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Eine gesunde Entwicklung des Kindes braucht elterliche Erziehungskompetenz. Wenn ein Elternteil psychisch erkrankt ist, kann dies negative Folgen auf das Erziehungsverhalten und die Entwicklung des Kindes haben. In solchen und anderen Fällen unterstützt die Sozialpädagogische Familienhilfe Eltern mit erzieherischem Bedarf. Aber ab wann liegen Einschränkungen in der Erziehungskompetenz vor und wie äußern sich diese? Wie wirken sie sich auf die Entwicklung des Kindes aus? Welche Möglichkeiten stehen der Familienhilfe zur Verfügung, die Erziehungskompetenz eines psychisch erkrankten Elternteils zu stärken? Irina Ogrodowski widmet sich diesen Fragen und stellt in ihrer Publikation die Rolle der Sozialpädagogischen Familienhilfe bei der Unterstützung psychisch erkrankter Eltern dar. Sie verweist auf den Einfluss psychischer Erkrankungen auf die Erziehungskompetenz und das Kind. Zudem zeigt sie auf, weshalb die Sozialpädagogische Familienhilfe besonders geeignet ist, die betroffenen Eltern zu unterstützen. Aus dem Inhalt: - Erziehungskompetenz - Kindeswohl - Sozialpädagogische Familienhilfe - Ressourcenarbeit - Eltern - Psychische Erkrankungen
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Seitenzahl: 95
Gliederung
Zusammenfassung
1 Einleitung
2 Erziehungskompetenz
2.1 Beziehungsfähigkeit
2.2 Kommunikationsfähigkeit
2.3 Fähigkeit zur Grenzsetzung
2.4 Förderfähigkeit
2.5 Vorbildfähigkeit
2.6 Fähigkeit zum Alltagsmanagement
3 Einfluss psychischer Erkrankung auf die Erziehungskompetenz
3.1 Beziehungsfähigkeit
3.2 Kommunikationsfähigkeit
3.3 Fähigkeit zur Grenzsetzung
3.4 Förderfähigkeit
3.5 Vorbildfähigkeit
3.6 Fähigkeit zum Alltagsmanagement
4 Folgen eingeschränkter Erziehungskompetenz
5 SPFH – eine Maßnahme zur Stärkung der Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern
5.1 Rahmenbedingungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
5.2 Gestaltung des Hilfeprozesses
5.3 Ressourcenarbeit mit psychisch erkrankten Eltern
5.4 Grenzen der SPFH bei der Unterstützung psychisch erkrankter Eltern
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Aufgrund eines hohen Anspruchs an die Eltern bzgl. ihrer Erziehungsaufgabe und des damit verbundenen Ziels, eine gesunde Entwicklung der Kinder zu gewährleisten, ist zu deren Bewältigung elterliche Erziehungskompetenz erforderlich. Diese umfasst Fähigkeiten, die den Erziehenden einen flexiblen Umgang mit kindlichen Bedürfnissen ermöglichen. Beim Vorliegen einer psychischen Erkrankung eines bzw. beider Elternteile kann diese jedoch eingeschränkt sein und ein inadäquates Erziehungsverhalten zu Folge haben. Fehlentwicklung der Kinder sowie problematische familiäre Beziehungen sind mögliche Folgen, die besonders dann das Zusammenleben der Kinder mit ihren Eltern in Frage stellen, wenn das Kindeswohl auf Dauer nicht gewährleistet ist. Um die Bedingungen des Aufwachsens für die betroffenen Kinder in ihren Familien zu verbessern, nimmt die Jugendhilfe ihren Schutzauftrag wahr und hält für die Familien unterschiedliche Angebote bereit, zu denen auch die Sozialpädagogische Familienhilfe zählt, die zur Unterstützung der Eltern mit erzieherischem Bedarf eingeleitet wird. Diese gilt als eine geeignete Maßnahme, deren unterstützende Leistung in der Regel allen Familienmitgliedern zusteht und zum Zweck der Familienerhaltung auf die Stärkung elterlicher Erziehungskompetenz zielt.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist, einerseits zu untersuchen, welche Einschränkungen der Erziehungskompetenz infolge einer psychischen Erkrankung eines bzw. beider Elternteile vorliegen und wie sich diese auf die kindliche Entwicklung auswirken können. Andererseits soll aufgezeigt werden, mithilfe welcher Arbeitsweisen und -prinzipien eine wirksame Stärkung der Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern erfolgt.
Elternschaft verändert das Leben eines Menschen, denn mit ihrem Beginn prägen neue Aufgaben und Herausforderungen den Familienalltag. Bereits in der Schwangerschaft stellen sich Eltern auf neue Lebensumstände ein. Um eine gesunde Entwicklung des Ungeborenen zu gewährleisten, verzichten viele Schwangere auf Konsum von Alkohol und schädlichen Medikamenten, achten auf gesunde Ernährung und versuchen Stress zu vermeiden. Nach der Geburt beschäftigen sich viele Eltern mit den Erziehungsfragen um das Kind in seiner Entwicklung angemessen begleiten zu können. Aufgrund Verschiedenartigkeit von Einstellungen sowie Voraussetzungen der Eltern hinsichtlich ihres erzieherischen Handelns unterscheiden sich entsprechend die Strategien, mit denen sie versuchen den Erziehungsalltag zu bewältigen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass Eltern an ihre Grenzen stoßen und ihre Erziehungsaufgabe nicht mehr bewältigen können. Der Grund für das defizitäre Erziehungshandeln wird häufig mit dem Mangel an Erziehungskompetenz begründet. Kommt es deshalb zur Gefährdung einer gesunden kindlichen Entwicklung, hat es einen Eingriff der Jugendhilfe in das Familiensystem zum Zweck des Kinderschutzes zufolge. Eine psychische Erkrankung eines bzw. beider Elternteile gilt oft als Ursache für die Kindeswohlgefährdung und die zum Teil schwerwiegenden Erziehungsprobleme, deren Bearbeitung ins Aufgabengebiet der Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) fällt. Ziel der Maßnahme ist dabei, elterliche Erziehungskompetenz zu stärken und somit eine angemessene Kindesentwicklung zu gewährleisten.
In der Bachelorarbeit wird zum einen unter Einbezug des vorhandenen Forschungsmaterials untersucht, wie sich eine psychische Erkrankung auf die Erziehungskompetenz sowie kindliche Entwicklung auswirken, aber auch welche Folgen durch deren Einschränkung entstehen können. Zum anderen soll aufgezeigt werden, weshalb Sozialpädagogische Familienhilfe als geeignete Unterstützung für die Zielgruppe psychisch erkrankter Eltern gilt und durch welche Maßnahmen die sozialpädagogischen FamilienhelferInnen die Erziehungskompetenz der Zielgruppe stärken.
Als erstes wird im zweiten Kapitel die Erziehungskompetenz nach Petermann & Petermann dargestellt. Diese besteht aus sechs folgenden Komponenten: Beziehungs-, Kommunikations-, Förder- und Vorbildfähigkeit sowie Fähigkeit zur Grenzsetzung und zum Alltagsmanagement. Anhand der den Fähigkeiten zugeordneten Merkmale gilt es sowohl kompetentes Erziehungshandeln zu beschreiben als auch deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung aufzuzeigen, die letztendlich das Erreichen von Entwicklungszielen erleichtern.
Anschließend geht es im dritten Kapitel um die Frage nach dem Einfluss psychischer Erkrankungen der Eltern auf die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Fähigkeiten. Es werden dabei die meist untersuchten elterlichen Erkrankungen benannt und das damit verbundene dysfunktionale Verhalten der Eltern im Umgang mit ihren Kindern erläutert. Die Veranschaulichung des Unterschieds zwischen dem Entwicklungsfortschritte begünstigenden Erziehungsverhalten und dem, das aufgrund der Psychopathologie der Eltern eine gesunde Entwicklung hemmt, dient zum Verständnis für die Problemlage der betroffenen Familien.
Im vierten Kapitel werden die möglichen schwerwiegenden Folgen der eingeschränkten Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern verdeutlicht sowie auf die Notwendigkeit von Hilfemaßnahmen hingewiesen. Aufgrund einer stark belasteten Eltern-Kind-Beziehung sowie der ungünstigen Entwicklungschancen der in den Familien mit psychisch erkrankten Eltern lebenden Kinder ergibt sich für die Kinder- und Jugendhilfe ein Handlungsbedarf.
„Kindern geht es gut, wenn Eltern ihr Elternwohl verwirklichen“ (Kron-Klees 2008: 37)
Erziehung gilt als eine der elterlichen Aufgaben, die mit einem hohen Anspruch verbunden ist. (vgl. Bodenmann 2016: 130; Fuhrer 2009: 217) Diese schließt die Maßnahmen ein, mit denen erwachsene Personen versuchen auf die Kinder Einfluss zu nehmen um bei ihnen wünschenswerte Entwicklungseffekte zu erzielen. Das Zustandekommen von Entwicklungseffekten wird durch die Regelmäßigkeit sowie Dauerhaftigkeit proximaler Prozesse bestimmt, die wechselseitiges Interagieren zum Beispiel zwischen Eltern und Kindern darstellen. (vgl. Schneewind 2010: 133ff.) Als erstrebenswertes Ergebnis dieser Interaktionen gilt nach soziokulturellen Ansätzen der Erwerb von in der jeweiligen Kultur geschätzten Wissen und Können (vgl. Siegler et al. 2016: 140). Außerdem halten es viele Eltern für wichtig, dass ihre Kinder lernen, sozial kompetent und selbständig zu handeln. (vgl. Fuhrer 2009: 161) Somit entsprechen die elterlichen Erziehungsziele denen im § 1 KJHG genannten universellen Entwicklungszielen, deren Erreichung die Heranwachsenden zur eigenverantwortlichen Lebensführung in einer Gemeinschaft befähigen soll. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 46f.)
Kinder entwickeln sich positiv bzw. sind aus eigenem Antrieb zur aktiven Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt motiviert, wenn die Basisbedürfnisse nach einem autonomen und kompetenten Handeln sowie Eingebundenheit in verlässliche soziale Beziehungen befriedigt sind. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 48f. / Weber 2017: 69) Dabei müssen Eltern über Erziehungskompetenz verfügen, das heißt, in der Lage sein, die Umwelt des Kindes an seine altersgemäßen Bedürfnisse optimal anzupassen (vgl. Lenz / Wiegand-Grefe 2017: 13). Denn die mit der Erziehungskompetenz verbundenen Fähigkeiten ermöglichen den Erziehungspersonen, sich auf die im Entwicklungsverlauf verändernden Bedürfnisse der Kinder immer wieder neu einzustellen und sie somit in ihrer Entwicklung angemessen zu begleiten. Nach Petermann & Petermann beziehen sich diese Fähigkeiten auf die Gestaltung der das Kind betreffenden Beziehung, Kommunikation, Grenzen, Förderung, aber auch der elterlichen Vorbildfunktion sowie des Familienalltags. (vgl. Lenz 2014: 300ff.) In den nachfolgenden Unterkapiteln werden anhand der ihnen zugeordneten Merkmalen elterliches Verhalten sowie seine Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung beschrieben.
Eltern-Kind-Beziehung weist aufgrund eines Generationsvorsprungs der Eltern und der damit verbundenen Lebenserfahrung eine Asymmetrie auf, die für das Kind in seinem Entwicklungsverlauf auf vielfältige Weise hilfreich sein kann, wenn die Erwachsenen diese sinnvoll nutzen. (vgl. Fuhrer 2009: 161) Eine angemessene Mutter-Kind-Beziehung dient als Grundlage für eine gelingende Regulation der Bedürfnisse zwischen beiden Parteien sowie unter anderem des kindlichen Bedürfnisses nach der altersabhängigen Autonomie. (vgl. Bodenmann 2016: 85) Außerdem wird die emotionale Entwicklung der Kinder durch die Qualität der Beziehung zu ihren Eltern beeinflusst. (vgl. Siegler et al. 2016: 376) Der Beziehungsfähigkeit werden folgende Merkmale zugeordnet: Fähigkeit zur Empathie und Perspektivenübernahme, Zeigen von positiven Gefühlen, Ausdruck von Zuneigung und Liebe, Vermittlung von Schutz und Geborgenheit, Fürsorglichkeit und Zuverlässigkeit. (vgl. Lenz 2014: 300)
Empathiein sozialen Beziehungen ist ein Prozess, in dem es einer Person gelingt, die Gefühle der Anderen wahrzunehmen und diese ihrem aktuellen Gefühlszustand entsprechend zu beschreiben. Dazu gehört ebenso Verständnis für die Hintergründe des Gefühlsausbruchs sowie Möglichkeiten der Veränderung der Befindlichkeit. Das Mitfühlen wird vor allem durch Ausblenden normativer und wertender Aspekte ermöglicht, wobei die Abgrenzung des eigenen Gefühlserlebens von dem des Gegenübers erfolgt. Empathische Personen können außerdem bedrohliche Gefühle erkennen und aus Rücksichtnahme deren Ansprache unterlassen. (vgl. Riedel 2008: 13) Demzufolge werden empathische Eltern, wenn ihr Kind traurig ist, sein Gefühl richtig deuten sowie versuchen die Ursache für dieses zu verstehen. Ihre Mimik entspricht dabei dem kindlichen Gefühlszustand, den sie akzeptieren und benennen. Das Kind erhält Trost, indem es beispielsweise umarmt wird, da die Eltern wissen, dass eine Umarmung beruhigend wirken kann.
Perspektivenübernahmegilt als ein Teilaspekt der Empathie, der einen Vorgang beschreibt, in dem das Spiegeln von Gefühlen vernachlässigt wird und ausschließlich die weitgehende Erfassung der Sichtweise, des Erfahrungswissens sowie des Gefühlszustandes eines Menschen erfolgt. (vgl. Riedel 2008: 38f.) Das heißt, Perspektivenübernahme ermöglicht den Eltern festzustellen, dass die Kleinkinder im Straßenverkehr auf die Begleitung durch Erwachsene angewiesen sind, da sie aufgrund ihres Alters die Gefahrensituationen noch nicht erkennen können.
Zeigen von positiven Gefühlenvon Seiten der Eltern führt meist zu einem wechselseitigen Austausch dieser zwischen der Mutter bzw. dem Vater und dem Kind, durch den die Eltern-Kind-Beziehung gestärkt wird. Denn bereits Säuglinge im Alter von sieben Monaten reagieren auf die von den Eltern gezeigte Freude meist vergnügt und fördern somit elterliches Fürsorgeverhalten sowie Interesse an den gemeinsamen Interaktionen. (vgl. Siegler et al. 2016: 358) Außerdem wirkt sich der Ausdruck überwiegend positiver Gefühle in der Familie günstig auf kindliche soziale Kompetenzen aus. (vgl. Siegler et al. 2016: 376)
Elterliche Liebe äußert sich in bedingungsloser Annahme des Kindes sowie vor allem in den ersten Lebensjahren mittels Befriedigung aller seiner Bedürfnisse bei minimaler Anforderungen. Eltern zeigen Interesse für kindliche Lebenswelt und drücken ihre Gefühle, die das Kind in ihnen auslöst, durch Körperkontakt, Mimik und Sprache offen aus, jedoch nur dann wenn die Zuwendung auch vom Kind erwünscht und akzeptiert wird. (vgl.Tschöpe-Scheffler 2009: 67f.; Wolf 2012: 20) Ein Kind, das elterliche Zuneigung erlebt, das heißt, in den Arm genommen wird sowie von den Eltern hört, dass diese es lieb haben, bemüht sich seinerseits auf deren Anforderungen zu achten, indem es beispielsweise versucht unerwünschtes Verhalten zu unterlassen. (vgl. Weber 2017: 66) Außerdem wirkt sich das durch die Eltern vermittelte Gefühl liebenswert zu sein positiv auf den Selbstwert der Kinder aus, da sie auf die Weise ein positives Selbstbild verinnerlichen. (vgl. Siegler et al. 2016: 426)
Weiterhin vermitteln Eltern dem Kind durch den Ausdruck von Zuneigung Geborgenheit und Schutz sowie ihre Nähe und Verlässlichkeit. (vgl. Fuhrer 2009: 193f.) Besonders bei Belastung lässt der Erregungszustand nach, wenn sich die Kinder geschützt fühlen. (vgl. Ziegenhain / Deneke 2014: 15) Aufgrund der empfundenen Sicherheit sind die Kinder motiviert, eigenständig die Welt zu erforschen. (vgl. Schneewind 2010: 121)
Zuverlässig und fürsorglich