Wo bist du, Mami? - Marietta Brem - E-Book

Wo bist du, Mami? E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Nur zögernd lugte die Sonne zwischen den grauen Wolken hindurch. Jetzt, im April, war es noch nicht sehr warm, und die Wiesen zeigten für diese Jahreszeit wenig Leben. Es war Ostersonntag. Und der wurde in Sophienlust immer auf ganz besondere Art und Weise gefeiert, nämlich »schön altmodisch«, wie Nick immer grinsend feststellte. Gerade fuhr der kleine rote Kleinbus die breite Auffahrt herauf. Er hatte die Kinder von der Kirche in Maibach abgeholt und nach Hause gebracht. Langsam ließ der Fahrer das geräumige Auto an der Freitreppe ausrollen. Die Türen gingen auf und eine Schar Kinder stürzte heraus. »Jetzt geht's los!« rief Heidi Holsten und klatschte begeistert in die Hände. Heidi war mit ihren fünf Jahren das jüngste der Dauerkinder, denn Sophienlust war ein privates Kinderheim, das von einer Stiftung erhalten wurde. Der früher einmal herrschaftliche Besitz war Dominik von Wellentin-Schoenecker von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin mit der Auflage vererbt worden, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für notleidende Kinder zu machen. Da Dominik, der von allen nur Nick genannt wurde, erst sechzehn Jahre alt war, verwaltete seine Mutter Denise von Schoenecker das Erbe mit viel Liebe und Aufopferung, bis ihr Sohn Nick selbst diese schöne und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte. »Schrei doch nicht so, Heidi«, tadelte Fabian Schöller, der hochaufgeschossene Junge, der durch den Tod seiner Eltern schon viel Schweres durchgemacht hatte. Auch er war ein Dauerkind von Sophienlust, und er war dankbar, daß er hier sein durfte. »Schließlich ist doch Ostern.« Heidi preßte ärgerlich die Lippen zusammen und nahm sich ganz fest vor, mit Fabian nie wieder ein Wort zu reden. »Endlich kommt Tante Isi.

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Sophienlust Bestseller – 3 –

Wo bist du, Mami?

Sie hat mich einfach allein gelassen …

Marietta Brem

Nur zögernd lugte die Sonne zwischen den grauen Wolken hindurch. Jetzt, im April, war es noch nicht sehr warm, und die Wiesen zeigten für diese Jahreszeit wenig Leben.

Es war Ostersonntag. Und der wurde in Sophienlust immer auf ganz besondere Art und Weise gefeiert, nämlich »schön altmodisch«, wie Nick immer grinsend feststellte.

Gerade fuhr der kleine rote Kleinbus die breite Auffahrt herauf. Er hatte die Kinder von der Kirche in Maibach abgeholt und nach Hause gebracht.

Langsam ließ der Fahrer das geräumige Auto an der Freitreppe ausrollen. Die Türen gingen auf und eine Schar Kinder stürzte heraus.

»Jetzt geht’s los!« rief Heidi Holsten und klatschte begeistert in die Hände. Heidi war mit ihren fünf Jahren das jüngste der Dauerkinder, denn Sophienlust war ein privates Kinderheim, das von einer Stiftung erhalten wurde.

Der früher einmal herrschaftliche Besitz war Dominik von Wellentin-Schoenecker von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin mit der Auflage vererbt worden, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für notleidende Kinder zu machen.

Da Dominik, der von allen nur Nick genannt wurde, erst sechzehn Jahre alt war, verwaltete seine Mutter Denise von Schoenecker das Erbe mit viel Liebe und Aufopferung, bis ihr Sohn Nick selbst diese schöne und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen konnte.

»Schrei doch nicht so, Heidi«, tadelte Fabian Schöller, der hochaufgeschossene Junge, der durch den Tod seiner Eltern schon viel Schweres durchgemacht hatte. Auch er war ein Dauerkind von Sophienlust, und er war dankbar, daß er hier sein durfte. »Schließlich ist doch Ostern.«

Heidi preßte ärgerlich die Lippen zusammen und nahm sich ganz fest vor, mit Fabian nie wieder ein Wort zu reden. »Endlich kommt Tante Isi. Hoffentlich ist Nick auch dabei.« Pünktchen zupfte freudig erregt an ihrem Feiertagskostüm. Sie war dreizehn Jahre alt und wurde wegen den unzähligen Sommersprossen, die auf ihrer Stupsnase tanzten, nur noch Pünktchen gerufen. Das blonde Mädchen mit den wunderschönen blauen Augen hatte die Eltern bei einem Zirkusbrand verloren, als sie in ihrer Verzweiflung ausgerissen war, hatte Nick sie gefunden und nach Sophienlust gebracht. Seitdem galten Pünktchen und Nick als unzertrennlich.

Der Kies knirschte unter den Rädern, als Denise von Schoenecker ihren Wagen hinter dem Kleinbus abbremste. Sofort war sie von einer Schar Kinder umringt, die ihr alle guten Morgen sagen wollten.

»Na, wie sieht’s aus?« fragte die attraktive Frau. »War der Osterhase schon da, oder wart ihr womöglich gar nicht brav?«

Die Kinder lachten und Denise lachte herzlich mit. Sie war eine schöne jugendliche Frau, die sowohl von ihrem Ehemann Alexander als auch von ihren Kindern Nick und Henrik von Herzen geliebt wurde. Aber auch die beiden Kinder aus Alexanders erster Ehe mochten Denise wie ihre eigene Mutter.

Andrea, Alexanders Tochter, hatte den Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn geheiratet. Ihnen gehörte das Tierheim Waldi u. Co., das nicht weit vom Kinderheim entfernt inmitten malerischer Wiesen lag.

Sascha von Schoenecker studierte in Heidelberg Jura und war, sehr zum Leidwesen seiner übrigen Geschwister, nur in den Semesterferien zu Hause.

Trotzdem wurde es Denise nie langweilig, denn sie hatte die Kinder von Sophienlust, die ihre Liebe und Fürsorge mit anhänglicher Zuneigung belohnten.

»Hilfst du uns suchen, Tante Isi?« fragte Heidi und schob ihre kleine Hand in die der Verwalterin.

»Natürlich, Schätzchen. Vielleicht hat der Osterhase für mich auch etwas versteckt.« Zärtlich lächelte die Frau das niedliche Mädchen an, das vertrauensvoll zu ihr aufblickte. »Aber zuerst gehen wir ins Haus, damit ihr euch umziehen könnt.«

Jubelnd rannten die Kinder die breite Freitreppe hinauf, und Nick, der ebenfalls aus dem Auto gestiegen war, hakte sich bei seiner Mutter ein.

»Weißt du, daß ich es in solchen Augenblicken immer herrlich finde, hier zu leben?« Ungewohnter Ernst lag in seinen dunklen Augen.

Seine Mutter lächelte leicht. Sie verstand ihren Sohn voll und ganz, denn ihr erging es ebenso. »Komm Nick, gehen wir auch hinein.« Nebeneinander stiegen sie die Stufen hinauf. »Ich hoffe nur, daß es dein Papa schafft, rechtzeitig zum Ostereiersuchen hier zu sein.«

Schwester Regine stand mit Denise von Schoenecker und Nick in der Halle. »An Ostern und Weihnachten bin ich hier immer so richtig glücklich«, flüsterte die Kinder- und Krankenschwester, und in ihren Augen schimmerten Tränen.

Denise ahnte, daß die junge blonde Frau in diesem Moment an ihren Mann und ihr kleines Töchterchen dachte, die sie vor einigen Jahren verloren hatte. Voller Anteilnahme legte sie der hübschen Frau ihre Hand auf den Arm. »Wir sind wie eine große Familie«, sagte Denise leise, und Schwester Regine nickte dankbar.

»Wann gehen wir endlich Ostereier suchen?« fragte Heidi Holsten ungeduldig und trippelte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.

»Gleich. Mensch wart’s doch ab«, ließ sich Angelika Langenbach vernehmen, die sich gerade über ihre jüngere Schwester Vicky geärgert hatte.

»Sei doch nicht sauer, Angelika, ich hab’ es doch nicht so gemeint«, flüsterte die neunjährige Vicky und gab ihrer Schwester einen kameradschaftlichen Stoß.

»Na gut«, zeigte sich diese versöhnlich, »weil Ostern ist.«

Denise, die das Geplänkel der Geschwister beobachtet hatte, lächelte in sich hinein. Sie freute sich, daß die Mädchen endlich über den Tod der Eltern hinweggekommen waren, die bei einem Lawinenunglück ihr Leben lassen mußten.

»Also los, Kinder, ehe es doch noch anfängt zu regnen«, munterte Denise die kleine Schar auf. Sie öffnete die hohe Eingangstür und ging als erste die Freitreppe hinunter.

»Ich hab’ schon was gefunden«, jubelte in diesem Augenblick die kleine Heidi, die zufällig neben der Treppe in der Mauernische nachgesehen hatte. Tatsächlich lag da ein kleines, aber wunderhübsches Nestchen mit drei bunten Ostereiern darin.

Staunend betrachteten die anderen den Fund, und dann plötzlich stoben sie auseinander. Bald konnten Denise, Nick und Schwester Regine ihre Jubelrufe aus allen Ecken des Parks vernehmen.

Das Geräusch eines herannahenden Autos riß Denise aus ihren Träumen. Glücklich lächelnd schau­te sie dem Wagen entgegen, der ihrem Mann Alexander gehörte.

»Prima, Mutti, daß es Vati doch noch geschafft hat«, freute sich Nick und rieb sich erwartungsvoll die Hände. »Dann werde ich mich auch einmal in das Getümmel stürzen. Vielleicht ist noch etwas übrig für meinen Bruder und mich.«

Henrik sprang sogleich aus dem Auto und rannte auf Nick zu. »Wollen wir?« fragte er erwartungsvoll, und seine Augen blitzten unternehmungslustig. Er war Nicks Halbbruder, denn er war der Sohn von Denise und ihrem zweiten Mann Alexander, während Nick aus Denises erster Ehe mit Dietmar von Wellentin stammte.

Trotzdem verstanden sich die beiden Brüder ausgezeichnet, und der neunjährige Henrik versuchte oft, dem großen Bruder, der schon sechzehn war, nachzueifern.

»Auf, Henrik, mal sehen, wer am meisten findet«, feuerte ihn Nick an und kurz darauf waren auch die beiden nicht mehr zu sehen.

*

»Du mußt verrückt sein, Simon«, stellte Christa Gerlach entgeistert fest und musterte beinah verächtlich ihren neuen Freund. Die zweiundzwanzigjährige Frau, die wie mindestens dreißig aussah, fuhr sich nervös mit den Fingern durch die mittelblonden kurzen Haare, die ihren schmalen Kopf wie einen Helm umgaben. »Ich möchte ja auch gern wieder frei sein, aber doch nicht zu diesem Preis.«

»Du verstehst mich nicht richtig, Christa«, versuchte der junge Mann in der zerlumpten Kleidung seinen Vorschlag von vorhin zu begründen. »Wenn du es dir eingehend überlegst, in aller Ruhe, meine ich, dann mußt du mir einfach recht geben. Das ist kein Leben für dich, das du jetzt führst, mit einem unehelichen Kind am Hals. Du bist zu Höherem geboren, und deshalb hat mich unser Meister auch zu dir geschickt.«

Nachdenklich starrte Christa Gerlach vor sich hin. Irgendwie gefielen ihr die Worte des Mannes, den sie vor kaum einer Woche auf dem Krämermarkt kennengelernt hatte. Er hatte sie damals angesprochen, und sie war von ihm sofort fasziniert gewesen. Aber von Anfang an war ihm ihre kleine, kaum dreijährige Tochter Anja im Weg gewesen, und nun setzte er ihr zu, das Kind wegzugeben.

Noch wehrte sich Christa, aber sie merkte, wie ihre Widerstandskraft langsam aber sicher erlahmte. Wie lange sie seinem Drängen noch standhalten konnte, das wußte sie nicht.

»Und was wird dann aus Anja, wenn ich sie weggebe?«

»Jemand wird sich ihrer annehmen, und dann geht es ihr wahrscheinlich sogar besser als jetzt. Und du kannst dich endlich selbst verwirklichen und ganz für unseren Glauben und unseren Meister leben, so wie wir alle das tun.«

»Kann nicht schlafen, Mam.« Ein kleines, braunhaariges Mädchen stand in der offenen Kinderzimmertür und rieb sich müde die Augen.

Ärgerlich zuckte die junge Mutter zusammen. »Geh sofort wieder in dein Bett, Anja. Die Mam hat mit Onkel Simon etwas Wichtiges zu besprechen.«

»Will nicht ins Bett. Will zu Mam«, schluchzte das Mädchen und machte ein paar tapsige Schritte auf die Mutter zu.

Simon zog seinen Arm hastig zurück, den er gerade um Christas Schulter gelegt hatte. Die junge Frau merkte, wie er innerlich erstarrte.

»Geh sofort ins Bett, sonst ­setzt’s was«, sagte sie gefährlich leise und richtete sich ein bißchen auf.

Anja verzog das hübsche Gesichtchen, in dem die großen, ausdrucksvollen Augen mit den langen, dunklen Wimpern besonders auffielen.

Ganz der Vater, schoß es Christa durch den Kopf, und die alten Sehnsüchte stiegen wieder in ihr hoch. Er wußte nicht einmal, daß er ein Kind hatte, denn sie war zu stolz gewesen, es ihm zu gestehen, nachdem er ihr so einfach den Laufpaß gegeben hatte.

»Komm, Anja, die Mam bringt dich wieder zurück in dein Bettchen, du brauchst nicht zu weinen.« Liebevoll nahm sie das Kind, das federleicht war, auf ihren Arm und trug es ins Kinderzimmer zurück. Schutzsuchend schmiegte sich Anja an die Mutter.

Hastig ergriff sie die Hände des Kindes und legte sie kurz an ihre Wangen. Dann rannte sie, wie von Furien gehetzt, aus dem Kinderzimmer. Den Entschluß hatte sie in diesem Moment gefaßt. So konnte es nicht weitergehen, wenn sie dabei nicht selbst seelisch zugrunde gehen wollte.

Simon saß in dem bequemen Sessel und hielt die Hände über dem leichten Bauchansatz gefaltet. Seine schmalen Lippen umspielte ein geringschätziges Lächeln. Er wußte nicht einmal, warum er gerade auf diese Frau so viel Mühe anwendete, denn ihre Lebensart sagte ihm ganz und gar nicht zu. Am meisten störte ihn das Kind, das ihm seine Mission nur erschwerte. Aber er wußte schon jetzt, daß er am Ende der Sieger sein würde.

»Na, hast du wieder die treusorgende Mutti gespielt, Christalein? Du brauchst ja selber noch eine Mutti, die dich leitet und dir den richtigen Weg zeigt.« Jetzt versuchte er es auf die väterliche Tour, was ihm ausgezeichnet gelang.

Christa war nur zu gern bereit, sich von ihm führen zu lassen. Nur was mit Anja geschehen sollte, das wußte sie noch nicht. Mit nach Indien jedenfalls konnte sie das Kind nicht nehmen, denn dort, wo Simon lebte, gab es keine Kinder.

Seufzend ließ sie sich neben dem Sessel nieder, auf dem der Mann saß. Sie lehnte ihren Kopf an seine Knie und genoß es mit allen Fasern ihres Körpers, als er sacht über ihr Haar strich.

»Komm, Christa, es wird Zeit, daß du dich entscheidest«, sagte Simon sanft, und seine Stimme hatte einen fast hypnotischen Klang.

Die junge Frau nickte mechanisch. »Anja schläft endlich«, antworte sie zusammenhanglos. So viele Gedanken spukten ihr im Kopf herum. Und alle Pläne, die sie für die Zukunft schmiedete, scheiterten an Anja, ihrem Kind.

»Nächste Woche muß ich zurück«, unterbrach Simon die Stille. Gespannt wartete er auf eine Reaktion der hübschen Frau.

»Mußt du wirklich?« fragte sie und schaute ihn ängstlich an. »Dann bin ich ja wieder ganz allein.«

»Aber nein, du hast doch Anja, da brauchst du mich ohnehin nicht.« Er machte eine wirkungsvolle Pause. »Außer, du könntest dich entschließen, doch mitzukommen. Dann wärst du nie wieder in deinem Leben allein.«

»Und Anja?« Christas Stimme klang ganz zaghaft, denn sie wußte die Antwort schon im voraus.

»Eine Lösung habe ich dir ja schon angeboten, aber du wolltest nicht.«

»Ich kann doch meine Tochter nicht einfach aussetzen, so wie du dir das vorstellst. Dann geschieht vielleicht ein Unglück, und ich mache mir mein ganzes Leben lang Vorwürfe.«

»Was sollte ihr denn passieren, Dummchen. Wir bringen sie irgendwohin, in die Nähe von Menschen, die sie dann schon finden werden. Deine Anja wird schon nicht verhungern oder von wilden Tieren gefressen werden.« Er lachte leise in sich hinein, denn er kam sich ungeheuer gescheit vor. Er war der beste Werber für die Sekte, die sich in Indien angesiedelt hatte. Das hatte ihm der Meister vor seiner Abreise selbst bestätigt.

»Meinst du?« fragte Christa zweifelnd, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ach Simon«, seufzte Christa tief auf, »warum ist das Leben nur so schwer? Arbeit finde ich keine, und das bißchen, das ich gespart habe, reicht auch nicht mehr lange. Wie soll es bloß weitergehen?«

»Vertraue mir, vertraue uns. Wir werden dir schon den rechten Weg zeigen. Wir lieben alle Menschen, so auch dich.«

Christa wollte noch etwas sagen, aber Simon verschloß ihren Mund mit fordernden Küssen.

*

»Christa, wach auf, es ist höchste Zeit.« Simon saß an ihrem Bett, als sie erschrocken die Augen öffnete.

Gerade hatte sie so schön geträumt von dem Mann, dem einmal ihr Herz gehört und der sie so schmählich im Stich gelassen hatte, von Anjas Vater.

Es war Ostersonntag, der Tag, den sie mehr fürchtete als alles andere. Denn heute sollte das geschehen, was Simon als einzige Lösung ihres Problems ansah.

Einen Augenblick lang war sie versucht, ihre Entscheidung wieder rückgängig zu machen, aber der Mann ließ ihr keine Zeit für Überlegungen.

»Beeil dich doch! Du weißt, daß heute nachmittag unser Zug geht. Wir haben noch viel vor uns.«

Langsam faßte sie sich. »Du hast recht, Simon, es gibt keinen anderen Ausweg für mich«, sagte sie leise und richtete sich auf. Müde kroch sie aus dem Bett und zog sich an.

»Mami, wo gehen wir hin?« fragte Anja nach dem Frühstück. Christa hatte dem kleinen Mädchen das hübscheste Kleidchen und eine warme Strickjacke angezogen, denn der Tag versprach nicht gerade schön zu werden.