Sonne im Glas - Gerd Pechstein - E-Book
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Sonne im Glas E-Book

Gerd Pechstein

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Beschreibung

Rezension einer Leserin vom 18.06.2021: "Ein wirklich traumhaftes Buch, in das ich mich buchstäblich verloren habe… Sehr realistisch werden die ungarischen Menschen beschrieben, man lernt Land und Leute kennen." »Sonne im Glas« ist keine Liebesgeschichte, doch erzählt der Autor einfühlsam über den Beginn der lebenslang währenden Freundschaft von Maria und Peter. Im Traum unternimmt Peter eine Zeitreise, beamt sich in das Jahr 1962. Peter, damals 19 Jahre alt, der »Eiserne Vorhang« trennt Ost und West und in der DDR die Reisefreiheit ein unbekanntes Wort. Für Peter wird ein lang gehegter Wunsch wahr: Die Überschreitung von Ländergrenzen bedeutet für ihn ein bisschen errungene Freiheit. Schon der Beginn der Reise im Balt-Orient-Express wird abenteuerlich. Begegnungen und Gespräche mit Mitreisenden, einem pensionierten Geschichtsprofessor und Marias Vater, einem Arzt aus Leidenschaft, bringen ihm die Geschichte des Gastlandes und die Mentalität der Menschen nahe. Gefährlicher Leichtsinn und für ihn ungenießbare Speisen bereiten der Gastgeberfamilie Sorgen. Erst Jahre später erfährt Peter von einem Geheimnis während seines Besuches und einem damit verbundenen tragischen Ereignis. Wie auch in seinen anderen Büchern fällt der Autor durch seine klare und realitätsnahe Ausdrucksweise sowie flüssige Schreibweise auf. Der Leser merkt schnell, dass diese Erzählung auf wahren Begebenheiten beruht. Es handelt sich um einen autofiktionalen Roman.

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Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Impressum

Hinweis auf weitere Bücher des Autors

Gerd Pechstein

Sonne im Glas

Ein Sommer mit Maria

am Balaton

Ein autofiktionaler Roman

Über dieses Buch

Die Überwinterung auf den Kanaren endet für Moni und Peter. Erinnerungen werden bei Peter wach, als man über eine Reise im Sommer nachdenkt.

In der Jugend hat man Träume, will verrückte Sachen unternehmen, die eigentlich unmöglich erscheinen. Peter träumte von Reisen in die weite Welt.

Doch die Zeit stand gegen ihn, einem Jungen, damals 19 Jahre alt. Der »Eiserne Vorhang« trennt Ost und West, schränkt in der DDR die Reisefreiheit massiv ein.

Endlich, 1962 ein positiver Bescheid der Behörde: Er darf der Einladung der Eltern seiner Brieffreundin Maria an den Balaton folgen. Ganz individuell.

Schon der Beginn der Reise mit dem Balt-Orient-Express wird abenteuerlich. Die Landschaft am Balaton und die Zeit mit Maria bieten Platz für viel Romantik und schöne Erlebnisse.

Intensive Gespräche, u. a. mit einem Geschichtsprofessor und mit Marias Vater, einem Arzt aus Berufung und Leidenschaft, bringen ihm die Geschichte des Gastlandes und die Mentalität der Menschen nahe.

Doch auch über den Glauben nicht nur im religiösen Sinne, sondern als Partner des Arztes bei der Behandlung der Patienten werden die Gedanken ausgetauscht.

Gefährlicher Leichtsinn und für Peter ungenießbare Speisen bereiten der Gastgeberfamilie Sorgen.

Es ist keine Liebesgeschichte, jedoch erzählt der Autor einfühlsam, authentisch und mit Humor über den Beginn einer lebenslangen Freundschaft von Maria und Peter.

Erst viele Jahre später erfährt Peter von einem Geheimnis und damit verbundenen sehr tragischen Ereignis.

Eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte, mit der der Leser durch die gesellschaftskritische Betrachtung des Autors in die Zeit der 60-iger Jahre der DDR und Ungarns versetzt wird sowie in die Gedanken der Menschen in der damaligen Zeit einen interessanten Einblick erhält.

Leserstimmen

„Ein wirklich traumhaftes Buch, in das ich mich buchstäblich verloren habe…. Der Autor schreibt seine Erlebnisse so lebensnah, man meint selbst dabei zu sein. Er nimmt den Leser an die Hand und führt ihn durch sein Buch und am Ende mag man dennoch weiterlesen.“

Elisabeth U.

„Unterhaltsam geschrieben, man möchte gleich mit dem Protagonisten gen Süden reisen.“

Kerstin B.

„Die Geschichte ist flüssig zu lesen und sehr tiefgründig.“

Dandy.

"Ich kenne die Orte der Handlungen, bin sehr berührt von den Schilderungen, die ich so auch selbst erlebte. Auch die Verbundenheit der Menschen mit dem Geist des alten Ungarns. Ich habe die Beschreibungen und Erinnerungen mit größtem Interesse tief berührt gelesen und gratuliere zum Buch".

B. Z., Budapest

Ich widme dieses Buch

unseren Freunden

Piroska und Barna

Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus

dem wir nicht vertrieben werden können.

Jean Paul

Kapitel 1

Die Sonne brennt heiß auf die Terrasse. Peter sitzt bequem in einem Sessel in Nähe des Pools unter dem großen Sonnensegel und einer schattenspendenden großen doppelstämmigen Fächerpalme.

Er nimmt die Umgebung kaum wahr. Ein Buch fesselt ihn. Hier nimmt er sich die Zeit zum Schmökern, wie er es nennt, schaltet ab. Frönt dem wichtigsten Hobby seiner Jugendzeit, das er eine Ewigkeit sträflich vernachlässigte – dem Lesen.

Lange haben sie sich nach der Wärme der Insel mit dem immer leicht kühlenden Wind gesehnt. Doch in dieser Intensität, wie die letzten Tage mit Temperaturen um fast 30 °C im Schatten, brauchen ältere Menschen wie Moni und Peter die Wärme nicht.

Was hilft es da, wenn der Wind von der Küste des Atlantiks her ab und zu stürmisch über das Land bläst? Man sucht Abkühlung – im Meer, im Pool, im Bungalow oder unterm Sonnenschirm.

Mehrere Möwen schweben kreischend am Himmel. Sie streiten sich mit zwei Raben, die ihnen oder ihrer Brut zu nah kamen.

Die Palmenwedel schlagen aneinander und hören sich lärmend, fast die Ruhe störend, an.

Trockene Blattteile und feiner Sand wirbelt der Wind über die Terrasse. Immer in die gleiche Ecke. Das erleichtert die Arbeit, denn Moni liebt die Sauberkeit, zu jeder Zeit. Auch auf der Terrasse.

Es könnte ja unverhofft Besuch kommen. Wie Frauen so sind. Peter hat schon lange aufgehört sich dagegen aufzulehnen, auf die Sinnlosigkeit dieses Sauberkeits-wahns hinzuweisen und Moni davon abzubringen.

Ein zweckloses Unterfangen. Hier gab es unüberbrückbare Meinungsunterschiede. Die Reinigung der Terrasse fiel zudem in seine Zuständigkeit.

»Peter, beseitige doch den Sand und Schmutz, den der Wind wieder auf die Terrasse geweht hat«, hörte er von Weitem, wie jeden Tag, oft auch mehrfach, Moni ihn zum Kehren auffordern.

»Ich bin doch nicht der kleine Meyer aus der dänischen TV-Serie ›Oh, diese Mieter‹«, wagte er zu widersprechen.

»Keine Ausflüchte. Besen und Schaufel stehen auf der Terrasse. Die Pflege des Außenbereiches hast du als Verpflichtung übernommen.«

»Aber nicht aller Stunde, wenn es stürmisch ist«, versuchte er nochmals Moni von ihrer Meinung abzubringen.

»Du weißt, Claudia kommt gleich, um den Pool zu säubern.«

Oh je, das hatte er vergessen. Sie hatte wieder einmal recht. Er holte tief Luft und erhob sich schnell. Wusste er doch, dass jede Gegenrede zwecklos ist.

In diesem Fall war es gut, dass Moni ihn erinnerte. Wortlos kam er den ihm trotzdem überflüssig erscheinenden Hinweis nach.

Er legte sein Buch zur Seite, nahm den Besen und fegte den Schmutz zusammen. Man sah ihn kaum auf der Schaufel. Doch Moni hatte ihren Willen.

Bewegung schadet ja nicht und ist sogar mit einem Nutzen für die Gesundheit verbunden, brummelte er vor sich hin.

Mit diesen Gedanken leerte er die Schaufel, stellte Besen und Schaufel in die Ecke. Wenig Sand kam beim Fegen zusammen; nur ein paar Fasern von den Palmwedeln wirkten störend in den Ecken. Doch was solls.

Peter setzte sich wieder mit seinem Buch auf den Liegestuhl. Im Urlaub las er viel. Oder er tat so, um nicht angesprochen zu werden.

Oft schloss er die Augen, legte dann das Buch beiseite, um in Erinnerungen zu kramen. Hier hatte er dazu die Zeit. Dies beruhigte ihn ungemein.

Andererseits blickte er gern zurück – in die Jugendzeit, aber auch auf den mehr als fünf Jahrzehnte gemeinsam zurückgelegten Lebensweg mit seiner Moni.

Er genoss diese Ruhe, dieses kleine Paradies im Atlantik, einen Lebenstraum, den er sich mit Moni seit über zehn Jahren erfüllte. Eine gute Entscheidung hat man vor langer Zeit getroffen.

Sie mieden nach diesem Entschluss für die Überwinterung die Pauschalurlaube. Wollten sich nicht mehr in die Wartenden am Buffet einreihen, sich dem Rhythmus des Hotelalltags unterwerfen.

Verzichteten bewusst auf die Annehmlichkeiten des Hotelaufenthaltes.

Eine neue Freiheit gönnte man sich, wenn auch die Selbstversorgung nicht jedermanns Sache ist. Für sie ein Gewinn an Unabhängigkeit und Individualität.

Viele Leute lernten sie auf diese Weise kennen. Man unterhielt sich, verabredete sich zum Essen im Restaurant oder einem Treffen im Café, erfuhr so die Neuigkeiten.

Sie genießen im Bungalow den Aufenthalt, diese Kontakte mit Residenten, Einheimischen und Urlaubern, die zwangsläufig mit der Eigenversorgung und den Strandwanderungen verbunden sind.

Der Bungalow ist unweit vom weißen Sandstrand abseits vom Trubel des Tourismus in den Hotels und in einer ruhigen Gegend gelegen.

Trotzdem haben sie einen weiten Blick bis hin zum Meer, wenn man sich auf den Rand des Pools stellt. Doch wer macht das? Für manchen Besucher ist es äußerst wichtig, das Meer in der Ferne zu sehen.

Auch für die zu Hause Verbliebenen: Moni und Peter überwintern in einem Bungalow mit Meerblick.

Das hört sich doch gut an.

Peter musste unwillkürlich schmunzeln. Auf was für komische Gedanken man kommt.

Es klingelte. Moni öffnete die Tür und begrüßte die Verwalterin Claudia, die sich zur Säuberung des Pools angekündigt hatte.

Peter sprang mit Schwung, Sportlichkeit vortäuschend vom Liegestuhl, sodass seine von Arthrose geplagten Gelenke knackten und er leicht das Gesicht wegen der Schmerzen verzog.

Der Rücken meldete sich auch, doch er gab sich nicht gern die Blöße von Krankheiten geplagt zu sein.

»Der deutsche Winter ist weit weg von uns. Dieses Jahr hat er zu Hause bisher wenig Schnee gebracht«, begann er ein Gespräch mit Claudia.

»Dafür gab es viele Tage mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und regnerischem Wetter. Nur wenig spürte man bis Weihnachten davon. Derzeit regnet es und stürmt«, erzählte er der netten Verwalterin.

»Auch die letzten Monate brachte der Winter so wenig Schnee wie nie, wie die Nachbarn uns mitteilten. Der Klimawandel scheint doch real zu sein.«

Sie reinigte den Pool und nickte zustimmend.

»Auch hier auf der Insel ist das Wetter nicht mehr so stabil wie früher. Zumindest erscheint es uns so. Doch wir können es nicht ändern.«

»Ja, dass hört man von vielen Residenten, die seit Jahrzehnten auf der Insel leben«, antwortete Peter.

Claudia, aus Norddeutschland stammend, lebt schon seit vielen Jahren mit ihrem Mann auf der Insel.

Früher entdeckten sie die Schönheiten der Welt, reisten von Kontinent zu Kontinent. In Fuerteventura blieben sie dann hängen und heirateten auch hier.

Die Landschaft und das gesunde Klima der Insel gefielen ihnen nicht nur wegen der Linderung von Claudias Rheuma und ließ sie Residenten werden.

Den Pool nutzten Moni und Peter wenig. Das im Winter meist um oder doch mehr unter 20 °C kühle Wasser im Pool sagte ihnen nicht zu.

Sie nahmen lieber ein Wellenbad im Atlantik, da spürte man die Kühle bei ähnlicher Wassertemperatur nicht so. Und es gab nicht diesen Chlorgeruch.

Peter badete meist im Anschluss eines Spazierganges entlang des Meeres im hellen feinen Sand des Strandes.

Claudia verabschiedete sich. Sie hatte heute wenig Zeit, denn eine Bekannte wartete auf sie.

Auch sie bereiteten sich wie jeden Tag auf die Strandwanderung vor. Am Himmel begleiteten sie kleine weiße, schnell ziehende Wolken, die das Blau des Himmels noch intensiver erscheinen ließen.

Wohltuend, wenn eine Wolke kurzzeitig die Sonne verdeckte, die Intensität der Sonnenstrahlung hemmt.

Wie jedes Jahr folgten Moni und Peter den Zugvögeln in das gesunde und warme Klima der kanarischen Insel.

Anfangs bezeichnete man sie als Träumer, als man den Gedanken äußerte, auf einer Insel der Kanaren zu überwintern.

»Ihr habt wohl im Lotto gewonnen?« oder »Eine so lange Zeit weg von zu Hause, das ist doch nicht auszuhalten« – solche Bemerkungen hörten sie immer wieder. Sie lächelten darüber. Doch dies ist Geschichte.

Die Verwandten und Nachbarn gewöhnten sich an ihre lange Abwesenheit; beneideten sie vielleicht.

Die Zeit vergeht schnell, zu schnell. In den letzten Jahren erhielten sie längere Besuche von den Kindern mit dem Enkel Filippo. Eine sehr schöne Zeit für Moni und Peter, denn so lange wie hier konnte man sonst nie mit dem Enkel und den Kindern zusammen sein.

Eine glückliche Zeit für die beiden. Selbstkritisch murmelte Peter vor sich hin, sodass es auch Moni verstand:

»Gut, die Situation des Zusammenlebens ist ungewohnt. Dadurch manchmal auch teils strapaziös.

Auftretende Meinungsverschiedenheiten zwischen Jung und Alt sind nicht ungewöhnlich. Diese gibt es auch. Darüber sieht man hinweg.

Jeder versucht die kleinen Wogen schnell zu glätten. Die eigentümliche entspannte südländische Atmosphäre, das Überspringen der Lebensauffassung der Südländer auf uns, lassen die Differenzen schnell überwinden. Toleranz steht im Vordergrund.«

Nie möchten Moni und Peter auf diese Besuche verzichten. Peter ist stolz, wenn Filippo ihn morgens zum Bäcker begleitet und Oma Moni ist die perfekte Spielpartnerin für den kleinen Wirbelwind.

Er ist ein aufgewecktes Kind, immer auf der Suche nach Beschäftigung, nach Entdeckungen, die das Kinderherz erfreuen – aber nicht immer das Verständnis der Erwachsenen finden. Peter seufzt laut hörbar.

Filippo ist sein ein und alles. Gern geht er mit dem Jungen spazieren. Erklärt ihm die Natur, beantwortet seine vielen Fragen.

Er steht auf; muss die Beine bewegen. Folgt aber auch Monis Ruf zum Kaffee, dessen Duft ihm schon längere Zeit die Nase kitzelte. Diesen Kaffeeduft werden sie zu Hause vermissen. Frisch gemahlene Bohnen aus einer kleinen Rösterei – das gönnt man sich.

Der Tagesablauf unterscheidet sich kaum. Die tägliche Strandwanderung oder der Einkauf von dem, was man zum täglichen Leben benötigt, gehören dazu.

Häufig trifft man dabei Bekannte. Macht ein Schwätzchen und tauscht Neuigkeiten aus; lässt sich Tipps geben. Man wird diese Zeit vermissen.

Momentan sind die Gedanken nach drei Monaten Aufenthalt auf dieser kanarischen Insel vor Afrika bereits wieder beim Packen der Koffer.

Was wird sie wohl zu Hause erwarten? Der Frühling hat bereits Einzug gehalten. Sie werden durch die Wälder und Felder wandern, Ausflüge unternehmen, sich an der erwachenden Natur erfreuen.

Natürlich sind Moni und Peter durch die moderne Kommunikation über die Situation in der Heimat informiert. Sie telefonierten mit den Nachbarn, den Freunden und Bekannten, schickten über Whatsapp Fotos und erhielten zeitnah Antworten.

So konnten viele teilhaben an ihrem Langzeiturlaub, der mehr oder weniger Tapetenwechsel ist.

Die täglichen Spaziergänge und Wanderungen unterscheiden sich wenig.

Oft laufen sie auf der Promenade oberhalb der Steilküste oder am Strand des Atlantiks entlang, atmen die immer feuchte salzige Luft tief ein. So auch heute.

Sie liefen, jeder seinen Gedanken nachhängend, zügigen Schrittes zum Atlantik. Genossen den Blick in die Ferne, halten oft inne, setzen sich auf einen Felsbrocken und schauen auf das immer unruhige Meer.

Dann lauschen sie der Melodie des Meeres, betrachten die schäumenden Wellen und wechselnden Farben des Wassers. Dies ist gut für die Seele.

Folgen mit den Blicken dem Flug der Möwen, die fast ohne Flügelschlag über das Wasser gleiten. Die ständigen Veränderungen durch Ebbe und Flut nehmen sie immer wieder neu wahr.

Nichts ist so, wie man es schon gesehen hatte. Für Moni und Peter ist es immer wieder faszinierend, diesem Spiel von Sonne, Wind, Wolken und Wasser zuzusehen, eins zu sein, mit dieser wundervollen Natur.

Dazu die ursprüngliche, durch die vulkanische Vergangenheit geprägte Landschaft im Landesinneren.

Unterhalb der Steilküste die langen weißen Sandstrände, ab und zu unterbrochen von felsigen Abschnitten aus oft fast schwarzem Lavagestein.

Sie verfallen ins Träumen beim Betrachten des aufgewühlten Meeres, lassen sich von den Erinnerungen in ihre Kinder- und Jugendzeit entführen.

Ihre Lebenserfahrung sagt: Im Erinnern an die schönen Momente des Lebens findet man Kraft für Neues und Kreatives in der Zukunft.

Und sie wollen noch viele Jahre auf dieser schönen, hoffentlich friedlichen Welt und in diesem auserwählten Paradies verbringen.

Hier haben sie viel Zeit für Erinnerungen, zum Gedankenaustausch, zur Planung der Aktivitäten der nächsten Monate.

Immer wieder freuen sie sich, diesen Schritt gegangen zu sein, den Winter auf der Insel des Frühlings zu erleben.

Das Erinnern hat aber auch einen Nachteil – es ist mit Altern verbunden.

Je älter man ist, auf umso mehr Erinnerungen kann man zurückblicken.

Der Vorteil: Mit dem Alter verblassen oft die negativen Erfahrungen, die man auch sammeln musste.

Die Ereignisse, verbunden mit Freude und Glück, drängen sich in den Vordergrund. Und das ist gut so.

Das Leben im Rentenalter kann schön sein. Man muss bloß den Willen und Mut haben, es nach seinen Vorstellungen zu gestalten, lieb gewordene Gewohnheiten auch einmal über Bord zu werfen, an eine neue Lebensweise zu glauben, sich neue Aufgaben suchen und Ziele setzen.

Dabei sind auch Entscheidungen zu fällen, die andere als absurd oder zumindest als nicht normal bezeichnen.

Wichtig ist, dem Wunsch Realität werden zu lassen, um den Traum zu leben. Moni und Peter haben es gewagt.

Sie trafen eine Entscheidung, die ihr Leben stark veränderte, positiv beeinflusste, neue Akzente setzte.

Ihr Lebensabend erhielt eine neue Qualität. Der Faktor Zeit spielte nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eng aneinandergeschmiegt, Peter hatte seinen Arm um Monis Schulter gelegt, betrachteten so das Meer mit seinen Schaumkronen und die Strandgänger.

Letztere nutzten die Ebbe zur Strandwanderung, bepackt mit Rucksack und meist die Schuhe in der Hand.

Andere, die am Strand einen Liegeplatz fanden, liefen nur in Badekleidung. Auch FKK-Freaks, meist älteren Semesters, stolzierten vorbei, unterhielten sich.

Moni und Peter mochten diese Augenblicke, die sich oft bis zu einer Stunde ausdehnten, diese Momente, um die Seele baumeln zu lassen. Der leichte, eigentlich immer vorhandene Wind spielte mit Monis Haaren.

Sie liebte es, sich auch einmal ihres Hutes zu entledigen und so den kühlenden Wind hautnah zu spüren, die Haare dem Spiel des Windes zu überlassen.

Am Horizont gingen Fischer im kleinen Boot ihrer Arbeit nach. Eine große Fähre kämpfte mit den Wellen des Meeres.

Ganz weit hinten, dort, wo Himmel und Meer sich vereinen, befindet sich Afrika. Bald soll es wieder eine Fährverbindung geben. Dann geht vielleicht mancher Wunsch nach einem Kurzaufenthalt in Marokko in Erfüllung. Wieder so eine irre Idee, die sie noch hegten.

Es bewegten sie im Verlauf der Jahre immer wiederkehrende vertraute Bilder und Wünsche, so wie Ebbe und Flut zum Alltag gehörten und beim Strandwandern zu beachten sind.

In solchen Momenten der Einkehr folgt jeder seinen Gedanken, lässt die Schönheit der Landschaft, das Meer, die Natur auf sich wirken.

Man betrachtet die kleinen Blümchen, die sich trotz Kargheit des Bodens behaupten und die Blicke auf ihre zarten, oft sehr kleinen farbigen Blüten ziehen.

»Ja, schön ist es hier«, hörte Moni Peter leise sagen, »man kann nicht genug von diesen Eindrücken aufnehmen. Man wird süchtig nach diesem nie Ruhe findenden Meer und diesem Wechsel der Farben des Meeres und der Berge.«

Sie rissen sich los von diesem beglückenden Anblick und spazierten langsam Hand in Hand Richtung Bungalow.

Nur noch wenig Zeit blieb bis zur Abreise und sie müssen Abschied nehmen vom Meer. Das gehörte einfach zum Aufenthalt dazu. Doch nach jedem Abschied wird wieder Ende des Jahres eine Ankunft sein. Gesundheit vorausgesetzt.

Der kleine Supermarkt lag am Weg und so kauften sie noch einige Tomaten und Getränke.

Es wurde Zeit, das Abendbrot zuzubereiten. Peter deckte auf der Terrasse den Tisch.

Diese Aufgabe, wie auch die Frühstücksvorbereitung ließ er sich nicht nehmen.

Plötzlich und unvorhersehbar hörte Peter Moni sagen:

»Weißt du, es gibt nicht nur die Insel. Wir sollten wieder einmal eine größere Reise mit dem Auto unternehmen.«

Erstaunt sah Peter sie an, denn eigentlich war diese Aussage von ihr nicht zu erwarten. Moni packt nicht gern Koffer und liebt es eher, zu Hause zu sein.

»Wie meinst du das? Hast du einen Vorschlag?«, fragte Peter ungläubig zurück.

»Nein, oder vielleicht doch«, entgegnete sie. »Voriges Jahr fuhren wir doch mit dem Auto ins Ahrtal und nach Zeeland.

Die Reise gefiel uns gut und wir haben interessante Landschaften gesehen. Deshalb nahmen wir uns vor, auch dieses Jahr wieder eine größere Tour zu unternehmen, wenn die Gesundheit es zulässt.«

»Das stimmt. Es sind ja noch einige Einladungen offen. Wir hatten uns schon einige landschaftlich schöne Ziele ausgesucht. Österreich mit der Wachau stand z. B. auf dem Wunschzettel«, antwortete Peter.

»So ist es. Ich habe gestern mit Gerti gesprochen. Sie schwärmte von ihrem Mostviertel sowie der Donau und dem Wienerwald. Sie meinte, dass wir uns diese Region unbedingt ansehen müssten.

Anett in Wien wollten wir auch besuchen. Uns ihre schönen Bilder und Kunsthandwerksartikel im Atelier ansehen. Die Vielfalt ihres künstlerischen Schaffens ist groß.«

»Aha, daher weht der Wind«, murmelte Peter leise, mehr zu sich.

Gerti, eine Bekannte aus früherer Zeit, befand sich auch gerade in einem Hotel in der Nähe auf Urlaub.

Gemeinsam hatte man in den letzten Tagen schon einige Wanderungen und Ausflüge unternommen.

»Schon mehrfach hat sie uns eingeladen, da sie ein Gästezimmer frei hat«, hörte Peter aus der Küche Moni erzählen.

Peter runzelte die Stirn, ging zu Moni und antwortete:

»Müssen wir überlegen. Ist jedoch nicht gerade um die Ecke. Da werden wir wohl einen Zwischenstopp einlegen müssen. Wir sind ja nicht mehr taufrisch und ich muss alles allein fahren.«

»Du hast dich doch erholt und sagst immer, dass du gern Auto fährst. Wir können uns doch Zeit nehmen.«

»Da hast du wieder recht, Moni«, antwortete Peter. »Ich sage das nur, weil du nicht mehr mit dem Auto ins Ausland fahren wolltest. An mir soll es nicht liegen.«

Es überraschte ihn immer wieder, wie schnell seine Moni ihre Meinung ändern konnte. Sie hätte Politikerin werden können.

Peter wiegte den Kopf hin und her und überlegte. Ihm kamen die Wünsche seiner Frau entgegen.

Er hatte auch einige Pläne, die er noch vor seinem Achtzigsten verwirklichen wollte.

Schon lange grübelte er über einige Reisewünsche. Im Alter sollte man nichts auf die lange Bank schieben, sondern nach Tagesform entscheiden und es tun.

Erfreulich dabei: Durch die Überwinterung auf der Kanareninsel haben sich sein und auch Monis Gesundheitszustand leicht verbessert. Sie sind überzeugt von der gesundheitsfördernden Wirkung des Klimas.

Die Chance musste er nutzen, um seinen Wunsch ins Gespräch zu bringen.

»Du weißt, auch die Reise zum Balaton steht noch auf der Wunschliste. Maria und Bela warten schon viele Jahre auf ein Treffen mit uns am Plattensee.«

»Das ist richtig. Daran habe ich auch schon gedacht, als wir vor einigen Tagen ihre Whatsapp-Nachricht erhielten. Doch ist es mit dem Auto nicht zu weit? Du bist inzwischen 76 und musst allein fahren.«

Peter zog leicht die Augenbrauen hoch, schaute Moni entrüstet an. Er reagiert immer sauer, wenn er auf sein Alter aufmerksam gemacht wird. Es ist etwas anderes, wenn er es sagt.

Noch schlimmer, wenn es von Moni oder den Kindern kommt und in Richtung Fahrtüchtigkeit und Ausdauer geht.

»Was soll das? Voriges Jahr fragte auch keiner, als wir mit den Kindern nach Zeeland an die Nordsee zum Campingaufenthalt im Mobilhome gefahren sind«, antwortete er etwas barsch und gereizt.

»Das Mostviertel und Wien sind mehr oder weniger an der Strecke. Auf diese paaren Kilometer kommt es dann auch nicht mehr an.«

Moni wurde bewusst, dass sie nicht den richtigen Ton getroffen hatte. Ihr Mann fühlte sich in seiner Eitelkeit getroffen, schien gekränkt. Sie bemerkte nun auch, dass eigentlich sie das Thema angesprochen hatte.

Dort hatte sie jedoch keine Zweifel wegen der Länge der Fahrt geäußert.

Gut, man musste vor zwei Jahren das Wochenendhaus abgeben, weil die Arbeiten auf dem großen Grundstück nicht mehr zu bewältigen waren.

Doch dies lag an der Arthrose, die sich bei Peter in den Gelenken breitmachte, einige der wiederkehrenden Arbeiten erschwerte oder nicht mehr zuließ.

»Moni, du weißt, dass man ab und zu anhalten und sich unterwegs auch für zwei oder drei Tage in einer schönen Gegend ein Quartier suchen kann. Machen wir doch immer so«, antwortete Peter nach wie vor gereizt.

»Wir wollen doch die Reise genießen und schöne Landschaften, Bauwerke und Städte dabei entdecken. Schon lange gibt es den Plan, durch die Wachau an der Donau entlang zu fahren.

Alles kein Problem. Du verkomplizierst immer alles mit deinen pessimistischen Gedanken, den Zweifeln. Ich habe schon bei Maria und Bela angefragt.

Sie sind im Juni im Sommerhaus auf ihrem Weinberg und sind begeistert, dass wir uns mit der Planung einer Reise zum Balaton befassen. Bela will auch ein paar gute Flaschen Wein in seinem Weinkeller für eine zünftige Party reservieren.«

»Ja, das glaube ich Bela aufs Wort. Da ist er schnell dabei und organisiert die Teilnahme der Familie.«

»Das würde für mich fast ein Jubiläum sein«, warf Peter ein. »Es sind nun schon fast sechzig Jahre her, als ich meine abenteuerliche Reise zu Maria unternahm.

Ich folgte einer Einladung der Familie meiner lang-jährigen Brieffreundin ins sozialistische Ausland, wie es damals hieß.

Um die Genehmigung musste ich lange kämpfen, ehe ich individuell, ohne Reisebüro, die Reise antreten konnte. Oft habe ich davon erzählt – unvergesslich und abenteuerlich.

Viele Lehren gab es für mich. Großartig wie ich von Marias Familie aufgenommen wurde.

Diese Erlebnisse und Erfahrungen der Gastfreundschaft begleiteten, ja ich kann sagen, prägten mein gesamtes Leben.«

Peter atmete geräuschvoll und tief, verfiel in Gedanken, in Erinnerungen an eine Zeit, als er die Schule und das Internat mit dem Abitur in der Tasche verlassen hatte. Allein in ein anderes Land zu reisen und Grenzen zu überschreiten, andere Kulturen kennenlernen, das bedeutete für ihn, einen Trip in ein bisschen Freiheit zu unternehmen.

Auszubrechen aus der Enge des Alltages, der Kurzreisen im eigenen Land.

Oft hatte er schon Moni und seinem Sohn die Fotos von dieser und den späteren Reisen, wo Moni dabei war, zu Marias Familie gezeigt.

Man kam dabei ins Schwärmen, erinnerte sich gern an diese wundervollen Zeiten und netten Begegnungen.

Sie besuchten sich mehrfach und es entwickelte sich eine intensive Freundschaft im Laufe der Jahre zwischen den Familien.

»Moni, sobald wir zu Hause sind, werde ich mich um eine Ferienwohnung in Keszthely am Balaton kümmern. Zunächst werden wir aber nochmals die Fotos heraussuchen.

Beim Betrachten kommen die Erinnerungen an gemeinsame Zeiten wieder. Marias Schwestern haben wir seit Langem nicht gesehen. Nur Anna kenne ich von verschiedenen Facebook-Fotos.«

Peter überlegte und sah sich auf Annas Facebook-Account um. Auch sie hatte sich verändert. Sie ist in Pension, geht wandern, stellt in Galerien ihre Gemälde aus, unternimmt viel mit der Enkelin.

Seit Kurzem bäckt sie ihr eigenes Brot. Auch sie hat genug Beschäftigung im Ruhestand. Wir sind alle älter geworden, haben Kinder und Enkel.

Peter setzte sich nach dem Abendessen wieder auf die Terrasse, versank in Gedanken und genoss die letzten Strahlen der Abendsonne.

Allmählich brachte das Grübeln immer neue Erinne-rungen hervor. Man hatte sich lange Zeit aus den Augen verloren, doch das Internet brachte wieder die Verbindung.

Maria und Bela fanden sie im World Wide Web, weil Peter seit einigen Jahren durch seine Ahnenforschung und Reiseberichte dort nicht zu übersehen war.

»Ein bunter Hund im Internet«, wie sein Sohn immer sagte, wenn er seinen Vater ärgern wollte.

Peter erinnerte sich an diesen Tag. In seinem E-Mail-Briefkasten fand er eine Anfrage, ob Peter derjenige ist, der Anfang der sechziger Jahre bei Familie Szabó und der Tochter Maria am Balaton zu Besuch war.

Peter staunte und las alles nochmals ungläubig. Bestimmt zwanzig Jahre hatte man sich aus den Augen verloren. Maria und ihre Familie arbeiteten und lebten im Ausland, in Nordafrika.

Dann kam die Wende. Und nun dieses Lebenszeichen von ihr. Erfreut lief er damals sofort zu Moni und musste ihr das erzählen.

»Wirklich toll. Du musst gleich antworten«, meinte Moni damals begeistert.

»Ich erinnere mich gern an die verschiedenen Begegnungen und kleinen Feiern.

Auch die gegenseitigen Besuche und das Zusammentreffen unserer Kinder. Schade, dass dies so abrupt endete. Doch jeder hatte eigene Probleme.«

»Ja, so war das«, murmelte Peter in sich hinein.

»Es waren keine leichten Jahre. Man musste sich um die Zukunft der Familie sorgen. Jeder beschäftigte sich damit, das berufliche Überleben zu sichern. Doch auch dies ist endgültig Geschichte.«

Immer neue Erlebnisse fielen ihm ein, auch wenn diese Zeit sehr weit weg war. In den letzten Jahren gab es dann wieder wechselnde Besuche und interessante Gespräche.

Man verstand sich nach wie vor gut. Sie vertieften sich gern in das Betrachten der schwarz-weißen, meist schon leicht vergilbten Fotos einer längst vergangenen Zeit.

Tauschten ihre Gedanken dazu aus. Ja, so war plötzlich wieder der Kontakt da. Das Internet hat auch gute Seiten.

Damit endete seine kurze gedankliche Reise in die Vergangenheit. Für Peter eine ermüdende Angelegenheit.

Ein kurzer Schlaf hatte ihn übermannt. Das Buch entglitt seinen Händen. Die Lesebrille saß jedoch noch an ihrem Platz.

Munter geworden richtete Peter sich plötzlich auf, wendete sich seiner Frau zu und sagte:

»Ich glaube, das wird garantiert eine schöne Reise. Den Balaton oder das ungarische Meer, wie der See auch genannt wird, haben wir seit Jahrzehnten nicht gesehen. Nach der Wende standen bei uns andere Reiseziele im Vordergrund.«

»Da hast du recht«, antwortete Moni, die immer noch am Tisch saß und eine Illustrierte las.

»Vieles werden wir nicht wiedererkennen. Das wird toll. Ich freue mich schon darauf und hätte nicht gedacht, dass wir beide uns so schnell festlegen.«

Innerlich aber hatte sie Bedenken, ob die Reise ihr nicht zu anstrengend würde.

Das Herz und der Kreislauf bereiten ihr ab und zu Probleme. Eine komplizierte Augen-Operation erwartete sie zu Hause. Doch sie nahm sich vor, nichts von ihren Befürchtungen Peter zu sagen.

Sie wollte seine Euphorie nicht bremsen. Mit der Vorfreude wollte sie diese Probleme verdrängen.

Es ist verständlich, dass die nächsten Tage oft das Thema »Sommerreise zu Maria und zum Balaton« die Unterhaltungen der beiden bestimmte. Zufrieden lehnten sich beide, sie hatten inzwischen nochmals auf den Liegestuhl Platz genommen, zurück. Aber bald hieß es aufstehen.

Die Sonne war hinter einem Berg verschwunden. Es wurde mit dem immer kräftiger auffrischenden Wind etwas kühl.

Ein spektakuläres Abendrot über dem Berg hinter dem Bungalow ließ den Abschied schwer werden.

Die Koffer warteten darauf, fertig gepackt zu werden, und Peter sah nochmals nach dem Auto.

Schneller als vermutet verging der letzte Tag auf der kanarischen Insel.

Bei frühlingshaftem Wetter kam man wieder in der vertrauten heimischen Umgebung in Deutschland an. Moni packte die Koffer aus und Peter befasste sich mit der Suche einer Ferienwohnung im Internet am PC.

Er überlegte, was man neben den Besuchen der Bekannten in Österreich noch mit der Reise verbinden konnte.

Doch zunächst widmete er sich den Fotoalben, suchte Fotos von den Begegnungen mit Marias Familie heraus.

Er ging sogar in den Keller, wo seit dem letzten Umzug die Diapositive, Relikte einer vergessenen Technik und Zeit, der Reisen ihrer Jugend, lagerten.

Nach langem Suchen fand Peter auch noch den alten Dia-Projektor, der nach einigen Säuberungsarbeiten zum Glück noch seinen Dienst tat. Peter betrachtete die jahrzehntealten Fotos und versuchte sich zu erinnern.

Die ersten Besuche hatten nur er und Maria in Erinnerung, denn Moni gab es noch nicht in Peters Leben.

Immer wieder versuchte er sich Details ins Gedächtnis zu rufen, was nicht leicht war. Die Augen und der Kopf schmerzten, so strengte das Betrachten der alten Diapositive an. Die Farben und die Schärfe hatten durch die lange, meist unsachgemäße, Lagerung gelitten.

Es gehörte zuweilen viel Fantasie dazu, das Motiv zu erkennen. Peter schaltete den Projektor aus, ließ alles liegen, wenn auch Moni ihn wieder der Unordnung bezichtigen würde.

Er lehnte sich im Schreibtischsessel zurück und schaltete den PC ein. Schaute auf seinen Stammbaum an der Wand über dem PC. Dann ohne Ziel zum Fenster hinaus, bis ihn das Foto auf dem Bildschirm daran erinnerte, dass er mit dem PC arbeiten wollte.

Immer wieder betrachtete er die Schwarz-Weiß-Fotos, die er kopiert hatte, um diese am PC zu bearbeiten und zu betrachten.

Konfrontiert mit der Jugendzeit, wurden immer neue Erinnerungen wach. Peter schloss die Augen, was ihm guttat. Sie brannten wie Feuer von der Anstrengung.

Seine Gedanken verselbstständigten sich. Er schien in eine andere Welt einzutauchen. Immer mehr Einzelheiten der früheren Begegnungen bei den Besuchen fielen ihm ein.

Wie ein Puzzle vervollständigten sich die Bilder in seinem Kopf. Er nahm gar nicht wahr, dass seine Frau sich zum Einkauf in die Stadt verabschiedete.

Wie in Trance gefallen, saß er mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl, öffnete die große Schatzkiste der Lebenserinnerungen, suchte die Zeit seiner längst vergangenen Kindheit und Jugend auf.

Peter, inzwischen ein alter Mann, doch er fühlte sich noch rüstig, um das zu unternehmen, wozu er noch nicht gekommen ist. Er hat sich im Geheimen eine To-do-Liste für seinen und Monis Lebensabend aufgestellt.

Dort fanden die Vorhaben und Ziele ihren Platz, die sie im bisherigen Leben nicht verwirklichen konnten.

Keiner wusste davon, was auch so bleiben sollte. Druck durfte nicht daraus entstehen.

Es bewahrheitete sich: Erinnerungen sind bei uns Menschen, unabhängig vom Alter, die Komposition der Gewürze in der Suppe unseres Lebens.

Es ist wie bei einem Restaurantbesuch. Man erinnert sich nach dem Essen zunächst an eine zu starke oder zu schwache Würze des Menüs. Nachhaltig, meist über viele Jahre, bleibt jedoch ein leckeres Essen, toll im Geschmack, im Gedächtnis.

Oft ergänzt durch eine ansprechende, harmonische und doch aufregende Tellergestaltung und Tischdekoration – ein Augenschmaus und des Erinnerns wert.

Also ein Menü für alle Sinne, nicht nur um den Hunger zu verdrängen.

Nun überwältigten Peter die Erinnerungen vollständig, machten ihn müde, führten ihn in das Land der Träume und der Fantasie.

---ENDE DER LESEPROBE---