Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Spiridion Illuxt gehörte zur Klasse jener nicht eben allzu seltenen Menschen, bei welchen bereits im dritten Jahrzehnt ihres Lebens jede siebzehnte Haarwurzel ihre Farbstofflieferung an die ihr entkeimende hörnerne Röhre, lateinisch capillus vulgaris zu deutsch im Volksmund "Haar" geheißen, einzustellen beginnt und weder durch Bitten noch gute Worte, weder durch Pomaden, Salben, Tinkturen. weder durch Massage oder Frottieren der Kopfhaut, durch Elektrisieren, Ionisieren des Haarbodens dazu gebracht werden kann, ihre blonde oder schwarze Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Spiridion Illuxt
Fantastsiche Erzählung
Max Valier
* * *
Verlag Heliakon
2022 © Verlag Heliakon, München
Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon
Titelbild: Pixabay (Kellepics)
Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
www.verlag-heliakon.de
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
* * *
Meiner Freundin Fräulein Grete Fines gewidmet
Max Valier
Spiridion Illuxt
Spiridion Illuzt gehörte zur Klasse jener nicht eben allzu seltenen Menschen, bei welchen bereits im dritten Jahrzehnt ihres Lebens jede siebzehnte Haarwurzel ihre Farbstofflieferung an die ihr entkeimende hörnerne Röhre, lateinisch capillus vulgaris zu deutsch im Volksmund „Haar“ geheißen, einzustellen beginnt und weder durch Bitten noch gute Worte, weder durch Pomaden, Salben, Tinkturen. weder durch Massage oder Frottieren der Kopfhaut, durch Elektrisieren, Ionisieren des Haarbodens dazu gebracht werden kann, ihre blonde oder schwarze Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Mit einem Wort, er fand jeden Tag einundeinhalbes graues Haar mehr in seinem Kamm, als am Vortag.
Man denke aber nicht, aus diesen Zerfallserscheinungen seiner äußeren Kopfhaut auf ähnliche Alterungsvorgänge im Inneren seiner Schädelknochen schließen zu dürfen. Weit gefehlt. Nicht nur war sein Gehirn das eines hartgesottenen Menschen und weit von aller Erweichung. — Oh nein! Noch viel mehr.
Hätte ein ausgepichter Hirnkundiger seine Schnörkel bei Lebzeiten des Mannes, der es im Kopf trug, studieren können, er hätte sofort schließen müssen, dass der Eigentümer dieser eigenartig gewundenen, äußerst fein ziselierten. in unzähligen Faltungen zu einer Oberfläche von fabelhafter und für den Menschen ganz ungewöhnlicher Größe entwickelten Gehirnes ein ganz besonderer Kauz gewesen sein müsste.
Spiridion Illuzt aber hatte keine Lust sich unter seine graue Hirnrinde gucken zu lassen, wenigstens nicht solange er lebte.
Und nach seinem seligen Tod, da würde niemand mehr sein, der seine Leiche sezieren könnte, denn vor ihm müssten erst alle anderen sterben.
Ha, das sollte seine Rache sein!
Spiridion Illuzt war kein gewöhnlicher Mensch, aber auch kein Mann von Rang und titel.
Niemand kannte ihn unter seinem wahren Namen, und doch sprach die ganze Welt von ihm, schrieb über ihn täglich in hundert Zeitungen, fluchte ihm.
Man achtete den Prinzen hoch, weil man von seinem Gold lebte, an seinen Gelagen schmarozte‚ man brachte dem amerikanischen Operntenor Ovationen dar, das Blut erstarrte in den Adern der Zirkusbesucher vor den Leistungen der des japanischen Artisten.
Dann las man wieder in den Zeitungen von den abenteuerlichen Darbietungen eines kühnen Einbrechers, dem es gelungen war, alle acht Panzerschränke einer englischen Großbank in einer Nacht zu erbrechen.
Endlich bewunderte man in den Kinos den film „Didalus“ wo ein Chinese sich als der erste Mensch aus eigener Kraft mit an den Schultern angebrachten Vogelflügeln in die Luft erhob.
Ein halbes Jahr später bauschte sich in den Sportblättern das Gerücht von einem Vorchampion in allen turnerischen Künsten, der alle bisherigen Weltrekorde, im Laufen, Springen, Eis- und Skilaufen, im Rad-, Motor-, Bobsleih- und Eisjachtfahren, kurz in allen nur erdenklichen Techniken, ebenso im Gewichtheben wie im Seiltanzen um das doppelte, ja dreifache geschlagen habe.
Alles das war Spiridion Illuzt.
Aber er war noch mehr!
Er hatte wohl an zehn Universitäten in allen fünf Erdteilen studiert und hätte vielleicht mehr als irgendein anderer je, den Doktortitel aller vier Fakultäten verdient, hatte die Technik in allen ihren teilen absolviert und in fast allen Sprachen der Erde es soweit gebracht, dass man ihn von einem Eingeborenen nicht unterscheiden konnte.
Und doch war er weder Doktor noch Ingenieur geworden.
Warum!
Weil er in allen seinen Dissertationen so ganz auf anderen Grundlagen aufbaute, so ganz in Widerspruch mit allem bisher Bekannten schrieb‚ weil er seine eigenen Professoren in seinen Worten so verhöhnte und Narren schalt, dass ihm natürlich keiner die Arbeiten annahm.
So veröffentlichte er seine technische Schrift: „Der geschlagene Jules Verne oder 100.000 Meilen unterm Meer«, ließ eine medizinische Dissertation: „Von der gewisslichen Vertierung des Menschengeschlechts“ folgen, gab eine juridische so voll von anarchistischen und jedem menschlichen und göttlichen Recht hohnsprechenden Sätzen aus, dass er flüchten musste, da man ihn zum Tod verurteilt hätte, endlich ließ er eine philosophische Arbeit über: „Die Pflicht zum Mord aus Grund des rücksichtlosen Egoismus“ erscheinen.
Seine theologische Dissertation aber betitelte er: „Satan an Stelle Gottes«, worin er nach seiner Art nachwies, dass es ganz gleichgültig sei, ob man das gute oder das böse Prinzip verehre, da doch alles, was auf der Welt geschehe aus der Mischung beider, aus Gut und Böse hervorgehe.
Kurzum, er war zynisch bis zum Pamphleten und schnob wie ein höllischer Drache Wut und Geifer, spritzte den Stanksaft seiner Feder wieder alles Hohe, Erhabene, Edle, Gute, Reine und Schöne.
Er hasste die Welt um Gottes willen, und die Menschen, weil sie seines Feindes Ebenbilder waren, er hasste sie so tief, wie noch keiner vor ihm.
Schon als fünfjähriger Knabe hatte er ein kleines Mädel mit Petroleum übergossen und angezündet und dazu gelacht und als man ihn fragte, warum er das getan, keck erwidert, weil es ihm eben Spaß gemacht hätte.
Und Tiere quälen, das war seine Lust.
Keinen Heuschrecken konnte er hüpfen sehen, ohne ihm ein Bein auszureißen, kein Singvögelein lassen, ohne ihr die Augen auszustechen, keinen Frosch, ohne ihm einen Strohhalm in den Schlund zu stoßen, ihn grausam aufzublasen und mit einem Steine zu zerknallen, keinen Hund, ohne ihm den Schwanz einzuzwicken, keine Katze, ohne sie ins Wasser zu werfen.
So war er schon als kleiner Knabe dutzendmal vorbestraft wegen allerlei Delikte, als er, dreizehn Jahre alt auf rätselhafte Weise aus dem Gefängnis verschwand.
Und nie hatte man von ihm wieder gehört.
Attentate wurden verübt‚ Einbrüche von schauervoller Kühnheit, Verbrechen, so grausam, scheußlich und schandbar, dass die Blätter weniger fragten, wie die Untat geschehen, und wer es gewesen, als vielmehr, wie es überhaupt einen Menschen geben könne, der zu solche grauenvoller, viehisch roher Untat fähig sei.
In vielen Fällen, und zwar immer in den leichteren, menschlicheren wurden die Täter gefasst und der Gerichtsbarkeit zugeführt.
Gerade die ärgsten, rohesten, unmenschlicheren Fälle aber blieben unaufgeklärt, als ob ein satanischer Dämon die tat vollbracht hätte, den zu ergreifen die menschlichen. die irdischen Mittel nicht ausreichten.
Immer grässlichere, immer fabelhaftere Verbrechen häuften sich, dann wie sich auch die Polizei aller Erdteile bemühte, sie war mehr als machtlos.
Die Geheiminstitute entsandten ihre besten Detektive. Vergebens. Sie kamen entweder mit leeren Händen oder gar nicht mehr zurück.
Das alles war Spiridion Illuzt, ja noch mehr.
Er war der größte Chemiker der Erde.
Früher würde man gesagt haben Alchemist. Man würde von ihm behauptet haben, dass er im Besitz des Steins der Weisen gewesen sein müsse, womit er nach Belieben Gold gemacht, sich von der Schwerkraft befreit und nach Lust und Bedürfen unsichtbar gemacht habe.
Daran durfte eine so aufgeklärte Zeit freilich nicht mehr glauben.
Und dennoch machte er Gold!
Echtes reines, bares Gold; soviel er wollte.
Er fälschte nicht einmal.
Nur als halbwüchsiger Knabe hatte er Banknoten gefälscht, mit so fabelhaftem Erfolg, dass er nach einem Jahre eine Million an eingewechseltem Gold auf deine Sparseite legen durfte.
Später aber brauchte er der Mühe nicht mehr, im dunkeln Keller an der Druckerpresse zu stehen und im Schweiß seines Angesichtes Banknoten zu drucken. Er machte einfach das Gold aus Blei, indem er durch Zuführung ungeheurer elektrischer Energien, die er in seinen Werken erzeugte, durch radioaktive Abspaltung pro Bleiatom ein Radio-Alpha und je zwei Beta-teilchen abtrennte und so das von der offiziellen Wissenschaft noch immer ungelöste Problem der Transmutation der Elemente praktisch nach Belieben ausnützte.
Was wusste die Wissenschaft!
Oh vieles. Sie wusste, dass alle die 80 chemischen Elemente im Grunde nur verschiedene Erscheinungsformen oder Gruppierungen der feinsten Teile der Urmaterie seien und sie verstand es zu berechnen, welche Teilchen man aus rohen und gemeinen Elementen abspalten müsste, um hohe, feine und edle Metalle nah Belieben zu erzeugen ― aus Elsen Gold zu machen.
Aber in der Praxis!
Jedenfalls: Spiridion Illuzt wusste es, wie es zu machen sei, denn er erzeugte Gold in jeder Quantität so echt und rein, als es nur je im Schoss der Erde gewachsen war, oder im Sande der Flüsse ausgewaschen wurde.
Spiridion Illuzt konnte es sich leisten, alles, was auf der hielt für Gold käuflich ist, zu kaufen.
Und das ist — leider — Vieles.