allzu gerne in die Finger kriegen würden. Er hielt sie an einem sicheren Ort versteckt, fuhr jedoch alle paar Tage zu ihr, um sie in eine neue Stadt zu bringen, nur für den Fall, dass irgendjemand nach ihr suchte.

»Luc geht’s gut«, murmelte ich und beobachtete weiter die anderen Partygäste. »Diese harmlose Gelegenheit gibt ihm wenigstens das Gefühl, in unsere Suche involviert zu sein.«

Stellan seufzte und drückte mich fester an sich. Einige Mitglieder des Kreises glaubten nicht daran, dass unsere Beziehung wirklich echt war. Dies spielte eine Rolle, weil sie immer noch davon überzeugt waren, dass das Mandat nur durch unsere »Vereinigung« erfüllt wurde – und für sie war Vereinigung gleichbedeutend mit Heirat. Es gab Gerüchte, wir hätten gelogen, als wir behauptet hatten, die Hochzeitszeremonie bereits durchgeführt zu haben. Schließlich waren wir noch sehr jung und ich darüber hinaus eine Außenstehende – hätte ich alldem wirklich so einfach zugestimmt? Ein Teil des Plans für den heutigen Abend sah vor, allen zu zeigen, wie sehr wir ineinander verliebt waren, und diesen Zweifeln ein für alle Mal ein Ende zu bereiten – nicht zuletzt, weil sie mit ihren Vermutungen über meinen Widerwillen vollkommen richtiglagen. Auch wenn wir die Initiationszeremonie über uns ergehen lassen mussten, würde ich auf gar keinen Fall dem Hochzeitsritual zustimmen. Darum mussten wir sie davon überzeugen, dass es bereits stattgefunden hatte.

Wir sahen jedenfalls definitiv aus wie das perfekte entzückende Powerpärchen: Stellan in einem klassischen Smoking und mit einem Ausdruck in den Augen, der sagte: Ich bin viel zu gut für diesen ganzen Laden, sein blondes Haar so lässig zurückgegelt, dass es diese Haltung noch unterstrich. Mein dunkles Haar stand in starkem Kontrast zu seinem, während mich die zehn Zentimeter hohen Absätze ein kleines Stück näher auf Augenhöhe mit ihm brachten, auch wenn er trotzdem noch viel größer war als ich. Ich trug die jüngste Kreation irgendeines angesagten Designers – Colette und Elodie hatten sich darum gekümmert. Das Kleid war schwarz und hochgeschlossen. Es war schön, sicher. Und noch vor einem Monat hätte es mir Spaß gemacht, in etwas so Hübsches zu schlüpfen und auf eine so exklusive Party zu gehen. Aber jetzt war meine Mom tot und nichts anderes spielte mehr eine Rolle.

»Ist alles okay?«, fragte Stellan. »Ich weiß, dass hier zu sein wahrscheinlich …«

»Mir geht’s gut.« Vielleicht fühlte ich mich ein wenig angespannt, aber sicher nicht so sehr, dass es bei unseren Plänen hier zu einem Problem werden würde.

Stellan wirbelte mich herum. Wir hatten uns gut auf den heutigen Abend vorbereitet, was die Politik innerhalb des Kreises anging. Und darauf, was wir herausfinden mussten. Das Tanzen jedoch hatte keiner Übung bedurft. Stellan wusste immer, wie er mich in die Richtung führen musste, in die er wollte – und ich wusste, wie ich auf seine Berührungen reagieren musste. Eigentlich war ich gar keine besonders gute Tänzerin, aber nach der Drehung fand ich mich trotzdem völlig mühelos in seinen Armen wieder.

Er führte meine Hand zwischen uns beiden nach oben und seine Finger streiften über meine Knöchel. Sie waren rot und wund. Auf etwas einzuschlagen war die einzig wirkungsvolle Möglichkeit, die scharfen Spitzen abzustumpfen, die sich in meine Brust stachen. Wie ich inzwischen herausgefunden hatte, funktionierte dies jedoch nicht so gut, wenn ich meine Knöchel vorher mit einem Tapeverband bandagierte.

Ich riss meine Hand los.

»Wir könnten etwas Weicheres als diesen schweren Sandsack für dich finden, auf das du einschlagen kannst, wenn du schon keine Handschuhe trägst.«

»Oder du könntest dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern«, gab ich mit einem süßen Lächeln zurück. Es überraschte mich nicht, dass er genau wusste, was ich tat. Wenigstens hatte mich nicht Jack dabei erwischt. Er hätte Wachen vor meinem Zimmer postiert, damit ich es nachts nicht mehr verlassen konnte, nur für den Fall, dass auf dem Weg zum Fitnessstudio des Hotels jemand versuchte, mich zu ermorden.

»Wenn deine Hände aussehen, als seist du Mitglied in irgendeinem schäbigen Hinterhof-Boxklub, passt das nicht besonders gut zum Rest deines schicken Outfits«, tadelte mich Stellan. »Sag mir das nächste Mal einfach Bescheid, dann halte ich ein paar Sofakissen für dich, auf die du eindreschen kannst.«

Als ich nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Du könntest dir natürlich auch ein neues Hobby suchen. Stricken? Oder Kreuzworträtsel? Ich wette, du stehst auf Kreuzworträtsel. Oder«, seine Augen huschten zu meinem Mund und seine Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Lächeln, »ich könnte dir dabei helfen, deine Anspannung auf ganz andere Art abzubauen.«

In der Vergangenheit hätte mich das vielleicht zu einer Reaktion provoziert. Aber jetzt war ich einfach nur genervt, weil er glaubte, er hätte ein Anrecht auf meine tiefsten Gedanken, nur weil wir ein einziges Mal miteinander rumgemacht hatten. Wir hatten uns jedoch zu dicht in die Nähe zweier Cousins der Familie Wang getanzt, deshalb kicherte ich stattdessen nur mit gespielter Verliebtheit. »Wenn du wirklich willst, dass ich auf dich einschlage, dann schlage ich auf dich ein«, raunte ich ihm zu. »Aber kannst du jetzt bitte davon aufhören?«

»Nein, kann ich nicht. Du hast in den letzten zwei Wochen kaum mehr zu mir gesagt als ›gib mir mal das Salz‹, aber jetzt hab ich dich hier und du kannst mir nicht davonlaufen.« Er packte meine Taille ein wenig fester, um seine Aussage zu unterstreichen. »Ich würde wenigstens gerne wissen, dass du in deinem hübschen Köpfchen keine Pläne schmiedest, mich umzubringen.«

»Im Moment nicht.«

Ich stieß mich von ihm ab, führte ein paar einstudierte Tanzschritte aus und er legte eine Hand auf meine andere Hüfte. »Kuklachka …«

»Und wo wir gerade dabei sind«, unterbrach ich ihn, »das kannst du auch sein lassen. Von wegen kleines Püppchen. Das bin ich nicht. Ich bin weder deine Puppe, trotz dieser ganzen Situation, noch die des Kreises.«

»Avery«, korrigierte er sich demonstrativ.

Eigentlich dachte ich, ich hätte ihm in den vergangenen Wochen so deutlich die kalte Schulter gezeigt, dass er irgendwann aufhören würde, mich zu drängen, aber er blieb beharrlich. Jack wusste, wie es sich anfühlte, nicht über etwas reden zu wollen, und Elodie war in letzter Zeit meistens abgelenkt und mit anderen Dingen beschäftigt. Aber Stellan kannte keinerlei Grenzen. Ich zog ihn zu mir herunter, als wollte ich ihm etwas Zärtliches, Romantisches ins Ohr flüstern. »Wenn du ein Problem damit hast, wie ich die Rolle deiner Frau spiele, dann sag es mir. Alles andere interessiert mich nicht. Ich will nicht darüber reden und ich brauche auch nicht deine Hilfe.«

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Miguel Reyes auf uns zukam. »Zeit, die dreizehnte Familie zu spielen«, grummelte ich.

Es gab einen Zeremonienmeister für den morgigen Tag, der für das Initiationsritual Informationen über die Familiengeschichte aller Mitglieder aus deren privaten Aufzeichnungen zusammengetragen hatte, aber wir konnten nicht mit ihm sprechen. Tatsächlich konnten wir überhaupt niemanden direkt fragen. Das hätte nur unnötig Verdacht erregt. Einige Familien konnten wir sicher zu unseren Verbündeten zählen, aber die meisten betrachteten uns noch immer mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Skepsis, weil wir – die kleine Außenseiterin mit den rosa Strähnchen im Haar und ihr »Ehemann«, der jahrelang Hüter der Dauphins gewesen war – urplötzlich zu den Rettern des Kreises geworden waren. Wenn wir obendrein auch noch versucht hätten, ihnen irgendwelche Informationen zu entlocken, wäre ihr Misstrauen dadurch nur noch weiter gewachsen. Luc hatte uns erzählt, dass einige Familien ihre Geschichte sorgfältiger festhielten als seine und möglicherweise Einzelheiten über das Ritual kannten. Deshalb hatten wir einen Plan.

Stellan küsste mich mit einem übertriebenen Zwinkern auf die Wange, so als hätten wir keinerlei Sorgen auf der Welt, außer schicke Klamotten zu tragen, miteinander zu tanzen und zu flirten. Auch als er sich aus unserer Tanzhaltung löste, ließ er meine Hand nicht los, und da die Augen zahlreicher Gäste auf uns ruhten, konnte ich ihn auch nicht dazu zwingen.

Nachdem wir unsere Unterhaltung mit der Familie Reyes beendet hatten – wir hatten nicht erwartet, dass sie irgendetwas über die Zeremonie wussten, und unsere Annahme schien sich zu bestätigen –, hakte mich Stellan bei sich ein und führte mich von der Tanzfläche zu George und Marie Frederick vom amerikanischen Zweig des Kreises, die vor einem üppigen Büfett mit verschiedenen Sorten Hummus, Fleischspießen und Salaten standen.

Ich ging noch einmal im Kopf durch, was wir bezüglich der Fredericks besprochen hatten. Um sicherzustellen, dass keine der Familien Verdacht schöpfte und herausfand, was wir vorhatten, benutzten wir uns sozusagen selbst als Köder. Wir verwandelten uns in die Version von uns selbst, auf die die einzelnen Familien unserer Ansicht nach am besten reagieren würden.

»Hallo, Mr Frederick«, sagte ich. »Mrs Frederick.« Wir machten Small Talk über das Wetter in Washington, D. C., wo die Familie lebte, und Stellan machte eine Bemerkung darüber, dass die Hitze in Jerusalem wenigstens trocken war. Als wir den beiden schließlich ein Lächeln entlockten, sagte ich ganz beiläufig: »Ich kann gar nicht glauben, dass die Zeremonie wirklich schon morgen stattfindet. Ich hatte noch gar keine Zeit, mich wirklich darauf vorzubereiten. Ich meine, ich konnte kaum an etwas anderes denken als …«

Ich brach mitten im Satz ab und senkte den Blick Richtung Boden.

»Oh, Kleines.« Mrs Frederick hatte einen weichen Südstaatenakzent, der sich für mich ganz fremd anhörte, nachdem ich so lange nicht mehr in den Vereinigten Staaten gewesen war. Sie umschloss meine freie Hand mit ihren beiden. »Mein liebes Kind. Es tut mir so leid.«

Die Fredericks schienen eine vage Verbundenheit zu mir zu spüren, weil ich ebenfalls Amerikanerin war. Außerdem waren auch sie in diesem Saal in Paris gewesen, kurz nachdem meine Mom gestorben war. Unsere Strategie bei ihnen bestand darin, die Opferkarte auszuspielen.

Ich schämte mich ein wenig dafür, dass ich unsere Tragödie auf diese Weise ausbeutete – inzwischen wusste der gesamte Kreis, dass nicht nur meine Mom, sondern auch Stellans Familie getötet worden war, als er noch ein Kind gewesen war –, aber als Mitglied des Kreises gehörte es nun einmal dazu, zu lernen, dass man jeden Vorteil ausnutzen musste, der sich einem bot.

»Würden Sie …« Ich schniefte ein bisschen und fuhr mit leiserer Stimme fort: »Könnten Sie mir vielleicht ein wenig über die Zeremonie erzählen? Was passiert denn dabei genau? Ich bin wirklich ziemlich nervös.«

Wir hatten gehört, dass sich die Fredericks besonders für die Rituale des Kreises interessierten. Im Laufe der Generationen hatten sie immer wieder gewisse Elemente verschiedener Zeremonien in die Traditionen ihres eigenen Landes einfließen lassen.

Die beiden tauschten einen Blick. »Ehrlich gesagt ist es schwer, genau zu sagen, was passieren wird«, begann Mrs Frederick. »Aber ich würde darauf wetten, dass ein Eid eine Rolle spielen wird. Du musst bereit sein, dich dem Kreis voll und ganz zu verpflichten. Du weißt schon, wie wir es alle getan haben.«

Ich unterdrückte ein Schaudern. »Sonst noch etwas?«

»Ihr zwei müsst euch deswegen keine Sorgen machen. Ihr müsst nichts weiter tun, als anwesend zu sein. Wir anderen sind da, um euch zu helfen«, sagte sie warmherzig und tätschelte Stellan den Rücken. Wir versuchten, noch weiter nachzuhaken, sahen jedoch schließlich ein, dass wir sonst nichts erfahren würden. Wir verabschiedeten uns von den beiden und entfernten uns.

»Unsere Strategie könnte nach hinten losgegangen sein«, raunte Stellan mir zu.

Ich nickte. Wahrscheinlich wollten sie die armen kleinen Waisenkinder mit zu vielen zeremoniellen Details nicht noch mehr verstören. »Da drüben sind Zara Koning und Sakura Mikado«, sagte ich. »Gib mir ein paar Minuten allein mit den beiden und komm dann zu uns.«

Er nickte und ging zur Bar. Ich brauchte sowieso mal ein paar Minuten Pause von ihm. Ich hoffte, der Druck in meiner Brust würde sich lösen, wenn ich für eine Weile allein war. Ich war in letzter Zeit nicht mehr daran gewöhnt, jemandem über Stunden hinweg so nahe zu sein. Außerdem hatte er recht gehabt, als wir miteinander getanzt hatten: Das betäubte Gefühl, das mittlerweile zu meinem Normalzustand geworden war, bekam, umgeben von all diesen Erinnerungen, erste Risse.

Zara Koning gehörte der südafrikanischen Familie des Kreises an und war ungefähr in meinem Alter. Sakura Mikado aus Japan war ein paar Jahre älter. Ich kannte keine der beiden besonders gut, wusste jedoch, dass sie clever genug waren, um unsere Taktik sofort zu durchschauen. Deshalb beschloss ich, bei ihnen ganz direkt zu sein.

Nach dem üblichen Small Talk ließ ich meine coole Maskerade fallen. »Ich brauche eure Hilfe«, gestand ich. »Könnt ihr mir irgendetwas über die Zeremonie erzählen? Für euch sind diese Rituale ein Teil eures Lebens, aber ich finde sie immer noch ziemlich eigenartig. Das soll keine Beleidigung sein. Ich werde nur nicht gerne ins kalte Wasser geworfen.«

Sie schauten einander an und Zaras Miene wurde weicher. »Sie zwingen euch nicht zur Hochzeitszeremonie, richtig?« Sakura murmelte leise etwas von widerlichen patriarchalischen Traditionen.

»Wir haben sie bereits durchgeführt. Ich glaube nicht, dass sie verlangen werden, dass wir sie noch einmal wiederholen«, antwortete ich. Nicht, wenn unser kleines romantisches Schauspiel heute Abend funktionierte. Ich war mir nicht sicher, was das Schlimmste an der Hochzeitszeremonie war: die Tatsache, dass wir dann tatsächlich verheiratet gewesen wären oder dass die Ehe direkt vor den Augen von Zeugen vollzogen werden musste, um für gültig erklärt zu werden. Ich lenkte die Unterhaltung wieder in die gewünschte Bahn. »Gibt’s bei der Initiation irgendeinen gruseligen Ritualgegenstand, der von einem zum anderen gereicht wird, oder …«

Zara runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass bei einigen Zeremonien aus einem Kelch getrunken wird, aber das ist ja gar nicht so ungewöhnlich. Katholiken machen das schließlich jeden Sonntag.«

Ich lachte mit ihr, aber mein Herzschlag beschleunigte sich. Ein Kelch. Das konnte das Objekt sein, nach dem wir suchten. »Und wäre es derselbe Kelch, der schon beim ersten Initiationsritual benutzt wurde?«, fragte ich. »Das wäre wirklich faszinierend.«

»Ich habe keine Ahnung. Oh, da ist dein Mann.«

Stellan legte eine Hand auf meinen Rücken, und ich gab mein Bestes, ihn liebevoll anzuschauen und meine Anspannung zu verbergen. So als wollte ich ihm nur erzählen, worüber wir gerade gesprochen hatten, berichtete ich ihm von dem Kelch. Er scherzte mit Zara darüber, dass wir die Zeremonie sicher leichter überstehen würden, wenn man uns Wein zu trinken gab. Dann wechselte er auf Japanisch ein paar Worte mit Sakura und sie lachte herzlich und zeigte mit dem Finger auf jemanden. Wenn es um Politik und Schauspielerei ging, schlug ich mich zwar ganz wacker, aber Stellan würde darin immer besser sein als ich.

Wir verabschiedeten uns von den beiden, und er erzählte mir, dass Sakura vermutete, Arjun Rajesh könnte mehr über diesen Kelch und den Ablauf der Zeremonie wissen. Wir hatten ohnehin vorgehabt, uns mit ihm zu unterhalten.

Ich schaute mich nach ihm um und sah, dass Jacks Blick erneut auf uns ruhte. Jack und Elodie blieben immer dicht in unserer Nähe, nur für den Fall. Auch sie gehörten zu unserer Show. Da es uns lieber war, wenn alle über unsere skandalöse kleine Familie tuschelten, als sich darüber zu wundern, dass wir an diesem Abend besonders neugierig zu sein schienen, stellten wir Jack und Elodie mit uns ins Rampenlicht. Es war anmaßend und ein wenig respektlos von uns, so offen zu präsentieren, dass wir den Hüter der Saxons und die persönliche Assistentin der Dauphins »gestohlen« hatten und die beiden, entgegen aller Traditionen, zu unseren Hütern ernannt hatten. Es war genau die Art von Machtspielchen, die für eine Familie des Kreises typisch war, und genau darum taten wir es auch.

Schließlich entdeckte ich Mr Rajesh. Er blickte gedankenverloren über die Stadt. Sein Sohn Dev hatte zu den ersten Opfern der Saxons gehört. Die Familie Rajesh war viel netter und freundlicher, als ich es von einer Familie des Kreises jemals erwartet hätte. Nachdem meine Mom gestorben war, hatte mir Mrs Rajesh sofort ein Carepaket mit köstlichem Essen geschickt. Bei Mr Rajesh waren wir ganz wir selbst und gaben uns völlig natürlich. Wir stellten uns höchstens ein wenig dämlicher, als wir tatsächlich waren. »Ich habe gehört, dass bei der Zeremonie eine Art Kelch eine Rolle spielt«, kam ich nach unserer Begrüßung relativ schnell zur Sache.

»Nein, es gibt keinen Kelch«, erwiderte er. »Meines Wissens wird bei dieser Zeremonie ein kleines Kästchen verwendet, eine Art Schmuckschatulle.«

Der Zeremonienmeister war das Oberhaupt der Familie Vasilyev. Er war heute Abend nicht hier, aber es wäre ihm ohnehin nicht erlaubt gewesen, mit uns über die Initiation zu sprechen. Dann erkannte Stellan jedoch seinen Sohn unter den Gästen. Wir hatten gar nicht erwartet, ihn auf der Party zu sehen. Wir besprachen flüsternd unsere Strategie und beschlossen, dass Stellan die Fragen auf Russisch stellen würde. Um ehrlich zu sein, würde er sagen, wollen wir nur sichergehen, dass während der Zeremonie nichts schiefläuft. Deine Familie ist selbstverständlich absolut vertrauenswürdig, aber wir wissen auch, dass das nicht für alle gilt. Hat dein Vater dir irgendetwas über die Objekte erzählt, die bei der Zeremonie zum Einsatz kommen? Und könnten wir sie vielleicht vorher in Augenschein nehmen, um uns zu vergewissern, dass niemand ein falsches Spiel spielt?

Der junge Mann nickte wissend. Offensichtlich hatte die Familie Vasilyev einige der führenden Verschwörungstheoretiker des Kreises in ihren Reihen. Es fiel uns daher nicht schwer, ihn davon zu überzeugen, dass wir ebenfalls zu den Skeptikern gehörten. Er blickte über seine Schulter, bevor er Stellan etwas zuflüsterte.

Kurz darauf verabschiedeten wir uns von ihm und Stellan zerrte mich wieder auf die Tanzfläche. »Wir müssen irgendwie in die Privatsammlung der Melechs eindringen«, flüsterte er mir ins Ohr. »Er hat bestätigt, dass es ein Kästchen gibt. Es wurde seit der ersten Initiationszeremonie hier in Jerusalem aufbewahrt. Er glaubt, dass es sich höchstwahrscheinlich noch bis morgen hier im Haus befindet.«

Das war sowohl die beste als auch die schlechteste Neuigkeit, auf die wir hatten hoffen können. Nun hatten wir die Chance, das Kästchen zu finden – aber wenn wir dabei erwischt wurden, wie wir im Haus der Melechs herumschnüffelten, wäre das ganz und gar nicht gut.

Wir tanzten an Jack und Elodie vorbei, und ich konnte sehen, dass sie es kaum erwarten konnten zu erfahren, was wir herausgefunden hatten. »Wie wäre es, wenn wir die Melechs bitten, uns ihr wunderschönes Haus zu zeigen?«, schlug ich vor und streichelte zärtlich mit den Fingern über Stellans Brust. »Jack und Elodie könnten auch mitkommen. Acht Augen sehen mehr als vier.«

»Gute Idee«, erwiderte er, und ich ließ zu, dass er meinen Arm wieder bei sich einhakte.

Die Melechs willigten nur sehr widerwillig ein. Ich hätte beinahe eine Bemerkung darüber gemacht, dass sie doch sicher mit uns zusammenarbeiten wollten, um endlich die bösen Gerüchte aus der Welt zu räumen, sie würden die Taten der Saxons billigen, aber glücklicherweise unterbrach Stellan mich vorher. Er hatte recht. Wir spielten auch für die Melechs eine ganz bestimmte Rolle. Sie würden uns niemals mögen, aber sie waren bestimmt weniger wachsam, wenn wir vorgaben, dass wir nichts weiter waren als dämliche, verwöhnte Gören, die sich dem Kreis nur wegen der ausschweifenden Partys und der Privatjets anschlossen.

Während wir also die Aussicht von ihrem eleganten Esszimmer bewunderten und uns anhörten, wie viele Gästezimmer sie hatten, kicherte ich albern, klammerte mich an Stellans Arm fest und vergrub meine Nase zärtlich in seinem Hals, wann immer mir etwas ins Auge fiel, bei dem es sich um ein rituelles Kästchen handeln konnte und ich fand, dass wir es genauer unter die Lupe nehmen sollten. Als die Melechs uns schließlich das Treibhaus zeigen wollten, widersprach ich mit jammerndem Tonfall: »Oh, ich will lieber noch mehr hübsche Sachen sehen. Haben Sie auch … Kunst?«

Genau wie wir es gehofft hatten, schien David Melech nach unserem Bombardement aus dämlichen Fragen irgendwann nicht mehr wachsam, sondern nur noch gelangweilt zu sein. Er warf einen Blick auf sein Handy und bat Daniel und seine Frau, uns den Museumsflügel zu zeigen, bevor er uns verließ. Ich drückte aufgeregt Stellans Hand, während Mrs Melech offensichtlich versuchte, die Tour so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Voller Enttäuschung wollten wir gerade wieder gehen, als mein Blick doch noch an etwas hängen blieb. »Was ist das?«

»Oh, das ist eine Replik eines Sarkophags. Er gehört zu den ältesten Artefakten des Kreises«, antwortete sie mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Ich betrachtete den Gegenstand sorgfältig. Es war ein kleines Kästchen von der Größe einer Schmuckschatulle. »Er wird bei Ritualen verwendet«, fügte sie hinzu, und ich drückte erneut Stellans Hand. »Darf ich euch jetzt wieder zurück zur Party begleiten?«, fragte sie dann.

Sie ging zur Tür. Stellan und ich folgten ihr so langsam wie möglich und versuchten, stumm zu kommunizieren.

Als sich Daniel zu uns umdrehte, konnte ich das Misstrauen in seinen Augen erkennen. Seine Eltern hatten uns unsere Show vielleicht abgekauft, aber er schien sich sicher zu sein, dass wir irgendetwas im Schilde führten. Er hatte uns schon den ganzen Abend misstrauisch beobachtet.

Ich kicherte erneut und tat, als hätte ich es nicht bemerkt. Dann ließ ich sehr offensichtlich meine Hand an Stellans Rücken hinabwandern und kniff ihn in den Hintern.

Stellan verwandelte den überraschten Ausdruck in seinen weit aufgerissenen Augen so schnell in einen lüsternen Blick, dass ich ehrlich beeindruckt war. Wie ich es gehofft hatte, hatte Daniel uns ganz genau beobachtet und wandte sich nun angewidert ab. Stellan verstand, was ich vorhatte, und als sich die Melechs zu uns umdrehten, um zu sehen, was uns aufgehalten hatte, blieben wir stehen. Ich legte meine Hände auf seine Brust und er zog mich zärtlich zu sich heran und flüsterte mir etwas ins Ohr, während ich errötete.

»Wir finden selbst wieder zurück«, sagte Stellan herablassend und würdigte sie kaum eines Blickes, so als hätten wir diese Tour nur vorgeschlagen, um einen ruhigen Ort zu finden, an dem wir ungestört rumknutschen konnten.

Mrs Melech blickte zuerst Daniel an, dann ihren Hüter und schließlich Jack und Elodie. »Ich weiß nicht, ob …«

Stellan beugte sich nach unten und küsste mich.

Ich ging auf Zehenspitzen und zwang meine Lippen auf seine, als sei es nur ein weiterer Tanz, bei dem er mich führen und ich ihm nur allzu leicht folgen konnte – und ich musste gestehen, dass ich dies tatsächlich konnte, zu unserem großen Glück. Es durfte schließlich niemand dahinterkommen, dass es in Wahrheit ganz und gar nicht den Tatsachen entsprach, dass Stellan und ich einfach nicht die Finger voneinander lassen konnten, und dass es seit unserem tatsächlichen ersten Kuss das erste Mal war, dass sich das neue »goldene Pärchen« des Kreises küsste.

Nachdem ich so lange nur Leere in mir gespürt hatte, erwachten all meine Sinne auf einmal schmerzhaft zum Leben. Ich hörte, wie sich Mrs Melech peinlich berührt räusperte, und spürte, wie sich sämtliche Blicke im Raum auf uns richteten. Ich fühlte Stellans kräftige Hände um meine Taille und den steifen Kragen seines Hemds unter meinen Handgelenken, als ich die Arme um seinen Hals schlang. Dann teilte er meine Lippen mit seinen. Er schmeckte nach …

Eine Flut der Erinnerungen brach über mich herein. Sein Mund in jener Nacht in Cannes, der nach Wodka und Limetten schmeckte. Die Luft, die nach Meer roch. Seine Hände in meinem Haar. Meine, die sein Hemd aufknöpften. Wie sich in meinem Kopf vor Alkohol und Verlangen alles drehte. Doch dann folgten andere Erinnerungen, an einen Tag nur wenig später. Der Geruch von Blut, der den Saal in Paris durchdrang, heiß und kupferartig. Meine Hände, die ganz klebrig davon waren. Die Kleidung meiner Mutter, von tiefroten Spritzern übersät. Ihre schmale Hand, die sich um mein Handgelenk krallte, als ich mich neben sie kniete. Verwirrung. Schreie. Tod.

Ich löste mich keuchend von ihm. Das Erste, was ich sah, war Mrs Melechs Stirnrunzeln, und ich gab mir alle Mühe, so schnell wie möglich zumindest wieder die Andeutung eines Lächelns auf mein Gesicht zu zaubern. Ich versuchte zu verbergen, dass unser Kuss gerade aus irgendeinem Grund den bisher schmerzhaftesten Flashback an den Tod meiner Mutter ausgelöst hatte.

Stellan kniff für einen flüchtigen Moment die Augenbrauen zusammen und wunderte sich vermutlich, warum ich plötzlich so steif war, aber ich schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hob den Blick wieder, so als sei er genervt, dass die anderen immer noch nicht verschwunden waren. »Wir wären jetzt wirklich gerne für ein paar Minuten allein«, knurrte er. »Oder muss ich erst eine Order aussprechen? Eine Blutorder?«

Er sagte es scherzhaft, aber man konnte beinahe hören, wie sich die Atmosphäre im Raum veränderte.

Eine »Blutorder« gaben die Familien ihren Hütern. Sie war keine Bitte. Sie war nicht nur eine Anspielung auf das Motto des Kreises. Sie war eine Drohung.

»Vor morgen könnt ihr uns gar nichts befehlen«, erwiderte Daniel, aber sein falscher scherzhafter Tonfall und sein falsches Lächeln wirkten noch kälter als Stellans. Ich wusste, dass wir, die dreizehnte Familie, noch am ehesten dem gleichkamen, was man als die Anführer des Kreises bezeichnen konnte – zumindest, wenn man sich an die Tradition hielt. Was genau dies wirklich bedeutete, würde sich nach dem morgigen Tag erst noch herausstellen.

Mir fiel auf, dass ich den Atem anhielt. Die Angst, dass unser Plan nicht funktionieren und sie uns hinauswerfen würden, bevor wir das Kästchen untersuchen konnten, überlagerte die Panik, die ich noch vor wenigen Sekunden empfunden hatte.

Schließlich legte Mrs Melech widerstrebend beide Hände an ihre Stirn, die traditionelle Geste des Respekts innerhalb des Kreises. Daniel verzog angespannt die Lippen, tat es ihr dann jedoch nach.

Stellans Hand schlang sich fester um meine Taille, aber diesmal war es aufrichtig und nicht nur ein Teil der Show. Ich verstand ihn nur zu gut. Auch wenn wir all das überhaupt nicht wollten, konnte es einem durchaus zu Kopf steigen, wenn die mächtigsten Leute der Welt sich einem unterordneten.

Sie wollten uns – das Mandat, die Vereinigung, die potenzielle Macht, die wir innehatten. So sehr, dass sie dafür ihre Würde aufgaben. So sehr, dass sie es uns erlaubten, zu tun, was immer wir wollten, weil sie wussten, dass es ihnen in Zukunft vielleicht von Nutzen sein würde.

Hin und wieder, in einem Moment wie diesem – einem Moment, von dem ich das Gefühl hatte, ihn kontrollieren zu können, ganz im Gegensatz zu allem anderen in meinem Leben –, fragte sich ein winziger Teil von mir, ob ein Leben im Kreis wirklich so schlimm wäre.

Andererseits hatte ich auch geglaubt, ich könnte das Loch in meinem traurigen kleinen Herzen füllen, wenn ich meine Familie fand. Aber stattdessen hatten sie meine Mutter getötet und eine Seuche entfesselt.

Die Melechs verließen den Raum und Elodie setzte eine flehende Miene auf, als sie und Jack ihnen folgten. Sie hasste es, ausgeschlossen zu werden.

»Ist alles okay?«, fragte Stellan. »Was war denn eben mit dir los?«

»Nichts. Mir geht’s gut«, log ich und eilte durch den Raum, ohne auf ihn zu warten. Selbst wenn ich im Kreis hätte bleiben wollen, war dies einer der Gründe, warum ich es niemals könnte. Ich würde ständig von Erinnerungen verfolgt werden, die ich nicht ertrug. Doch solange ich nicht fortkonnte, würde ich sie ignorieren, wie ich es auch in den letzten Wochen getan hatte.

Das Kästchen befand sich in einer gläsernen Vitrine. Sie hatte kein Schloss. »Sollen wir einfach …«, flüsterte ich.

Aber Stellan öffnete bereits die Tür. Wir betrachteten den Deckel und das Äußere des Kästchens. »Es sieht nicht besonders alt aus«, sagte er. »Das stammt auf keinen Fall aus Alexanders Zeit.«

Ich ließ vor Enttäuschung die Schultern sinken. »Das ist höchstens eine Replik. Wahrscheinlich haben sie die echte bereits zum Ort der Zeremonie gebracht. Falls wir überhaupt richtigliegen mit unserer Vermutung. Das bedeutet also …«

Stellan stellte das Kästchen wieder zurück und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich schätze«, erwiderte er, »das bedeutet, dass wir morgen offiziell als dreizehnte Familie in den Kreis der Zwölf aufgenommen werden.«

KAPITEL 2

STELLANUNDICH standen in einem Innenhof vor den Toren der Altstadt und warteten darauf, zur Initiationszeremonie gerufen zu werden. Unser Plan war es, nach dem Kästchen Ausschau zu halten und, falls es so aussah, als sei es genau das, was wir suchten, irgendetwas zu unternehmen, um diese Zeremonie zu unterbrechen, bevor sie richtig begonnen hatte.

Über uns rauschten Palmen vor den cremefarbenen Steinmauern. Wir waren schon einmal in Jerusalem gewesen, als die Saxons noch mit dem Gedanken gespielt hatten, mich mit Daniel Melech zu verheiraten, aber damals hatte ich nicht viel von der Stadt gesehen.

Aus irgendeinem Grund hatte ich erwartet, dass sie in der Zeit stehen geblieben war, mit nichts als altem Stein, Wüste und Gebeten, aber ich hatte mich geirrt. Sie war auch modern, sauber und lebendig. Als ich bei unserer Fahrt hierher aus dem Fenster geblickt hatte, hatte ich Menschentrauben an Bushaltestellen gesehen, Fahrräder und Autos, die sich die Straßen teilten. Blau-weiße israelische Flaggen flatterten vor dem wolkenlosen Himmel und von den Balkonen ergoss sich eine leuchtend bunte Blumenpracht.

Jack hatte mir bei unserem letzten Besuch ein wenig über die Geschichte der Stadt erzählt. Jerusalem gehörte zu den ältesten dauerhaft bewohnten Städten der Welt, hatte jedoch auch verheerende Zeiten erlebt – etwa durch Kriege und Naturkatastrophen – und war immer wieder erobert worden. Aber trotz allem hatte sie überlebt, genau hier. Diese Stadt war für drei Weltreligionen von immenser Bedeutung, ebenso wie für zahlreiche Kulturen im Laufe der Geschichte. Sie war Schmelztiegel und hart umkämpftes Land, lebendig-moderne Metropole und antike Bastion, alles in einem. Wir waren alle keine Fans der Melechs, doch das galt nicht für ihre Stadt. Unter anderen Umständen hätte ich gerne noch mehr Zeit hier verbracht.

Nun schob ich diese Gedanken jedoch beiseite. Das Letzte, was ich im Moment gebrauchen konnte, war die sentimentale Sehnsucht nach einer neuen Stadt, vor allem, wenn ich wieder daran dachte, was wir auf dem Weg hierher alles gesehen hatten.

Gleich hinter der Ecke, an der wir den Wagen geparkt hatten, hatte ich eine Gruppe von Mädchen in meinem Alter beobachtet, die Militäruniformen trugen und vor einem Café ein Eis am Stiel aßen. Sie hatten alle Maschinengewehre über der Schulter hängen, ebenso lässig, wie ich eine Umhängetasche tragen würde. Ganz in ihrer Nähe lehnten ein paar andere Mädchen in Jeans und Kopftüchern neben einem 50-Prozent-Schlussverkaufsschild und starrten auf ihre Handys. Ein Stück die Straße runter spielten ein paar kleine Jungen Fußball.

Das Besorgniserregende war, dass mindestens die Hälfte von ihnen allen einen weißen Mundschutz trug.

Als Cole das Virus in Paris mithilfe der Champagnergläser verbreitet hatte, waren ein Dutzend Menschen gestorben. In der Welt außerhalb des Kreises kursierten schnell verschiedene Theorien: Es war eine tödliche neue Grippe oder irgendein Giftstoff in der Luft. Jemand traf sogar den Nagel auf den Kopf und nannte es eine biologische Waffe. Was jedoch niemand von ihnen wusste, war, dass sie in Sicherheit davor waren: Das Virus befiel nur Mitglieder des Kreises.

Über die Tatsache, dass meine Mutter folglich in Wahrheit mit dem Kreis verwandt war und mir nie etwas davon erzählt hatte, hatte ich noch nicht weiter nachdenken können. Worüber wir jedoch nachdenken mussten, war, dass sich weltweit langsam, aber sicher Panik ausbreitete, obwohl es bislang erst diesen einen Zwischenfall gegeben hatte. Wir konnten nur hoffen, dass sie sich irgendwann auch wieder legen würde, wenn es uns gelang, die Saxons davon abzuhalten, das Virus erneut freizusetzen.

Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich so verkrampft an mein Smartphone klammerte, dass meine Finger schon ganz weiß waren. Ich schüttelte sie aus, schaltete das Handy an und rief verschiedene Nachrichtenseiten auf. Geheimnisvolles Virus in der Luft?, lautete eine Schlagzeile. Ermittlungen zu Todesfällen in Paris aufgenommen, eine andere.

Ich wechselte zu einer anderen Seite, der Onlineausgabe von Napoleons Oraculum. Dem Buch des Schicksals.

Napoleon hatte das Oraculum in einem anderen königlichen Grab in Ägypten gefunden und es zu Rate gezogen, wenn er schwierige Entscheidungen treffen musste. Anfangs hatten wir vermutet, er hätte einen Hinweis darin versteckt, aber soweit wir es inzwischen erkennen konnten, hatte das Buch nichts mit Alexander oder Olympias’ Virus zu tun. Manchmal warf ich trotzdem noch einen Blick hinein. In der Onlineversion suchte man sich eine der Fragen aus, wählte eine der Sternengruppen darunter und las dann die Antwort. Eine der Fragen fiel mir besonders ins Auge: Wird mein aktuelles Vorhaben von Erfolg gekrönt sein?

Ich wischte mit der Fingerspitze wahllos über eine der Sternengruppen, die mich zu meiner Antwort führte.

Wähle nicht den Pfad der Angst, sondern den der Liebe.

»Wie kryptisch«, fand Stellan. Ich drehte mich um und sah, dass er mir über die Schulter schaute. »Wenn unsere politische Strategie darin besteht, ein antikes Orakel zu befragen, dann fürchte ich, dass wir einen neuen Plan brauchen.«

Ich schloss die Seite wieder und zeigte ihm den Stinkefinger.

»Das ist aber kein sehr damenhaftes Verhalten für jemanden, der gleich zur Königin des Kreises aufsteigen wird.«

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich beinahe glauben, dass du dich darauf freust«, erwiderte ich. »Ich schätze, du hast endlich genau das gekriegt, was du die ganze Zeit wolltest: uns beide vereint. Das Mädchen und der Eine. Das Einzige, was du nicht kriegst, ist der öffentliche Vollzug der Ehe. Tut mir leid.«

»Ja, das ist wirklich ein Jammer«, sagte er sehnsuchtsvoll. »Ich stehe nämlich darauf, wenn meine romantischen Begegnungen unter ebenso unbehaglichen wie tragischen Umständen stattfinden, möglichst vor den Augen feindseliger Fremder.« Er zupfte an dem Stoff seines Gewands herum. »Aber vielleicht bin ich ja auch nur wegen der coolen Klamotten hier.«

Stellan und ich sahen definitiv aus, als wollten wir zu einem Kultritus. Unsere dünnen weißen, weiten Tuniken fielen von unseren Schultern bis zu unseren bloßen Füßen hinunter. Ganz egal, wie viele lässig-spitze Bemerkungen Stellan auch machte, barfuß zu sein war ihm offensichtlich unangenehm, denn er verlagerte sein Gewicht ständig von einem Bein auf das andere. Ich konnte die beiden Tätowierungen auf seinem Rücken durch den dünnen Stoff erkennen, ebenso wie die Umrisse seiner Narben. Sie schlängelten sich über seine nackten Schultern und halb an seinen Armen hinunter.

Stellan hatte allein dank seiner »magischen Haut« das Feuer überlebt, dem er die Narben zu verdanken hatte. »Hört auf, sie magisch zu nennen«, stöhnte Elodie jedes Mal genervt, wenn wir das Wort in den Mund nahmen. »Das hat etwas mit weit fortgeschrittener Wissenschaft zu tun, die wir nur nicht verstehen. Olympias war ein Genie.« Erst durch die Narben hatten wir herausgefunden, wer Stellan wirklich war: die dreizehnte Blutlinie des Kreises – die Linie von Alexander dem Großen selbst. Der Teil des Mandats, in dem es hieß Der Eine, der durch Feuer geht und nicht verbrennt, war überhaupt nicht metaphorisch gemeint.

Hätte der Kreis erfahren, dass das Virus aus unserem Blut stammte, hätten sie uns mit Sicherheit gefangen genommen oder getötet – entweder weil sie Angst hatten, dass wir uns in eine Waffe verwandeln würden, oder weil sie uns selbst als solche missbrauchen wollten. Da wir ihnen also nicht sagen konnten, was die Vereinigung tatsächlich hervorbrachte, hatten wir Stellans Narben benutzt, um seine Identität zu bestätigen.

»Die Modifikation des Großen«, hatte der Kreis es genannt. Es kursierten schon lange Gerüchte, dass Alexander kein normaler Mensch gewesen war. Dass es einen Grund gab, warum er niemals eine Schlacht verloren hatte und sich immer wieder von Verletzungen und Krankheiten erholte, die jeden anderen getötet hätten.

Ich scharrte mit den Füßen unter meiner langen Tunika über den rauen Asphalt. »Die Jungfrauenopfer-Gewänder sind schon ein bisschen klischeemäßig.«

»Sie sind klischeemäßig, weil jeder Geheimbund auf der Welt seit Tausenden von Jahren beim Kreis abgekupfert hat, ob es ihnen nun bewusst war oder nicht«, erwiderte Stellan und schaute hinter mich. »Und um deine Frage von vorhin zu beantworten: nein. Wie du sehr wohl weißt, will ich mich nicht noch mehr in eine Marionette des Kreises verwandeln, als wir es ohnehin bereits sind. Vielleicht gehen wir gleich einfach da rein, entdecken das Kästchen und lösen zur Ablenkung den Feueralarm aus, bevor wir den schlechtesten Menschen der Welt ewige Loyalität schwören müssen. Aber falls nicht«, er knuffte mich übertrieben mit dem Ellenbogen in die Seite, »dann kannst du dich wenigstens damit trösten, dass du den Saxons zwar keine Kugel in den Kopf jagen, sie aber immerhin aus dem Kreis verbannen und ihr Leben zerstören konntest, hab ich recht?«

Er hatte damit zumindest nicht ganz unrecht. Aber er tat es schon wieder: Er versuchte, mich aus der Reserve zu locken, mein Freund zu sein. »Es beobachtet uns niemand«, erwiderte ich kühl. »Wir müssen nicht das glückliche junge Pärchen spielen. Spar dir das für da drinnen auf.«

Ich fragte mich, warum das Ganze wohl so lange dauerte. Wir waren schon vor einer halben Stunde eingetroffen und man hatte uns die grundlegenden Einzelheiten der Zeremonie erklärt. Sie würden uns willkommen heißen, wir würden akzeptieren. Wir würden unsere Loyalität schwören und die Tätowierungen bekommen, die symbolisierten, dass wir uns dem Kreis verpflichteten.

Jack und Elodie hielten am Tor Wache und sorgten dafür, dass keine ahnungslosen Touristen hereinspazierten. Hin und wieder sah ich, wie Jack sich zu uns umdrehte, und erkannte mehr als nur das Verantwortungsgefühl eines Hüters in seiner Miene.

Trotz der Tatsache, dass wir beinahe getötet worden wären, weil er uns an die Saxons verraten hatte – zu meinem eigenen Besten, wie er damals glaubte – und obwohl ich noch nicht vergessen hatte, was für ein Gefühl es gewesen war herauszufinden, dass er uns angelogen hatte, vertraute ich voll und ganz darauf, dass Jack wirklich auf unserer Seite stand. Er hatte uns seine Loyalität geschworen, und ich wusste zumindest, dass er diesen Schwur nicht brechen würde. Dazu war er gar nicht in der Lage.

Was allerdings nicht bedeutete, dass die ganze Situation nicht ein bisschen unbehaglich war. Vor allem in Momenten wie diesem – oder vergangene Nacht –, wenn ich wusste, dass er Stellans Hand auf meinem Rücken absichtlich übersah oder ignorierte, wie ich mich zu ihm beugte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Im Augenblick hatte ich so viele andere Dinge im Kopf, dass ich mich einfach nicht mit dieser ungelösten Spannung auseinandersetzen wollte, die immer noch zwischen uns herrschte – und genau darum hatte ich es auch noch nicht getan. Mit diesem Jungen, der mir so viel bedeutet hatte, bis er mein Vertrauen zerstört und mein Herz gebrochen hatte. Und mit dem anderen, der mein »Schicksal« war und mit dem mich diese rein chemische, absolut ungewollte Anziehungskraft verband, der wir irgendwann nach zu vielen Drinks schließlich nachgegeben hatten.

Und dann war meine Mutter gestorben. Und nichts von alledem spielte mehr eine Rolle.

Ich drehte mich um, als Elodies Stiefel über den Innenhof klapperten. Sie und Jack mussten keine zeremoniellen Gewänder tragen, deshalb steckte sie in ihrem üblichen schwarzen Top und einer schwarzen Hose. Ihr platinblondes Haar war so glatt und glänzend wie immer, aber an ihrem Haaransatz erkannte ich eine Stelle, die verdächtig nach dunklerem Haar aussah. Ich hatte bei Elodie noch nie auch nur den Hauch von herausgewachsener Farbe gesehen. Es waren eben tatsächlich ungewöhnliche Zeiten.

»Sie sind bereit für euch. Gebt mir eure Handys. Ich lege sie ins Auto, wie alles andere.«

Bei den Zeremonien des Kreises waren keine Waffen erlaubt. Stellan hatte seine bereitwillig abgegeben und mich damit nur daran erinnert, wie tödlich er auch ohne sie war. Ich nicht. Ich konnte das kleine Messer spüren, dass ich an meinem Oberschenkel befestigt hatte. Seit dem Tod meiner Mom war ich nirgendwo ohne es hingegangen, und ich würde jetzt ganz sicher nicht damit anfangen. Auch Elodie nahm heimlich etwas mit hinein: eine dünne schwarze Tasche, die auf ihrem Rücken hing und Alexanders Knochen enthielt, nur für den Fall.

Nachdem sie unsere Sachen verstaut hatte, ging Elodie uns voraus und Stellan bot mir steif seinen Arm an. Ich spürte das Rauschen des dünnen Leinenstoffs beim Gehen an meinen Beinen, während der Saum in der sanften Nachmittagsbrise flatterte.

Elodie nahm ihren Platz an unserer einen Seite ein, Jack auf der anderen. Ich spürte, wie Stellan mich ein klein wenig näher zu sich zog, die Muskelstränge in seinem Unterarm straff unter meiner Hand angespannt. Wenn wir vier allein waren, kam es vielleicht hin und wieder zu unbehaglichen Momenten. Aber jetzt spürte ich eines ganz deutlich: wir gegen den Rest der Welt.

Stellan und ich gingen voraus, die Stufen in die dunkle Höhle hinunter, die im Kerzenschein flackerte und mit einem Meer aus Menschen in Schwarz gefüllt war.

Leiser Gesang drang aus dem Herzen der Menge zu uns und breitete sich langsam aus, bis er die komplette Kammer erfüllte. Wir blieben stehen, um jeden der Anwesenden einzeln zu begrüßen, verneigten uns beide tief und hoben die Hände an unsere Stirn, als würden wir beten. Alle Anwesenden antworteten mit einer leicht veränderten Version der Geste und öffneten die erhobenen Hände vor uns: das Zeichen, dass sie uns akzeptierten. Arjun Rajesh lächelte. Die Fredericks und die Mikados nickten förmlich. Als wir Luc und seinen Vater, Hugo Dauphin, erreichten, verneigte sich Luc tief vor uns, während Monsieur Dauphin zögerte. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte er uns beide in seiner Gewalt gehabt: Stellan war sein Hüter gewesen und mich hatten die Dauphins entführt, um mich mit Luc zwangszuverheiraten. Schließlich hob jedoch auch er die Hände und ich spürte, wie Stellan sich ein wenig versteifte und noch gerader aufrichtete.