Solution Selling - Manfred Schröder - E-Book

Solution Selling E-Book

Manfred Schröder

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Beschreibung

Das Buch liefert eine Gesamtsystematik für den Vertrieb von komplexen Produkten und Leistungen. Es enthält ein abgestimmtes Set von Werkzeugen und Systemen und berücksichtigt die hohe Komplexität dieser Vertriebsstrategie. Das Betriebssystem unterstützt Sie als einzelnen Verkäufer oder gibt Ihnen als Vertriebsleiter ein Instrumentarium, um Ihre Mitarbeiter zu mehr Umsatz zu führen. Inhalte: - Anforderungen an Lösungsverkäufer - RABEN-Methodik für die Bedarfsanalyse - Verhandeln nach dem Harvard-Konzept - Das Tool: Opportunity Management - KPI´s als Cockpit des Betriebssystems

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Manfred Schröder

Solution Selling

Betriebssystem für den Vertrieb von erklärungsbedürftigen Lösungen

1. Auflage

Haufe GroupFreiburg · München · Stuttgart

Hinweis zum Urheberrecht

Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:ISBN 978-3-648-12232-7Bestell-Nr. 10446-0001

ePub:ISBN 978-3-648-12233-4Bestell-Nr. 10446-0100

ePDF:ISBN 978-3-648-12234-1Bestell-Nr. 10446-0150

Manfred Schröder

Solution Selling

1. Auflage 2019

© 2019 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Produktmanagement: Noé, Bettina

Lektorat: Hans-Jörg Knabel, Willstätt

Satz: Konvertus BV, Haarlem

Umschlag: RED GmbH, Krailling

Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Anleitung1         Solution Selling ‒ Definition und Abgrenzung1.1      Vertriebsstrategien1.2      Solution Selling und Produktvertrieb im Vergleich 1.3      Ein Betriebssystem für den Vertrieb2         Die Herausforderungen des Solution Selling2.1      Die Herausforderungen des Vertriebs komplexer Lösungen 2.2      Die Angst vor der falschen Entscheidung2.3      Die Bedeutung des beratenden Verkaufs3         Werkzeuge für den Alltag im Vertrieb von Lösungen3.1      Die Elemente des Solution Selling3.2      Die Neukundengewinnung3.3      RABEN-Methodik zur Bedarfsanalyse ‒ die kunden­zentrierte und ­wertorientierte Fragetechnik3.4      Die Value Proposition3.5      Die Buying-Center-Analyse 3.6      Opportunity-Management3.7      Verhandlungstechniken nach dem Harvard-Konzept3.8      Strukturierter Vertriebsprozess verbessert Chancen4         Kommunikation und Psychologie 4.1      Praktisches für eine bessere Kommunikation4.2      Verkaufspräsentationen neu gedacht4.3      Die 3 S der Motivation ‒ Warum Menschen kaufen?5         Mehr zum Thema »Verhandlung«5.1      Psychologie der Macht in Verhandlungen5.2      Die 11 Regeln im Preisgespräch5.3      Psychologie des Überzeugens6         Strategisches und Praktisches für Führungskräfte im Solution Selling6.1      Strategische Blickwinkel auf den B2B-Vertrieb 6.2      Vertrieb und Verkauf benötigen ein Betriebs­system6.3      Opportunity-Management als Führungssystem 6.4      Vertriebsprozesse im Solution Selling aktiv gestalten6.5      Der Proof of Concept als Element im Vertriebs­prozess6.6      Reference Selling im Lösungsvertrieb optimal nutzen6.7      KPIs im Solution Selling ‒ warum Umsatz im Lösungs­vertrieb als Kennzahl uninteressant ist6.8      Verkäufer für das Solution Selling erkennen6.9      Resümee zum Betriebssystem Solution SellingLiteraturverzeichnis

Vorwort und Anleitung

Schön, dass Sie dieses Buch in Händen halten. Was Sie genau suchen, weiß ich natürlich nicht. Das Thema »Solution Selling« habe ich in den verschiedenen Teilen des Buchs aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Wählen Sie Ihren Blickwinkel.

Warum Sie dieses Buch unbedingt lesen sollten

Wirklich gute Bücher zum Solution Selling sind bisher nur auf Englisch erschienen. Da wäre es natürlich möglich gewesen, sie einfach zu übersetzen. Aber außer der englischen Sprache steckt in diesen Büchern auch ganz viel angelsächsische Kultur. Schon unsere Nachbarn in den Niederlanden sind sehr viel mehr von der angelsächsischen Businesskultur geprägt. Deshalb ist dieses Buch eines über Solution Selling für den deutschsprachigen Vertrieb. Ein Buch über Lösungsvertrieb.

Neben den bekannten Kernelementen des Lösungsvertriebs wie der Bedarfsanalyse, der Buying-Center-Analyse und dem Opportunity-Management behandelt dieses Buch auch die Themen »Leadgenerierung«, »Verhandlungstechniken« und »Kommunikation«. Im Solution Selling benötigen wir beständig neue Leads. Erfolg wird also nicht nur dann eintreten, wenn wir die Leads besser behandeln. Wir brauchen einfach viele. Außerdem ist am Ende des Vertriebsprozesses das Thema »Verhandeln« ein ganz spezielles. Gerade im Lösungsvertrieb wird hier viel Geld verloren. Aus diesen Gründen habe ich mich dafür entschieden, das Gesamtthema zu behandeln. Aber immer mit dem klaren Blick auf die Notwendigkeiten des Solution Selling.

Ich freue mich, wenn es Ihnen hilft, Ihre Lösungen noch erfolgreicher zu verkaufen, vor allem aber öfter und leichter.

Einen schnellen Überblick über die wichtigen Themen

Dieses Buch habe ich vor allem für zwei Zielgruppen geschrieben, nämlich meine früheren Kollegen:

die Praktiker im Vertrieb von Lösungen und

deren Führungskräfte im Vertrieb.

Der Praktiker im Vertrieb von Lösungen findet in Kapitel 3 alles, was er für den Alltag benötigt. Hier werden die speziellen Themen des Solution Selling ohne zu viel psychologische Begründung behandelt. Der Tiefgang für Interessierte findet sich dann in den Kapiteln 4 und 5. Der Vertriebsleiter sollte für seinen Alltag und für die strategischen Themen unbedingt Kapitel 6 lesen. Hier geht es unter anderem um Vertriebsprozesse und Opportunity-Management als Führungssystem im Solution Selling.

In den Kapiteln 1 und 2 führe ich Sie als Leser an das Thema »Solution Selling als Betriebssystem des Vertriebs« heran. In Kapitel 4 geht es um die Themen »Kommunikation«, »Motive« und »Persönlichkeit« und in Kapitel 5 um Verhandlungstechniken. Das sind vertiefende Themen zu Kapitel 3. Mein Ziel war es, Kapitel 3, als Kapitel für den Praktiker von zu vielen Details zu entlasten. Manche interessiert das noch nicht oder, weil sie schon alles wissen, nicht mehr. In Kapitel 3 können Sie auch immer mal wieder nachschlagen und schnell das Wesentliche finden.

Sie können dieses Buch also gerne schön der Reihe nach Kapitel für Kapitel lesen. Wer es aber eher als Fachbuch des Solution Selling nutzen möchte, kann auch ganz gezielt zu den Kapiteln springen, die ihn interessieren.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem Buch viele nützliche Hinweise finden und sich Ihre Lösungen noch erfolgreicher verkaufen. Sollte das so sein, ist dafür ganz vielen Menschen zu danken, die mich durch ihr Wissen bereichert und durch ihr Vertrauen bestärkt haben, und natürlich den vielen Kunden, die mich erst als Verkäufer und dann als Trainer bei sich »üben« ließen. Nur mit meinen Kunden zusammen war es möglich, so viel Erfahrung zu sammeln und Solution Selling zu dem zu entwickeln, was es heute ist. Herzlichen Dank an alle, die irgendwie zu diesem Buch beigetragen haben.

Manfred Schröder

P. S.: Was meinen Sie, was das Schmunzeln im Gesicht meines alten Deutschlehrers zu bedeuten hatte, als ich ihm von diesem Buch erzählte?

1Solution Selling ‒ Definition und Abgrenzung

1.1Vertriebsstrategien

Es ist nichts Neues: Lehrer lernen von ihren Schülern, Trainer von ihren Kunden ‒ wenn wir es zulassen.

Einen meiner Kontakte, einen Vertriebsleiter, habe ich zweimal getroffen. Bei zwei sehr verschiedenen Firmen. Beim ersten Treffen war er Vertriebsleiter bei einem Anbieter komplexer Maschinen. Der Wert der Maschinen lag typischerweise im Bereich von 0,5 bis 3 Mio. EUR. Die Vertriebsprozesse liefen häufig über ein bis drei Jahre. Ich sollte seinen Verkäufern zeigen, wie man sie beschleunigen und verbessern kann, undzwar mit einem geringeren Pre-Sales-Aufwand. »Genaugenommen«, sagte er, »verkaufen meine Verkäufer fast gar nichts, aber mein Pre-Sales-Mann alles«. Das habe ich erst einmal nicht verstanden. Dann aber erklärte er mir, dass die Verkäufer keine angestellten Verkäufer, sondern Handelsvertreter waren, die gute Kontakte in der Zielbranche hatten, aber überwiegend andere Produkte verkauften. Dann verstand ich das Problem: Handelsvertreter können als Selbstständige nicht ein bis drei Jahre auf mögliche Provisionen warten. Sie haben andere Dinge verkauft und waren für meinen Kunden eigentlich nur Tippgeber. Ein anderer musste den größten Teil des Vertriebs machen. In diesem Fall ein angestellter Verkäufer. Er musste die Verkaufschancen bearbeiten, verfolgen und abschließen. Trotzdem bekamen die Handelsvertreter die Provision eines Verkäufers. Genaugenommen hätte den Handelsvertretern nur eine Provision für ein Lead zugestanden, eine klassische Tipp-Provision, die üblicherweise im Bereich von 5 % des Umsatzes liegt. Immer noch ein nettes Honorar, wenn wir an Umsätze von 0,5 bis 4 Mio. EUR denken ‒ nur dafür, dass jemand an der richtigen Stelle zuhört und eventuell nochmal nachfragt. Ganz offensichtlich vertragen sich komplexe Lösungen und das Konzept des Handelsvertreters nicht sonderlich gut.

Einige Jahre später traf ich denselben Vertriebsleiter wieder. Sein neuer Arbeitgeber verkaufte einfachere technische Produkte von hoher Qualität, aber zu vergleichsweise geringen Preisen. Die neuen Produkte kosteten zwischen 700 und 3.500 EUR. Das neue Unternehmen meines Kunden arbeitete mit angestellten Verkäufern, die entweder direkt an gewerbliche bzw. industrielle Kunden oder an Wiederverkäufer verkauften. Die Produkte des Unternehmens wurden überwiegend im Standard veräußert, es wurden also keine kundenspezifischen Anpassungen vorgenommen. So konnten diese Produkte auch am Telefon verkauft werden. Der Außendienst unterstützte die Kunden bei der Auswahl der idealen Varianten, die vom technischen Einsatzgebiet abhingen. Wenn es um mehrere Geräte ging und der Einsatz nicht eindeutig war, wurde auch schon mal ein Test durchgeführt. Meistens aber wurden die Produkte am Telefon oder nach einem direkten Verkaufsgespräch verkauft.

Auch, wenn in beiden Unternehmen ohne eine bewusste und ideale Systematik gearbeitet wurde, verdeutlichen diese Beispiele sehr gut die Spezifika, die es wahrzunehmen gilt, um auf deren Grundlage die ideale individuelle Vertriebsstrategie abzuleiten. Egal, ob Solution Selling oder Account-Management oder eine passende Mischung.

1.1.1Account-Management

Neben Sales Representative ist Account-Manager der am meisten verwendete Begriff für Verkäufer. Account-Management basiert auf der Idee, den Kunden strategisch zu mehr Umsatz zu entwickeln. Das kann man aber nur, wenn der Kunden öfters kauft. Damit sind komplexe Investitionsgüter vom Account-Management ausgeschlossen. Dieses Konzept ist ideal für Produkte, die der Kunde regelmäßig beschafft, ganz besonders dann, wenn er sie auch noch von verschiedenen Anbietern kaufen kann. Hier handelt es sich also um Produktvertrieb und Account-Management ist der strategische Ansatz dafür.

Account-Management sollte beim Vertrieb von B- und C-Teilen unbedingt in Betracht gezogen werden. Ausgehend von der Kundensegmentierung wird dabei ein Servicelevel des Vertriebs nach A-, B- und C-Kunden definiert. Für jeden A-Kunden sollte ein strategisches Vorgehen für die Betreuung des Kunden gewählt werden.

Im Unterschied dazu wird beim Solution Selling für jedes Vertriebsprojekt eine Strategie definiert, oder sagen wir besser: sollte für jedes Vertriebsprojekt eine Vertriebsstrategie definiert werden. Im Lösungsvertrieb steht die Opportunity, die Verkaufschance, im Zentrum der Vertriebsaktivitäten.

1.1.2Key-Account-Management

Key-Account-Management klingt zwar ganz ähnlich wie Account-Management, ist aber in vielen Aspekten ein viel weiterreichendes Konzept, das ursprünglich vom Handel kommt. Insbesondere Unternehmen des Einzelhandels haben eine Zentrale und viele Filialen. Die einzelne Filiale, z. B. ein Metro-Markt, kann nicht selbstständig einkaufen. Der Anbieter und seine Produkte müssen gelistet sein. Die Konditionen werden zentral vereinbart. Vor Ort können die Filialen allenfalls die Bestellmengen pro Zeiteinheit definieren.

Key-Accounter, die Verkäufer der Hersteller, haben zwei Aufgaben:

in den Handel hineinzuverkaufen und

Aktionen zum Herausverkaufen zu organisieren.

Nach der Listung, dem Hineinverkaufen, unterstützt der Hersteller den Händler also beim Verkauf an die Endkunden. Wir alle kennen die Angebote der Hersteller zur Verkostung von Kaffee, Wurst, Wein und vielem anderen, die uns im Supermarkt Freude bereiten.

1.1.3Abgrenzung zum Solution Selling

Die Besonderheiten des Solution Selling werden wir noch weiter vertiefen, hier möchte ich vor allem festhalten, dass es für verschiedene Märkte unterschiedliche Vertriebsstrategien und Vertriebsformen gibt.

Bei einem Kunden im Lösungsvertrieb kommt es darauf an, dass die Verkäufer die speziellen Bedürfnisse in Bezug auf eine konkrete Beschaffung verstehen. Also die Anforderungen an eine Aufgabenstellung, der Opportunity. Erst mit einer Strategie, die auf die jeweilige Aufgabe zielt, können sie den Kunden optimal bedienen.

Beim Account-Management kommt es darauf an, zu verstehen, was der Kunde als Ganzes benötigt. Die einzelnen Produkte sind nicht der Grund der Zusammenarbeit. Topprodukte sind nur die Voraussetzung. Eine Strategie muss auf den Kunden als Ganzes ausgerichtet sein.

Jeder Markt hat seine Eigenheiten. Es geht immer darum, diese Eigenheiten zu verstehen und dann die ideale Vertriebsstrategie zu wählen. Damit verbunden ist auch die Wahl der passenden Vertriebsleistung. Was genau wird vom Vertrieb erwartet?

1.2Solution Selling und Produktvertrieb im Vergleich

In diesem Kapitel gehen wir auf die Unterschiede ein, die zwischen dem Verkauf von Produkten und dem Vertrieb von Lösungen bestehen. Dabei müssen wir insbesondere zwei Fragen beantworten:

Was ist der Unterschied zwischen Lösungen und Produkten?

Was ist der Unterschied zwischen Verkauf und Vertrieb?

Leider werden diese Unterschiede in der Literatur nirgends eindeutig definiert; insofern sind die Definitionen, die ich hier liefere als Vorschläge zu verstehen.

1.2.1Was ist der Unterschied zwischen Lösungen und Produkten?

Lösungsvertrieb bedeutet, sich auf die Probleme des Kunden zu fokussieren und sie durch das Verständnis der Aufgabe lösen zu können. Die eigene Leistung wird dann zur Lösung. Bei diesem Ansatz kommt es nicht primär darauf an, dass der Kunde die angebotene Leistung versteht, vielmehr muss der Verkäufer die Aufgabenstellung richtig verstehen. Der Verkäufer muss auch keine Lösung zur Hand haben, sondern die Lösungsentwicklung verkaufen. Das stellt hohe Anforderungen an seine Beratungskompetenz.

Im Gegensatz dazu kommt es beim Produktverkauf darauf an, das Produkt ins Zentrum der Kommunikation zu stellen. Das ist immer dann möglich und sinnvoll, wenn die Kunden sich mit der Technologie bzw. den Produkten auskennen oder wenn sie nicht über ihre Aufgabenstellungen und Probleme sprechen wollen.

Wenn wir heute ein Auto kaufen, hat das mit einer Lösung nichts mehr zu tun. Auch wenn wir kaum wissen, wie ein Motor funktioniert. Denn es spielt keine Rolle. Jeder darf über das sprechen, was ihn interessiert. Seien es die Motorleistung und die Einspritztechnologie oder die Farbvarianten und der Stauraum. Obwohl also ein moderner Pkw ein höchst komplexes Produkt ist, ist er meistens nicht erklärungsbedürftig. Das, was den Menschen wichtig ist, kennen sie in der Regel.

Heutzutage geht es im Produktvertrieb vor allem um »Commodities«, also um Massenartikel oder um einfache Wirtschaftsgüter des täglichen Bedarfs. Wenn ein PC-Verkäufer heute mit seinen Kunden spricht, wird er kaum Grundsätzliches erläutern, sondern vor allem über Besonderheiten und Innovationen sprechen oder eben über die Konditionen.

Dagegen waren PCs vor 30 Jahren noch sehr erklärungsbedürftig, vor allem, wenn sie in ein Unternehmensnetzwerk integriert werden sollten. Diese Themen sind heute komplett im IT-Bereich der Unternehmen angesiedelt. Wenn dort eine neue, effizientere Netzwerkarchitektur zur Debatte steht, ist das wieder sehr komplex und erklärungsbedürftig. Dann ist Solution Selling angesagt. Solange aber einfach nur Netzwerkkomponenten verkauft werden, ist der Produktvertrieb der richtige Ansatz ‒ idealerweise in Form des Account-Managements.

Einige Autoren stellen diese beiden Ansätze im Sinne von richtig und falsch gegenüber. Das sehe ich anders. Beide Ansätze können richtig sein ‒ sofern sie in den richtigen Märkten oder Situationen angewendet werden.

1.2.2Wie ist das mit dem Verkauf »fertiger Lösungen«?

Ein Unternehmen, mit dem ich immer wieder mal gearbeitet habe, bietet vor allem Software für das Controlling und das Berichtswesen an. Mit dieser Software lässt sich sehr effizient eine individuelle Lösung für das jeweilige Unternehmen erstellen. Nachdem es viele Jahre um die klassischen Controllingthemen, also um Kostenstellen/Kostenarten und sehr oft auch um Vertriebscontrolling ging, wurde das Thema »Einkaufscontrolling« immer mehr nachgefragt. Anlässlich eines guten Mittagessens erzählte mir der Geschäftsführer des Unternehmens davon, dass sie nun eine spezielle Anwendung für das Einkaufscontrolling entwickeln würden. Vor diesem Hintergrund könnten sie »einen echten Lösungsvertrieb fahren«, weil sie dann wirklich eine Lösung und nicht nur einen »Bausatz« anbieten würden.

So kann man die Sache natürlich auch sehen, aber für mich ist eine fertige Lösung einfach ein Produkt. Es stellte sich heraus, dass die Anwendung für das Einkaufscontrolling eine sehr gute Idee war. Allerdings war die leichte Anpassbarkeit auch hier von großer Bedeutung, was auch aus meiner Sicht tatsächlich in den Bereich Lösungsvertrieb ‒ Solution Selling ‒ fällt. Die individuelle Lösung wird allerdings erst nach dem Kauf entwickelt.

1.2.3Was ist der Unterschied zwischen Verkauf und Vertrieb?

Die folgenden Definitionen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, gelten aber in diesem Buch.

Was ist Vertrieb?

Vertrieb umfasst alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Leistungen eines Unternehmens seinen potenziellen Kunden »verfügbar« zu machen, schreibt Wikipedia. Vertrieb ist also der Teil des Marketingmix, der früher als Distributionspolitik bezeichnet wurde. Es ging also ursprünglich um die physische Verteilung der Leistungen. Nur reicht das Verteilen kaum noch aus. Die Verkäufer, die nur mit den Auftragsblöcken bereitstehen mussten, sind schon lange in Rente. Es wird sogar gemunkelt, dass selbst in den 60er-und 70er-Jahren mehr notwendig war, als nur sinnvoll auf Kunden einzureden.

Heute jedenfalls gehören zu den wesentlichen Elementen und typischen Aufgaben des Vertriebs vor allem

die Anbahnung,

die Leadgenerierung,

die Bedarfsanalyse,

die Leistungskonzeption und -präsentation,

die Abschlussphase mit der Verhandlung und

die After-Sales-Betreuung.

Was ist Verkauf?

Als Verkauf werden im Unterschied zum Vertrieb nur die engeren Aktivitäten des Leistungsaustauschs bezeichnet; also vor allem die Leistungspräsentation und der Abschluss. Insbesondere die Anbahnung oder Leadgenerierung und die After-Sales-Betreuung zählen gemeinhin nicht zum Verkauf.

Verkäufer im Einzelhandel sind typische Vertreter für den Verkauf. Denken Sie an die Verkäuferinnen und Verkäufer in einem Kaufhaus. Sie müssen keine Interessenten finden. Oft kann man schon froh sein, wenn sie die Kunden aktiv betreuen und ihnen tatsächlich etwas verkaufen. Dass die Kunden ins Kaufhaus kommen, ist Aufgabe des Marketings.

Ein Hinweis darauf, dass es eher um Verkauf geht, liegt z. B. dann vor, wenn die Generierung von Interessenten eine Aufgabe des Marketings ist. Im Lösungsvertrieb, dem Solution Selling, hat die Leadgenerierung nämlich eine so große Bedeutung, dass sie im Vertrieb angesiedelt sein sollte. Unabhängig von der Organisationsstruktur ist es für den Vertrieb von vitalem Interesse, dass stets neue Interessenten gefunden werden.

Kriterien zur Unterscheidung von Markttypen

Wenn wir Markttypen betrachten, gibt es eine ganze Reihe von Themen, die sie in ihren Ausprägungen deutlich voneinander unterscheiden. Einige davon haben wir in Tabelle 1 zusammengestellt.

Warum haben wir nur den Lösungsvertrieb und den Produktvertrieb in diese Synopse aufgenommen? Man hätte sicher noch andere Märkte dafür gefunden. Ja, klar, hätte man. Aber wäre der Unterschied zum Vertrieb von Finanzdienstleistungen an Endkunden wirklich spannend?

Mit der Übersicht in Tabelle 1 sollen vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Markttypen herausarbeitet werden. Natürlich könnten gerade Sie in einem der Märkte sein, deren Kriterienausprägungen nicht so eindeutig bestimmbar sind. Trotzdem könnte auch Ihnen diese Synopse helfen, die geeignete Vertriebsstrategie zu definieren.

Kriterien

Komplexe Lösungen

Produkte

Dauer des Vertriebszyklus

Lange, oft 6 bis 36 Monate und manchmal mehr

Kurz, typisch unter drei Monaten

Häufigkeit der Beschaffung

Selten

Regelmäßig bis häufig

Relevanz für den Kunden

Beeinflusst das Geschäftsmodell und das Angebot der Kunden an deren Kunden

hat meistens nur Kosten­relevanz

Kundenpotenzial

Eher Neukunden

Überwiegend Bestands­kunden

Standardisierbarkeit der Leistung

Gering

Hoch

Austauschbarkeit des Anbieters nach Kauf

Kaum möglich

Leicht möglich

Beteiligte des Kunden

Fachabteilung, Geschäftsleitung, Recht, Einkauf

Oft nur Einkauf oder Fachabteilung plus Einkauf

Wichtigste Phasen im Verkaufsprozess

Leadgenerierung, Bedarfsanalyse

Listung, Verhandlung

Tab. 1: Kriterien zur Unterscheidung von Lösungsvertrieb und Produktverkauf

Man könnte diese Liste fortsetzen und die Märkte noch viel differenzierter betrachten. Das macht im konkreten Einzelfall Sinn, um die Schlüsselerfolgsfaktoren bestimmen zu können. Peter Grimm hat hierfür mit seiner Idee vom »Marktspiel« einen spannenden Ansatz vorgestellt (siehe Peter Grimms Buch »Der verratene Verkauf«).

Erkenntnisse für den Lösungsvertrieb/das Solution Selling

Solution Selling adressiert genau die oben genannten Spezifika. Es geht meistens um

lange Verkaufszyklen,

hohe Relevanz für das Geschäftsmodell des Kunden,

diverse Entscheider auf Kundenseite,

hohe Individualität und deshalb

starke Beratungsorientierung im Vertrieb.

Hier müssen Fachwissen und Vertriebskönnen ideal miteinander vermischt werden, damit der Verkaufserfolg eintritt. Fachlich starke Verkäufer werden von den Kunden deutlich lieber gesehen. Allerdings sind vertrieblich starke Verkäufer deutlich erfolgreicher. Selbst bei geringerer fachlicher Kompetenz. Als Anbieter sollten Sie deshalb Ihre fachlich starken Verkäufer intensiv vertrieblich weiterbilden. Die Praxis hat das reichlich bewiesen. Aber Sie können auch vertriebsstarke Verkäufer einstellen und fachlich ausbilden. Mit dem notwendigen Interesse kann ein Verkäufer alles lernen.

1.3Ein Betriebssystem für den Vertrieb

Den Begriff »Betriebssystem« assoziieren die meisten Menschen ausschließlich mit Computern, obwohl er schon seit über 15 Jahren auch in der Welt des Vertriebs verwendet wird.

1.3.1Der Vertrieb ist doch kein Computer

Das Betriebssystem eines Computers stellt verschiedene Dienste durch Subsysteme zur Verfügung, insbesondere eine Sprache zur Kommunikation mit dem Prozessor und Treiber für die Einbindung in das Netzwerk, den Betrieb von Festplatten, die Verbindung zum Hauptspeicher und zu den Druckern etc. Erst die Vereinheitlichung bestimmter Elemente der Betriebssysteme hat die heute einfache Kommunikation zwischen Computern und Betriebssystemen unterschiedlicher Hersteller ermöglicht.

Ich glaube, dass eine angemessene Vereinheitlichung auch im Vertrieb die Kommunikation erleichtern würde ‒ und dass Elemente des Vertriebs wie Subsysteme wirken.

1.3.2Das Betriebssystem des Vertriebs

Das Betriebssystem des Vertriebs ist die Gesamtheit eines Vertriebskonzepts, umgesetzt in konkrete Vertriebsmethoden. Die Elemente oder Bausteine des Solution Selling sind schon sehr nah an einem solchen Betriebssystem dran. Wichtig ist jedoch, dass für jeden Baustein eine konkrete Methode definiert wird. So gesehen kann jede Vertriebsorganisation ihr eigenes Betriebssystem definieren ‒ und sollte das auch wirklich tun.

Die Idee des Betriebssystems hat Peter Grimm in seinem Buch »Der verratene Verkauf« beschrieben. Seine Forderung war, dass es ein abgestimmtes Vorgehen und eine gemeinsame Sprache geben sollte. Beides fehlt auch heute noch ‒ fast überall.

Mit dem im Folgenden vorgestellten Konzept des Solution Selling ist ein bestimmtes Vorgehen definiert. Wenn Themen wie die Bedarfsanalyse, die Buying-Center-Analyse, der Vertriebsprozess und das Opportunity-Management durch bestimmte Methoden spezifiziert sind, dann hat eine Vertriebsorganisation ein Betriebssystem.

Wenn gleichzeitig auch wichtige andere Elemente des Vertriebs wie eine Typologie zur Beschreibung von Menschen, die Value Proposition zur Beschreibung des Kundenbedarfs und anderes, wie z. B. der Elevator Pitch, definiert sind, dann wird die Systematik richtig rund. All diese Elemente können als weitere Waben (siehe Abbildung 1) an das Betriebssystem angedockt werden.

1.3.3Wenn das Betriebssystem fehlt

Willi Windig verkauft Hochleistungsbearbeitungszentren, die in ihrer Ausgestaltung sehr flexibel sind und für jeden Kunden an dessen Bedürfnisse angepasst werden. Der Preis wird überwiegend durch die Bearbeitungsschritte bestimmt, die die Anlage automatisiert durchführen soll. Die untere Grenze liegt bei etwa 650.000 EUR, aber typische Anlagen werden für 1,2 bis 2 Mio. EUR verkauft.

Willis aktuell spannendste Verkaufschance steht kurz vor dem Abschluss. Der neue Vertriebsleiter, David Glaubtreu, wird Willi bei den Verhandlungen unterstützen. Deshalb möchte er sich vorab mit Willi besprechen. »Erzähl mal von deinem Projekt. Wie siehts aus?« fragt er zu Beginn des Meetings, und Willi legt los: Alles super. Er hat den Kunden komplett überzeugt. Dann erzählt er von der technischen Ausstattung der Anlage, die von der Kalkulation mit einem Zielverkaufspreis von 1,15 Mio. berechnet wurde.

Abb. 1:Betriebssystem Solution Selling als Wabe

»Hört sich ja großartig an«, sagt David, »aber lass mich mal ein paar konkrete Fragen stellen.« Und dann fragt David los: Wer ist der Hauptansprechpartner? Wer entscheidet noch mit? Wer wird die letztendliche Entscheidung treffen?

Willi ist sich nicht sicher, meint aber, dass der Geschäftsführer neben dem Produktionsleiter mitentscheiden wird. Aber den hätte der Produktionsleiter soweit im Griff und würde meistens bekommen, was er wolle. Und der Produktionsleiter wolle Willis Anlage.

David will wissen, wer ihm und Willi bei der Verhandlung gegenübersitzen würde. »Naja«, antwortet Willi, »der Produktionsleiter. Eventuell noch der Geschäftsführer.«

»Und wie ist es mit dem Einkauf? Wie ist der eingebunden?« fragt David. »Gar nicht«, antwortet Willi zögerlich und fügt hinzu: »Glaube ich zumindest.«

Daraufhin fragt David: »Was ist der Produktionsleiter für ein Typ?« Willi beschreibt ihn als einen eher ruhigen und sympathischen Menschen. Eine genauere Typisierung kann er nicht geben, weil er davon nur wenig verstehe und schließlich kein Psychologe sei.

Die Fragerunde geht weiter. Von der Verhandlungsstrategie über die Bedeutung der Beschaffung bis hin zum Return on Investment, den der Kunden damit verbinden würde. Außerdem will David wissen, ob der Vertriebsprozess tatsächlich kurz vor dem Abschluss stehe und was die Indizien dafür seien.

Am Ende verlässt Willi verunsichert den Besprechungsraum. Er hat viele Jahre recht erfolgreich verkauft. Zugegeben: Vieles hat er intuitiv gemacht. Aber offensichtlich war das oft genug richtig gewesen.

David nimmt die Verunsicherung wahr und äußert seinen Wunsch nach mehr Systematik im Vertrieb ‒ als Ergänzung, nicht als Ersatz für die Intuition.

Soweit die Geschichte, die sich so natürlich nie zugetragen hat, aber ähnlich genug immer wieder passiert. Immer, wenn ich einen neuen Coachee kennenlerne, erlebe ich etwas sehr Ähnliches.

1.3.4Ein System sorgt dafür, dass ein Ablauf funktioniert

Jeder Verkäufer weiß im Grunde, dass er nach dem Budget fragen sollte, und nach demjenigen, der die letzte Entscheidung trifft. Leider gibt es immer einen Grund dafür, diese Fragen nicht zu stellen. Und wenn einer mal nach dem letztendlichen Entscheider fragt, dann hat er immer noch nicht versucht, ihn auch zu treffen.

Natürlich machen alle Verkäufer eine Bedarfsanalyse. Alle finden heraus, was der Kunde will. Wenn ich aber nachfrage, warum ein Kunde etwas will, was er sich davon verspricht oder gar welchen Return on Investment er erwartet, dann werde ich verdutzt angeschaut. Keiner hat je behauptet, dass das dumme Fragen wären. Aber alle finden es schwierig, diese Punkte mit dem Kunden zu klären.

In meinem Betriebssystem des Vertriebs sind das Punkte, die immer erfragt werden, die es immer zu klären gilt. Und mit etwas Übung schafft das jeder. Jeder, der den Nutzen erkennt.

Wenn ich Verkäufer als Opportunity-Coach begleite, dann mindesten für zwölf Monate. Einmal im Monat setze ich mich mit meinen Coachees zusammen und stellen meine Fragen. Zu jedem einzelnen Projekt. Die Coachees lernen schnell und sind meistens schon vorbereitet. Erst mit Ausreden, dann mit Antworten. Spätestens, wenn meine Coachees mit der gleichen Arbeit mehr Aufträge gewinnen, finden sie das systematische Vorgehen gut ‒ das Arbeiten mit einem Betriebssystem des Vertriebs, in diesem Fall mit dem Betriebssystem des Lösungsvertriebs.

Systematisch mehr Umsatz machen, mit dem Betriebssystem für das Solution Selling.

2Die Herausforderungen des Solution Selling

2.1Die Herausforderungen des Vertriebs komplexer Lösungen

Im Bereich komplexer, erklärungsbedürftiger Produkte und Leistungen bietet sich in der Regel der Ansatz des Lösungsvertriebs an. Gleichwohl wird oft versucht, genau diese Produkte bzw. Leistungen mit dem Ansatz des Produktvertriebs zu verkaufen. Ohne dass es den Verkäufern bewusst zu sein scheint, sprechen sie ausschließlich über ihre Maschinen, ihre Anlagen, ihre Software oder ihre Versicherungen, also über ihre Produkte und Leistung. Manche haben nie gelernt, eine qualifizierte Bedarfsanalyse durchzuführen, manche folgen Glaubenssätzen wie: »Das kann man doch nicht fragen, das wird uns ein Interessent nie erzählen«.

Aus meiner Sicht ist der Lösungsvertrieb im Markt der Investitionsgüter, wie z. B. im Maschinen- und Anlagenbau, in der IT, der IT-Infrastruktur und der Software zwingend anzuwenden. Das gilt aber auch dort, wo erklärungsbedürftige Dienstleistungen wie Softwareentwicklungen, Beratungen und andere hochwertige Dienstleistungen wie Versicherungsschutz für komplexe Situationen angeboten werden. All diese Märkte stellen den Verkäufer vor einige typische Herausforderungen:

Es geht um erklärungsbedürftige Leistungen.

Die Leistungen beinhalten einen hohen Anteil individueller Anpassungen, Einstellungen oder Parametrisierungen.

Die Lösung entsteht in der Regel mit dem und beim Kunden.

Die Auswahl- und Entscheidungsprozesse sind langwierig und nicht transparent dauern oft sechs bis 36 Monate.

Die Entscheidung für eine Lösung beeinflusst das Geschäftsmodell des Kunden und ist deshalb von großer Bedeutung.

Die Fachabteilung hat einen starken Einfluss auf die Lösung.

Der Kunde geht ein hohes finanzielles und meistens auch langfristiges Engagement ein.

Der Einsatz teurer Ressourcen wie Pre-Sales-Beratung, Konstruktion, Kalkulation und Ähnliches mehr ist notwendig.

Sowohl auf Kunden- als auch auf der Anbieterseite sind mehrere beteiligt (Buying Center).

Die Genehmiger nehmen meistens nicht am formellen Auswahlprozess teil.

Vorhersagen zu den Verkaufschancen lassen sich nur schwer treffen.

Die Verkäufer sind eher technisch oder fachlich orientiert.

Es besteht das Risiko, dass es nie zu einer Entscheidung kommt (»Lost to no decision«).

Aus diesen Herausforderungen ergeben sich spezielle Anforderungen an das Können der Verkäufer und an ein marktgerechtes verkäuferisches Vorgehen.

Da die Beschaffung meistens Einfluss auf die Geschäftstätigkeit hat, muss der Kunde außerdem ein großes Maß an Vertrauen zum Anbieter seiner Wahl aufbauen. Gelingt das nicht, geht der Auftrag zum Wettbewerber oder wird zu einem Fall von »Lost to no decision«. Der Kunde entscheidet nichts, er macht einfach so weiter.

2.1.1Die besonderen Herausforderungen im Detail

Lassen Sie mich hier nur auf die wichtigsten Punkte der vorgenannten Herausforderungen eingehen. Immer wieder stelle ich fest, dass es unterschiedliche Vorstellungen zu den genannten Punkten gibt. Da diese jedoch so grundlegend sind, hier die Erläuterungen zu den »Herausforderungen«.

Erklärungsbedürftige Leistungen

Was genau meint »erklärungsbedürftig«? Es meint zuallererst, dass eine Leistung für den Kunden erklärungsbedürftig ist. Es geht nicht darum, ob der Verkäufer glaubt, dass etwas erklärungsbedürftig ist.

Ich bin schon einer Reihe von Versicherungsvertretern begegnet, die geglaubt haben, dass eine Kfz-Haftpflicht-Versicherung sehr erklärungsbedürftig sei. Aber Tausende von Versicherungsnehmern, die ihre Kfz-Haftpflicht-Versicherung im Internet abschließen, beweisen, dass diese Annahme recht fragwürdig ist.

Erklärungsbedürftig in unserem Sinne bedeutet also, dass der Kunde sich die Beratung wünscht, und nicht, dass der Verkäufer glaubt, der Kunde würde sie brauchen.

Hoher Anteil individueller Anpassungen

Individuelle Anpassungen können sowohl konstruktive Anpassungen bei Maschinen und Anlagen als auch spezielle Programmierungen bei einer Software sein. Im Falle der Software können die individuellen Anpassungen aber auch aus massiven individuellen Einstellungen oder Parametrisierungen bestehen, die einen Standard verändern. Sie sind gerade bei Unternehmenssoftware wie ERP- oder HR-Systemen notwendig.

So oder so: In der Regel reicht es im Falle individueller Anpassungen nicht aus, einfach nur ein paar Dinge zu verändern. Vielmehr bedarf es dafür eines Konzepts und eines Plans. Außerdem steht ein ganz bestimmtes Ziel (manchmal auch mehrere) im Fokus der Anpassung.

Bei der Einführung von Software hat die Parametrisierung fast immer einen sehr großen Einfluss auf das Projekt ‒ sowohl als Kostenfaktor als auch als Voraussetzung für den Projekterfolg. Ganz ähnlich verhält es sich im Anlagenbau.

Die Lösung entsteht in der Regel mit dem und beim Kunden

Viele Anpassungen werden beim Kunden, oft sogar mit dem Kunden zusammen realisiert. Das ist mit einem Hausbau vergleichbar, bei dem Sie immer neben dem Polier stehen. Das ist zeitraubend und nicht immer einfach, aber es sorgt für das gewünschte individuelle Ergebnis, ein Ergebnis, das ganz genau den Wünschen und Notwendigkeiten des Kunden entspricht.

Langwierige und intransparente Entscheidungsprozesse

Oft dauern die Auswahl- und Entscheidungsprozesse zwischen sechs und 36 Monate. Gleichzeitig sind diese Prozesse intransparent, was bedeutet, dass Sie oft gar nicht wissen, wer alles beteiligt ist. Außerdem ist oft nicht klar, wie die Prozesse ablaufen sollen. Und: Wenn der Kunde einen Plan für seine Prozesse hat, gibt er die Prozesse oft nicht preis.

Häufig ist es aber so, dass der Kunde selbst nicht weiß, wie die Entscheidungsfindung ablaufen soll. Denn diese Entscheidungen werden in Unternehmen nicht selten nur alle fünf, zehn oder sogar (insbesondere bei Unternehmenssoftware) nur alle 15 bis 20 Jahre getroffen. Woher soll der Kunde da wissen, wie der Prozess idealerweise ablaufen sollte?

Am ehesten kann ihm da der Verkäufer helfen, der mehrfach im Jahr mit solchen Entscheidungen in Berührung kommt. Wenn der Verkäufer den intransparenten Auswahlprozess geschickt nutzt, kann er ihn zu seinem Vorteil wenden. Aber das natürlich nur, wenn er entsprechend vorbereitet ist.

Entscheidung beeinflusst das Geschäftsmodell des Kunden

Entscheidungen im Solution Selling drehen sich meistens um Investitionen und beeinflussen das Geschäftsmodell des Kunden. Denken Sie an Maschinen, die mehr produzieren können, flexibler sind oder präziser. Solche Entscheidungen sind von großer Tragweite. Oft ist abzuwägen: Mehr oder präziser? Schneller oder flexibler?

Hohe finanzielle und meistens langfristige Bindung

Mit ihrer Entscheidung gehen die Kunden meistens eine langfristige Bindung ein. Außerdem bindet die Beschaffung finanzielle Ressourcen, und zwar auch dann, wenn Kunden z. B. das neue SAP-System leasen. Auch hier ist die Bindung langfristig, denn so schnell will der Kunde ein solches ERP-System nicht wieder ablösen. Im Anlagenbau ist das ganz ähnlich. Der Aufwand, eine gerade erworbene Anlage auszutauschen, wäre enorm.

Notwendigkeit des Einsatzes teurer Ressourcen

Ressourcen wie Pre-Sales-Beratungen, Konstruktionen und Kalkulationen sind teuer. Im Maschinenbau beispielsweise ist es leider nicht üblich, dass die Kunden diesen Aufwand bezahlen. In anderen Branchen hingegen schon. Aber selbst dann, wenn der Kunde zahlt, sind die Ressourcen gebunden. Werden sie zu oft ohne Erfolg genutzt, ist das schlecht für den Anbieter. Deshalb muss er dringend den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz dieser Ressourcen finden. Mehr dazu in Kapitel 6.5.

Mehrere Beteiligte und Entscheider auf der Kundenseite

Bei mehreren Beteiligten und Entscheidern auf der Kundenseite sprechen wir von einem Buying Center. Meistens ist der letztendliche Genehmiger nicht Teil des formellen Auswahlteams. Es ist unklar, wer im Buying Center wie viel Einfluss oder gar Macht hat. Die Buying-Center-Analyse soll dem Verkäufer dabei helfen, die Beziehungs- und Machtstrukturen leichter zu durchschauen.

Schwierige Vorhersage hinsichtlich der Verkaufschancen

Aus den vorgenannten Gründen ist eine Vorhersage hinsichtlich der Verkaufschancen sehr schwierig. Meistens sind die Prognosen schlechter, als eine Drei-Wochen-Wettervorhersage. Gleichzeitig wäre es aber immens hilfreich, zu wissen, in welche der Opportunities man die knappen und teuren Ressourcen investieren sollte. Das Opportunity-Management soll hier Licht ins Dunkel bringen.

Eher technisch oder fachlich orientierte Verkäufer

Wer komplexe und erklärungsbedürftige Lösungen verkauft, sollte selbst fachlich kompetent sein. Deshalb werden sehr häufig Fachleute zu Verkäufern gemacht. Der Anwendungsberater von Software wird ebenso zum Verkäufer wie der Maschinenbauingenieur. Beide fühlen sich bei den Sachthemen am wohlsten und beide stellen liebend gerne ihre Produkte vor. Leider hat das oft zur Folge, dass die vertriebliche Seite vernachlässigt wird. So kommt es nicht selten vor, dass das technisch schlechtere Produkt vom besseren Verkäufer verkauft wird. Denn die Entscheidung fällt in der Regel nicht auf der Fach- und Sachebene. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Fachverkäufer mehr über den Lösungsvertrieb lernen. Verkäufer brauchen neben dem Fachwissen unbedingt Fähigkeiten im Solution Selling.

Risiko von »Lost to no decision«

Weil die Projekte von so großer Bedeutung sind und Fehlentscheidungen von großer Tragweiter wären, werden zu viele Projekte nicht entschieden. Manche Projekte werden bewusst verschoben, andere dümpeln erst dahin und verschwinden dann unkommentiert. In den USA liegt der Anteil der Lost-to-no-decision-Projekte bei 58 %. Wenn Verkäufer diese Projekte nicht rechtzeitig erkennen, ist der Ressourceneinsatz verschwendet. Um so wichtiger ist es, gegen diesen »Wettbewerber« gezielt und aggressiv vorzugehen. Aber bei den meisten Verkäufern ist das noch die Ausnahme.

Die beschriebenen Herausforderungen und Risiken des Lösungsvertriebs zeigen die Fallstricke, mit denen Verkäufer konfrontiert sind, sehr gut auf. Gleichzeitig bergen sie die Chance, durch gezielte und systematische Arbeit, mehr Opportunities in Aufträge zu verwandeln. Wer viel Vertrauen aufbaut, kann die Angst der Kunden überwinden. In Kapitel 2.3 vertiefen wir dieses Thema.

2.1.2Das Thema »Vertrauen« ist von überragender Bedeutung