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Ungewöhnliche Kurzkrimis - mal tragisch, mal klaustrophobisch, immer eiskalt. ---Ein Highschool Schüler, der feststellen muss, dass selbst die Gluthitze eines amerikanischen Sommers nicht vor Kälte schützt. Ein verängstigter Mann, der mitten in der Nacht Hilfe in einer kleinen norddeutschen Polizeistation sucht. Ein unfreiwilliger Tourist, der tief in den Katakomben von Odessa endlich die Wahrheit findet. ---Drei verschiedene Personen. Drei unterschiedliche Orte. Drei Leben, die unerwartet eine düstere Wende nehmen.
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Seitenzahl: 75
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Über die Autorin
1. Sommerfrost
2. Karma
3. Im Dunkeln
Nice to know
Stella Delaney ist in einem beschaulichen kleinen Dorf im fränkischen Weinland aufgewachsen, lebt aber nach einem längeren Zwischenstopp in England bereits seit einigen Jahren in der Schweiz, zusammen mit ihren Katzen.
Brot und Katzenfutter verdient sie als Lehrerin für Englisch, Deutsch und Allgemeinbildung an einer Berufsfachschule. Ihr Studium der Anglistik/ Germanistik hat sie zuvor mit Jobs wie Kindermädchen, Kellnerin, Kinoangestellte und DaF Lehrperson finanziert, und nebenbei Erfahrung als Märchenerzählerin, freie Journalistin, Übersetzerin und Buchkritikerin gesammelt.
Stella schreibt Dystopie, Fantasy, Mystery, Suspense und Krimi, meist kombiniert mit (Queer) Romance Elementen. Ihre Kurzgeschichten- sammlung Staub und Regenbogensplitter wurde mit dem Skoutz Award 2018 ausgezeichnet, ihr Roman Das Leuchten Am Rande des Abgrunds schaffte es 2019 auf die Shortlist für den SERAPH Phantastikpreis.
Deutschsprachige Erstausgabe Oktober 2019 Copyright © 2019 Stella Delaney
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Stella Delaney Wässerwiesenstrasse 67M 8408 Winterthur www.stelladelaney.ch
Covergestaltung und Satz: Wolkenart - Marie-Katharina Wölk, www.wolkenart.com
1. Auflage
Wenn dein Herz kalt ist, kann ich dich auch nicht wärmen.
Unbekannt
Quelle: Inschrift über einem Kamin
Zusatzinfos zum Buch und eine Liste von möglicherweise triggernden Inhalten finden sich auf www.stelladelaney.ch unter »Extras«.
Wenn ich die Augen schließe, dann sehe ich Weiß. Massen von Schnee, die alles verhüllen wie eine Decke. Eine Decke, die nicht wärmt. Ein weißes, steifes Leichentuch.
Ich fröstle. Dabei kommt die Kälte nur von der Klimaanlage, denn draußen, vor dem schmalen Fenster, steht die Hitze einer Sommernacht. Insekten, die das Licht umflattern, ein bleicher Mond am Himmel. Aber da will ich nicht hinsehen.
Eigentlich sind Schneeflocken ja durchsichtig. Jeden Winter fällt eine Septillion davon vom Himmel – das ist eine Eins mit 24 Nullen. Ich spüre, wie sich mein Herzschlag normalisiert. Fakten. Fakten sind so beruhigend. So verlässlich.
Schritte kommen näher, und ich öffne die Augen wieder. Ein Mann nimmt neben mir Platz. Wache, hellgraue Augen, dunkle Haare durchzogen von Grau, ein gutgetrimmter Schnurrbart. Die beige Sheriffuniform sitzt perfekt.
»Geht es wieder?« Seine Stimme klingt warm.
Ich nicke nur.
Minnesota hat die drittkältesten Winter des Landes, gleich nach North Dakota. Und Alaska natürlich. International Falls, wo ich die Highschool besuche, trägt den Spitznamen 'Eisfach der Nation', weil hier an 109,4 Tagen im Jahr die Temperatur nicht über 0 Grad Celsius steigt.
Der Winter ist Perfektion. Eiskalte, klare Luft. Das magische Glitzern einer unberührten Schneedecke in der Sonne. Die stille Ruhe eines gefrorenen Sees. Es sind die ersten Lieben, die einen nie mehr loslassen. Zumindest habe ich das mal gelesen. Aber nun weiß ich mit der Klarheit einer scharfkantigen Eisscherbe, dass dieser Tag alles verändert hat. Der Winter hat seinen Zauber verloren.
»Bin ich jetzt verhaftet?« Meine Stimme klingt dünn und fremd.
Er lacht auf. »Aber nein, Junge. Wie kommst du denn darauf?«
Eine Tasse wird mir in die Hand gedrückt. Erst halte ich die dampfende Flüssigkeit für Kaffee, dann schlägt mir der süße Geruch entgegen.
»Dachte, du hast sicher lieber eine heiße Schokolade. Kaffee ist was für alte Knacker wie mich.«
Ein verlegenes Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Ich mag groß für mein Alter sein und eine Klasse übersprungen haben, aber in seltenen Momenten wie diesen bin ich froh, wenn mich andere noch als Kind sehen. Kinder sind zwar meist naiv und dumm, aber auch unschuldig.
»Samuel Martin, richtig?«
»Sam«, korrigiere ich. »Jeder nennt mich Sam.«
»Okay, Sam.« Der Sheriff nickt und nimmt einen Schluck Kaffee. »Deine Eltern sind benachrichtigt; sie werden dich abholen kommen. Lass uns doch inzwischen einfach ein bisschen plaudern.«
»Worüber denn?« Mein Blick schnellt nach oben.
»Casey Sullivan, zum Beispiel.«
Ich schüttle den Kopf. Das verlegene Lächeln auf meinen Lippen fühlt sich gefroren an. »Ich kann Ihnen so gut wie nichts über Casey erzählen. Wir waren zwar an derselben Highschool, aber nicht in einer Klasse, und auch nicht befreundet oder so. Und was man sich sonst erzählt, wissen Sie ja.«
»Was erzählt man sich denn?«
Ganz offensichtlich tat er nur so. Er stammte aus Fairdale, genau wie ich, diesem kleinen, verschlafenen Nest in der Nähe des Rainy River, der fließenden Grenze zu Kanada. Umgeben von Wald und weiter Leere. Wo 96% der Einwohner weiß sind und 56% bei der letzten Wahl die Republikaner gewählt haben. Wo jeder jeden kennt und jeder über jeden Geschichten erzählen kann.
»Na ja, dass seine Mutter eine Stripperin war. Früher zumindest.« Und etliche Beziehungen mit etlichen Männern hatte. Verheirateten Männern, natürlich. In Gedanken höre ich meine Mutter, wie sie mit unverhohlener Freude den Frauen in ihrem Bibelkreis davon erzählt. Es gab ja so wenige Skandale in unserem friedlichen kleinen Ort. Dank sei Gott für Kayla Sullivan. »Und seinen Vater kennt niemand.«
»Das sind allerdings Geschichten über Caseys Eltern, nicht über ihn.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, ich kenne ihn kaum. Nur vom Sehen, oder aus dem Royal Icing. Mein Bruder und ich waren früher oft zusammen da. Die machen verdammt gute Cupcakes und das beste Eis der Welt.«
»Das kann man laut sagen. Die Cookies sind auch legendär.« Eine Pause, ein weiterer Schluck Kaffee. »Vielleicht kann uns dein Bruder ja weiterhelfen. Oliver, richtig?«
Da ist eine eiskalte Hand, die schwer auf meine Schulter fällt.
»Das glaube ich kaum. Klar, er und Casey waren im selben Jahrgang und haben zusammen den Abschluss gemacht, aber mein Bruder hat Fairdale kurz danach verlassen.«
Er sieht mich nur weiter ruhig an. »Oliver studiert an einem College der Universität von Minnesota, stimmt’s? Ein richtig schlauer Kopf. Was ist denn sein Fach?«
Die kalte Hand hebt sich langsam wieder. »Computerwissenschaften.«
»Und vor zwei Woche ist er dann für die Semesterferien nach Hause gekommen?«
Ich nicke, und plötzlich sehe ich alles wieder vor mir.
Der Ort, an dem mein Bruder und ich aufgewachsen sind, ist ein typisches kleines Haus in einem typischen kleinen Ort, wie es tausende gibt in Amerika. Es liegt am südlichen Rand von Fairdale, direkt neben der Kirche. Mein Großvater war Reverend gewesen und hatte immer gehofft, dass sein einziger Sohn in seine Fußstapfen treten würde. Die dritte Generation der Familie Martin im Dienste des Herrn.
Aber mein Vater war kein guter Redner und hatte sich lieber mit praktischen Dingen befasst. Dass er inzwischen seine eigene Baufirma besaß, und meine Mutter sich eifrig in der Kirche und im Bibelkreis engagierte, hatte meinen Großvater nie wirklich trösten können. Genauso wie mein Vater nicht verstehen konnte, dass weder Oliver noch ich Interesse an seiner Firma zeigten. Enttäuschung zog sich durch unsere Familiengeschichte wie ein schmutzig weißes Band.
Ich schob die bitteren Gedanken beiseite und kramte in meinem Rucksack nach dem Schlüssel.
»Hallo Kleiner.«
Konnte es sein? Konnte es wirklich sein? Ich drehte mich langsam um. Und da stand er. Stand einfach da und grinste von einem Ohr zum anderen.
In diesem Moment verzieh ich ihm sogar das ‚Kleiner‘, das ich sonst hasse, weil es nicht stimmt. Ich mag zwar jünger sein, überrage ihn aber um exakt 3,7 Zentimeter. Normalerweise mag ich es auch nicht, wenn mich Leute einfach so umarmen. Aber er war immer die Ausnahme. Oliver. Mein großer Bruder.
»Was machst du denn hier?«, entfuhr es mir.
»Semesterferien. Schon mal gehört?«
»Ja, aber offiziell doch erst ab Freitag, oder? Heute ist Mittwoch.« Ich studierte nicht mal, doch das wusste ich. Natürlich nicht, weil ich heimlich die Tage gezählt hatte, bis … okay, vielleicht ein bisschen.
Gemeinsam traten wir in die Diele. Das dunkle Holz knarrte unter unseren Füssen, es roch nach nassen Kleidern und Holz und staubtrockenen Blumen, auch ein bisschen nach Apfelkuchen, obwohl meine Mutter heute nicht gebacken hatte.
Und da kam sie schon. Trat aus ihrem Reich, der Küche, in ihrem einfachen, geblümten Rock, die Haare streng zurückgebunden, ein kariertes Baumwolltuch in den Händen.
Sie musterte meinen Bruder kurz, mich etwas länger. »Schuhe aus. Türe zu.«
Gehorsam drehte ich mich um, da drängte sich jemand im letzten Moment an mir vorbei. Ein Mädchen, groß gewachsen, mit dunkelbraunen Haaren, die ihr bis knapp an die Schultern reichten und über dem linken Ohr von einer Spange gehalten wurden. Rote Wangen, strahlende Augen. Sie war hübsch. Verdammt hübsch sogar.
»Guten Tag, Misses Martin. Ich bin Hannah Anderson.«
Hannah wer? Was wollte sie hier? Sie platzierte sich dicht neben meinem Bruder, sah meine Mutter erwartungsvoll an. Und dann verstand ich.
Meine Mutter ließ das Tuch sinken, strich sich eine der braunen, zu ihrem Kummer bereits mit Grau durchsetzten Strähnen aus dem Gesicht.
»Aber natürlich. Hannah. Oliver hat schon viel von dir erzählt.« Sie wurde geschäftig. »Darf ich dir etwas anbieten? Einen Eistee vielleicht? Und irgendwo hab ich sicher noch ein Stück Kuchen, von gestern, aber …«
»Danke, Misses Martin, das ist total nett. Aber ich wollte nur schnell guten Tag sagen. Oliver fährt mich gleich rüber zu meinen Eltern.«
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