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Dieser Ratgeber richtet sich an Eltern, die sich um die soziale Entwicklung ihres Kindes sorgen. Er plädiert dafür, kindliches Verhalten nicht als Problem, sondern als Chance zu sehen, wenn man es durch das Verständnis von Entwicklungsphasen und angeborenen Temperamenten betrachtet. Die Eltern übernehmen dabei die Rolle eines "sicheren Hafens", der durch Liebe, Vertrauen und eine ausgewogene Begleitung ein Fundament für Selbstbewusstsein schafft. Mithilfe praktischer Strategien für Konflikte, Kommunikation und Empathie unterstützt das Buch Eltern dabei, ihre Kinder zu resilienten und beziehungsfähigen Menschen zu erziehen und ihre Sorgen in Zuversicht zu verwandeln.
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Seitenzahl: 230
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Christin Daecher
spielerisch
Sozialkompetenz
bei Kindern
erlernen
Kreative Förderung für mehr Empathie, emotionale Intelligenz und souveräne Konfliktlösung im Kindergarten- und Grundschulalter. Ihr praxisnaher Begleiter.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 5
Grundlagen verstehen 9
Soziale Entwicklung – Was ist normal? 9
Erste soziale Schritte 9
Altersphasen der Freundschaft 18
Wenn Schüchternheit auf Offenheit trifft 24
Warum Freundschaften so wichtig sind 35
Zugehörigkeit und Anerkennung 35
Freundschaften als Übungsfeld 37
Selbstvertrauen, Resilienz und Glück 45
Ihre Rolle als Elternteil 50
Fundament Liebe, Vertrauen und Geborgenheit 50
Eigenen soziale Interaktionen reflektieren 57
Balance finden 63
Erste Schritte im soziale Miteinander 70
Gelegenheiten schaffen 70
Spielplatz, Kita, Schule - Die natürlichen Treffpunkte 70
Gemeinsame Interessen verbinden 75
Spielen verabreden 79
Wie Kinder auf andere zugehen 82
„Hallo“ sagen 82
soziale Initiative ergreifen 86
Mit Ablehnung umgehen lernen 89
Schüchternheit und Ängste überwinden 92
Schüchternheit verstehen 92
Kleine Schritte zum Erfolg 95
Wie Sie Sicherheit vermitteln 98
Teilen, Abwechseln, Kooperieren 102
Die Bedeutung des Teilens 102
Gewinnen und Verlieren lernen 104
Erste Schritte zur Kooperation 108
Freundschaften pflegen 112
Die Sprache der Freundschaft 112
Mimik, Gestik und Körperhaltung deuten 112
Wie Kinder wirklich zuhören lernen 117
Blickkontakt und Distanz 120
Empathie und Perspektivwechsel 124
Gefühle erkennen und benennen 124
Über Motive sprechen 128
Wertschätzung und Dankbarkeit 134
Wie man Freunden zeigt, dass man sie mag 134
Verlässlichkeit und Loyalität 137
Eigenen und fremde Bedürfnisse in Einklang bringen 140
Konflikte meistern 144
Konflikte als Chance begreifen 144
Warum Kinder streiten 144
Konflikte als Lernfelder 146
Haltung als Elternteil 149
Konstruktive Konfliktlösung 152
Gefühle ausdrücken ohne Vorwürfe 152
Aktives Zuhören 154
Gemeinsam Lösungen finden 157
Verzeihen und Neuanfang 159
Umgang mit Aggression, Wut und Ärger 162
Impulse kontrollieren 162
Alternative Handlungsstrategien 165
Klare Grenzen setzen 168
Wenn Freundschaften wackelt 171
Freundschaften enden 171
Zukunftsperspektiven eröffnen 174
Offenheit bewahren 177
Schlusswort 179
Rechtliches 183
Impressum 183
Haftung für Inhalte 184
Haftung für Links 184
Urheberrecht 185
Einleitung
Herzlich willkommen, liebe Eltern!
Wenn Sie dieses Buch in den Händen halten, dann vermutlich, weil Ihnen die soziale Entwicklung Ihres Kindes am Herzen liegt und Sie sich manchmal Sorgen machen oder unsicher fühlen. Oft sind es die alltäglichen, leisen Beobachtungen, die uns ins Grübeln bringen. Vielleicht fragen Sie sich, warum Ihr Kind auf dem Spielplatz zögert, anstatt sich wie andere Kinder ins Getümmel zu stürzen, und ob hinter seiner Zurückhaltung mehr als nur Schüchternheit steckt. Vielleicht fühlen Sie sich angesichts der täglichen Konflikte erschöpft und ratlos: das endlose Ringen um das Teilen von Spielzeug, die plötzlichen, heftigen Wutausbrüche, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Vielleicht machen Sie sich auch Sorgen, weil Ihr Kind in Gruppen eher nachgibt und sich nicht traut, für die eigenen Wünsche einzustehen. Im Innersten hegen Sie vielleicht die leise, nagende Sorge, dass Ihr Kind den Anschluss verpassen, ausgeschlossen werden oder die schmerzhafte Erfahrung machen könnte, keine echten, tiefen Freundschaften schließen zu können.
Diese Sorgen sind mehr als nur persönliche Empfindungen, denn sie sind eine Reaktion auf die Welt, in der unsere Kinder heute aufwachsen. Wir leben in einer Zeit tiefgreifender Umbrüche, die das soziale Miteinander fundamental verändern. Die Kindheit selbst hat sich gewandelt. Unstrukturierte Spielnachmittage in der Nachbarschaft sind seltener geworden, während digitale Medien und durchgeplante Terminkalender immer mehr Raum einnehmen. Soziale Interaktionen finden zunehmend auf Bildschirmen statt, wo nonverbale Signale fehlen und ein falscher Klick reale Konsequenzen haben kann. Gleichzeitig bereiten wir unsere Kinder auf eine Zukunft vor, in der künstliche Intelligenz und Automatisierung fachliche Fähigkeiten zunehmend ersetzen werden. Was unersetzlich bleibt und zum entscheidenden Faktor für ein erfolgreiches und erfülltes Leben wird, sind genuin menschliche Fähigkeiten: Empathie, Teamfähigkeit, kreative Konfliktlösung und die Kompetenz, stabile und tragfähige Beziehungen aufzubauen. Die bewusste Förderung von Sozialkompetenz ist daher heute keine pädagogische Kür mehr, sondern eine der wichtigsten elterlichen Aufgaben überhaupt. Sie ist das entscheidende Rüstzeug, das wir unseren Kindern für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts mitgeben können.
Dieses Buch nimmt genau diese Sorgen und die dringende Notwendigkeit unserer Zeit als seinen zentralen Ausgangspunkt. Es wurde nicht geschrieben, um Ihnen allgemeine Theorien zu präsentieren, sondern um Ihre ganz konkrete Situation als Eltern spürbar zu verbessern. Das erklärte Ziel ist es, Ihre Unsicherheit durch fundiertes Wissen zu ersetzen und Ihre Ratlosigkeit in handfeste, praxiserprobte Strategien zu verwandeln. Es geht darum, Ihre Sorgen in Zuversicht zu verwandeln und Ihnen zu zeigen, dass Sie bereits alles in sich tragen, um Ihr Kind kompetent und liebevoll auf seinem sozialen Weg zu begleiten. Sie werden lernen, die täglichen sozialen Herausforderungen nicht länger als stressige Probleme zu empfinden, die es zu managen gilt, sondern als wertvolle und sogar spannende Chancen für die Entwicklung und Stärkung Ihres Kindes.
Um das zu erreichen, legen wir zunächst ein solides Wissensfundament, das Ihnen sofort mehr Sicherheit und Gelassenheit im Umgang mit Ihrem Kind geben wird. Wir werden in die natürlichen und vorhersagbaren Stufen des kindlichen Spiels eintauchen und den Weg vom Parallelspiel über das assoziative Spiel bis hin zum kooperativen Spiel beleuchten. Allein dieses Verständnis wird Sie von der Sorge befreien, Ihr Kind sei „anders“ oder „hinke hinterher“. Sie werden erkennen, dass viele Verhaltensweisen, die Sie vielleicht als schwierig empfunden haben, in Wahrheit Meilensteine in einem gesunden Entwicklungsprozess sind. Darauf aufbauend werden wir gemeinsam das angeborene Temperament Ihres Kindes entschlüsseln. Zu verstehen, ob Sie einen bedächtigen „Beobachter“, einen impulsiven „Vulkan“, einen feinfühligen „Seismografen“ oder einen entdeckerfreudigen Charakter zu Hause haben, ist ein wahrer Wendepunkt. Er beendet das frustrierende Gefühl, mit den eigenen Erziehungsversuchen ins Leere zu laufen, und ermöglicht es Ihnen, Ihr Kind so zu unterstützen, wie es seiner einzigartigen Natur entspricht und wirklich bei ihm ankommt.
Der Kern dieses Buches ist jedoch der umfangreiche Praxisteil. Er bietet Ihnen konkrete Antworten auf Ihre drängendsten Fragen und alltagsnahe Lösungen für wiederkehrende Probleme. Sie suchen nach Wegen, die Empathie Ihres Kindes zu fördern, damit es sich besser in andere hineinversetzen kann? Sie finden hier spielerische Übungen für den Küchentisch, die weit über die bloße Aufforderung „Sei lieb!” hinausgehen. Sie möchten die emotionale Intelligenz Ihres Kindes stärken, damit es lernt, mit Wut oder Enttäuschung umzugehen, anstatt davon überrollt zu werden? Hierfür erhalten Sie eine „Erste-Hilfe-Box” mit Techniken, die wirklich funktionieren. Oder wünschen Sie sich eine klare Anleitung für eine souveräne Strategie zur Konfliktlösung, die zermürbende Streitsituationen entschärft? Sie erhalten eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die Sie vom hilflosen Schiedsrichter zum stärkenden und lösungsorientierten Coach für Ihre Kinder macht.
All diese Fähigkeiten sind direkt und untrennbar mit der Fähigkeit verbunden, Freundschaften zu schließen und zu pflegen. Dieses Buch zeigt Ihnen, dass Sie nicht tatenlos zusehen und auf das Beste hoffen müssen, sondern dass Sie Ihrem Kind aktiv und gezielt dabei helfen können, die dafür notwendigen Kompetenzen zu entwickeln. Wenn Sie die spielerischen Methoden aus diesem Ratgeber anwenden, verbessern Sie die aktuelle Situation im Familienalltag, reduzieren täglichen Stress und sorgen für ein harmonischeres Miteinander. Sie investieren direkt in die langfristige Beziehungsfähigkeit, Resilienz und das soziale Glück Ihres Kindes. Es geht darum, Ihnen als Eltern wieder das Gefühl von Selbstwirksamkeit, Klarheit und vor allem Freude an Ihrer wichtigen Erziehungsaufgabe zurückzugeben. Beginnen wir nun gemeinsam diesen Weg, der Sie und Ihr Kind nachhaltig stärken wird.
Herzlichst, Christin Daecher
Grundlagen verstehen
Soziale Entwicklung – Was ist normal?
Erste soziale Schritte
Haben Sie Ihr Kind schon einmal auf einem Spielplatz oder in einer Krabbelgruppe beobachtet und dabei ein leises Gefühl der Beunruhigung verspürt? Vielleicht saß Ihr Kind, sagen wir Ihr zweijähriger Sohn Leo, hoch konzentriert im Sandkasten und war ganz vertieft in das faszinierende Schauspiel, wie der Sand durch seine Finger rinnt. Direkt daneben, kaum eine Armlänge entfernt, saß die gleichaltrige Klara und füllte mit ebenso großer Hingabe einen roten Eimer mit einer kleinen Schaufel. Sie existierten im selben Raum, zur selben Zeit, mit ähnlichem Spielzeug, und doch schienen sie durch eine unsichtbare Wand voneinander getrennt, jeder in seiner eigenen Welt. Vielleicht haben Sie sich in diesem Moment gefragt: „Warum nimmt Leo keinen Kontakt zu Klara auf? Sieht er Klara denn nicht? Ist er zu schüchtern oder desinteressiert? Müsste er nicht längst lernen, mit anderen Kindern zu spielen? Habe ich etwas falsch gemacht?“
Solche Sorgen sind weitverbreitet und ein zutiefst menschlicher Ausdruck Ihrer elterlichen Liebe. Wir sehnen uns danach, unsere Kinder glücklich und integriert zu sehen, und die Vorstellung, sie könnten allein oder ausgeschlossen sein, berührt unsere tiefsten Ängste. Doch ich möchte Sie einladen, die Situation von Leo und Klara für einen Moment mit anderen Augen zu betrachten. Was wäre, wenn ihr Verhalten kein Defizit darstellte, sondern im Gegenteil ein Beweis dafür wäre, dass sie beide ihrem inneren, sozialen Bauplan perfekt folgen? Die gute Nachricht ist: Was Sie da beobachten, ist in den meisten Fällen ein fundamentaler, unverzichtbarer und zutiefst gesunder Meilenstein in der sozialen Entwicklung Ihres Kindes. Es ist der erste entscheidende Schritt auf einer langen Reise: das Parallelspiel.
Die stille Grundlage – das Parallelspiel (ca. 2–4 Jahre).
Stellen Sie sich zwei Künstler vor, die in einem großen, lichtdurchfluteten Atelier arbeiten. Jeder steht vor seiner eigenen Leinwand und ist vollkommen in den kreativen Prozess versunken. Sie benutzen ähnliche Farben, hören das Kratzen der Pinsel des anderen auf der Leinwand und atmen dieselbe terpentingeschwängerte Luft. Sie sind sich der Anwesenheit des anderen zutiefst bewusst, werfen vielleicht gelegentlich einen verstohlenen Blick hinüber, lassen sich von der Farbwahl des anderen inspirieren oder von dessen konzentriertem Arbeitsethos motivieren. Aber sie malen nicht am selben Bild. Jeder erschafft sein eigenes Meisterwerk in der beruhigenden und doch anregenden Gegenwart des anderen. Genau das ist Parallelspiel. Es ist die stille, aber unerlässliche Vorschule der Freundschaft, das Fundament, auf dem alles Weitere aufbaut.
Für ein Kleinkind ist die Welt noch ein riesiger, oft überwältigender Ort. Die direkte Interaktion mit anderen Kindern und ihren unvorhersehbaren Impulsen, lauten Geräuschen, plötzlichen Wünschen und Handlungen kann schnell zu einer Reizüberflutung führen. Das Gehirn eines Zweijährigen ist bisher nicht in der Lage, all diese sozialen Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und angemessen darauf zu reagieren. Im Parallelspiel findet Ihr Kind einen geschützten Raum. Es ist eine Meisterleistung des Gehirns, die es ihm ermöglicht, sich in der Nähe von Gleichaltrigen wohlzufühlen, ihr Verhalten wie ein kleiner Forscher zu beobachten und ihre soziale Energie zu spüren, ohne den enormen Druck, sofort interagieren, teilen, kommunizieren oder verhandeln zu müssen. Es ist ein soziales Bad, kein soziales Schwimmbecken.
Was in diesen Momenten im Gehirn Ihres Kindes passiert, ist eine unsichtbare Schwerstarbeit. Einerseits ist es mit der fundamentalen Aufgabe beschäftigt, das „Ich“ zu entdecken und zu festigen. Es lernt: „Das sind meine Hände, das ist mein Körper, das ist mein Wille, der diesen Löffel bewegt.“ Bevor es sich einem „Du“ zuwenden kann, muss das Konzept des „Ich“ erst einmal sicher verankert sein. Zweitens stößt es auf kognitive Hürden, die wir als Erwachsene längst vergessen haben. Die Idee des Teilens ist für ein zweijähriges Gehirn beispielsweise nahezu unmöglich zu begreifen. Es verfügt bislang nicht über die Fähigkeit zum vorausschauenden Denken oder zur Impulskontrolle. Wenn ein anderes Kind sein heiß geliebtes Feuerwehrauto nimmt, denkt es nicht: „Der gibt es mir gleich wieder.“ Es denkt: „Weg. Für immer.“ Der daraus resultierende Wutausbruch ist also keine Charakterschwäche, sondern aus seiner Perspektive pure Überlebenslogik. Das Parallelspiel umgeht dieses Minenfeld. Jedes Kind hat sein eigenes Spielzeug und seine eigene Zone. Es ist ein unausgesprochenes Abkommen zur Konfliktvermeidung, das es den Kindern ermöglicht, positive soziale Erfahrungen zu sammeln, ohne ständig in emotionale Krisen zu geraten.
Drittens lernt Ihr Kind durch Nachahmung auf höchstem Niveau. Es sieht beispielsweise, wie Klara Sand in den Eimer schaufelt, und probiert es aus. Es hört, wie ein anderes Kind „Tütataa“ macht, und ahmt das Geräusch nach. Aus sicherer Entfernung beobachtet es soziale Interaktionen, ohne die Angst, bei der Ausführung zu versagen. Es lernt, wie andere Kinder rennen, lachen, fallen und wieder aufstehen. All diese Beobachtungen werden wie Daten auf einer Festplatte gespeichert und bilden die Grundlage für das zukünftige soziale Verhalten Ihres Kindes.
Was Sie als Eltern unternehmen können:
Schaffen Sie Gelegenheiten: Sorgen Sie für regelmäßige, aber niederschwellige Kontakte. Ein kurzer Besuch auf dem Spielplatz, die Teilnahme an einer Krabbelgruppe oder ein kurzes Treffen mit einem anderen Kind sind ideal. Erwarten Sie kein gemeinsames Spiel, sondern freuen Sie sich über das friedliche Nebeneinander. Die Qualität liegt in der entspannten Anwesenheit und nicht in der sichtbaren Interaktion.Widerstehen Sie dem Impuls, Ihr Kind zu schubsen. Sätze wie „Nun geh doch mal hin und spiel mit der Klara!“ erzeugen Druck und können Ihr Kind überfordern. Das führt oft zum gegenteiligen Effekt: Es klammert sich noch mehr an Sie. Es fühlt sich so an, als würden Sie seine aktuelle, sichere Strategie als falsch bewerten.Benennen und Bestätigen: Werden Sie zum Moderator des Geschehens. Kommentieren Sie positiv, was Sie sehen. „Ich sehe, du baust mit den grünen Klötzen. Schau mal, die Marie da drüben baut mit den gelben Klötzen. Ihr seid doch beide tolle Baumeister!“ Damit spiegeln Sie das Verhalten Ihres Kindes, geben ihm Wertschätzung und helfen ihm, die Anwesenheit des anderen Kindes bewusst und positiv wahrzunehmen.Seien Sie ein Vorbild für Parallelspiel, indem Sie sich mit einem Buch oder einer Zeitschrift neben Ihr spielendes Kind setzen. Damit zeigen Sie ihm auf einer tiefen Ebene, dass es vollkommen in Ordnung und schön ist, in der Nähe eines anderen Menschen zu sein, ohne permanent interagieren zu müssen. Sie leben ihm die Kunst des entspannten Beisammenseins vor.Schützen Sie die Spielinsel Ihres Kindes. Wenn ein anderes, vielleicht etwas forscheres Kind versucht, Ihrem Kind das Spielzeug wegzunehmen, und Sie sehen, dass Ihr Kind damit überfordert ist, dürfen Sie sanft eingreifen. Nicht, indem Sie das andere Kind ausschimpfen, sondern indem Sie die Situation erklären: „Stopp. Der Leo spielt gerade damit. Schau, hier ist noch ein anderes tolles Auto für dich.“ So schützen Sie die positiven Erfahrungen Ihres Kindes und zeigen ihm, dass seine Grenzen respektiert werden.Die ersten Brücken – das assoziative Spiel (ca. 3–5 Jahre)
Wenn Ihr Kind im sicheren Hafen des Parallelspiels ausreichend Vertrauen getankt hat, wird es langsam mutiger. Es beginnt, seine Fühler auszustrecken und die ersten, noch wackeligen Brücken zu den Spielinseln der anderen Kinder zu bauen. Dies ist die Phase des assoziativen Spiels. Die unsichtbare Wand wird durchlässig. Die Kinder interagieren nun miteinander, tauschen Materialien aus, sprechen miteinander und kommentieren ihre Handlungen. Ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel verfolgen sie jedoch bislang nicht.
Stellen Sie sich etwa den Maltisch in der Kita vor. Mehrere Kinder sitzen zusammen. Ein Kind malt einen blauen Himmel, ein anderes eine rote Sonne auf seinem eigenen Blatt. Plötzlich sagt das eine Kind: „Ich habe kein Rot mehr.“ Das andere Kind schiebt ihm den roten Stift hinüber. Ein drittes Kind schaut auf das Bild des ersten Kindes und sagt: „Du malst doch den Himmel.“ Das erste Kind nickt. Sie interagieren, kommunizieren und nehmen sich wahr, aber jeder malt weiterhin sein eigenes Bild. Die Verbindung ist locker, spontan und assoziativ. In der Bauecke reicht ein Kind dem anderen einen Stein, den es gerade nicht benötigt. In der Puppenküche rührt ein Kind in einem Topf, während das andere den Tisch deckt. Sie sprechen vielleicht darüber, aber sie spielen noch kein gemeinsames Rollenspiel mit verteilten Rollen.
Dieser Schritt ist evolutionär gewaltig. Er wird erst durch die rasante Entwicklung der Sprache ermöglicht. Nun kann Ihr Kind Wünsche äußern („Kann ich das haben?“), Fragen stellen („Was machst du?“) und auf die der anderen reagieren. Es lernt die Grundlagen von Verhandlungen: „Gibst du mir den Bagger, bekommst du mein Feuerwehrauto.“ Es erlebt, dass eine Kontaktaufnahme positive Folgen haben kann – man bekommt, was man wollte, oder erhält eine freundliche Antwort. Das Interesse am anderen Kind erwacht. Dieses ist nicht mehr nur Teil der Kulisse, sondern ein potenzieller Interaktionspartner, ein Individuum mit eigenen, interessanten Dingen und Ideen. Es beginnt ein vorsichtiges Experimentieren: Was passiert, wenn ich diese Brücke betrete? Trägt sie?
Was Sie als Eltern unternehmen können:
Stellen Sie „brückenbauendes“ Spielzeug bereit. Große Bögen Papier, auf denen mehrere Kinder malen können, eine Kiste voller Verkleidungssachen, eine große Menge an Bauklötzen oder eine Sandkiste mit mehreren Schaufeln und Eimern laden zu losen Interaktionen ein. Spielzeug, das nicht nur einer Person gehört, sondern gemeinschaftlich genutzt werden kann, ist hier Gold wert.Unterstützen Sie erste Dialoge sanft: Wenn Sie merken, dass Ihr Kind etwas von einem anderen Kind möchte, sich aber nicht traut, können Sie als Übersetzer fungieren. Sagen Sie beispielsweise: „Anna, ich glaube, der Paul würde dich gerne fragen, ob er sich auch mal eine Schaufel nehmen darf.“ So geben Sie eine Starthilfe, ohne das Ruder zu übernehmen. Sie leihen Ihrem Kind sozusagen Ihre Stimme, bis es seine eigene sicher genug einsetzen kann.Feiern Sie die kleinen Erfolge und bemerken und loben Sie jeden kleinen Schritt der Annäherung. „Das war aber sehr freundlich von dir, dass du dem Finn von deinen Keksen abgegeben hast.“ Oder: „Ich habe gesehen, wie ihr zusammen über den hohen Turm gelacht habt. Das sah nach Spaß aus.“ Das verstärkt das positive Gefühl und macht Mut für mehr.Seien Sie ein Sprachvorbild: Benennen Sie, was Sie sehen, und geben Sie Ihrem Kind so die Worte, die es für die Interaktion benötigt. „Oh, der Jonas hat seine Jacke ganz allein zugemacht. Das ist aber praktisch.“ Oder: „Ich sehe, du möchtest auch auf die Schaukel. Du könntest die Mia fragen: „Wann bist du fertig?“ Auf diese Weise füllen Sie den sozialen Werkzeugkasten Ihres Kindes mit den passenden sprachlichen Werkzeugen.Die Geburt des „Wir“ – das kooperative Spiel (ab ca. 4–5 Jahren).
Und dann, eines Tages, werden Sie es beobachten. Der Moment, in dem aus zwei getrennten Spielideen eine gemeinsame wird. Der Moment, in dem die Magie des „Wir“ entsteht. Das ist der Beginn des kooperativen Spiels. Jetzt gibt es ein gemeinsames Ziel, eine geteilte Fantasie und ein Drehbuch, das im Prozess des Spielens gemeinsam geschrieben wird. Aus „Ich baue einen Turm und du baust einen Turm“ wird: „Komm, wir bauen zusammen die allergrößte Ritterburg der Welt! Du baust die Mauer und ich den Turm für die Prinzessin.“
Dieser Entwicklungssprung ist anspruchsvoll und erfordert wahre mentale Superkräfte. Die wichtigste ist die Entwicklung der sogenannten „Theory of Mind“. Das ist die bahnbrechende Erkenntnis, dass andere Menschen eigene Gedanken, Gefühle, Wünsche und Absichten haben, die sich von den eigenen unterscheiden können. Ihr Kind versteht nun: „Nur weil ich die Ritterfigur sein will, will das andere Kind das vielleicht auch. Wir müssen eine Lösung finden.“ Es begreift, dass der Freund traurig sein könnte, wenn man ihm etwas wegnimmt – nicht nur, weil das Objekt weg ist, sondern auch, weil sein Wunsch missachtet wurde.
Zudem sind Impulskontrolle und Frustrationstoleranz erforderlich. Es muss lernen, auf den richtigen Baustein zu warten, die Idee des anderen zu akzeptieren – auch wenn die eigene besser schien – und mit dem Frust umzugehen, wenn die Burg einstürzt. Es muss Regeln verstehen, aushandeln und einhalten. All das sind hochkomplexe soziale Fähigkeiten, die das Gehirn auf Hochtouren laufen lassen.
Hier, im Schmelztiegel des kooperativen Spiels, werden die ersten echten Freundschaften geschlossen. Ein „Freund“ ist in diesem Alter nicht mehr nur der, der zufällig daneben sitzt, sondern der, mit dem das gemeinsame Abenteuer am besten gelingt. Freundschaften sind anfangs oft noch sehr auf das Hier und Jetzt sowie den Erfolg des gemeinsamen Spiels bezogen. Sie können schnell wechseln, was für Eltern manchmal befremdlich wirkt. Der „beste Freund“ vom Vormittag kann am Nachmittag schon wieder vergessen sein. Das ist normal und kein Zeichen von Oberflächlichkeit, sondern spiegelt die auf die Gegenwart bezogene Lebenswelt des Kindes wider. Die Freundschaft definiert sich über die Funktion: „Du bist mein Freund, weil wir so toll zusammen Feuerwehr spielen.“
Was Sie als Eltern unternehmen können:
Geben Sie Raum für unstrukturiertes Spiel. Die besten kooperativen Spiele entstehen aus Langeweile und Fantasie und nicht aus einem vollen Terminkalender mit erwachsenengeleiteten Aktivitäten. Sorgen Sie für Zeit und Raum, in denen Kinder einfach nur „sein“ und ihre eigenen Welten erschaffen können. Reduzieren Sie die Bildschirmzeit, denn sie bedeutet oft passiven Konsum, während echtes Spiel ein aktiver, kreativer Prozess ist.Helfen Sie bei „Reparaturen“: Kooperatives Spiel ist anfällig für Konflikte. Wenn die Ritterburg einstürzt oder beide Kinder die Prinzessin sein wollen, ist das Spiel in Gefahr. Hier können Sie als Coach eingreifen, wie wir es in Teil 4 dieses Buches noch ausführlich besprechen werden. Helfen Sie den Kindern, ihre Gefühle auszudrücken, und unterstützen Sie sie dabei, eine Lösung zu finden, damit sie wieder ins Spiel zurückfinden können.Sprechen Sie über die Qualität von Freundschaft. Beginnen Sie dazu, mit Ihrem Kind über die erlebten Situationen zu sprechen. Stellen Sie Fragen wie: „Was hat heute mit Tim besonders viel Spaß gemacht?“, „Was macht einen wahren Freund eigentlich aus?“ oder „Wie hat sich Lisa wohlgefühlt, als du ihr geholfen hast?“. So helfen Sie ihm, seine Erfahrungen zu reflektieren und ein tieferes Verständnis für die emotionalen Aspekte von Beziehungen zu entwickeln.Wertschätzen Sie die Fantasie und bewundern Sie die erschaffenen Welten. „Wow, erzählt mal, wer wohnt denn alles in eurer Höhle?“ Zeigen Sie Interesse an den gemeinsamen Kreationen, werten Sie damit auch die dahinterstehende soziale Leistung auf und stärken Sie die Verbindung der Kinder.Wenn Sie diesen faszinierenden Weg von den ersten, stillen Schritten des Nebeneinanders bis zum lauten, fröhlichen Miteinander verstehen, können Sie Ihr Kind mit unendlich viel mehr Gelassenheit und Vertrauen begleiten. Es ist eine Reise, kein Rennen. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, das von seinem einzigartigen Temperament geprägt ist. Vertrauen Sie auf diesen inneren Bauplan. Sie sind nicht der Antreiber, sondern der liebevolle Gärtner, der den Boden nährt und seine schützende Hand über die zarten Pflänzchen der Freundschaft hält, damit sie in ihrem eigenen Rhythmus wachsen und erblühen können.
Altersphasen der Freundschaft
Nachdem wir die ersten Schritte vom stillen Nebeneinander zum lauten Miteinander beleuchtet haben, ist es nun an der Zeit, die Landkarte der kindlichen Freundschaften weiter auszurollen. Freundschaft ist kein statischer Zustand, sondern ähnelt eher einem Fluss, der auf seiner Reise durch die Kindheit immer wieder seine Form, seine Tiefe und seine Strömungsgeschwindigkeit verändert. Was ein Dreijähriger unter einem Freund versteht, hat nur noch wenig mit der tiefen seelischen Verbindung zu tun, die ein Zwölfjähriger sucht. Wenn wir diese Veränderungen verstehen, können wir die sozialen Bedürfnisse, Freuden und Krisen unserer Kinder in den jeweiligen Altersstufen viel besser einordnen und begleiten.
Betrachten Sie die folgenden Beschreibungen als einen Reiseführer durch die faszinierenden Landschaften der kindlichen Freundschaft. Sie sind keine starren Kategorien, in die jedes Kind passen muss. Jedes Kind reist in seinem eigenen Tempo und mit seinem eigenen Temperament. Dieser Reiseführer wird Ihnen jedoch helfen, die typischen Merkmale jeder Etappe zu erkennen, die Herausforderungen zu verstehen und die beste Rolle als unterstützender Reisebegleiter für Ihr Kind zu finden.
Das Kleinkindalter (ca. 1–3 Jahre): Der Spielgefährte im Hier und Jetzt
In dieser ersten, sehr konkreten Phase ist ein Freund vorwiegend eines: ein praktischer Spielgefährte, der gerade da ist. Freundschaft ist an Handlung und physische Präsenz gekoppelt. Ein Freund hat spannendes Spielzeug, macht lustige Geräusche oder gräbt einfach nur im selben Sandkasten, ohne einem die eigene Schaufel wegzunehmen. Die Beziehung ist flüchtig und an den Moment gebunden. Der „beste Freund“ kann der Junge sein, der fünf Minuten lang friedlich neben einem auf der Rutsche sitzt, und eine Viertelstunde später ist es das Mädchen, das einen Keks teilt. Das Prinzip lautet: Aus den Augen, aus dem Sinn. Wenn der Spielkamerad nach Hause geht, endet die Freundschaft für diesen Moment – ohne Groll und ohne Sehnsucht.
Das liegt daran, dass das Denken Ihres Kindes noch vollkommen egozentrisch ist. Die Welt dreht sich um die eigenen, unmittelbaren Bedürfnisse und Impulse. Es kann die Perspektive eines anderen bis jetzt nicht einnehmen. Konflikte entstehen daher fast ausschließlich um Objekte. Der Schrei „Meins!“ ist der Leitspruch dieser Phase. Er ist jedoch kein Ausdruck von unsozialem Verhalten, sondern ein Versuch, die gerade erst entdeckte Welt und die eigene Position darin zu sichern. Die Tränen nach einem solchen Konflikt trocknen in der Regel so schnell, wie sie gekommen sind, sobald ein neuer, interessanter Reiz auftaucht. Das emotionale Gedächtnis für soziale Kränkungen ist noch kaum ausgeprägt.
Was Sie jetzt unternehmen können: Ihre Rolle ist die des sicheren Hafens und des wohlwollenden Raumgestalters. Schaffen Sie, wie bereits beschrieben, viele Gelegenheiten für das Parallelspiel. Sorgen Sie bei Spieltreffen möglichst für eine reizarme Umgebung mit genügend Spielzeug für alle, idealerweise Duplikate der beliebtesten Objekte, um Konflikte zu minimieren. Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind teilt. Modellieren Sie stattdessen einfaches soziales Verhalten. Begrüßen Sie das andere Kind und die Mutter freundlich mit „Hallo“. Sagen Sie „Tschüss“, wenn Sie gehen. Ihr Kind saugt diese einfachen sozialen Skripte auf. Wenn Ihr Kind einem anderen etwas wegnimmt, übersetzen Sie die Situation ruhig: „Klara hatte den Ball gerade. Schau, hier ist ein anderer Ball für dich.“ Sie sind der Fels in der Brandung und sorgen für eine positive und sichere soziale Atmosphäre.
Das Vorschulalter (ca. 4–6 Jahre): Der Partner für gemeinsame Abenteuer
In dieser Phase erlebt die Fantasie eine wahre Explosion, und mit ihr verändert sich die Bedeutung von Freundschaft fundamental. Ein Freund ist nun nicht mehr nur jemand, der da ist, sondern jemand, mit dem man gemeinsam etwas erschaffen kann. Freundschaft wird zum Motor für gemeinsame, fantastische Abenteuer. Freunde sind diejenigen, mit denen man eine Höhle aus Decken bauen, als furchtloser Pirat die Weltmeere besegeln oder eine fürsorgliche Puppenfamilie gründen kann. Die Basis der Freundschaft sind geteilte Aktivitäten und kompatible Spielideen.
Die Definition von Freundschaft ist nach wie vor sehr konkret und handlungsorientiert: „Der Paul ist mein Freund, weil er mit mir ‚Star Wars‘ spielt.“ Oder: „Lena ist nicht mehr meine Freundin, weil sie die kranke Katze nicht mimen wollte.“ Die Regeln dieser Spiele sind von existenzieller Bedeutung und werden mit großem Ernst verhandelt. Konflikte entstehen nun weniger um Spielzeug als um die Rollenverteilung und die Einhaltung des gemeinsam erfundenen Drehbuchs. „Du kannst nicht die Königin sein, ich bin die Königin!“ Ein Regelbruch im Spiel kann als Verrat an der Freundschaft empfunden werden. Gleichzeitig entstehen in dieser Phase die ersten Geheimnisse, die die Freundschaft der beiden Kinder festigen, sowie die erste zaghafte Form von Loyalität.
Was Sie jetzt unternehmen können: Sie werden vom Raumgestalter zum Bühnenbildner und Drehbuchassistenten. Ihre Aufgabe ist es, die Fantasie Ihrer Kinder zu beflügeln. Stellen Sie dazu einfache Requisiten wie alte Kartons, Tücher, Hüte und Kochlöffel zur Verfügung. Diese sind oft wertvoller als teures, vorgefertigtes Spielzeug, da sie die Kreativität anregen. Wenn Konflikte im Spiel entstehen, greifen Sie nicht als Richter, sondern als Coach ein. Fragen Sie beispielsweise: „Was ist denn das Problem? Aha, ihr wollt beide die Kapitänin sein. Welche Idee habt ihr, um das zu lösen?” Vielleicht können sie abwechselnd Kapitänin sein oder eine ist Kapitänin und die andere die mutige Steuerfrau. Helfen Sie ihnen, Lösungen zu finden, die das Weiterspielen ermöglichen. Beginnen Sie auch, über Gefühle zu sprechen und diese zu benennen: „Ich kann verstehen, dass du traurig warst, als das Spiel aufgehört hat.“ Damit legen Sie den Grundstein für emotionale Intelligenz.
Das Grundschulalter (ca. 7–10 Jahre): Der Verbündete in einer größeren Welt
Mit dem Eintritt in die Schule öffnet sich die soziale Welt Ihres Kindes enorm. Die Peergroup gewinnt an Bedeutung und die Familie tritt als primärer sozialer Bezugsrahmen langsam einen Schritt zurück. Freundschaften dienen nun nicht mehr nur dem Spiel, sondern auch der Orientierung und der Selbstbehauptung in dieser neuen, größeren und komplexeren sozialen Welt. Ein Freund ist nun ein Verbündeter, jemand, der einem den Rücken stärkt.
Die Kriterien für eine Freundschaft werden anspruchsvoller und psychologischer. Gegenseitige Sympathie, gemeinsame Interessen und vor allem Fairness und Reziprozität werden zu zentralen Pfeilern. Ein Freund ist jemand, der die gleichen Sammelkarten mag, der mir bei den Hausaufgaben hilft und dem ich auch helfe. Das Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ wird sehr genau und manchmal fast kleinlich bewertet. Es entstehen die ersten stabilen „besten Freunde“, oft gleichen Geschlechts, die eine enorme Bedeutung erlangen. Diese Freundschaften bieten Sicherheit, Zugehörigkeit und die erste Erfahrung echter Loyalität. Gleichzeitig ist dies die Phase, in der Ausgrenzung und Cliquenbildung schmerzhaft erlebt werden. Wer die „falschen“ Klamotten trägt oder die „falschen“ Interessen hat, kann schnell zum Außenseiter werden. Konflikte drehen sich häufig um gebrochenes Vertrauen, empfundene Ungerechtigkeit oder den Verrat von Geheimnissen.