Spiritualität für jeden Tag - Susannah Healy - E-Book
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Spiritualität für jeden Tag E-Book

Susannah Healy

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Finden Sie den Sinn des Lebens

Ertrinken Sie in Aufgabenlisten und haben das Gefühl, nur noch der Beifahrer Ihres Lebens zu sein? Stärken Sie Ihr spirituelles Wesen, um wieder zu sich selbst zu finden. Sieben Säulen bilden den Kern auf der Suche nach dem Sinn des Lebens: Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vergebung, Geduld, Staunen, Humor und Stille.

Susannah Healy, Psychologin und Achtsamkeitslehrerin, verbindet das Beste aus westlicher und östlicher Spiritualität. Dadurch zeigt sie uns, wer wir sind und was uns ausmacht.
Jahrtausendealte spirituelle Lehren werden alltagstauglich übersetzt und auf unser Leben übertragen – von Beziehungen bis zum Job. Meditationen, Reflexionsübungen und inspirierende Geschichten regen zum Nachdenken und Ausprobieren an.

 

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Seitenzahl: 366

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Spiritualität für jeden Tag

Mit Dankbarkeit, Geduld und Großzügigkeit dem Leben mehr Tiefe geben

Susannah Healy

1. Auflage 2021

2 Abbildungen

Widmung

Für meine Eltern John und Miriam, meinen Mann Arthur und unsere drei Söhne Arthur, Oliver und Chester.

Mein Sinn des Lebens

Mein Glück

Ich liebe euch

Danke

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Widmung

Mehr als nur ein Gefühl Das Wesen der Spiritualität

»Blühe dort, wo du gepflanzt wurdest«

Nicht privat, sondern persönlich

Nicht nur sonntags

Wahrnehmung und Täuschung Die Karte hinterfragen

Gedankenströme: Wissenschaftlichkeit

Figur und Grund, die Gestalt

Die zweite Strömung unserer Zeit: Weltlichkeit

Bildnisse von Gott Der Mantel der Liebe hat viele Farben

Wie sind wir hierhergekommen?

Gläubig, aber nicht spirituell?

Die Lügen der Sprache

Der Gott unserer Hautfarbe

Eine Philosophie, die vereint

Unsere »Zugleichheit«

Die sieben SäulenUnsere tägliche Aufgabenliste

Was die Liebe von uns fordert: die beiden Lebensebenen der Sieben-Tage-Seele

Die erste Achse: die nicht geerdete Lebensebene

Die zweite Achse: die erdverbundene Lebensebene

Wie wir unsere spirituelle Fitness verbessern können

Der barmherzige Samariter

Die Säulen der Sieben-Tage-Seele

Geben Sie Ihrem Tag ein Gerüst

Führen Sie Tagebuch

Die vertikale Achse Meditation: unser stiller Stab in der Erde

Meditation

Wie unsere Aufmerksamkeit von Gefühlen verführt wird

Das Gebet und die Sieben-Tage-Seele

Überlegen und lernen

Lassen Sie alle Bewertungen Ihrer Meditation los

Zusammenfassung der Sieben-Tage-Meditation

Enden wir mit unserer Haut? Die mystische Linie unter die Lupe genommen

Wo in Ihrem Inneren steckt das Ewige?

Der noetische Kern

Die Sieben-Tage-Seele ist ganz(heitlich) menschlich

Offenbarungen für jeden Tag Lockerungsübungen fürs Leben

Spiritualität des Körpers

Gehen als Gebetsform

Achtsames Gehen

Achtsamkeit im Straßenverkehr

Achtsamkeit im Flieger

Achtsamkeit in Gesprächen: Überwinden Sie die instinktive Gewohnheit

Achtsamkeit am Schreibtisch

Die Erweiterung unserer Bewusstseinsausrüstung

Wir werden zu dem, was wir tun

Was sehen wir nicht?

Sein und Nichtsein

Pünktlich: wenn heute völlig überholt ist

Spiritualität in der Elternschaft und im Familienleben

Das hauchdünne Leben

Weiter, höher, tiefer

Weiter, höher, tiefer wachsen

Sich selbst treu bleiben

Höhenpsychologie: das Streben nach unserem höchsten Selbst

Was macht uns glücklich?

Der Sinn unserer Beziehungen

Sinnangst

Nach Gesundheit streben

Atmen Sie die Weite des Lebenssinns ein

Die Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen

Die sieben Säulen – unsere Monumente des Sinns

Lektionen des Lebens

Die erlernte Sinnlosigkeit

Konstellationen als Lebensorientierung

Ein ganzheitliches Personalwesen Spiritualität am Arbeitsplatz

Das unvermeidbare »Ich« im Team

Die Entdeckung unserer Macht, uns zu ändern

Die sieben Säulen am Arbeitsplatz – noetische Führungsmethoden

Die spirituelle Bewegung

Spiritualität in der Bildung Der Spielplatz der Seele

Wie wir in der Sieben-Tage-Seele spirituelle Intelligenz entwickeln

»Die notwendige Utopie«

Spiritualität in der Politik Zum Wohl aller regieren

Ist »happy« passé?

Im Zustand der Gnade

Spiritualität im Gesundheitswesen Frieden, der in die Knochen fährt

Wenn »alles an mir wehtut«: der totale Schmerz

SPINE: unsere Achse der Integration

Spirituelle Dissonanz

Neurotheologie

Die Seele unserer Räume Soziale Kurzsichtigkeit und ein ärztliches Rezept für Alpenluft

Wie wir das Staunen in unserem Leben erwecken können

Die Erweiterung unserer Linse auf die Welt: die soziale Kurzsichtigkeit?

Die transzendente Spiritualität Die nicht geteilte Grundlage der Weltreligionen

Die ewige Philosophie

Die gesammelten Stimmen des Einsseins Das Ziel der Menschheit ist Einheit

»Die beispiellose Größe des menschlichen Phänomens«

C. G. Jung: Psychiater und Psychoanalytiker

Abschließende Gedanken

Danksagungen

Literaturverzeichnis

Autorenvorstellung

Impressum

Mehr als nur ein Gefühl Das Wesen der Spiritualität

Vor ein paar Jahren besuchte ich in einer Bildungsstätte im Stadtzentrum von Dublin einen eintägigen Workshop über Achtsamkeit. Der Workshop fand in einem gemütlichen, warmen Raum statt; an den Wänden stapelten sich Regale mit Büchern über Achtsamkeit, Buddhismus und die Weisheiten aller Religionen dieser Welt.

Die Bildungsstätte wurde von einer katholischen Nonne geleitet, die ihr Leben den Armen – insbesondere den Obdachlosen – widmete. Da ich mit der Arbeit der Nonne schon vertraut war, überraschte es mich ein wenig, dass sie am Ende des Tages die Geschichte der Achtsamkeit in der katholischen Kirche immer noch nicht erwähnt hatte. Ehrlich gesagt war ich sogar ein wenig verstimmt darüber, dass mein »Fachgebiet« gar nicht verteidigt worden war.

Als die anderen sich verabschiedeten, ging ich zu ihr und fragte sie, warum sie es nicht für nötig gehalten habe, die Geschichte des Mystizismus in der katholischen Kirche zu erwähnen, obwohl sie doch ihr ganzes Leben diesen Lehren widmete. Ihre Antwort war einfach, aber tiefgründig. Sie wandte sich mir zu und sagte: »Es gibt viele Wege zu Gott.«

Diese Worte habe ich nie vergessen. Da war diese Frau, die ihr ganzes Leben dem Dienst Gottes durch die katholische Kirche widmete. Dennoch hatte sie nicht das egoistische Bedürfnis, sich oder andere davon zu überzeugen, ihr Weg sei der richtige oder einzige Weg hin zu einem spirituellen Leben. Ihre Worte, die mein Leben veränderten, bewiesen eine spirituelle Reife, die voller Liebe und Offenheit war, eine Reife, die nicht nach der Anerkennung anderer strebte, sondern die Weite des Geistes erkannte, der uns umgibt – die Weite und Breite, den Atem unseres täglichen Lebens.

Die spirituelle Dimension findet sich überall und jederzeit. Ihre Existenz hängt nicht von unserer Wachsamkeit ab, sie kommt und geht auch nicht mit dem Aufstieg und Untergang unserer Überzeugungen. Sie ist das Sein an sich – das »Da-sein« aller Dinge – das innere Leben der sichtbaren Welt, das sich uns offenbart, damit wir es kennenlernen und darin leben.

Der spirituelle Aspekt unseres Universums ist kein losgelöstes oder wolkenhaftes Gefühl, das uns über dem »realen« Leben schweben lässt – an einem Ort, den wir wieder verlassen müssten, um in die »Wirklichkeit« zurückzukehren. Die tatsächliche Essenz der Wirklichkeit, die authentischste und tiefste Kenntnis der Wirklichkeit, ist es, die wir aufgrund eines göttlichen Plans oder der Grenzen menschlicher Wahrnehmung nur schwer erkennen können.

Für viele von uns gab es schon Momente, in denen wir diese Tiefe der Welt, diese andere Sichtweise, erleben konnten. Doch für die meisten von uns sind das nur flüchtige Augenblicke, die vom Strom alltäglicher Dinge, die erledigt werden müssen, unterbrochen werden. Wenn wir Spiritualität nur als ein Gefühl ansehen, kann Eile wie der Feind eines spirituellen Lebens wirken. Natürlich ist es für uns alle einfacher, uns in der Stille unserer persönlichen höheren Macht verbunden zu fühlen. Doch wenn wir unser Verständnis von Spiritualität erweitern und sie als Lebensweise begreifen, können wir jeden Augenblick als Chance auf ein spirituelleres Leben ansehen. In meinem Buch erforschen wir diese Breite unseres spirituellen Selbst im Lebensalltag.

Spiritualität ist diejenige unserer Dimensionen, welche die großen existenziellen Dinge des Lebens verstehen will – zum Beispiel: Warum sind wir auf der Welt? Und was ist der Sinn meines Lebens? Spiritualität ist der selbsttranszendente Aspekt des Lebens – der Teil, der die Grenzen unseres physischen Körpers überschreitet, der sich mit den größeren Zusammenhängen unserer Existenz in Bezug auf Äußeres befasst – einschließlich der Verbindung zu anderen und unserer Stelle im Universum. Für manche von uns zählt dazu auch die Verbindung zu einer transzendenten Realität, wie beispielsweise Gott, Allah oder dem ultimativen Mysterium.

Spirituelle Dinge sind die Fragen nach dem »Gesamtbild«, die eine weitere Perspektive auf das Leben erfordern als unsere Sicht auf das tägliche Leben: die Fähigkeit, »den Wald vor lauter Bäumen zu sehen«. Erst dann werden die Überzeugungen hinsichtlich dieser letztendlichen Realität – des größeren Zusammenhangs unseres Lebens –, zu denen wir gelangen, das erklärende Narrativ, das uns durch Leben und Sterben führt. Daher ist Spiritualität die Lebenskarte, die wir für uns selbst zeichnen.

»Blühe dort, wo du gepflanzt wurdest«

Wie die meisten Iren wuchs ich im katholischen Glauben auf, und auch wenn ich mich mit einigen der katholischen Grundlehren immer noch schwertue, habe ich mir meinen festen Glauben an Gott bewahrt.

Als ich im Erwachsenenalter mit Achtsamkeitsmeditationen begann und später eine Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin machte, störte ich mich manchmal daran, dass hier die Anerkennung einer höheren Macht zu fehlen scheint. Die Art von Achtsamkeit, die heute populär und weitverbreitet ist, ist eine säkularisierte Version, der die stark spirituellen buddhistischen Wurzeln fehlen.

Spirituelle Übungen, wie beispielsweise tiefe Stille, Mitgefühl und die Welt staunend zu betrachten, gehören zwar zum Grundprogramm der säkularisierten Achtsamkeit, doch irgendwann reichten auch sie mir nicht mehr. Ich brauchte die Bestätigung meines Glaubens an etwas Höheres, das ich Gott nenne, aber das viele andere unter dem Namen Göttin, Liebe, ultimatives Mysterium, Jahwe, Brahman, Mutter Erde oder den zahlreichen anderen Bezeichnungen kennen.

Eine Geschichte wurde überliefert, in der ein Mensch aus dem Westen, der auf der Suche nach dem rechten Glauben ist, den Dalai-Lama anspricht und ihn darum bittet, ihm die Lehren des Buddhas nahezubringen. Doch der Dalai-Lama sagt nur: »Blühe dort, wo du gepflanzt wurdest.«

Wenn wir uns mit unserer eigenen Religion schwertun, ist es mitunter sehr verlockend (und auch lehrreich), uns von den Lehren anderer Religionen inspirieren zu lassen. Doch wie auch die katholische Nonne in meinem Achtsamkeitsworkshop sagte, sind all diese Religionen nur Varianten unserer Reise zur ultimativen Wahrheit. Das soll nicht heißen, dass sie alle austauschbar wären. Aber sie alle geben uns Aufgaben und Regeln auf, die uns lehren sollen, die Tiefen und verborgenen Höhen der Welt um uns herum zu entdecken – klarer zu erkennen, was längst da ist: die Grundlagen oder der Unterboden der Existenz.

Zu blühen, wo ich gepflanzt wurde, bedeutete für mich, mich mit dem mystischen christlichen Glauben und seinen Lehren über Meditation und Kontemplation sowie mit anderen Religionen zu befassen. Die Meditation und Varianten der Achtsamkeit lassen sich in nahezu allen Religionen und auch in der säkularen und atheistischen Spiritualität finden. Eine wirkliche Offenbarung waren für mich jedoch die neuen Gottesbilder, die diese mystischen Lehren mir vermittelt haben. Für mich waren sie voller Ehrfurcht und der Erkenntnis, dass alles heilig ist, während sie zugleich eine Alternative – oder eine weitere Möglichkeit – anboten, Gott zu erkennen, der als alter Mann im Himmel dargestellt wird, auf den wir all unsere Wünsche, Eifersüchteleien und Schwächen projizieren.

Indem ich mich in diese Texte vertiefte, wurde mir eine Version Gottes vermittelt, die für mich weitaus »heiliger« ist. Zwar wurden auch dort Stille, Mitgefühl und ein neuer Weltblick als Schlüsselelemente jeder Meditation und jedes Gebets gelehrt, nun jedoch mit der Erkenntnis einer noch viel höheren Macht.

Solche mystischen Lehren hinterfragen die traditionellen Bilder, die wir uns von Gott gemacht haben. Es ist ein Gottesbild, an das manche nicht glauben können. Dieser neue Aspekt des christlichen Glaubens eröffnete mir einen Meditationsweg, der sich für mich wirklich authentisch und persönlich anfühlt. Er eröffnete mir Gebete, die nicht mehr aus den Worten anderer bestehen, sondern die vollkommen stumm sind. Er verlieh meinen Achtsamkeitsübungen einen ganz neuen Sinn, indem er sie in Zusammenhang mit meinem eigenen Glauben brachte. Er schenkte mir eine Karte der Bedeutung und neuer Gebiete, anhand derer ich mein spirituelles Leben erkunden konnte. Und – ganz wichtig – er erinnerte mich daran, die alltäglichen Probleme und Aufgaben in Bezug auf diese spirituelle Realität zu sehen.

Natürlich werden wir im täglichen Leben immer wieder von einem gewissen Gefühl der Heiligkeit angezogen und abgestoßen. Aber wenn wir lernen, uns die Zähne zu putzen, die Kinder anzuziehen, E-Mails zu verschicken, das Essen zu kochen, zwischen unserer Arbeitsstätte und zuhause zu pendeln, Beziehungen zu pflegen und alles andere, was wir – mit der Absicht, einen Bezug zwischen unserem Leben und dem herzustellen, was für uns die ultimative Wahrheit ist – im Alltag tun, dann arbeiten wir hart an einer besseren Version unserer selbst: an einem Leben im ständigen Bewusstsein unserer Werte. Wir werden notgedrungen immer wieder scheitern. Wir werden Dinge sagen, die wir besser nicht gesagt hätten, wir werden ungeduldig werden, egoistisch handeln und alle anderen Fehler machen. Doch es ist wie das Erlernen einer neuen Fähigkeit – wir müssen es üben. Wir werden zu dem, was wir tun.

Um etwas zu ändern, müssen wir als Erstes Dinge wahrnehmen oder uns ihrer bewusstwerden. Dann können wir durch Meditieren oder Beten buchstäblich das üben, was wir immer mehr werden wollen. Indem wir es immer wieder versuchen, orientieren wir uns neu in Richtung einer Lebensart, die wir als wertvoll erachten und anstreben.

Nicht privat, sondern persönlich

Da, wo wir gepflanzt wurden, zu blühen, kann sich wie ein – manchmal auch ziemlich einsamer – Kampf gegen Windmühlen anfühlen. Spiritualität wird generell als Privatsache angesehen, und unsere spirituelle Seite wird im öffentlichen Leben nur selten anerkannt.

Ebenso selten, wie man einen Politiker über unser Bedürfnis nach einer sinnvollen beruflichen Aufgabe reden hört, während er bei der Einweihung eines neuen Bürokomplexes das Band durchschneidet, erleben wir einen Architekten, der beim Entwurf eines Stadtviertels über unser Bedürfnis nach Stille oder der Kommunikation mit »etwas Höherem« nachdenkt, oder einen Arzt, der uns nach unserem Glauben fragt, wenn seine Diagnose nicht gerade lebensbedrohlich ist. Doch wie wir in späteren Kapiteln sehen werden, haben psychologische und biomedizinische Untersuchungen ergeben, dass Spiritualität – neben der Pflege von Körper und Geist – ein wesentlicher Gesundheitsaspekt ist. Viele von uns meiden es im Gespräch mit Freunden, spirituelle Themen anzuschneiden, weil wir dann das Gefühl hätten, wir stocherten zu sehr in den persönlichen Angelegenheiten anderer herum. Wir verwechseln dabei jedoch das Persönliche mit dem Privaten. Spiritualität ist zwar eine zutiefst persönliche Sache, aber sie ist keine Privatangelegenheit.

Jeder von uns spielt eine Rolle – trägt sogar eine Mitverantwortung – bei der Erschaffung einer Welt des stärkeren Mitgefühls, und jeder von uns muss die Arbeit leisten, die nicht nur das heutige Leben sinnvoller macht, sondern uns auch auf Momente vorbereitet, die uns wirklich auf die Probe stellen.

Das sind die Momente, in denen wir ein Kind liebevoll dazu ermutigen, etwas aus der Sicht eines anderen zu sehen, oder in denen wir ihm geduldig seine Hausaufgaben noch einmal erklären, in denen wir stehenbleiben, um einem Touristen weiterzuhelfen, der sich auf der Straße mit einer Stadtkarte abmüht, in denen wir nicht noch eine Plastikflasche kaufen, in denen wir jemanden in den E-Mail-Verteiler aufnehmen, damit er sich mit einbezogen fühlt, in denen wir dankbar für unsere Arbeit sind oder einen Sonnenuntergang bewusst wahrnehmen – all das können Dinge sein, die es uns ermöglichen, uns mit dem großen Ganzen verbunden zu fühlen, indem sie eine tiefere innere Verbindung zu unserer Sieben-Tage-Seele herstellen.

Nicht nur sonntags

Unser spirituelles Leben bauen wir in vielen Augenblicken auf, immer, wenn sich uns ein winziger Baustein der Ewigkeit zeigt. Wir versuchen häufig, es auf Sonntage, den Yoga-Kurs, die Wochenenden, spirituelle Workshops oder Gebete zu beschränken. Das sind zwar alles nützliche und strukturierte Methoden, mithilfe deren wir den Boden für unsere Blüte vorbereiten können. Doch sie sind nicht dazu gedacht, von unserem restlichen Alltag abgetrennt zu werden. Sie sollen unser tägliches Leben prägen.

Wir gehen schließlich nicht ins Fitness-Studio, um gut darin zu werden, wie wir ins Fitness-Studio gehen, sondern um fit fürs Leben zu sein. In ähnlicher Weise sollen spirituelle Praktiken es uns leichter machen, das Leben auf eine neue Weise zu leben. Auf eine bewusstere Weise, mit Absicht zu leben. Dann ist Spiritualität nicht mehr nur ein verträumtes, unreales, nebelhaftes warmes Gefühl, in dem wir von Zeit zu Zeit schwelgen können, sondern vielmehr eine bewusste, aktive, zielgerichtete und disziplinierte Art und Weise, jeden Moment in Bezug auf eine Dimension der Realität zu leben, die manche Menschen zwar spüren, die wir jedoch nicht sehen können. Sie ist das fortwährende Projekt, unseren Teil am kollektiven Bewusstsein der Menschheit weiterzuentwickeln – hin zu dem, was wir als heilig empfinden. Für manche Religionen ist es die Erleuchtung, für andere, sich den Geist Christi anzueignen oder den Schleier der Maya zurückzuziehen.

In diesem Licht betrachtet ist Spiritualität, wenn man einem Kind liebevoll die Nase putzt, im Winter Wildtiere versorgt und sich lieber auf die Zunge beißt, statt zurückzubeißen. All diese Augenblicke bieten uns die Chance zur Stärkung unseres spirituellen Muskels, zu spirituellem Krafttraining in den mitunter eintönigen Wiederholungen unserer Alltagsprobleme. Dadurch geben wir unserem Leben einen Sinn, indem wir unseren Beitrag zur Erschaffung einer besseren Welt leisten.

Wie die folgenden Kapitel zeigen, entsteht durch diese Übungen ein neues Modell des Wohlbefindens, das unsere spirituelle Dimension mit einbezieht – ein Modell, das wie ein Klappstuhl zusammenbrechen kann, wenn sein Gleichgewicht allein auf Körper und Geist ruht.

Um die Spiritualität wieder in unser Privatleben und das öffentliche Leben, das wir gemeinsam erschaffen, zu integrieren, müssen wir uns zunächst dessen, was normalerweise unbewusst bleibt, bewusst werden. Erst dann können wir klar erkennen, wie weit wir schon sind, und die verschiedenen geistigen Ebenen begreifen, die uns zur Verfügung stehen – und wie wir sie nutzen können.

Überall in diesem Buch finden Sie praktische Möglichkeiten, Spiritualität und Lebenssinn in den Alltag einzubauen. Mein Buch bietet Ihnen eine Vorlage dafür, wie man ein spirituelleres Leben führen kann, wobei jedem Wochentag ein bestimmtes Thema zugeordnet wird. Wir alle müssen die Messlatte hoch ansetzen, um uns dazu zu bringen, über unsere alltäglichen Gewohnheiten hinauszuwachsen. Wenn wir uns bemühen, nicht das zu tun, was wir sonst immer tun, sondern uns weiterzuentwickeln, um eine bessere Variante unserer selbst zu werden – um alles zu werden, was wir sein können –, dann können wir in einer besseren Welt leben.

Wahrnehmung und Täuschung Die Karte hinterfragen

Um unsere Sieben-Tage-Seele zu entwickeln, muss uns erst einmal klar werden, dass wir eine Angewohnheit haben, die Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen – eine Art Linse, die auf alles gerichtet ist, was wir sehen, und die unsere Wahrnehmung der Realität prägt.

Diese Linse wird von unserer Persönlichkeit, unseren Eltern, unseren Erfahrungen und der Kultur, in der wir leben, geprägt. Sie beeinflusst alles, was wir wie tun, was uns lieb und wichtig ist. Doch wenn die Linse, durch die wir die Welt sehen, unbewusst und trüb wird, wird sie häufig über Generationen so weitergereicht. Dann entsteht ein schon beinahe weltweites Gruppendenken, dem man nur schwer entfliehen kann.

Gedankenströme: Wissenschaftlichkeit

Unser gesamter Körper ist eine lebendige Linse, ein Deutungszentrum, durch das wir die Welt mithilfe unserer armseligen fünf Sinne filtern. So wie Fische das Wasser nicht sehen, so leben, arbeiten und handeln wir alle in einem kulturellen Zeitgeist, den wir gar nicht wahrnehmen. Wenn die Gemeinde oder Familie, unser Arbeitsplatz, Land oder Kontinent dieselben Werte oder Zukunftsaussichten teilt, fällt es uns schwer zu erkennen, dass es außer diesen Werten noch eine ganze Reihe anderer Wahlmöglichkeiten gibt.

Wissenschaftlichkeit ist nur eine kulturelle Linse, durch die wir die Welt sehen. Der Glaube, dass die Wissenschaft irgendwann Antworten auf alle Fragen finden wird, mag zutreffen oder auch nicht. Er ignoriert jedoch die Fähigkeit zu erkennen, dass Forschungsergebnisse von den Fragen abhängen, die wir stellen. Wir könnten am falschen Ort nach Antworten suchen. Der Wissenschaftler aus einer früheren Zeit, der eine Leiche vor und nach dem Tod wog, um das »Gewicht« der Seele zu messen, war sich der Vermutung, die in seiner Frage steckte, nicht bewusst: nämlich, dass die Seele ein »Ding« sei. Die Methode, die Leiche vor und nach dem Einsetzen des Todes zu wiegen, war zwar völlig logisch und wissenschaftlich, doch die ihr zugrundeliegende Annahme war (wie wir heute glauben) falsch. Die unbewusste Annahme, die hinter den Forschungen des Wissenschaftlers steckte, basierte auf der Theorie, die heute als »der Gott der Lücken« bezeichnet wird.

»Der Gott der Lücken« ist der veraltete Glaube, Gott lasse sich in den Teilen des Universums und des Körpers finden, die sich noch nicht wissenschaftlich erklären lassen. Es wird davon ausgegangen, dass das, was wir nicht verstehen können – wie beispielsweise die dunkle Materie im Weltraum und die vielen Gebiete der Neurowissenschaften, die für uns nicht greifbar sind –, der Bereich Gottes sei.

Der Haken an dieser Vorstellung ist, dass Gott sich auf einem Punkt im Universum wiederfand, der nicht größer als eine Briefmarke war, als die Erkenntnisse der Wissenschaft Fortschritte machten. Sie bedeutete, dass etwas nicht Gott zugeschrieben werden könnte, solange es sich wissenschaftlich erklären ließe. Dieses Konzept war dualistisch, denn es trennte die Materie vom Sakralen, sodass Gott – oder was immer wir als göttlich ansehen – in der wissenschaftlich erklärbaren, materiellen Welt keinen Platz mehr hatte. Eine solche Vorstellung näherte sich wieder dem Götterbild des »alten Mannes im Himmel« und führte zu so wenig hilfreichen Ausdrücken wie dem »Gottesteilchen« – sobald es wissenschaftlich erforscht werden konnte, war es nicht länger Gottes Teilchen.

Solche geistigen Modelle unserer Weltsicht – die Trennung der Seele vom restlichen Körper, der Glaube an Gott als ein Ding, das Einbeziehen von Sinnhaftigkeit in unsere Vision von Gesundheit und so weiter – haben einen unmittelbaren Einfluss darauf, wie wir mit uns selbst, miteinander und mit der Welt umgehen. Die mechanistische Methode, die natürliche Welt in Bereiche zu zerteilen, die sich individuell erforschen lassen, ist zwar in vielerlei Hinsicht nützlich, da sie es uns ermöglicht, die Welt besser zu begreifen. Mit dieser Annäherungsweise lassen sich jedoch die einzelnen Teile nicht in Bezug zueinander untersuchen, und sie lässt auch die Beziehung eines Teils zum großen Ganzen außer Acht. Es ist nicht falsch, die Welt durch eine atomistische Linse zu sehen, solange wir uns dessen bewusst sind. Dann können wir uns ein anderes Mal eine stärkere Weitwinkel-Linse aussuchen, mit der wir jedes Teil in Bezug auf das System, dem es angehört, betrachten.

Die wechselseitige Verbundenheit der Menschheit mit der Natur war ein grundsätzlicher Aspekt der Lehren des Altertums – von den alten Ägyptern über Platon und Aristoteles bis hin zu den Stoikern und anderen Lehren. Die Veden, der Koran und die Bibel sprechen alle auf unterschiedliche Weise von der Einheit allen Seins. Die Philosophie der Stoiker lehrte, dass wir die »wahre Weisheit« nur dann erlangen können, wenn wir im Einklang mit der Natur leben oder wenn wir einen Bezug zwischen der Wahrheit der Dinge, Gedanken und Handlungen herstellen.

Thomas von Aquin stellte im 13. Jahrhundert die These auf, dass der Kosmos einem »ewigen Gesetz« unterliegt, und hinduistische Gelehrte beschrieben eine »ewige Ordnung« (Sanatana Dharma). Der Schöpfer wurde nicht als ein von seiner Schöpfung getrenntes Wesen angesehen, und das Göttliche war in der gesamten Natur wiederzufinden. Doch wie Prince Charles in seinem Buch Harmonie beschreibt, bekam diese Verortung der Göttlichkeit in der Natur während des 13. Jahrhunderts erste Risse, als sich die kollektive Wahrnehmung Gottes änderte: Nun wurde er nicht mehr in, sondern außerhalb der Natur verortet. Das führte zu Fragen, die wir uns noch heute stellen, beispielsweise: Greift Gott in die Welt ein? Ist er ein persönlicher Gott? Als Gott noch Teil der Natur war, wären solche Fragen niemals aufgekommen.

Die Trennung von Gott und der Natur ließ der Menschheit freie Hand, mit der Natur zu machen, was sie will. Die Natur wurde nun als etwas angesehen, das nicht unser Partner ist, sondern etwas, das wir unter unsere Kontrolle bringen müssen. Die Trennung machte neue Wortschöpfungen nötig – wie zum Beispiel »übernatürlich«, statt alles – selbst Unerklärliches – als Teil der Natur zu sehen.

Das neue Paradigma der Trennung zwischen Mensch und Natur verstärkte sich im 17. Jahrhundert noch, nachdem der Mathematiker und Philosoph René Descartes die These aufstellte, dass die wissenschaftliche Forschung jedes Element des Weltmechanismus einzeln betrachten sollte, um es zu begreifen. Obwohl Descartes ein gläubiger Mann war, ging er davon aus, dass sich die Welt auf mechanistische Weise, abgespalten von religiösen und philosophischen Überzeugungen, verstehen ließ. Diese These mündete in den cartesianischen Dualismus, der – auch wenn er in vielerlei Hinsicht äußerst nützlich war – zur Trennung zwischen Körper und Geist in der Medizin führte, einer Vorstellung, die wir erst jetzt zu überwinden beginnen.

Gottesbilder geraten in Konflikt mit dem, was wir als das Präpositionsproblem bezeichnen könnten – den Grenzen unserer Sprache. Wenn unser Wortschatz für etwas nicht reicht, dann können wir es uns nicht vorstellen. Und wenn wir es uns nicht vorstellen können, dann nehmen wir es nicht in unseren Wortschatz auf. »Gott« ist ein Wort, das mit vielen anderen Vorstellungen verbunden ist, vor allem mit der Vorstellung, Gott sei männlich oder ein »Ding« mit Umrissen, das man hypothetisch zeichnen könne.

Logischerweise müssen wir ihn daher – wenn auch unbewusst – irgendwo verorten, denn wenn er ein Ding ist, dann muss er auch irgendwo sein. Als Gott von der Natur abgespalten wurde und so auch nicht länger in der Natur sein konnte, schlossen wir daraus, dass er sich außerhalb der Natur befindet.

Es werden allerlei Varianten dieses Themas angeboten, wie beispielsweise die, dass Gott (oder das Göttliche) zwar außerhalb der Natur ist, wir sein Werk jedoch in der Natur erkennen, oder dass Gott zwar wieder in der Natur ist, aber nur in der menschlichen, und so fort. Andere Metaphern beziehen sich darauf, ob wir von Gott erschaffen wurden, ein Teil Gottes sind oder ein Teil Gottes in uns steckt.

Auch wenn all diese Metaphern nützliche Lehrmittel sind, lassen sie sich nur begrenzt dehnen. Unser Wortschatz beschränkt sich auf das, was unsere fünf Sinne aus der Signalsuppe, von der wir in der Atmosphäre umgeben sind, herausfischen können. Das Mysterium, von dem wir sprechen, wird jedoch nicht von Sprache begrenzt und ist auch nicht menschlicher Natur. Es hängt nicht davon ab, ob wir es begreifen oder daran glauben. In der Lehre der Veden beruht die Illusion der Trennung von der großen Einzigkeit, der Menschen unterliegen, auf dem so genannten »Schleier der Maya«.

Maya ist eine Art kosmische Täuschung, die Macht in der Schöpfung, durch die wir Dualität – ich und der andere voneinander getrennt – empfinden. In den meisten Weltanschauungen, ob theistisch oder atheistisch, findet sich eine ähnliche Lehre, laut der Dualität eine Täuschung oder ein Mangel unseres menschlichen Bewusstseins ist. Diese Täuschung beziehungsweise dieser Mangel wird im Tod oder durch Erleuchtung überwunden.

Um uns von der Art und Weise, wie wir uns selbst sehen und welchen Teil wir im größeren Zusammenhang der Welt einnehmen, zu lösen, sollten wir vielleicht als Erstes die Grenzen der Sprache erkennen.

Wissenschaft und Spiritualität werden häufig als ein Entweder-oder Szenario dargestellt, wobei sich die Leute entweder als spirituell oder wissenschaftlich orientiert präsentieren. Doch Wissenschaft und Spiritualität sind nur verschiedene Möglichkeiten, dasselbe zu umschreiben; sie sind unterschiedliche Methoden, nach denen verschiedene Arten der Forschungsergebnisse gesammelt werden. Und aufgrund unserer kulturellen Vorliebe für Dinge, die sich mit den uns bisher bekannten wissenschaftlichen Methoden messen lassen, wird das Thema Spiritualität entweder beiläufig oder auf extreme oder alternative Weise dargestellt, die den Bezug zwischen spirituellen Dingen und dem täglichen Leben nicht richtig erklärt.

Das abstrakte und undurchdringliche Wesen der Spiritualität passt nicht wirklich zur wissenschaftlichen Vorliebe für das Zusammentragen von Zahlen und Fakten. Doch wenn wir uns die Trennung zwischen der Wissenschaft und der Spiritualität als Unfähigkeit, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen, vorstellten, dann könnten wir womöglich klarer verstehen, dass alle »Bäume« wissenschaftlicher Bestrebungen im »Wald« der Spiritualität stehen.

Die Spiritualität ist der beständige Hintergrund, die Szene, in der bedeutende wissenschaftliche Bemühungen stattfinden. Es geht um unseren Platz in Beziehung zum weitesten Zusammenhang und um ein Leben, das in Bezug dazu gelebt wird. Die Spiritualität fokussiert ihre Studien auf die duale Eigenschaft des Göttlichen in uns und seinen Platz im Allumfassenden, Universalen, in der gesamten Existenz. Wissenschaftliche Erhebungen müssen sich auf Untersuchungen konzentrieren, um genaue Ergebnisse zu erzielen. Um das große Ganze unseres Universums zu verstehen, müssen wir beide Linsen – die der empirischen Messungen und die anderer Wissenswege – verwenden.

Figur und Grund, die Gestalt

Die Gestalttheorie ist eine Richtung der Psychologie, die untersucht, wie wir etwas visuell wahrnehmen. Sie geht davon aus, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die Dinge in unserem Sichtfeld richten, die hervorstechen, und nicht auf Dinge im Hintergrund. Diese These wird »Figur-Grund-Wahrnehmung« genannt, wobei »Figur« für das steht, was sich von dem Hintergrund – dem »Grund« – abhebt. Sie bezieht sich auf unsere Neigung, zwischen einem Vordergrund und einem Hintergrund zu differenzieren.

Das tun wir unbewusst, indem wir bestimmte Dinge zusammenfügen, die nahe beieinanderstehen, sich ähneln, miteinander verbunden oder kontinuierlich wirken oder scheinbar ein Muster bilden. Nach dieser Theorie macht unser Verstand auf diese Weise aus einer chaotischen Welt eine Welt, die Sinn ergibt. Jeder Marketingfachmann träumt davon, dass sein Produkt zur Gestalt wird, dass es sich vom Grund der unzähligen ähnlichen Produkte im Verkaufsregal abhebt. Gestaltpsychologie wird zwar gewöhnlich nicht mit Religion oder Spiritualität in Verbindung gebracht, aber vielleicht wäre das sinnvoll. Als Studie der Achtsamkeit und Wahrnehmung ist sie für die Debatte über Spiritualität und den Sinn des Lebens äußerst relevant.

Ein Beispiel, das die »Figur-Grund-Wahrnehmung« der Gestaltpsychologie verdeutlicht: Schachspieler oder Hobbygärtner sehen möglicherweise eine Schachfigur oder eine Vase als die »Figur«, während andere Betrachter zwei sich zugewandte Gesichter als »Figur« und den Zwischenraum als »Grund« wahrnehmen.

Wenn wir unter Druck stehen, weil wir unsere Rechnungen bezahlen, einen Termin wahrnehmen, uns auf den nächsten Arbeitstag vorbereiten, rechtzeitig zum Flughafen kommen oder uns um Tiere oder einen kranken Verwandten kümmern müssen, werden diese Dringlichkeiten zu den »Figuren«, die unsere ganze Aufmerksamkeit erfordern. Das gibt uns nur wenig oder gar keinen Raum, über die größeren Zusammenhänge – die geistigen Räume unseres Lebens – nachzudenken.

Spiritualität ist eine Makrolinse, die auf unser Leben gerichtet ist. Sie ist weder abgetrennt noch fern, sondern beinhaltet die Wahrheiten unserer Existenz innerhalb eines größeren Rahmens. Unser Job, die Rollen, die wir spielen, die Höhen und Tiefen, Geburt, Leben und Tod – alles wird in Bezug auf etwas Größeres betrachtet, bei dem der »Grund« stärker ins Blickfeld rückt.

Wenn Sie sich jetzt eine Sekunde lang darauf besinnen, dass Sie gerade etwas lesen, holen Sie sich dadurch ins Jetzt. Wenn Sie sich nun Ihr Leben von Geburt an vor Augen halten und in der Zeit weitergehen, dehnen Sie Ihre Linse und integrieren dadurch einen größeren Zusammenhang. Möglicherweise lesen Sie gerade, weil das Buch für Ihr Studium relevant ist oder weil Sie als Erwachsener ein Interesse an spirituellen Dingen entwickelt haben. Das wird der Zusammenhang, in dem Sie den Text lesen. Die Spiritualität beinhaltet und erweitert diesen Zusammenhang zu einem noch größeren »Grund«, auf dem Sie Ihr ganzes Leben in Bezug auf etwas persönlich Bedeutungsvollem leben.

In der naturalistischen Spiritualität wird das Leben (die Figur) auf dem Grund der Liebe oder Natur gelebt. In der theistischen Spiritualität hingegen sind Liebe und das Göttliche der Grund. Diese unterschiedliche Auswahl dessen, was im Leben Hintergrund ist und was Vordergrund, ist die Grundlage der psychologischen und gesundheitlichen Vorteile, die dem spirituellen Leben zugeschrieben werden, in dem sogar im Leid ein Sinn erkannt wird – in einem größeren Zusammenhang. Der Patient, der viele Besucher hat, kann so dem Patienten ohne Besucher Gesellschaft leisten. Wenn der Wittwer über seine unmittelbare Trauer, die ihn gefangen hält, hinaussieht, kann er erkennen, dass seine eigene Einsamkeit seiner verstorbenen Frau das Leid erspart, das sie durchmachen müsste, hätte sie ihn überlebt.

Wollen wir neue Möglichkeiten einführen, die Welt zu sehen – in die auch unterschiedliche wissenschaftliche Erkenntnisse integriert werden können-, müssen wir unsere Überzeugungen oder das, was wir für selbstverständlich halten, als Gedankenströmungen unserer Generation oder Kultur statt als Fakten über die Welt betrachten. Wir müssen damit aufhören, unsere Spiritualität mit unserer Psychologie gleichzusetzen; beide sind zwar wichtig und eindeutig miteinander verwoben, aber es sind verschiedene Aspekte dessen, wer wir sind. Spiritualität muss sich auf mehr als nur ihre Wahrnehmung im Gehirn beziehen, sonst ist sie nur Psychologie. Was wir stattdessen brauchen, ist ein Weg, das, was wir von der Wissenschaft gelernt haben, mit den Gemeinsamkeiten der Lehren uralter Weisheitstraditionen zu vereinen.

Die zweite Strömung unserer Zeit: Weltlichkeit

In Jenseits von Religion erwähnt der Dalai Lama, dass das Wort »weltlich« in Indien für alle und keine Glaubensüberzeugungen steht. Im Westen bedeutet es nur »keine Religionen«. Für manche Leute bedeutet Weltlichkeit der Fokus auf die materielle Welt ohne die positive oder negative Beurteilung spiritueller Dinge. Für andere wiederum ist Weltlichkeit die Verneinung einer spirituellen Dimension der Welt. Welche Form der Weltlichkeit wählen wir für unsere Gesellschaft? Übernehmen wir wirklich eine Philosophie des »Jedem das Seine«?

Als grundsätzliche Absicht ist »Jedem das Seine« zwar eine noble und inklusive Philosophie. Wenn mit Weltlichkeit jedoch nicht alle Weisheitstraditionen (und Atheismus), sondern gar keine gemeint sind, wird ein farbloser gemeinsamer Weg vorgezeichnet, der den Reichtum der umliegenden spirituellen Landschaft außen vor lässt; in diesem Fall wird sie aus Angst, jemandem zu nahe zu treten, ignoriert. Durch die Verbreitung einer Weltlichkeit, der jegliche Spiritualität fehlt, haben wir offensichtlich unser Gefühl für das Heilige verloren, sei es die Natur, sei es Gott oder das Universum. Anscheinend haben wir die Fähigkeit zu staunen verloren.

Reflexion: Ihr Leben auf der Leinwand

Wie sähe der Hintergrund aller Dinge, die Sie im Alltag machen, aus, wenn Sie Ihr tägliches Leben auf eine riesige Leinwand zeichnen oder malen müssten? Gibt es Werte oder Überzeugungen, die Sie in Großbuchstaben auf die Leinwand schreiben würden? Haben Sie eine bildhafte Vorstellung vom Sinn Ihres Lebens oder grundsätzliche Überzeugungen, auf denen Ihre Handlungen basieren? Wenn wir die Dinge, mit denen wir den Tag verbringen, aus diesem Blickwinkel betrachten, können wir jeden Augenblick als Chance sehen, unsere Werte zu leben und unsere Sieben-Tage-Seele weiterzuentwickeln.

Bildnisse von Gott Der Mantel der Liebe hat viele Farben

Wie sind wir hierhergekommen?

Der deutsche Philosoph Martin Heidegger hat einmal gesagt, die Sprache sei das »Haus des Seins«. Sie erschafft unsere Realität und setzt dem, was wir sehen und worüber wir reden, Grenzen.

Unser Wortschatz entwickelt sich aus Erfahrungen – unseren eigenen und denen anderer. Was wir erschaffen, uns vorstellen oder durch unsere Sinne erfahren können, benennen wir mit einem Namen oder einem beschreibenden Wort. Wir vergessen jedoch, dass ein Wort nur ein symbolischer Begriff ist, ein nützliches Symbol, mit dem wir unsere Vorstellungen kommunizieren können. Das Gebilde mit vier Beinen und einer Fläche, an das ich mich setze, ist weder »ein Tisch« noch »una mesa« oder »une table«. Jeder dieser Begriffe ist nur eine Möglichkeit, anderen mitzuteilen, wovon wir sprechen, aber niemand würde behaupten, ein Begriff sei richtiger als der andere. Sprache ist symbolisch und als solche beschränkt. Sie ist immer die Kurzversion der Sache, von der die Rede ist.

Gläubig, aber nicht spirituell?

Sobald wir versuchen, Gott zu beschreiben – oder das, was wir für die göttliche, endgültige Wirklichkeit oder die letztendliche Erklärung für alles halten –, setzen wir ihm auch schon wieder Grenzen.

Viele Christen wachsen mit dem Bild Gottes als eines gütigen alten Mannes im Himmel auf, dem der gläubige Christ im Jenseits begegnen wird. Dieses Bild wurde den meisten von uns schon in früher Kindheit vermittelt, und danach gab es nur wenige Angebote, wie dieses Bild weiterentwickelt werden könnte. Daher muss sich der Einzelne der unbequemen Frage stellen, ob er immer noch an dieses Gottesbild glaubt oder ob es noch andere – nicht unbedingt alternative, sondern vielmehr parallele – Wege gibt, Gott nahe zu sein.

In der westlichen Welt haben sich viele von den organisierten Religionen abgewandt. Für manche haben die Erkenntnisse der Wissenschaft uns zu wenig übrig gelassen, an das wir glauben könnten. Als die Seiten unserer Welt, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen, immer mehr abnahmen und das göttliche Mysterium durch empirische Erklärungen ersetzt wurde, bekamen viele Menschen das Gefühl, keine spirituelle Dimension mehr in ihrem Leben zu brauchen. Andere wiederum glaubten, ihre spirituellen Bedürfnisse besser außerhalb der etablierten Kirchen befriedigen zu können.

Von denen, die der Kirche treu geblieben sind, sind zwar die meisten Gläubige. Es gibt jedoch sicher auch diejenigen, die »rein mechanisch religiös« sind. Manche von ihnen bleiben, um ein besseres Verständnis zu erlangen; andere stecken möglicherweise in ihrem Glauben fest. Unter denen, die aus der Kirche ausgetreten sind, haben manche den Glauben an Gott oder eine höhere Ordnung gänzlich verloren. Für die meisten gab jedoch der Austritt aus einer organisierten Religion den Weg frei für eine neue Identität, die häufig als »spirituell, ohne gläubig zu sein« bezeichnet wird.

Die Lügen der Sprache

Eine übermäßig antropomorphe Vorstellung davon, wie Gott aussehen könnte, vermittelt uns ein Gefühl der Vertrautheit. Wenn sie das jedoch nicht tut, kann genau das die stärkste Ursache für den Verlust des Glaubens sein. Sie kann zum großen Trennfaktor werden, der es den Menschen oft unmöglich macht, daran zu glauben. Alles, was wir über Gott, die absolute oder ultimative Realität, sagen, wird jedoch immer durch Sprache eingeschränkt. Der Grund dafür ist, dass das, worüber wir reden, Sprach-los ist.

Wie schon erwähnt, werden wir von unserem Wortschatz auf eine bestimmte Anzahl an Präpositionen und Adjektiven beschränkt, mit denen wir etwas beschreiben können. In unserer menschlichen Welt gibt es etwas – oder es gibt es nicht; es kann in, durch, auf, über, unter, außerhalb von und so weiter sein. Aber alles muss einem dieser Begriffe entsprechen.

Auch Gott, wie wir ihn, es oder sie uns vorstellen, muss in einen dieser beschreibenden Begriffe hineinpassen. Sobald wir ihn beschrieben haben, beten, bitten, betteln wir. Wir schreiben Gott menschliche Gefühle wie beispielsweise Zorn oder Grimm zu und belegen ihn mit Stimmungen, die sich dahingehend beeinflussen lassen, dass er unsere Gebete erhört. Wir geben ihm ein Ich, das uns dazu bringt, an ihn zu glauben. Wir benutzen ihn wie einen Automaten im Himmel, der unsere Wünsche erfüllt. Wir versuchen, Gott in einer Flasche abzufüllen, um ihn ganz für uns zu haben.

Gottesbilder können sich mit dem Zeitgeist einer Kultur verändern. Im letzten Jahrhundert war der Fokus mehrerer Generationen von Christen in einer eher patriarchalischen, »gottesfürchtigen« Gesellschaft, die von Kriegen erschöpft war, auf einen »allmächtigen Vater« gerichtet und auf einen »liebevollen Jesus Christus«, der Sündern die Füße wäscht, während sich die Gesellschaftshierarchien abflachten und Individualismus die öffentliche Stimmung wurde. Später führten wir Gott, den allmächtigen Vater, wieder ein, diesmal in Gestalt eines liebevollen Großvaters – das Bild des gütigen alten Mannes im Himmel. In der heutigen Zeit scheint der geschlechtsneutralere Heilige Geist unserer Kultur eher zu entsprechen. Doch sie alle geben dem gläubigen Christen unterschiedliche Möglichkeiten der Begegnung mit ein und demselben Gott.

Auch die Lehren und Einstellungen zur Jungfrau Maria haben sich geändert – im Mittelpunkt steht nicht mehr ihre Jungfräulichkeit als ihre vorzüglichste Eigenschaft, sondern ihre Charakterstärke, mit der sie das Leiden und den Tod ihres einzigen Sohnes ertrug. Vermutlich ist die traditionelle Vorstellung, seine Gebete an die Mutter Gottes zu richten, um von ihr Hilfe zu erhalten, mit der Abflachung gesellschaftlicher Hierarchien verschwunden. In einer Gesellschaft, die nicht mehr »gottesfürchtig« erzogen wurde, fällt es uns leicht, uns direkt an Gott zu wenden.

Für Gläubige wie auch diejenigen, die zwar immer noch an Gott glauben, sich jedoch nicht für religiös halten, besteht das Problem nicht darin, sich auf einen geschlechtsneutralen Namen oder eine Formel zu einigen, die für uns alle stimmig klingt. Das wahre Problem ist das Versagen aller Religionen, praktizierenden Gläubigen die Schwächen göttlicher Sinnbilder klarzumachen. Auch wenn – wie wir in späteren Kapiteln erfahren werden – viele Mystiker die Unmöglichkeit, Gott zu erkennen, schildern, zeichnen die meisten organisierten Religionen der westlichen Welt weiterhin ein äußerst menschliches Gottesbild. Unser eigener Geist füllt den Rest des Bildes aus.

Unabhängig von unserem religiösen Hintergrund wurden die meisten von uns noch nicht in abstraktere Weisen, Gott zu erfahren, eingeweiht, die sich in allen Glaubenstraditionen erstaunlich ähneln. Die traditionellen hierarchischen Religionen operieren mit der Annahme, die Menschen seien unfähig, sich mit abstrakteren Konzepten auseinanderzusetzen, und bräuchten deshalb ein klares, konkretes Gottesbild, das dem Bild ihrer Kindheit entspreche.

Dies mag vor mehreren Jahrhunderten der Fall gewesen sein, als noch eine große Lücke zwischen der Bildung der Geistlichen und der Laien bestand. Religiöse Kunst und Darstellungen, die bis heute verwendet werden, nutzen diese äußeren Modelle weiterhin, bei denen Gott als Mann auf einer Wolke im Himmel oder der Heilige Geist als weiße Taube verbildlicht wird. Und dennoch zeigt ein Blick auf die Schriften christlicher Theologen, dass sie sehr bemüht waren, Gott umzukonzipieren. Sie verwendeten Formulierungen wie zum Beispiel »die Wolke des Nichtwissens« und »der Boden des Seins«, um die Vorstellung, Gott lasse sich »zeichnen« und habe körperliche Umrisse, rückgängig zu machen. Selbst im Katechismus der katholischen Kirche finden sich dementsprechende Bezüge: »Wir müssen daher andauernd unsere Sprache von allem, was begrenzt, bildhaft oder unvollkommen ist, reinigen, um unser Bild von Gott – ›dem Unerklärbaren, Unbegreiflichen, Unsichtbaren, nicht Greifbaren‹ – nicht mit unseren menschlichen Darstellungen zu verwechseln. Unsere menschlichen Worte reichen niemals für das göttliche Mysterium aus.« (übersetzt von Johanna Ellsworth)

Diese Beschränkungen der Sprache, das zu beschreiben, was wir Gott nennen, kommt auch im Tao zum Ausdruck: »Das Tao, das sich mit Worten ausdrücken lässt, ist nicht das ewige Tao.«

Diese beschränkten Gottesbilder werfen auch die Frage auf, auf die es keine Antwort gibt: »Wenn Gott existiert und er ein gütiger Gott ist – warum geschieht dann soviel Schlechtes auf der Welt?« In den letzten Jahrhunderten wurden verschiedene Antworten angeboten, beispielsweise, dass dies Gottes Wille sei, seine Strafe oder Teil eines göttlichen Plans, den wir erst nach dem Tod erfahren würden. Doch auch diese Antworten beruhen auf dem Glauben an einen Gott, der im Himmel verweilt. Wenn wir stattdessen versuchten, Gott als einen Weg zu sehen, mit solchen Situationen umzugehen, als einen Weg, der etwas Inneres an sich hat (Gott oder das Göttliche in uns), der jedoch auch mit Gott oder einer unvorstellbaren äußeren Weite verbunden ist, würde sich unsere Beziehung zu Gott ändern.

Das ist natürlich nur ein weiteres Modell, aber eines, bei dem Gott durch unsere Handlungen und Erfahrungen gelebt wird, unentwirrbar mit der größeren Welt verwoben, die außerhalb von uns mit ihrem gesamten Mysterium und Potenzial existiert. Wenn wir erkennen, dass Gott in uns besteht, übernehmen wir in einem neuen spirituellen Leben selbst die Verantwortung – in einem Leben, in dem wir starke Vermittler der Liebe und lebendige Spiritualität sein können.

Mehr als alles andere brauchen wir Raum für unsere Zweifel, ohne das Gefühl zu haben, zu versagen oder unseren Glauben zu verlieren – ohne unseren Bezug zur Spiritualität als Nullsummenspiel anzusehen. Wenn man Zweifel und Nichtwissen als Teil der spirituellen Reise zulässt, gibt man zu, dass Gewissheit kein Schutzwall vor Irrtum ist und dass Zweifel ein ganz natürlicher Aspekt ist, der zur Entwicklung eines spirituellen Lebens dazugehört.

Die meisten Glaubens- und Weisheitstraditionen lehren, dass das ultimative Telos (Ziel) der Menschheit die Einigkeit oder die Einheit ist. Dennoch ist es oft der Territorialismus, der durch Unterschiede im kirchlichen Dogma zu diesem Thema entsteht, der entfremdet. Bei der Aufstellung ihres Standes bildet jede Religion einen inneren Kreis und eine Gruppe von Außenstehenden: die Menschen, die an die Religion glauben, und die, die nicht an sie glauben.

Religiöse Rituale vermitteln uns das warme Licht der Mitgliedschaft und das Gefühl der Zugehörigkeit, denn von Natur aus haben wir das Bedürfnis, einem Stamm, einer Gruppe anzugehören. Diese Zugehörigkeit zur Gruppe oder Herde ist ein Urinstinkt, der bis in die Anfänge unserer Evolution zurückreicht. Dazuzugehören bedeutet mehr Sicherheit, die Vorteile der gemeinsamen Jagd und der daraus resultierenden größeren Nahrungsquelle; es bedeutet die Möglichkeit, sich zu vermehren, den Schlaf im Schutz der anderen und Informationen über mögliche Gefahren.

Dieser Instinkt, dazuzugehören, ist in unserer Seele verankert. Wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben, werden schon allein beim Gefühl, ausgeschlossen zu werden, beispielsweise zu einem gemeinsamen Lunch nicht eingeladen zu werden oder bei einem Chat nicht mitmachen zu dürfen, einige derselben Nervenbahnen aktiviert wie körperlicher Schmerz. Das unangenehme Gefühl agiert wie ein innerer Stromschlag, der uns in den Schutz der Herde zurückholt.

Leider definieren sich Gruppen durch »diejenigen, die nicht dazugehören«; sonst würden schließlich alle der Gruppe angehören und dann wäre es keine echte Gruppe mehr. Die Einzigkeit – das Ziel so vieler Religionen und Weisheitstraditionen – macht es erforderlich, diese Neigung, einem Stamm anzugehören, in uns zu erkennen und uns ganz bewusst dafür zu entscheiden, mehr als nur eine Ansammlung von primitiven Instinkten zu sein, und stattdessen danach zu streben, im täglichen Leben vollkommen bewusst, engagiert, entschieden und aktiv an der Erweiterung des kollektiven Bewusstseins der Menschheit mitzuwirken. Können wir die Einheit für wichtiger als den Stamm ansehen?

Die Religion aufzugeben, mit der wir großgeworden sind, kann viele verschiedene Gründe haben. Wiederholungen sind mitunter der Feind des Staunens, sodass sich vertraute Dinge irgendwann ausgeleierter anfühlen als unsere alten Hausschlappen. Sich von der organisierten Religion zu entfernen kann auch ein Akt lebendigen Glaubens sein, die Abwendung von der rein mechanischen Religion oder die aktive Zuwendung hin zu Überzeugungen. Es kann die aktive Entscheidung, woran man glaubt und woran nicht, bedeuten.