Spell to Hell 1: Spell to Hell. Hexenherz - Solvig Schneeberg - E-Book

Spell to Hell 1: Spell to Hell. Hexenherz E-Book

Solvig Schneeberg

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

**Magie und Leidenschaft direkt aus der Unterwelt**  Ashley hat einen Dämon beschworen. Aus Versehen. Eigentlich wollte sie im Haus ihrer verstorbenen Großmutter kochen, doch dann steht Maddox direkt in ihrer Küche. Der ebenso mysteriöse wie heiße Schattenläufer behauptet, Ashley sei eine Hexe der dreizehnten Generation. Unmöglich! ... Oder? Fest steht, dass sie Maddox magisch an sich gebunden hat – und die Anziehung zu ihm überirdisch ist. Nur durch eine Reise in die Unterwelt lässt sich das Band zwischen ihnen trennen. Doch in der Hölle warten nicht nur Zauberlektionen auf Ashley, sondern Kreaturen, die es auf ihre Magie abgesehen haben. Und Maddox muss seine Hexe beschützen. Egal, mit welchen Mitteln.  »Hexenherz« ist der spicy Auftakt der Urban-Fantasy-Dilogie um Hexen und Dämonen – Enemies to Lovers trifft auf Forced Proximity (und einen sprechenden Kater mit Attitüde).  //Alle Romane der magischen Fantasy-Dilogie »Spell to Hell«:   -- Band 1: Hexenherz  -- Band 2: Dämonenkuss (erscheint im Januar 2026)  Diese Reihe ist abgeschlossen.// 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



COVE Story

More than a feeling.

COVE Story ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische E-Books und Prints. Wenn du süchtig machende Romance- und Romantasyromane deutschsprachiger Autor*innen suchst, ob von Newcomer*innen oder Vielschreiber*innen, wirst du hier garantiert fündig. Jede COVE Story lässt dich durch die Seiten fliegen und ist auf ihre eigene Art und Weise einzigartig.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Solvig Schneeberg

Spell to Hell. Hexenherz

**Magie und Leidenschaft direkt aus der Unterwelt**

Ashley hat einen Dämon beschworen. Aus Versehen. Eigentlich wollte sie im Haus ihrer verstorbenen Großmutter kochen, doch dann steht Maddox direkt in ihrer Küche. Der ebenso mysteriöse wie heiße Schattenläufer behauptet, Ashley sei eine Hexe der dreizehnten Generation. Unmöglich! … Oder? Fest steht, dass sie Maddox magisch an sich gebunden hat – und die Anziehung zu ihm überirdisch ist. Nur durch eine Reise in die Unterwelt lässt sich das Band zwischen ihnen trennen. Doch in der Hölle warten nicht nur Zauberlektionen auf Ashley, sondern Kreaturen, die es auf ihre Magie abgesehen haben. Und Maddox muss seine Hexe beschützen. Egal, mit welchen Mitteln.

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

© Foto Studio Carl

Solvig Schneeberg studierte Literaturwissenschaften in ihrer Heimatstadt Erfurt, bevor sie beschloss, sich einzig dem Schreiben zu widmen. Bereits in jungen Jahren entdeckte sie die Liebe zum geschriebenen Wort und fing bald an, ihre eigenen Geschichten aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Sie ist eine verträumte Romantikerin, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass ihr ganzer Fokus auf Fantasy- und Liebesromanen liegt. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, einem Hund und den Katzen lebt sie am Waldrand von Weimar.

Für Steffen, die Liebe meines Lebens.Du bist der Mensch, der ganz ohne Magie Teil meiner Seele ist.

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell aufwühlende Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Content Note. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Solvig und das Cove-Story-Team

1.KapitelAshley

»Ja, Mum, ich denke daran.«

Ich verdrehe genervt die Augen, während ich versuche, die alte Tür zu öffnen, die ins Haus meiner Granny führt. Der Schlüssel ist genauso rostig wie das Schloss, das sich gegen meine Bemühungen wehrt. Erst beim dritten Mal schaffe ich es, auch wenn sie sich nur wenige Zentimeter vorwärtsschieben lässt, während meine Mutter weiterspricht.

»Nein, ich bin noch nicht im Haus gewesen, die Tür hat sich bisher erfolgreich gesträubt«, antworte ich ihr und drücke mich durch den schmalen Spalt. Sofort empfangen mich ein muffiger Geruch und diffuse Dunkelheit. Am Telefon redet Mum immer auf mich ein. Sie stellt tausende Fragen und gibt ebenso viele Anweisungen.

»Mum, könntest du mir eine kurze Pause gönnen?« Seufzend lehne ich mich gegen die schwere Tür, damit sie wieder zugeht.

Ich lasse meine Reisetasche achtlos auf den Boden fallen, was die Dielen unter mir gefährlich knarzen lässt. Hoffentlich brechen sie nicht durch, sonst würde ich direkt in den Keller stürzen. Gruselige Vorstellung.

Rechts von mir liegt eine Bibliothek mit hohen Regalen an den Wänden und zwei breiten Sofas in der Mitte des Raumes. Links befindet sich das große Wohnzimmer. Die Vorhänge sind halb geschlossen und es dringt nur wenig Mittagssonne herein. Aber es reicht, um mich umzusehen. Erinnerungen überfluten mein Gehirn. Es sind nur kurze Momente, die ich kaum einordnen kann. Ich erinnere mich kaum an meine Granny oder an die Zeit, in der ich hier gelebt habe.

Meine Mutter schreit meinen Namen und vor lauter Schreck fällt mir fast das Handy aus der Hand.

»Es ist alles in Ordnung. Ich rufe dich zurück«, sage ich und lege auf, bevor sie widersprechen kann. Dann atme ich tief durch.

»Na gut, Schritt eins erledigt«, murmele ich. »Ich habe das Haus am Ende der Welt ganz allein gefunden. Das ist doch etwas.«

Okay, das Navigationssystem hat mir geholfen, aber im Großen und Ganzen bin ich das selbst gewesen. Ich bin die sechs Stunden mit dem Wagen von New York City nach Danvers, Massachusetts, allein gefahren. In die Stadt, die früher Village Salem genannt worden war und für den Beginn der Hexenprozesse berühmt ist. Und aus der sich später die Stadt Salem entwickelt hat.

Laut meinem Ausweis bin ich erwachsen, vierundzwanzig Jahre alt – aber ich fühle mich oft hilflos wie ein kleines Kind. Ich besitze null Orientierungssinn und bin extrem unsicher in allem, was ich tue. Dass ich die Fahrt hierher überhaupt gewagt habe, überrascht mich daher selbst. Ganz zu schweigen davon, dass ich die nächsten Wochen allein hierbleiben werde.

»Gar nicht unheimlich hier.«

Ich drehe mich ein paar Mal um meine eigene Achse und lasse die Umgebung auf mich wirken.

Der Steinkamin ist riesig. Sicherlich könnte man darin einen ganzen Kessel aufhängen. Einen dieser altmodischen aus Kupfer, die man in Filmen sieht. Der Holzboden ist staubig und über den Teppich, der unter den alten Sofas hervorlugt, möchte ich lieber nicht nachdenken. Bestimmt ist er so alt wie dieses Haus. Also ungefähr hundert Jahre.

»Mach dich nicht lächerlich, Ashley«, sage ich zu mir. Selbstgespräche zu führen hilft mir in ungewohnten Situationen. Und diese hier ist nicht nur ungewohnt, sondern auch gruselig.

Als ich auf den Sessel beim Kamin klopfe, kommen mir Staubwolken entgegen. Ich huste und wedele vor meinem Gesicht herum. Vermutlich sind alle Polster im Haus genauso verstaubt. Bei dem Gedanken, hier zu schlafen, wird mir übel. Aber ein Hotel kann ich mir nicht leisten. Also wird es das alte Haus meiner Granny tun müssen.

Mein nächster Weg führt mich in die Küche. Sie liegt im hinteren Bereich und nimmt dessen gesamte Breite ein. Ein langer Holztisch dominiert den Raum. Diverse Schüsseln und Vasen stehen darauf. Ich könnte keine einzige der Pflanzen und Kräuter benennen, die dort lagern, selbst wenn sie nicht vertrocknet oder vergammelt wären. Dasselbe gilt für die Gläser und Behälter in der Speisekammer. Offensichtlich hat Granny nicht viel vom Beschriften gehalten.

Der Kühlschrank enthält Dosen, deren Inhalt ich von fragwürdig und eklig bis hin zu ungenießbar kategorisiere. Ich muss dringend einkaufen und den Inhalt des Kühlschranks am besten entsorgen. Besser, ich mache mir direkt eine Liste, was ich sonst noch brauche, damit ich nicht zehnmal losfahre. Das Haus befindet sich in einem Waldgebiet nördlich von Danvers und ich habe keine Lust, in der Dunkelheit meinen Weg hierher zu suchen.

Ich tippe eine Liste in mein Handy, während ich nach oben gehe. Wie befürchtet ist auch hier alles dreckig und staubig. Meine Granny ist erst seit drei Wochen tot. Kann ein Haus wirklich so schnell dreckig werden?

Das größte Schlafzimmer liegt über der Bibliothek und hat Erkerfenster. Dichte Bäume verdecken die Aussicht, aber wenigstens ist es sauber. Kein Staub auf dem geblümten Sofa, das vor den Fenstern steht, und auch nicht auf dem Bett.

Der Gedanke, im Bett einer Toten zu schlafen, gefällt mir nicht, doch es ist im Moment der einzige Raum, bei dem ich keine Angst habe, von Staubmotten gefressen zu werden.

»Gibt es so etwas überhaupt?«, wundere ich mich und füge meiner Liste Mottenkugeln hinzu.

»Das kommt darauf an, was du meinst.«

Erschrocken zucke ich zusammen. Eine männliche Stimme hat mit mir gesprochen. Sie klingt tief, aber nicht bedrohlich. Ich schaue mich um, doch bin allein.

»Drehe ich jetzt durch?«

Etwas bewegt sich unter dem Bett und ich hüpfe auf das Sofa. Schnell ziehe ich die Füße an.

»Bitte keine Ratten«, flehe ich und bin den Tränen nahe.

»Ratten?« Wieder die fremde Stimme, die ich nicht zuordnen kann. »Wo sind Ratten?«

Der untere Vorhang am Himmelbett flattert und eine grau-getigerte Katze steckt ihren Kopf hervor. Erleichtert lache ich auf und setze mich aufrecht hin. Ich lege eine Hand auf mein rasendes Herz. Mit Katzen komme ich klar.

Mum hat mir zwar nie eine gekauft, egal wie oft ich gebettelt habe, aber eines Tages würde ich sicher eine haben. Und dieses kleine Kerlchen war augenscheinlich seit dem Tod meiner Granny allein und braucht bestimmt ein neues Zuhause. Vielleicht könnte ich Mum endlich überzeugen. Ich wohne bei ihr, weil Apartments in New York so teuer sind und ich es mir außerdem nicht zutraue, allein zu leben. Deswegen muss ich mich an ihre Regeln halten und eine davon ist nun mal: keine Haustiere.

»Nur eine Katze.«

»Ich werde das mal nicht persönlich nehmen.«

Blinzelnd sehe ich mich um. Die Katze springt auf das Bett und sieht mich mit großen Augen an.

»Du hast nicht mit mir geredet«, stelle ich fest, obwohl ich fragend klinge.

»Siehst du sonst noch jemanden hier?«

Mist. Dieses Mal habe ich gesehen, wie die Katze ihren Mund bewegt hat. Auch wenn ich nicht glauben kann, was ich gesehen habe. Oder gehört.

»Du redest?« Ich schüttle den Kopf. Nein, ganz sicher nicht. Bestimmt habe ich vorhin etwas mit dem Staub eingeatmet. Wer weiß denn schon, was meine Granny für Kräuter in den Zimmern verbrannt hat. Ich bin wahrscheinlich high, ohne es zu wissen.

»Ich rede«, bestätigt die Katze.

»Super. Klar. Total logisch«, erwidere ich und stehe auf. »Eine sprechende Katze ist überhaupt nicht ungewöhnlich.«

Als ich zurück nach unten gehe, folgt mir die Katze.

»Stimmt, es stand im Testament, dass es Katzen gibt.«

»Ich bin ein Kater.« Er klingt beleidigt.

»Mein Fehler«, entschuldige ich mich und beobachte, wie er geschmeidig auf den Kratzbaum neben dem Kamin hüpft. Wenn ich mir den nicht auch einbilde, bedeutet das, das Tier ist echt und nur seine sprachlichen Fähigkeiten entspringen meiner Einbildung. »Und wie heißt der Herr Kater?« Erst nachdem ich die Worte ausgesprochen habe, wird mir bewusst, was ich da gerade gefragt habe. »Was interessiert mich das überhaupt?«

Verzweifelt werfe ich die Arme in die Luft. Besser ich ignoriere diese Halluzination, dann geht sie von allein wieder weg. So hat es mir jedenfalls meine Therapeutin erklärt. Die Erste von vielen. Und als das nicht mehr half, wurden mir Pillen verschrieben, die ich jetzt nur noch selten nehme. Vielleicht ist das eine Art Rückfall? Sollte ich mir Gedanken machen und einen Termin bei meinem derzeitigen Therapeuten organisieren? Ich besuche ihn seit etwa drei Jahren und habe gelernt, ihm nicht immer von den Hirngespinsten zu erzählen, weil er jedes Mal meine Dosis erhöht hat und mir die Nebenwirkungen nicht gefallen. Meistens sind die Halluzinationen harmlos. Ein Mann mit spitzen Ohren. Ein Schmetterling, der aussah wie eine kleine Frau und gekichert hat, als ich vorbei gegangen bin. Solche Dinge eben. Eine sprechende Katze war allerdings noch nicht dabei. Das ist neu.

»Sir Benjamin Hiddlestone der Dritte. Aber du kannst mich Ben nennen.«

Ich greife nach meiner Handtasche und kontrolliere den Inhalt, obwohl ich alles auswendig benennen kann. Niemals würde ich etwas vergessen, ich bin sehr penibel und organisiert. Die Kontrolle hilft mir, Einbildung und Wirklichkeit zu unterscheiden.

»Natürlich, ich nenne dich einfach Ben«, murmele ich und stemme die alte Holztür auf.

»Gehst du einkaufen? Ich könnte mal wieder ein nettes blutiges Filet essen. Oder Fisch!«, ruft er mir hinterher, während ich die Tür schließe.

In der Stadt suche ich nicht erst einzelne Läden auf, sondern parke direkt vor einem großen Einkaufscenter, in dem ich hoffentlich alles bekomme, was auf meiner Liste steht.

Von Lebensmitteln abgesehen brauche ich jede Menge Putzsachen und neue Bettwäsche, Handtücher und Desinfektionsmittel. Die kleine Flasche, die ich immer in der Handtasche habe, würde nicht ausreichen.

Ich habe mir nur zwei Wochen von meinem langweiligen Bürojob in einer Anwaltskanzlei freinehmen können und in dieser Zeit muss ich das Haus repräsentabel machen, um es zu verkaufen. Zumindest wenn es nach Mutter geht. Ich hätte gern eine Pension daraus gemacht. Das Haus liegt schließlich direkt am Rand eines großen Nationalparks. Viele Wanderer würden ein Bed’n’Breakfast hier sicherlich begrüßen. Aber ich halte mich an den Plan meiner Mutter. Es ist die sicherste Alternative, denn jedes Mal, wenn ich in der Vergangenheit meinen eigenen Weg gehen wollte, lief das schief.

Während ich die Junior High School besuchte, hatte ich ein paar Zeichenstunden, weil meine damalige Therapeutin meinte, es könne nicht schaden, meine Gefühle in Bildern auszudrücken. Auf die Frage, woher meine Inspiration für die grotesken Wesen und Figuren käme, antwortete ich wahrheitsgemäß, dass ich das alles jeden Tag sehe. Damals erhielt ich das erste Mal Psychopharmaka. Ich war elf.

Mum verbot mir, mit anderen darüber zu reden. Aber ich habe nicht auf sie gehört, weshalb ich gemobbt und ausgegrenzt wurde. Jedes Mal musste ich dann die Schule wechseln. Bis ich begriff, dass sie recht hatte, vergingen ein paar Jahre.

Mein späterer Versuch zu studieren, obwohl sie dagegen war: Halluzinationen von langgliedrigen Wesen, die im Brunnen auf dem Platz vor der Bibliothek ausgiebige Bäder nahmen und mir so eine Angst einjagten, dass ich ständig Panikattacken bekam. Daraufhin wurde meine Medikamentendosis wieder einmal erhöht und ich habe das Studium geschmissen.

Als ich das Jahr darauf ausziehen wollte, scheiterte ich bereits bei der ersten Wohnungsbesichtigung, weil ich mir einbildete, Stimmen zu hören, die aus den Wänden kamen. Meine Mutter brachte mich deshalb für ein paar Wochen in einer psychiatrischen Klinik unter. Ich habe also auf schmerzhafte Art gelernt, dass es besser für mich ist, wenn ich mich nach ihren Plänen richte.

***

Am Ende dauert der Einkauf viel länger als geplant und es ist bereits dunkel, als ich nach Hause fahre. Die Straße ist eng und teilweise unbefestigt und natürlich unbeleuchtet. Die letzte Laterne steht an der Abzweigung der Hauptstraße.

Das Licht des Wagens reicht kaum aus, um die nächsten zwei Meter zu beleuchten. Es ist unheimlich und ich weiß nicht, ob ich das Radio leiser oder lauter drehen sollte. Meine Hände zittern, während ich langsam weiter fahre. Ich schwitze. Genervt puste ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. Ich traue mich nicht, auch nur eine Sekunde die Hand vom Steuer zu nehmen.

Endlich kommt das Haus in Sicht und ich atme erleichtert durch.

Ich beeile mich, die Einkäufe hereinzutragen, weil das Verandalicht flackert und geisterhafte Schatten wirft. Der dunkle Wald wirkt nicht länger einladend und friedlich wie am Tag, sondern bedrohlich und gefährlich.

In der Küche ignoriere ich den sprechenden Kater, der sofort den Kopf in eine der Tüten steckt. Vermutlich auf der Suche nach dem Fleisch, das ich für ihn gekauft habe. Wieso auch immer. Verdammt, ich beobachte jede seiner Bewegungen mit wachsamem Blick. Das bedeutet jedenfalls nicht ignorieren.

»Weißt du, seit Agnes nicht mehr hier ist, habe ich mich nicht mehr richtig ernährt.« Seine Stimme klingt gedämpft, weil er den Einkauf durchwühlt.

»Ich nehme an, meine Granny hat dich ziemlich verwöhnt«, sage ich und hebe ihn vom Tisch, um die Lebensmittel auszupacken. »Ich habe hier noch kein gewöhnliches Katzenfutter gefunden.«

»Ich bin eben keine gewöhnliche Ka- was zum heiligen Hexenkessel ist das?«

Überrascht drehe ich mich um. Ben sitzt wieder auf dem Tisch und starrt die Dosen an, die ich gekauft habe.

»Das werde ich auf keinen Fall essen.« Er legt die Ohren an und zieht die rechte Lefze nach oben, wo sie sich in einem spitzen Eckzahn verfängt.

»Nun, du bist ein Kater und ob ich mir nun einbilde, dass du sprechen kannst, oder nicht, du musst etwas essen.«

»Aber ganz sicherlich nicht diesen Fraß.«

»Das hast du nicht zu entscheiden«, erwidere ich mit überraschend fester Stimme und lege die Zutaten für mein Abendbrot bereit. Beim Durchschauen der Speisekammer vorhin habe ich ein Kochbuch gefunden und beschlossen, ein Suppenrezept auszuprobieren, statt mir ein Fertiggericht aus dem Supermarkt mitzunehmen.

Ich bin eine gute Köchin, aber als ich das Gemüse schneide, kommen mir Zweifel. Wahrscheinlich nur, weil ich die getrockneten Kräuter aus dem Vorrat nehme und mir nicht sicher bin, ob es die richtigen sind.

»Du machst das falsch.« Ben springt auf den Tisch und schaut mir zu. Den Teller mit dem Nassfutter straft er immer noch mit Nichtachtung.

»Katzen haben auf dem Tisch nichts zu suchen«, erwidere ich und schiebe ihn herunter.

»Die Minze kommt im Ganzen in den Kessel«, bemerkt er, während ich die Kräuter kleinhacke. Er hüpft wieder auf den Tisch. »Und das ist kein Ingwer.«

Ich nicke. Nur weil ich beschlossen habe, die Halluzination, dass der Kater spricht, anzuerkennen, muss ich mir von ihr ja keine Kochtipps geben lassen. Die Knolle, die Ben meint, sieht aus wie Ingwer, riecht wie Ingwer – also was sollte es sonst sein?

Trotzdem bin ich verunsichert. Ich nehme das Kochbuch in die Hand und streiche mit dem Finger über die Zutatenliste, bevor ich umblättere.

»Mist!«

Ich habe mich tatsächlich an dem Papier geschnitten!

Schnell stecke ich den Daumen in den Mund und schmecke das Blut.

»Super. Jetzt wird es ganz bestimmt funktionieren.« Ben scheint die Augen zu verdrehen. Sicher bin ich mir nicht, schließlich ist er immer noch ein Kater.

Ich habe keine Lust, ihn zu fragen, was er meint, und gehe stattdessen zum Waschbecken, um den Schnitt auszuspülen. Anschließend suche ich den dutzenden Schubladen nach einem Pflaster, werde aber nicht fündig. Also hoffe ich einfach, dass es bald aufhört zu bluten und schneide die Zutaten für die Gemüsesuppe weiter. Ich gebe alles zusammen mit einem Suppenhuhn in einen großen Topf und gieße es mit Wasser auf. Die Herdflamme braucht ein paar Sekunden, bis sie zündet, weil der Gasherd so alt ist. Ich mag das. Das leise Klicken, bevor das Feuer erwacht, gibt mir ein wohliges Gefühl. Dabei haben wir in New York auch einen Elektroherd. Wieso mag ich das dann ausgerechnet hier? Ob ich früher mit Granny gekocht habe? Ich erinnere mich nicht. Und wieso fällt mir das ausgerechnet jetzt auf?

Seufzend lehne ich mich an den Tisch und nehme das Kochbuch erneut zur Hand. Einige Seiten sind herausgerissen und an manchen Stellen ist die Schrift unleserlich, doch es ist unverkennbar die Handschrift meiner Granny. Tintenflecke sind auf der Seite des Rezeptes verteilt, das ich gerade ausprobiere. Die Pfotenabdrücke lassen vermuten, dass Ben dafür verantwortlich ist, weil er das Tintenfass umgeworfen hat. Ich verstehe nicht, wieso Granny überhaupt mit Feder und Tinte geschrieben hat, statt mit einem Füller.

Wenige Minuten später erfüllt der Duft der Suppe die Küche und ich bin zufrieden. Bis mein Blick auf Ben fällt, der den Topf wütend anstarrt.

»Was ist los?«

»Das endet nicht gut«, sinniert er.

Gerade will ich ihm widersprechen, als dichter schwarzer Rauch aus dem Topf aufsteigt. Das laute Blubbern irritiert mich, denn die Flamme ist nicht so groß, dass die Suppe überkochen könnte.

Noch bevor ich zum Herd gehen kann, explodiert der Topf.

Mit einem spitzen Schrei ducke ich mich unter den Tisch. Ben folgt mir und versteckt sich in meinen Armen.

2.KapitelMaddox

Ein leichter Schwindel breitet sich in meinem Kopf aus, doch ich ignoriere ihn. Viel schlimmer ist der Rauch, der in meiner Lunge brennt. Es riecht nicht nach Schwefel, sondern nach Huhn und Minze. Und Katze.

Wo zur Hölle bin ich hier gelandet?

Endlich lichtet sich der Qualm und ich sehe mich um.

Ich stehe in einer altmodischen Küche. Ein großer Topf liegt zu meinen Füßen und die Reste einer Suppe breiten sich auf dem Steinboden aus. Unter dem Tisch schaut eine Katzenpfote heraus, die versucht an das Hühnchen zu kommen.

»Ben, lass das!« Eine Frau zieht das Tier zurück. Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf die schmalen Finger und den tiefroten Nagellack.

»Wieso? Du willst es doch bestimmt nicht mehr essen.«

Natürlich. Ein Hexentier. Das bedeutet, jemand hat mich beschworen. Hätte ich gleich draufkommen können.

»Willst du da auch mal hervorkommen, Hexe?« Genervt schalte ich den Herd aus. Ich kann den Gasgeruch wahrnehmen, der in der Luft liegt, und habe keine Lust, dass uns das Haus um die Ohren fliegt.

Als sie immer noch nicht hervorkommt, gehe ich langsam umher.

Ja, eindeutig die Küche einer Hexe. Diverse Kräuter auf dem Tisch erkenne ich sofort, offensichtlich eine Naturhexe. Was könnte so eine wohl von mir wollen? Normalerweise sind meine Beschwörer eher nicht der friedliebende Typ. Aber Naturhexen schaden niemandem und ich habe auch noch nie davon gehört, dass eine von ihnen einen Dämon heraufbeschworen hat.

Es gibt wohl für alles ein erstes Mal.

Ich stelle fest, dass der Kater sich mittlerweile einen Hühnerschenkel unter den Tisch gezogen hat. Allmählich verliere ich meine Geduld.

Mit einer schnellen Bewegung beuge ich mich herunter, greife ihr Bein und ziehe die Frau hervor. Sie kreischt laut auf und tritt nach mir. Als ob ihr das nicht reichen würde, versucht sie außerdem, mich zu kratzen. Sie erwischt mich tatsächlich. Eine feine Spur zieht sich über meinen Unterarm. Irgendwie finde ich es witzig, wie sie sich wehrt.

»Hör auf um dich zu schlagen, Hexe«, weise ich sie an und lasse sie los.

Sie weicht sofort zurück, stößt dabei mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante. Sie wischt sich die roten Haare aus dem Gesicht. Naturhaarfarbe, nicht gefärbt. Große, eisblaue Augen starren mich angsterfüllt an.

»W-wer bist du? Wie bist du hier hereingekommen?«

Der Kater springt hinter ihr auf den Tisch und leckt sich die Pfote. Er mustert mich interessiert.

»Ich habe dich gewarnt, Ashley«, meint er dann gelangweilt.

»Du hast mich nicht gewarnt, dass eine Suppe einen Mann in meine Küche –«, sie wedelt mit den Händen, offenbar unschlüssig, wie sie den Satz beenden soll.

»Beschworen«, helfe ich ihr auf die Sprünge und verschränke die Arme vor der Brust. »Du hast mich beschworen.«

Hektisch schüttelt sie den Kopf. Reibt sich über die Stelle, an der sie sich gestoßen hat.

»Natürlich. Du bist auch eine Halluzination«, sagt sie mehr zu sich selbst, statt zu mir.

»Ignoriere das. Mich hält sie für eine kräuterinduzierte Einbildung«, erklärt mir der Kater. Es wirkt, als ob er mit den Schultern zuckt. »Ich bin übrigens Sir Benjamin Hiddlestone der Dritte. Du darfst mich Ben nennen.«

Ich nicke nur und seufze, da die Hexe keine Anstalten macht, mir ihre Bedingungen zu nennen. Ich will hier auch irgendwann mal fertig werden.

»Hör mal, Hexe. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Sag mir, was du willst, und dann geht jeder wieder seiner Wege.«

»Was – was ich von dir will?«, stammelt sie und sieht zu mir auf. »Ich verstehe nicht, was du meinst.« Sie zieht sich an der Tischkante hoch und betastet erneut ihren Hinterkopf. Als sie die Hand zurückzieht, befindet sich Blut an ihren Fingerspitzen.

Hat sie sich wirklich so hart gestoßen?

Ein komisches Gefühl breitet sich in mir aus. Ich glaube, die Menschen nennen es Mitleid. Ich habe so etwas lange nicht mehr gefühlt, deshalb bin ich mir nicht sicher. Trotzdem gebe ich meinem Instinkt nach und reiche ihr das Küchentuch, das neben ihr liegt. Sie weicht vor mir zurück, nimmt es aber trotzdem an.

Vorsichtig drückt sie es auf die Wunde. Sie verzieht das Gesicht, offensichtlich hat sie Schmerzen.

»Okay, dann also zurück zum Geschäft«, meine ich und schüttele das merkwürdige Bedürfnis ab, mich um sie zu kümmern.

»Was für ein Geschäft?«

»Bei allen Höllenringen, was für eine Hexe bist du eigentlich?«

»Hexe? Ich bin keine –« Sie unterbricht sich und sieht ihren Kater fragend an. »Ich bin keine Hexe.«

»Natürlich nicht«, erwidere ich. »Du hast also einfach nur eine Suppe gekocht, dein Blut dazu gemischt und keine magische Formel rezitiert.«

»Nein! Also doch. Aber nicht mit Absicht! Ich habe mich geschnitten und – und dann … vielleicht habe ich laut gelesen.«

Allmählich dämmert mir, dass die Frau vor mir tatsächlich keine Ahnung hat, was passiert ist.

»Wie heißt du?«

»Ash«, gesteht sie zitternd, als würde sie ein Geheimnis verraten.

»Ash«, wiederhole ich leise. Vermutlich kurz für Ashley. Ein hübscher Name. Für eine Hexe zumindest.

»Ich bin Maddox. Setz dich«, bitte ich sie und spüre, wie sie zittert, als ich sie zur Sitzbank führe. Bevor sie sich setzen kann, wird sie ohnmächtig. Einfach so. In der einen Sekunde murmelt sie noch, dass sie keine Hexe sei, und in der nächsten fällt sie gegen meinen Oberkörper.

»Großartig«, stöhne ich und hebe sie hoch. Sie ist leicht, obwohl sie an den richtigen Stellen die perfekten Rundungen hat. So etwas dürfte mir bei einem Menschen nicht auffallen, aber ich bin eben auch nur ein Mann. Und im Moment komme ich nur selten dazu, das Höllenreich zu verlassen, um in der Menschenwelt meinen körperlichen Gelüsten nachzugeben.

Suchend sehe ich mich um, als Ben vom Tisch hüpft und die Küche verlässt. Ich folge ihm einfach, in der Hoffnung, dass er seine Herrin beschützen will und mir einen Platz zeigt, an dem ich sie hinlegen kann.

Wie zu erwarten, führt er mich in das Schlafzimmer der Hexe, wo ich sie auf der grellen Tagesdecke ablege. Die Muster auf dem Bett und den Polstern passen irgendwie nicht zu ihr. Große, altmodische Blumen zieren die Vorhänge und alles andere im Raum. Sogar die Knöpfe an der Kommode sind wie Blumen geformt!

Mich überkommt Brechreiz bei so viel Kitsch.

Ben setzt sich neben die Hexe und betrachtet sie nachdenklich.

»Hättest du ihr nicht helfen müssen?«, frage ich und setze mich widerwillig in den Sessel. Noch mehr Blumenmuster.

Unbeeindruckt leckt er sich die Pfote, dann sieht er auf. »Ich habe sie gewarnt, dass die Suppe so nicht funktionieren wird.«

»Du hast ihr nicht gesagt, dass sie einen Dämon beschwören wird?«

»Schmeichel dir nicht selbst. Du bist kein richtiger Dämon.« Ben zwinkert mir zu. Das Hexentier weiß mehr, als ich ihm zugetraut hätte. »Einen Dämon hätte Ash mit so einer einfachen Hühnersuppe niemals heraufbeschworen.«

»Willst du damit sagen, es sei leicht, einen Schattenläufer heraufzubeschwören?«, frage ich wütend.

»Das hast du daraus geschlossen.«

Ich atme mehrmals tief durch, um meine Wut zu zügeln. Ich spüre, wie sich mein Körper den Schatten hinter mir anpasst, doch betreten kann ich sie nicht. Das wird ja immer besser!

»Sie hat dir wohl einen Bann auferlegt.«

»Du findest das nicht sonderlich besorgniserregend, oder?«, frage ich den Kater, der sich weiterhin seiner Katzenwäsche widmet.

»Wieso sollte ich? Du bist ein Schattenläufer unter der Kontrolle einer Junghexe, die nicht einmal weiß, dass sie solche Kräfte besitzt. Was könntest du mir schon antun?« Jetzt grinst er mich breit an, wobei seine spitzen Zähne sichtbar werden.

»Ich könnte dir immer noch den Hals umdrehen«, biete ich an, denn dummerweise hat er recht. Da Ashley mich unter ihrem Bann hält, darf ich niemanden verletzen, sofern sie es mir nicht gestattet. Und solange sie mir auch nicht ihre Bedingungen nennt und ich diese nicht erfüllt habe, kann ich ohne ihre Erlaubnis nicht in mein Reich zurück.

Wann würde diese kleine Hexe endlich wieder aufwachen? So dramatisch kann es doch nun wirklich nicht sein, einen gutaussehenden Mann heraufzubeschwören, der ihr zu Diensten ist.

Ich verschränke die Beine und betrachte sie.

Sie trägt rote Leggins, dazu ein schwarzes Shirt, das so groß ist, dass es ihr über eine Schulter gerutscht ist. Menschen bestehen darauf, dass das gut aussieht. Sie ist nur einen Kopf kleiner als ich. Für ein Höllenwesen bin ich mit meinen knapp ein Meter neunzig verhältnismäßig schmächtig, schließlich sind die meisten von uns von Natur aus größer und auch stärker als Menschen.

Ihre Atmung geht regelmäßig und schnell, was ihre üppige Oberweite betont. Es sollte mir nicht auffallen.

Ich zwinge meinen Blick weg von ihr zu Ben.

»Ist sie eine richtige Hexe?«

»Oh, natürlich ist sie das. Nur etwas unerfahren.« Er stupst seine Herrin mit einer Pfote an, als versuche er sie aufzuwecken.

»Beschwörungen gehören zur schwarzen Magie. Eine unerfahrene Hexe wie Ash kann das sicherlich nicht durchführen.«

Sie ist sich ja nicht einmal bewusst gewesen, was sie getan hat!

»Unerfahren oder nicht, sie stammt von einer alten und mächtigen Blutlinie ab.«

Zweifelnd ziehe ich eine Augenbraue hoch. Die kleine Frau vor mir im Bett sieht nicht gerade mächtig aus.

Dann regt sie sich und öffnet zögernd die Augen. Sie zuckt zusammen, als sie den Kater sieht, der auf ihrem Brustkorb sitzt.

»Schön, dass du wieder da bist.«

Sie brummt undeutlich. Offensichtlich ist sie anderer Meinung. Ihr Blick fällt auf mich und sie setzt sich so abrupt auf, dass Ben herunterfällt.

»Du bist echt! Du bist … hier«, beendet sie lahm. Langsam schüttelt sie den Kopf. »Wie?«

»Süße, du bist eine Hexe. Das musst du doch mittlerweile wissen.«

»Mittlerweile?«, fragt sie spitz und schließt die Augen. »Mittlerweile weiß ich nur, dass ich mega Kopfschmerzen habe! Eine Aspirin wäre jetzt wirklich ein Segen.«

Sofort springt Ben aus dem Bett und verschwindet im Flur.

Ashleys Blick fällt wieder auf mich.

»Wer bist du?«

»Mein Name ist Maddox«, wiederhole ich meine Vorstellung. Ich verzichte darauf, aufzustehen und mich zu verbeugen, wie es üblich wäre. Schließlich hat sie mich beschworen und ich stehe zeitweise in ihrem Dienst. Doch in ihrem derzeitigen Zustand wären meine Manieren nur verschwendete Liebesmüh.

»Ich erinnere mich an den Teil«, sagt sie zickig. »Aber wer bist du?«

Ah, das meint sie also.

»Dann glaubst du nicht mehr, dass ich eine Halluzination bin?«

»Ich habe mich noch nicht entschieden.«

In diesem Augenblick kommt Ben wieder herein, ein kleines oranges Röhrchen im Maul, in dem Pillen herumklackern.

Ashley sieht ihn genauso erstaunt an wie ich.

»Hast du mir tatsächlich Aspirin besorgt?«

Ben hüpft aufs Bett und lässt die Tabletten fallen. »Ich habe angenommen, dass du welche in deiner Handtasche hast. Lag nicht falsch damit.«

»Du warst an meiner Tasche?« Eine feine Röte überzieht ihre Wangen und weckt meine Neugier. Was ist wohl in der Tasche, dass sie deswegen rot anläuft?

Wieder zuckt der Kater nur mit der Schulter. »Kein Thema. Ich verrate auch nichts.«

Ashley errötet noch mehr. Fahrig greift sie nach der Packung und schluckt dann eine Tablette ohne Wasser.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«

Da hat sie Recht. Ich erhebe mich jetzt doch und verbeuge mich vor ihr.

»Maddox, Schattenläufer und Söldner des Dämonenfürsten Furfur. Zu Euren Diensten, Hexe.«

Ihr Ahnen,

eines Tages wird Ashley die ganze Wahrheit erfahren. Sie wird erfahren, welcher stolzen Ahnenlinie sie entstammt und welche Kräfte in ihr schlummern. Kräfte, die nur darauf warten, entfesselt zu werden. Auch Mellys Auszug wird daran nichts ändern!Oh, es bricht mir das Herz, die zwei gehen zu lassen, doch ich kann meine Tochter nicht mehr umstimmen. Ich habe es so oft versucht und bin gescheitert. Jetzt bleibt mir nur noch, ihnen viel Glück zu wünschen und zu hoffen, dass Ashley ihre Kräfte nicht unterdrückt. Nicht auszudenken, welche Folgen es hätte. Eine so starke Hexe wie sie … Sie ist eine Hexe der 13. Generation. So viel Macht. Ich hoffe, Melly weiß, was sie tut, indem sie Ashley von hier wegbringt.

3.KapitelAshley

Blinzelnd versuche ich zu verstehen, was er mir sagt.

Dämon? Schattenläufer? Was?

Trotz der Schmerztablette hämmert mein Kopf. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sie wirkt. Das verstärkt auch die Hoffnung, dass das alles hier nur ein unheimlicher Traum ist. Sehr fantasievoll, zugegeben, aber das wäre nichts Neues für mich. Schon als Kind habe ich viel Fantasie gehabt. Ich hatte mir tatsächlich eine Zeit lang eingebildet, eine Fee als beste Freundin zu haben.

Ich verzichte darauf, erneut mit dem Kopf zu schütteln. Meine Gedanken werden dadurch nicht klarer.

»Was willst du hier?«, frage ich Maddox. Erfahrungsgemäß muss ich solche Träume einfach durchleben, damit ich aufwache. Also, auf in den – na ja, Kampf. Oder so. Mein aktueller Therapeut wäre stolz auf mich. Wobei er sich bestimmt auch wundern wird, wenn er den nächsten Eintrag in meinem Traumtagebuch lesen wird.

»Woran denkst du gerade, Hexe?«

»Mein Name ist Ash«, gebe ich widerwillig zurück. Auf keinen Fall werde ich ihm von meinen psychischen Problemen erzählen. Würde das überhaupt einen Unterschied machen? Maddox ist ja schließlich nur eine Erfindung meines Unterbewusstseins. Und was für eine!

Der Kerl ist einen Kopf größer als ich und trotz seiner drahtigen Figur ist er muskulös. Seine schwarzen Haare gehen ihm bis zu den Schultern und verschwinden in dem aufgestellten Kragen seines Ledermantels. Über seine linke Wange ziehen sich drei schmale Narben. Er wirkt, als wäre er so alt wie ich. Vielleicht ein paar Jahre älter. Ich glaube, seine Augen wechseln die Farbe. Mal blitzen sie silbern auf, dann sind sie so grau wie ein verregneter Himmel. Merkwürdig.

Seine gesamte Gestalt wirkt vollkommen fehl am Platz auf dem geblümten Sofa.

»Wieso bist du hier?«, frage ich ihn erneut, weil er mir diese Frage noch immer nicht beantwortet hat.

»Du hast mich gerufen«, antwortet er schlicht und überschlägt die Beine.

Ich reibe mir die Stirn. »Okay, nehmen wir mal an, dass ich das habe –«, einfach mitspielen, Ashley, »-wie werde ich dich wieder los?«

Mehrere Sekunden lang starrt Maddox mich an, als würde er meine Frage nicht verstehen.

»Du hast mich gerufen«, wiederholt er und ich will gerade genervt aufstöhnen, doch er spricht direkt weiter. »Und ich muss deine Bedingungen erfüllen. Vorher kann ich nicht zurück.«

»Zurück wohin? Wohin verschwindet ein Dämon? In die Hölle?« Gänsehaut überzieht meinen Körper. Lieber nicht darüber nachdenken.

»Schattenläufer«, korrigiert er mich, offenbar leicht beleidigt. »Und ja, die Hölle. Nur nicht so, wie du es dir vorstellst.«

Verdammte Neugier, denn ich frage nach: »Wie ist es dann?«

Maddox lehnt sich vor und blickt mir in die Augen. »Es ist genauso grauenhaft und heiß, wie du denkst, aber es gibt nicht nur eine Hölle. Sie ist unterteilt in verschiedene Reiche und ich würde wirklich gern wieder zurück in meins.«

»Und dafür musst du mir einen Wunsch erfüllen? Klingt ein wenig wie bei Aladin von Walt Disney.«

Ben lacht so heftig, dass er vom Bett fällt. Er versucht zwar, es als Husten zu tarnen, aber ich weiß besser. Räuspernd hüpft er neben mich und putzt sich. Wie oft putzen Katzen eigentlich ihr Fell? Ist das normal? Ich muss das in Erfahrung bringen. Später. Denn im Moment starre ich in Maddox’ wütende Augen. Ihm gefällt mein Vergleich offensichtlich nicht.

»Du kannst dir nicht einfach etwas wünschen. Eine Tasse Kaffee wird nicht reichen.«

»Schade, dabei könnte ich jetzt einen Kaffee vertragen«, entgegne ich gespielt enttäuscht. Maddox ignoriert es.

»Es muss ein elementarer Wunsch sein. Etwas, das dir wichtig ist.«

»Hey! Kaffee ist wichtig!«

»Was der Dämon meint«, wirft Ben ein und grinst Maddox breit an, »ist, dass es immer ein Opfer erfordert, wenn man einen Dämon heraufbeschwört und ihm seinen Willen auferlegt.«

»Schattenläufer«, presst Maddox zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Ich winke ab. Mit der Semantik möchte ich mich im Moment nicht befassen. Das ganze Theater hier fühlt sich immer weniger wie ein Traum an, auch wenn ich durch jahrelange Therapie weiß, dass sich meine Träume schon immer so angefühlt haben und es mir deshalb so schwerfiel, sie von der Wirklichkeit zu unterscheiden.

»Ich würde jetzt wirklich gern aufwachen«, murmele ich und schwinge die Beine über die Bettkante.

»Sie glaubt immer noch, dass wir nur Einbildung sind?«, höre ich Maddox fragen.

»Offensichtlich sind wir jetzt nur noch ein Traum«, entgegnet Ben. »Da habe ich dann eine Frage, Ash. Wann bist du ins Bett gegangen?«

Wütend blinzle ich ihn an. Er hat gerade meine Illusion vernichtet, denn ich kann mich nicht daran erinnern, ins Bett gegangen zu sein.

»Jetzt. Ich gehe jetzt ins Bett. Und das heißt, alle raus hier!« Ich stehe auf und scheuche Ben aus dem Zimmer. Maddox sitzt immer noch auf dem Sofa. Er sieht nicht so aus, als würde er sich bewegen wollen.

»Ich meine das total ernst! Raus hier!«, wiederhole ich und endlich erhebt er sich.

Mist, er ist wirklich um einiges größer als ich. Und viel einschüchternder als erwartet. Ich zwinge mich, seinem kalten Blick standzuhalten, während er näherkommt.

»Ich warne dich, Hexe. Das Gespräch ist noch nicht vorbei.«

»Ja, ja. Ich hab’s zur Kenntnis genommen. Großer böser Schattenläufer gegen kleine Hexe. Meinetwegen. Aber später, ja? Morgen wäre gut. Wenn die Kopfschmerzen verschwunden sind und ich eine Tasse Kaffee hatte.«

Ohne darüber nachzudenken, schiebe ich ihn aus der Tür.

Jetzt eine heiße Dusche, meinen Lieblingspyjama und – das Klingeln eines Handys reißt mich aus den Gedanken. Der Klingelton, den ich extra für meine Mutter eingestellt habe, ertönt. Laut und kreischend, denn obwohl es unten in der Küche liegt, kann ich es im Schlafzimmer hören.

Das fehlt mir gerade noch.

Ob meine Mutter wohl einfach wieder auflegt und später noch einmal anruft?

Seufzend wird mir bewusst, dass sie genau das tun wird. Und zwar so lange, bis ich endlich mit ihr rede.

Vorsichtig öffne ich die Tür einen Spalt breit. Der Flur ist leer und bis auf das schrille Klingeln ist nichts zu hören. Was meine Theorie über die Halluzinationen glatt wieder bestätigt.

Erleichtert atme ich durch und gehe in die Küche. Weder der Kater noch der sexy Schattenläufer sind irgendwo zu sehen.

Beinahe euphorisch greife ich nach dem Handy, da hört es auf zu klingeln. Auf dem Weg nach oben hole ich noch meine Tasche und halte auf der Treppe kurz inne. Die Kopfschmerztabletten waren in der Handtasche, liegen jetzt aber im Schlafzimmer. Spricht das also gegen meine Theorie? Oder ist das nur wieder einer dieser merkwürdigen Momente, in denen Dinge in meiner Nähe auftauchen, die ich genutzt habe? Meine alte Therapeutin meinte zu mir, dass mein Unterbewusstsein nebensächliche Handlungen aus der Erinnerung streichen würde, weshalb ich Gegenstände wie das Telefon oder die Fernbedienung immer in meiner Reichweite vorfinden würde. So wie ich jetzt eben die Schmerztabletten auf dem Nachtschrank liegen sehe. Nichts Ungewöhnliches.

Ich betrete das altertümliche Bad, nicht sicher, was ich davon halten soll.

Die große Badewanne steht mitten im Raum auf merkwürdigen Klauenfüßen. Es gibt eine moderne, verglaste Dusche in der Ecke und das Waschbecken ist geformt wie eine Muschel. Die Armaturen sind vergoldet und gepflegt. Ich kann nicht einen einzigen Kalkfleck entdecken. Wie im restlichen Haus ist es auch hier staubig, aber das bringe ich schnell in Ordnung.

Erleichtert stelle ich außerdem fest, dass klares, heißes Wasser aus den Leitungen fließt. Einem entspannenden Bad steht eigentlich nichts mehr im Wege, dennoch entschließe ich mich zu einer schnellen Dusche. Der Tag ist fürchterlich anstrengend gewesen und ich will nur noch in mein Bett. Oder eben das meiner Granny. Mittlerweile ist mir aber auch das total egal.

Das heiße Wasser entspannt mich und ich nehme mir doch mehr Zeit. Ich lasse die Haarkur ein paar Minuten länger einwirken als üblich und genieße den Geruch von Erdbeeren und Vanille, der von meinem Duschbad ausgeht. Allmählich fühle ich mich wieder normal und bin mir sicher, dass die letzten Stunden nur ein komischer Tagtraum waren.

Ich schlüpfe in das Nachthemd von Victoria’s Secret, grüne Baumwolle und schwarze Spitze, und flechte die nassen Haare zu zwei Zöpfen. Im Schlafzimmer ziehe ich die Vorhänge zu, bevor ich eine Nachricht an Mum tippe und dann das Handy auf stumm stelle. Jetzt möchte ich nur schlafen.

***

Am nächsten Morgen sind die Kopfschmerzen verschwunden und ich bin mir sicher, dass die seltsamen Ereignisse nur in meiner Einbildung existiert haben.

Ben springt auf das Bett, kaum dass ich mich aufgesetzt habe. Skeptisch sehe ich ihn an, unsicher was jetzt passiert.

»Was denn? Hätte ich dir einen Kaffee mitbringen sollen?«

Tränen treten in meine Augen und ich lasse mich verzweifelt wieder in die Kissen fallen. Er spricht ja immer noch!

»Das darf doch nicht wahr sein!«

»Maddox! Ich glaube, sie braucht einen starken Kaffee!«, ruft Ben und ich schließe die Augen. War ja klar, dass ich mir diesen superheißen Typen nicht eingebildet habe. Und dass er jetzt das Schlafzimmer betritt, eine große Tasse in der Hand, hätte ich mir auch nicht einbilden können.

Er trägt nicht länger seinen Mantel, das enge Shirt betont dafür seine Muskeln umso mehr. Mit einem verschmitzten Lächeln reicht er mir die Tasse und ich setze mich wieder auf. Der Kaffee ist schwarz. Dabei trinke ich ihn mit Milch und Zucker. Für den Moment ist mir das aber egal.

»Ihr seid wirklich echt, oder?«, frage ich ein letztes Mal, in der Hoffnung, dass alles doch nur ein Traum ist.

Maddox antwortet nicht, verdreht aber die Augen. Ja, okay. Ich habe es verstanden. Ich habe keine Halluzinationen.

»Könnt ihr mich einen Moment allein lassen, damit ich mich anziehen kann?«

Anzüglich wandert Maddox’ Blick über meinen Körper, sein Grinsen wird breiter. Das Top ist ein wenig verrutscht und der Träger ist von meiner Schulter gerutscht. Mich überläuft es heiß und kalt abwechselnd. Ich greife nach der Decke und halte sie mir vor die Brust.

»Zu spät«, meint er schulterzuckend. »Ich habe mir schon alles eingeprägt.«

Frustriert stoße ich einen Schrei aus und ein Kissen fliegt in seine Richtung. Natürlich verfehlt es ihn. Doch ich bin zu überrascht davon, weil ich es nicht einmal berührt habe, obwohl ich darüber nachgedacht hatte, es nach ihm zu werfen.

Lachend verlässt er das Zimmer. Ben sieht mich noch einen Moment merkwürdig an, dann folgt er dem Dämon. Pardon, Schattenläufer.

Gedankenverloren nippe ich am Kaffee. Er ist stark und bitter, aber genau das, was ich jetzt brauche. Ich stelle die Tasse auf den Nachtschrank und gehe ins Bad, um mich frisch zu machen.

Bin ich wirklich bereit, all das zu glauben? Der sprechende Kater Ben. Schattenläufer und Söldner Maddox. Meine Hexenkräfte.

Seltsamerweise fällt es mir nicht allzu schwer, die Sache mit der Hexe und den magischen Kräften zu begreifen. Es ist beinahe, als würde ein Teil in mir erleichtert aufatmen, weil die Wahrheit endlich ans Licht gekommen ist. Außerdem erklärt es auch ein paar Dinge aus meiner Kindheit, hauptsächlich diese Halluzinationen, die dann wohl gar keine waren, oder? Dass Ben sprechen kann, steht außerhalb jeglicher Diskussion und schließlich ist Maddox auch real. Was mich zu meinem nächsten Punkt bringt: Söldner?! So was wie ein bezahlter Attentäter oder so? Die genaue Definition fällt mir gerade nicht ein, aber es ist definitiv nichts Positives. So eine Person möchte ich nicht in meiner Nähe haben. Ich sollte ihn so schnell wie möglich wieder loswerden.

Als ich dieses Mal herunter in die Küche komme, versuche ich gar nicht erst, mir einzureden, dass alles nur ein Traum ist. Oder dass ich endgültig den Verstand verliere. Eine seltsame Ruhe überkommt mich und das ängstigt mich fast noch mehr als meine Akzeptanz des Unmöglichen. Vielleicht bin ich doch verrückt geworden und weiß es nur nicht. So wie bei einfältigen Menschen. Die merken selbst auch nicht, dass sie einfältig sind, nur ihr Umfeld.

Maddox lehnt lässig an der Küchentheke, ebenfalls eine Tasse Kaffee in der Hand. Ben sitzt wie üblich auf dem Tisch. Seufzend nehme ich es zur Kenntnis. Wahrscheinlich werde ich ihm das nie abgewöhnen können. Was ich ja auch gar nicht muss! Ich bleibe nicht hier. Haus aufräumen, putzen, verkaufen und zurück nach New York. Das ist der Plan. Nirgends steht etwas davon, einen sprechenden Kater zu erziehen. Obwohl es ein Problem werden könnte, wenn ich Mum überzeugen wollte, ihn zu behalten. Traurig wird mir bewusst, dass das unmöglich ist. Er wird wohl in ein Tierheim kommen. Ob Maddox ihn mitnehmen würde? Konnten Katzen in der Hölle eigentlich überleben?

Meine Gedanken drehen sich so schnell, dass mir schwindelig wird. Ich muss mich dringend ablenken.

»Hat jemand Hunger?«, frage ich und gehe zum Kühlschrank. Für den Kater habe ich gestern ein Rinderfilet gekauft, aber das wäre jetzt noch zu kalt. Also hole ich alles für Pancakes heraus und fülle anschließend etwas von dem Katzenfutter in eine silberne Schale. Meine Granny hat das Tier wirklich zu sehr verwöhnt.

Ben schnuppert an dem Nassfutter und verzieht angewidert die Schnauze.

»Das fasse ich auf keinen Fall an.«

»Du sollst es auch nicht anfassen, du sollst es essen«, erkläre ich ihm und rühre meinen Teig an. Dabei versuche ich den großen Mann zu ignorieren, der mich ganz genau beobachtet.

»Wieso zauberst du dir nicht einfach dein Frühstück her?«

»Das geht?«, frage ich erstaunt und Ben lacht laut auf.

»Natürlich nicht!«

»Willst du mir widersprechen?«, fragt Maddox beleidigt und zieht eine Augenbraue in die Höhe.

»Habe ich doch schon.«

»Hört auf damit«, warne ich mit erhobenem Kochlöffel, bevor die beiden anfangen, sich ernsthaft zu streiten.

»Was ist möglich und was nicht?« Interessiert setze ich mich an den Tisch. Vergessen ist mein Plan, Frühstück zu machen. Ich sehe Ben an. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass seine Antworten fundierter sind. Wenn auch mit einer Prise Sarkasmus.

»Du kannst dir natürlich Essen herbeizaubern, aber du kannst es nicht einfach aus der Luft erscheinen lassen. So funktioniert Magie wie deine nun einmal nicht.«

»Magie wie meine? Also wäre es doch möglich, Essen herbeizuzaubern?«

Seufzend sieht Ben mich an, als wäre ich schwer von Begriff. So ein Blick von einem Kater ist nicht sonderlich förderlich für das Selbstvertrauen, stelle ich fest. Im Sitzen drehe ich mich zu Maddox um, der nur grinst.

Besser für mein Selbstbewusstsein, aber schlechter für meinen rasenden Herzschlag. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen. Ist es vermutlich auch. Es verstößt bestimmt gegen irgendwelche ethischen Grundsätze und Richtlinien für normales, menschliches Aussehen. Er ist ja nicht ohne Grund ein Dämon – Schattenläufer! Die sind schließlich dafür berüchtigt, moralisch verwerflich zu agieren und böse zu sein. Außerdem ist er ein Söldner, rufe ich mir in Erinnerung.

Diese Erkenntnis holt mich schnell wieder aus meiner Schwärmerei.

»Schwarze Magie umfasst unter anderem das Erschaffen von Dingen aus dem Nichts. Ich will hinzufügen, dass Essen nicht unbedingt auf Platz eins steht.«

»Okay, also möglich ist demnach so ziemlich alles, wenn man die richtige Magie anwendet?« Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich das faszinierend oder gruselig finde. Ein bisschen von beidem vermutlich.

Unwillkürlich frage ich mich, ob ich schon immer diese Kräfte hatte, von denen Ben und Maddox reden. Ich habe davon nichts bemerkt. Ist das so eine Sache, die erst mit einem bestimmten Alter zum Vorschein kommt? Wäre da nicht der sechzehnte Geburtstag passend? Oder der einundzwanzigste? Vielleicht bin ich auch einfach nur ein Spätzünder und deshalb ist mir so ein Fehler unterlaufen beim Kochen. Weil ich meine Magie nicht kenne und sie nicht kontrollieren kann? Zu welcher Art Magie bin ich überhaupt in der Lage? Was ist mir möglich und was nicht?

»Schwarze Magie fordert immer einen hohen Preis«, warnt Ben, als würde er meine Gedanken erfassen. »Einen, den du nicht bereit bist zu zahlen.«

»Sind wir jetzt wieder bei dem Thema Dämonenbeschwörung?«

»Schattenläufer«, widerspricht Maddox. Ich wedele mit einer Hand, um zu signalisieren, dass ich ihn zur Kenntnis genommen habe. Den Unterschied kann er mir gern ein anderes Mal erklären, auch, wieso er so versessen darauf ist, das immer wieder zu betonen.

»Nun ja, in Anbetracht dessen, dass du ganz offensichtlich keine Schwarzmagierin bist …« Maddox betrachtet mich genüsslich von oben bis unten. Mich überläuft eine Gänsehaut und Hitze breitet sich in meinem Körper aus, erreicht Stellen, die mir nur aufgrund seines Blickes gar nicht auffallen dürften. Himmel, es ist viel zu lange her, dass mich ein Mann so angesehen hat! Oder jemals, wird mir klar.

Trotzdem. Maddox ist ein dämonischer Söldner. Ich sollte ihn nicht anschmachten, egal wie gut er aussieht. Das ist sicherlich nur eine Taktik, um naive Menschenfrauen zu verführen und auszunutzen. Eine sehr effektive, muss ich gestehen. Obwohl ich es nicht will, finde ich ihn wahnsinnig attraktiv. Hätte ich ihn auf einer Party oder im Supermarkt kennengelernt, würde ich mich nicht mal gegen seinen Charme wehren.

Unruhig rutsche ich auf meinem Platz hin und her. Mir fällt auf, dass auch Maddox nicht so unbeeindruckt ist, wie er sich gibt. Schnell wende ich mich ab.