Sprachlügen - Kai Biermann - E-Book

Sprachlügen E-Book

Kai Biermann

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Beschreibung

entlarvend – vernichtend – schonungslos Wenn eine Regenhose zur »Schutzwaffe« wird, um friedliche Demonstranten als Bedrohung hinzustellen, der Gefahrenbereich zur »Sicherheitszone« mutiert oder der staatlich sanktionierte Mord zur »gezieltenTötung« wird, um sie notwendig und richtig erscheinen zu lassen – dann steckt eine Absicht dahinter: Verschleiern, was das Zeug hält! Nirgendwo fliegen mehr Worthülsen und Unworte umher als in der Politik und bei öffentlichen Debatten. Kai Biermann und Martin Haase analysieren diese Sprache der Politiker, hinterfragen die verwendeten Begriffe, beleuchten sprachliche Hintergründe oder Wortverdrehungen und entlarven ideologische Implikationen und Manipulationen. Denn viele Worte, die wir als selbstverständlich hinnehmen, sind bei genauerem Hinsehen nichts anderes als dreiste Sprachlügen. »Was jemand willentlich verbergen will, sei es vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: Die Sprache bringt es an den Tag.« Victor Klemperer

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Kai Biermann | Martin Haase

Sprachlügen

Unworte und Neusprech von ›Atomruine‹ bis ›zeitnah‹

Fischer e-books

Was jemand willentlich verbergen will,

sei es vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt:

Die Sprache bringt es an den Tag.

Victor Klemperer

A

Abfallbehandlung, thermische

Eigentlich Müllverbrennung. Allerdings möchte niemand hierzulande gern in der Nähe einer Müllverbrennungsanlage leben, weswegen die Betreiber nicht nur Ruß- und Abgasfilter einbauen, sondern auch Sprachfilter. Letztere funktionieren hier sogar in drei Stufen. Erstens ist Behandlung ein Wort, das den eigentlichen Prozess verschleiert. Es sagt lediglich aus, dass irgendetwas mit dem Müll geschieht. Zweitens ist aus dem Müll nun plötzlich Abfall geworden, der schon etwas weniger schmutzig und stinkend klingt. Drittens wird das Ganze ergänzt durch einen physikalischen Ausdruck, der dem Vorgang einen wissenschaftlichen und sachlichen Anstrich gibt. Allerdings passt das Adjektiv nicht zum Substantiv, denn der Abfall wird nicht thermisch, also durch Wärme behandelt. Er wird verbrannt. Das korrekte Adjektiv griechischen Ursprungs wäre eigentlich kaustisch, also »brennend«. Vielleicht empfanden die Wortschöpfer das ungebräuchliche Wort als zu viel des Guten. Angesichts des offensichtlichen Willens, den Prozess zu vernebeln, fällt es allerdings schwer, dabei an Skrupel zu glauben. Schließlich kann die Verschleierung sogar noch zur thermischen Abfallverwertung ausgebaut werden. Nach Neusprechkriterien ist das schon die hohe Schule. Wobei, da geht noch was: Wie wäre es mit dem Ausgraben – Verzeihung! – mit dem Recycling bewährter DDR-Propaganda? Dort wurde Müll als Sekundärrohstoff bezeichnet. Der lässt sich hier doch sicher noch irgendwo einbauen. Ach richtig, das passiert ja schon und nennt sich dann tatsächlich Sekundärbrennstoff.

abstrakt hoch

Abstrakt kommt vom lateinischen Verb abstrahere, »entziehen«. Die abstrakte Malerei beispielsweise ist eine, die dem realistischen Abbild entzogen ist beziehungsweise sich von ihm entfernt hat. Eine abstrakte Gefahr ist also weniger bedrohlich als eine unmittelbar drohende. Es ist eine Gefahr, die nicht konkret wird – abgeleitet vom lateinischen concrescere, »zusammenwachsen, erwachsen«. Das wirft die Frage auf, ob eine solche Gefahr damit überhaupt noch eine ist. Denn Gefahr wird definiert als (konkrete) Wirkung einer (bis dahin abstrakten) Gefährdung. Wenn Innenminister von einer Gefahr sprechen, die abstrakt hoch ist, bewegen sie sich also irgendwie in die falsche Richtung. Sie wollen nahelegen, das Risiko sei enorm. Allerdings machen sie diesen Gedanken mit dem adverbialen abstrakt hoch sogleich wieder zunichte und sagen eigentlich – wenn auch unwillentlich –, dass das Risiko wohl eher hochabstrakt und das → Ereignis eben nicht sehr wahrscheinlich ist. Klingt wie Quark? Ist es auch. Das kommt daher, dass das Versprechen der → inneren Sicherheit in der Politik ungefähr so leicht zu halten ist, wie die Quadratur des Kreises in der Mathematik lösbar. Die Vertreter dieses Spezialgebietes wollen einerseits Bürger vor Gefahren warnen, sie gleichzeitig aber auch beruhigen. Denn sie sollen sich zwar gerne ein wenig gruseln, um neue Überwachungsgesetze toll zu finden, aber sie sollen nicht gleich schreiend davonrennen. Wer will schon Wähler verschrecken. Da beides gleichzeitig unmöglich ist, kommt obiger Wahnwitz heraus.

absurd

Bedeutet streng genommen Unsinn und wird üblicherweise verwendet, um Aussagen oder Vorschläge des politischen Gegners abzuwehren oder um Forderungen von Wählern zu diskreditieren. Allerdings ist das Adjektiv wohl einer der vielseitigsten Begriffe politischer Sprache. Er kann je nach Zusammenhang völlig andere Bedeutungen annehmen, wird meistens aber als Antiphrase eingesetzt. Wer eine Behauptung absurd nennt, kann beispielsweise damit meinen, dass sie:

1. leider wahr ist, er es aber als Frechheit empfindet, dass sie öffentlich wiederholt wurde;

2. leider wahr ist und leider sogar belegbar, diese Tatsache für den Angeprangerten allerdings so peinlich ist, dass deren Erwähnung allein schon eine Frechheit darstellt;

3. möglicherweise wahr ist, aber glücklicherweise durch Fakten nicht belegt werden kann, weswegen die Äußerung selbstverständlich eine Frechheit ist. Der Ausdruck kann sich wie gesagt auch auf Forderungen beziehen. Und meint dann, dass diese:

4. zwar notwendig sein mögen, aber gerade furchtbar unpassend sind, warum auch immer;

5. zwar notwendig sein mögen, aber furchtbar teuer werden würden und daher politisch nicht vermittelbar sind – schon gar nicht vor einer Stadtrats-, Landtags-, Bundestags- … vor irgendeiner Wahl eben;

6. zwar notwendig sein mögen, aber nur gegen den Widerstand von Lobbyisten und Interessengruppen durchsetzbar wären, dass sie also das Risiko des politischen Scheiterns in sich tragen und daher ebenfalls nicht vermittelbar sind, schon gar nicht vor einer Wahl;

7. tatsächlich Unsinn sind (selten).

Aggressor

Bislang kannte lediglich das Völkerrecht Aggressoren. Der Ausdruck kommt vom lateinischen aggredi für »sich nähern, angreifen« und meint Staaten, die ihre Armeen losschicken, um einen anderen Staat zu überfallen. In letzter Zeit scheint es jedoch vermehrt Privatpersonen zu geben, die sich eine Armee zulegen und die damit Länder wie Deutschland anzugreifen drohen. Zumindest taucht der Aggressor inzwischen in den Reden von Politikern auf, wenn sie beispielsweise darüber schwadronieren, warum unbedingt die Bundeswehr auf den Straßen unserer Städte patrouillieren soll. Wobei immer etwas unklar bleibt, was genau nun unter einem Aggressor zu verstehen ist. Das liegt einerseits daran, dass es den Begriff in unserem Rechtssystem nicht gibt und er lediglich eine allgemeine Bezeichnung für Übeltäter ist. Andererseits sind dafür aber auch die Redner selbst verantwortlich, die das gern im Vagen lassen und den Ausdruck als Synonym mal für Terrorist, mal für → Störer benutzen. Dabei geht es nicht nur darum, dass der Aggressor bedrohlich klingt. Die Verwendung von Kriegsvokabular im Bereich der → inneren Sicherheit ist kein Zufall. Sie soll die Grenze zwischen Militär und Polizei verwischen und bedeutet eine Abkehr von rechtsstaatlichen Standards. Wer im Inneren von Aggressoren und Kombattanten redet, will nicht Straftaten ermitteln und sich mit Richtervorbehalten herumschlagen, sondern Krieg führen.

alternativlos

Wer Politiker so reden hört, der kann schnell den Eindruck gewinnen, sie könnten gar nicht anders, als zu tun, was sie eben tun. Denn haufenweise Dinge sind plötzlich alternativlos: Milliarden an kaputtgezockte Banken und bankrotte Staaten überweisen, dafür bei den Sozialausgaben und bei der Bildung sparen, einen → Krieg in Afghanistan führen et cetera. »There is no alternative«, sagte die britische Premierministerin Margaret Thatcher schon vor dreißig Jahren, als sie den sozialen Staat abschaffte und alle Macht den Spekulanten überließ. Und bis heute findet dieses seitdem sogenannte TINA-Prinzip Anhänger. Hierzulande ist es gerade wieder schwer in Mode. Schaut her, soll es ausdrücken, wir müssen das alles nun einmal genau so beschließen, das sind Naturgesetze, also hört endlich auf zu jammern. Wer will, kann das als eine Politik des übergesetzlichen Notstandes betrachten und die Argumentation damit übernehmen. Wer will, kann darin auch ein Eingeständnis der Politik sehen, hilflos zu sein. Doch träfe das nicht annähernd den Kern, wie die dabei gern verwendete alternativlose Entscheidung zeigt: Die nämlich ist ein Oxymoron, eine Verknüpfung von Dingen, die sich widersprechen. Wäre die Situation ohne Alternative, also Wahlmöglichkeit, gäbe es nichts zu entscheiden. Gibt es aber eine Alternative und sei es nur die, das Gesetz/das Geldverschenken/das Kriegführen eben sein zu lassen, steht auch eine bewusst getroffene Entscheidung dahinter. Wäre Politik also tatsächlich alternativlos, bräuchte es gar keine Politiker, die Dinge würden einfach so geschehen. Was zeigt, dass der Begriff auf keinen Fall hilflos ist. Er ist vielmehr eine Lüge. Völlig zu Recht wurde er daher 2011 zum Unwort des Jahres erklärt. Was aber lediglich dazu führte, dass Politiker sich nun Synonyme wie »unumgänglich« oder »beispiellos« für ihn ausdenken.

Antiterrordatei

Terror ist ein politisches Wunderwort. Mit ihm lässt sich dem gemeinen Wähler nahezu alles aufschwatzen. Zum Beispiel eine vom Bundeskriminalamt geführte Liste einer unbekannten Zahl von Menschen, zusammengestellt nach unbekannten Kriterien, gespeichert für eine unbestimmte Zeit und einen unklaren Verwendungszweck. Siehe auch → Gefährder. Nicht etwa Terrorgegner werden in der Antiterrordatei gespeichert, wie der Name vermuten ließe, sondern im Zusammenhang mit Terrorismus irgendwie auffällig gewordene Personen; »irgendwie« ist dabei wörtlich zu nehmen. Im Gesetzestext heißt es, registriert werden auch jene, »die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen«. Gespeichert wird auch, wer Kontakt zu solchen Personen hat oder wer von der Unterstützung rechtswidriger Gewalt »Kenntnis hat«. Das kann jeder sein, der auf einer Demonstration ein Transparent hochhält, und auch jeder, der mit einem Transparenthochhalter telefoniert. Nach dieser Definition müsste sogar der eine oder andere Politiker darin aufgeführt werden. Aber im Bundestag Angriffskriege zu unterstützen, zählt wahrscheinlich wieder nicht. Dass kaum jemand gegen die Einführung der Antiterrordatei protestiert hat, zeigt, wie leicht sich eine Erweiterung der Machtbefugnisse des Staates verkaufen lässt, wenn diese den Anschein erweckt, etwas gegen Terroristen zu unternehmen.

Arbeitgeber

»Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, in das ›Kapital‹ den landläufigen Jargon einzuführen, in welchem deutsche Ökonomen sich auszudrücken pflegen, jenes Kauderwelsch, worin z.B. derjenige, der sich für bare Zahlung von andern ihre Arbeit geben läßt, der Arbeitgeber heißt, und Arbeitnehmer derjenige, dessen Arbeit ihm für Lohn abgenommen wird.« Den Satz schrieb Friedrich Engels im Vorwort zur dritten Auflage von Karl Marx’ »Kapital«. Geholfen hat es nichts, das Kauderwelsch ist inzwischen gang und gäbe, überall ist vom Arbeitgeber die Rede. Der klingt, als würde er der Welt einen Gefallen tun, wenn er den Menschen mit all ihrer überschüssigen Arbeitskraft großzügig die Möglichkeit gibt, sich an Arbeitsplätzen abzuarbeiten. Folgerichtig heißt der, der sich dort abarbeiten darf, dann auch → Arbeitnehmer. Für Marx selbst war Arbeitskraft ganz nüchtern eine Ware, die von dem einen verkauft und von dem anderen gekauft wird. Die sich jedoch überhaupt nur auf dem Markt befindet, weil der Anbieter keine anderen Waren verkaufen kann – also gezwungen ist, seine Arbeitskraft gegen Geld zu tauschen. Irgendwie haben es deutsche Firmenchefs und Politiker geschafft, dieses Verhältnis sprachlich umzudrehen. Die, die hier »nehmen«, haben gar keine andere Wahl, als jeden Tag eben jenem Verkauf ihrer Kraft zuzustimmen. Und im Übrigen auch nur wenig Einfluss darauf, wie hoch der Preis dafür ist.

Arbeitnehmer

Siehe → Arbeitgeber.

arbeitssuchend

Keine Frage, es gibt viele Menschen, die eine Arbeit suchen. Beispielsweise, weil sie der Liebe wegen in eine neue Stadt ziehen wollen, oder weil sie sich eine neue Aufgabe wünschen. Das aber ist nicht gemeint, wenn das inzwischen sogenannte → Jobcenter unterscheidet zwischen arbeitssuchend und arbeitslos. Denn all jene, die sich laut Paragraf 38 Drittes Sozialgesetzbuch nun als arbeitssuchend melden müssen, suchen im Zweifel noch gar keine neue Arbeit, sondern sind gerade dabei, ihre alte zu verlieren. Zitat SGB III: »Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden.« Sie sind also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald arbeitslos, ob sie nun eine neue Arbeit suchen oder nicht. Sie könnten also auch gefahrlos so genannt werden. Werden sie aber nicht. Denn was wie verbrämendes Bürokratendeutsch klingt, soll die Statistik verfälschen. Wer sich arbeitssuchend meldet, taucht in der Arbeitslosenstatistik noch nicht auf, obwohl er es müsste, wenn das Dritte Sozialgesetzbuch wortwörtlich ausgelegt würde. Denn die Arbeitslosigkeit ist vielen der Betroffenen sicher, der Weg dahin wird sprachlich nur ein wenig in die Länge gezogen. Es handelt sich hier also um einen klassischen Euphemismus, eine Schönfärberei. Was noch klarer wird, wenn man sich vergegenwärtigt, dass viele, die tatsächlich arbeitslos sind, selbstverständlich eine Arbeit suchen. Sie dürfen also getrost als arbeitssuchend gelten, aber trotzdem nicht so genannt werden. Was alle Arbeitslosen gleich noch herabsetzt. Denn der damit zwischen beiden Zuständen hergestellte Gegensatz legt nahe, dass Arbeitslose eben nicht nach Arbeit suchen, also faul sind.

Asylbewerber

Das Wort unterstellt, dass man sich in Deutschland auf Asyl wie auf einen Arbeitsplatz bewerben muss. Doch wer es bis hierher geschafft hat, der hat bereits Asyl gefunden. Und nicht nur das. Es gibt im Grundgesetz sogar ein Recht auf Asyl. Um dieses muss sich niemand bewerben. Es steht erst einmal jedem zu. Das Kompositum Asylbewerber suggeriert jedoch, dass dieses Recht eingeschränkt, beschnitten oder grundlos versagt werden kann, wenn der Bewerber irgendwie nicht genehm ist. Wenn man die gleiche Wortbildung auf andere Rechte anwendet, wird deutlich, wie absurd sie ist. Der »Meinungsfreiheitsbewerber« zum Beispiel klingt inakzeptabel. Daher sollte Asylbewerber besser Asylberechtigter oder Asylnehmer heißen. Zumindest aber Asylsuchender sollte verwenden, wer das Wort Asylant vermeiden will, was manchen an Spekulant und Denunziant erinnert. Eigentlich ist -ant lediglich eine lateinische Partizipialendung, die aus einem Substantiv ein Nomen agentis ableitet und somit die Bezeichnung für jemanden, der etwas tut. Weswegen es diverse unverdächtige Wörter mit dieser Endung gibt wie Laborant, Musikant und Demonstrant – na gut, letztere sind manchem auch verdächtig. Allerdings wurde der Asylant exzessiv von jenen gebraucht, die Menschen dieses Grundrecht nicht gewähren wollen. Weswegen alle anderen glaubten gezwungen zu sein, sich ein neues Wort auszudenken. Statt das alte Wort und das Grundrecht zu verteidigen.

Atomruine

Die Atomruine klingt pittoresk, malerisch also, und interessant. Sie klingt wie ein Ort, den Neugierige gern besuchen. Wovon wir allerdings dringend abraten. Denn was wie eine Sehenswürdigkeit daherkommt, ist ein havariertes Atomkraftwerk und somit ein Haufen radioaktiv verseuchter Schrott. Der Begriff ist aber nicht nur schönfärbend, er ist auch falsch. Denn einerseits heißt das vom griechischen átomos abgeleitete Wort Atom »das Unteilbare« – es kann also sprachlich gar nicht ruiniert, somit »zu Grunde gerichtet« werden. Andererseits werden mit dem Substantiv Ruine »Reste von Baulichkeiten« bezeichnet, die nicht mehr funktionieren; ein kaputtes Atomkraftwerk ist streng genommen keine Ruine, denn seine »Funktion« büßt es nicht ein, nur weil es explodiert ist, es strahlt ja munter weiter. Zu unseren Lebzeiten wird es daher keine malerischen Atomruinen geben, die ein Tourist betreten und erkunden kann. Wohl aber noch viele solcher Euphemismen für diese gefährliche Technik – wie der häufiger in diesem Zusammenhang erwähnte Sarkophag beweist. Der lässt ein reich verziertes Grabmal vermuten, ist dabei aber eine eher hässliche und noch dazu mürbe Betonabdeckung, die tödliche radioaktive Strahlung abschirmen soll.

Aufklärung, brutalstmögliche

Aufklärung ist vor allem durch Vernunft zu erreichen – zumindest war das die Idee des gleichnamigen Zeitalters. Vernunft ist eine menschliche Begabung, sie erfordert Überlegung. Brutal hingegen ist abgeleitet vom lateinischen brutalis. Es bedeutet »tierisch« und »unvernünftig« und bezeichnet rohe, ungerichtete Gewalt, also das genaue Gegenteil von aufklärerischem Handeln. Brutale Aufklärung ist also ein Oxymoron, ein Widerspruch, ein Zusammenzwingen von Begriffen, die sich gegenseitig ausschließen. Wer eine brutalstmögliche Aufklärung verspricht, könnte ebensogut eine hellstmögliche Verdunklung versuchen. Damit nicht genug. Die rohe Gewalt wird hier hyperbolisch gesteigert, also so übertrieben, dass sie den Bereich der Glaubwürdigkeit weit hinter sich lässt. Da will jemand nicht nur mit Gewalt etwas aufklären, sondern mit allster Gewalt. Und das Konstrukt wird sogar noch durch den Pleonasmus, den eigentlich überflüssigen Ausdruck »-möglich« ergänzt. Der den Eindruck verstärkt, dass hier jemand zwar verzweifelt behauptet, irgendetwas erhellen zu wollen, genau das aber gerade nicht zu tun gedenkt. Die Botschaft kam an, wenn auch nicht so, wie der Erfinder des Wortes, immerhin ein Ministerpräsident, es sich erhoffte: Die brutalstmöglicheAufklärung wurde zum geflügelten Begriff und zum Synonym für Unglaubwürdigkeit.

Aufstocker

Mit Aufstocker werden Menschen bezeichnet, die so wenig verdienen, dass sie offiziell als arm gelten und zusätzlich zu ihrem Lohn Anspruch auf Geld vom Staat in Form des sogenannten Arbeitslosengeldes II haben. Es sind also Arbeitende, die Arbeitslosengeld bekommen. Und das meint beileibe nicht nur Teilzeitbeschäftigte. Mehrere hunderttausend Menschen, die eine volle Stelle haben, werden so schlecht dafür bezahlt, dass sie nicht einmal das sogenannte Existenzminimum erreichen – die Menge an Geld also, die sie vom Staat bekämen, wenn sie gar nichts täten, vulgo Hartz IV. Politisch ist das eine Subventionierung von Hungerlöhnen, vor allem von sogenannter Leiharbeit. Sprachlich ist dieser Irrwitz eine, sagen wir, Ungenauigkeit. Denn der Aufstocker klingt aktiv, so als würde derjenige selbst etwas ausbauen oder erhöhen. Tut er aber nicht. Er, beziehungsweise sein Einkommen, muss aufgestockt werden, um das Minimum dessen zu erreichen, was hierzulande als eines Menschen würdig gilt. Natürlich könnten Politiker auch die Unternehmen zwingen, menschenwürdige Löhne zu zahlen. Damit aber tun diese sich irgendwie schwer und denken sich lieber Begriffe wie Aufstocker und → Lohnuntergrenze aus, um dem Thema aus dem Weg zu gehen.

Augenmaß

Internationale Basiseinheit der Politik, die den Vorgang des Messens und somit Genauigkeit suggeriert. Wenn Politiker vorgeben, etwas mit Augenmaß zu beschließen, klingt es, als seien sie besonders gründlich und vorsichtig. Das Gegenteil ist der Fall – in der Politik wie bei der eigentlichen Wortbedeutung: Nur mit den Augen zu messen, ist fahrlässig. Das Auge kann leicht getrogen werden, noch dazu bei großen Mengen oder komplexen Zusammenhängen. Als Grundlage für Politik taugt das Augenmaß daher genauso gut wie die Einheiten »aus dem Bauch heraus« oder »Pi mal Daumen mal Fensterkreuz«. Aber ums Messen geht es dabei auch gar nicht. Denn das Augenmaß ist in politischen Reden ein Synonym für den Versuch, Unvermeidliches so lange wie möglich aufzuschieben, im Beamtendummdeutsch gerne auch Gremienvorbehalt genannt. Wenn beispielsweise eine Bundeskanzlerin ankündigt, der Atomausstieg müsse mit Augenmaß beschlossen werden, heißt das übersetzt so viel wie: »Nachdem mal wieder ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen ist, können wir leider nicht mehr ignorieren, dass die Dinger irgendwie riskant sein könnten. Aber so leicht wollen wir uns nicht geschlagen geben.« Denn jemand, der seine Entscheidungen mit dem Augenmaß begründet, sagt vor allem, dass er allein »nach eigenem Ermessen« zu handeln gedenkt. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Politiker sollen ihr Handeln stets abwägen und sind daher allein ihrem Gewissen verpflichtet. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie Fakten ignorieren sollen. Genau dies aber will der Begriff kaschieren. Das Augenmaß ist kein objektiv prüfbarer Maßstab. Kein Wähler kann hinterher nachvollziehen, aufgrund welcher Tatsachen eine Entscheidung letztlich gefällt wurde. Was wahrscheinlich die Absicht ist.

Aussterben

Es sagt sich so leicht dahin, dass mal wieder einer Tier- oder Pflanzenart das Aussterben droht. Und einst war es durchaus Teil der Evolution, der langsam fortschreitenden Entwicklung der Natur, dass eine Art einfach verschwand, weil sich die Lebensbedingungen veränderten. Heute darf der Ausdruck aber getrost als Euphemismus gelten. Denn das Aussterben kennt keinen Verantwortlichen, es geschieht einfach. Inzwischen gibt es allerdings jemanden, der solche Entwicklungen aktiv beeinflusst, der somit im Zweifel verantwortlich ist: der Mensch. Wenn heute eine Art stirbt, dann waren in den meisten Fällen wir Menschen schuld, denn wir haben sie verjagt, verdrängt, vernichtet, aufgegessen, umgebracht oder achtlos verschwendet – mit einem Wort: ausgerottet. Selbst der Artenschutz, der Versuch also, solche Ausrottung zu verhindern, ist nichts weiter als eine Beschönigung. Denn nie steht der Schutz im Vordergrund, immer sind unsere eigenen Interessen im Zweifel wichtiger. Wir seien auch nur Teil der Evolution, sagen Sie, insofern sei das schon in Ordnung? Nein, ist es nicht, denn wir sind die Einzigen, die über die Folgen unseres Tuns nachdenken können. Wenn auch nicht sehr gut. Immerhin vernichten wir nicht nur die Lebensgrundlage anderer Arten, sondern auch unsere eigene.

Ausstieg

Politik ist wie Leben in Zeitlupe, es dauert alles etwas länger. Eine Entscheidung, die wir in Sekunden treffen, kann da problemlos jahrzehntelange Debatten erfordern. Ein Ausstieg zum Beispiel. Eigentlich ist »aussteigen« ein terminatives Verb, das heißt, es bezeichnet einen eindeutigen Zeitpunkt. Wenn jemand den Bus verlässt, sagen wir um 15.31 Uhr, dann ist er zu diesem Zeitpunkt auch draußen. Und wenn er kurz vorher sagt, er wolle nun aussteigen, dann meint er eben jenen Moment der Tat. Selbstverständlich kann er lange schwadronieren, an welcher Haltestelle er gedenkt, aus dem Bus auszusteigen. Aber das wirkt schnell albern, solange er dabei nicht stets erwähnt, wann genau das geschehen soll. Allerdings verliert sich in der deutschen Sprache dieser klare Aspekt von Verben, wenn aus ihnen ein Substantiv gebildet wird. Sobald also jemand aus »aussteigen« einen wichtigtuerischen Ausstieg macht, darf der sich problemlos hinziehen, nun braucht es keinen eindeutigen Zeitpunkt mehr. Das ist der Grund, warum solche Nominalisierungen in der politischen Sprache so häufig sind und warum Politiker Verben, die nahezu immer eindeutige Handlungen vorgeben, lieber meiden. Vom Ausstieg kann man viel reden. Wann der denn nun kommt? Nicht wichtig, es wird ja über ihn geredet. Schnell zu handeln bringt nur eine Schlagzeile, wer dagegen lange über geplante Taten redet, der bekommt immer wieder Aufmerksamkeit.

B

Bad Bank

Englische Wortneuschöpfung, die hierzulande kritiklos übernommen wurde. Bezeichnet eine Institution, einzig zu dem Zweck geschaffen, die Bilanzen aller anderen Banken schönrechnen zu können. Das Prinzip der Bad Bank ähnelt dem eines → Endlagers für radioaktiven Müll. Damit dieser nicht bei den einzelnen Atomkraftwerken herumliegt, wird er an einem Ort gesammelt und liegt dort herum. So wird vorgegaukelt, das Problem mit dem strahlenden Schrott sei gelöst. Banken nun können ihre wertlos gewordenen Wertpapiere zur Bad Bank schaffen und die dadurch entstandenen Verluste in den eigenen Bilanzen streichen. Ein staatlich sanktioniertes System der Bilanzverfälschung also, das mit Steuergeld Fehlinvestitionen belohnt. Gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, das einst in die Aktien investierte Geld sei nun weg, und es habe keinen Sinn, es von irgendjemandem, vielleicht sogar von den Banken zurückzufordern. Um davon abzulenken, dass der Begriff »Zeitbombe« wohl angemessener wäre, wurde das Ganze mit der trügerischen Hoffnung verknüpft, die Aktien könnten irgendwann wieder wertvoll werden und sich verkaufen lassen. Wer’s glaubt! Aber nicht nur das Konstrukt ist lustig, schon der Name sollte stutzig machen. Denn wenn es eine Bad Bank und somit schlechte Bank gibt, müssen alle anderen ja nun gut sein. Eine zumindest zweifelhafte Annahme. Immerhin hat keine von ihnen im Zuge dieses Prozesses angekündigt, fortan gemeinnützig zu arbeiten oder ihren Kunden wenigstens ein paar Schulden zu erlassen.

Bedarfsträger

Wie viele Modebegriffe der Politikersprache kommt auch der Bedarfsträger aus der Wirtschaft, in diesem Fall aus dem Teilbereich der Unternehmensorganisation: Er ist dabei die Stelle in einer Firma, die Material oder Dienstleistungen benötigt, also an ihnen einen Bedarf hat. Von dort wanderte der Ausdruck offensichtlich weiter zu staatlichen Einrichtungen, und als er das erst einmal geschafft hatte, ganz selbstverständlich weiter zum Thema → innere Sicherheit. Dort ist der Bedarf an Nebelwörtern ja immer groß, schließlich geht es um Dinge, die nicht jeden etwas angehen sollen oder die so unschön sind, dass sie besser nicht klar benannt werden. Der Bedarfsträger passt da ganz wunderbar. Wenn Politiker also im Zusammenhang mit → Maßnahmen der Überwachung von einem Bedarfsträger reden, verschleiern sie zuerst einmal, dass es sich dabei um jemanden handelt, der mit der Überwachung von Bürgern beschäftigt ist und also Bedarf an Überwachungstechnik oder wenigstens an Daten und Informationen hat. Vulgo einen Spitzel. Der Begriff ist aber auch verräterisch, denn er weist darauf hin, dass die Überwacher eine Dienstleistung in Anspruch nehmen müssen: Womöglich, weil sie die Verwanzung von Computern technisch oder gar konzeptionell überfordert.

Bedenken, massivste

Massiv ist vor allem im Zusammenhang mit eben jenen Bedenken ein in der Politik häufig genutztes Synonym für stark oder heftig. Durch seine massive Verwendung verliert es allerdings an Expressivität und muss, soll es weiter für Aufmerksamkeit sorgen, gesteigert werden. Wenn massive Bedenken also niemanden mehr schockieren können, dann haben Politiker eben massivste Bedenken gegen einen Vorschlag – eine sprachlich unmögliche Steigerung, eine sogenannte Hyperbel. Siehe auch → Kriminalität, schwerste. Denn massiv stammt vom französischen massif ab und bedeutet »dicht, voll«. Ein Gegenstand ist aus massivem Gold, wenn er durch und durch aus diesem Metall besteht. Mehr geht nicht. Trotzdem wird dieser sprachliche Unsinn immer wieder gern von Politikern verwendet, um ihre angeblichen Zweifel an einer Sache zu betonen. Allerdings sind diese Zweifel nie groß genug, als dass die Betreffenden im Parlament gegen den zur Diskussion stehenden Vorschlag stimmen würden. Weswegen sie offensichtlich das Bedürfnis haben, zumindest sprachlich darauf hinzuweisen, dass ihnen die Zustimmung schwer fällt. Umgangssprachlich heißt das Phänomen auch »die Faust in der Tasche«.

begleitet, kritisch

In diesem gequälten Konstrukt werden zwei Ideen zusammengenagelt, die des Begleiters und die des Kritikers. Beide haben nicht viel miteinander gemein. Der Erste ist ein Weggefährte. Er reist ein Stück mit einem, plaudert vielleicht ein wenig dabei und hört zu, nimmt jedoch keinen Einfluss auf den Reisenden und die Route, sondern heißt sie letztlich gut. Der Zweite hingegen geht nicht irgendwohin mit. Er ruft dem Vorbeireisenden vielmehr zu, was er an dessen Tun als störend und als verwerflich empfindet. Und wenn beide zusammenkommen, wenn irgendetwas kritisch begleitet wird, was heißt es dann? Im besten Fall gar nichts. Dann ist es nur ein Synonym für kritisieren, ohne dass sich dadurch etwas ändert. Im schlechtesten Fall hingegen ist es der Versuch, Bürgern zu simulieren, dass sie Einfluss haben und ihre Meinung gehört wird. Denn Demokratie kann ziemlich lästig sein, will man einen Bahnhof, ein Kraftwerk oder ein Gesetz errichten. Da gibt es schnell mal Demonstrationen und Proteste. Wer die verhindern will, kann es mit der leeren Versprechung versuchen, die Betroffenen könnten die Pläne kritisch begleiten, gerne auch »konstruktiv-kritisch«, also bitte leise und in Schriftform. Was bedeutet: Man spricht miteinander, unterhält sich über dies und das, aber alles bleibt unverbindlich, und jeder geht letztlich seinen Weg. Ganz im Sinne von DDR-Staatschef Walter Ulbricht, der gesagt haben soll: »Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.« Siehe auch → gelenkte Demokratie.

beispiellos

Warum wird man Politiker? Um etwas gestalten zu können, ist die übliche Antwort. Und vielleicht ist dieser Wunsch der Grund dafür, dass gerade so viele Dinge beispiellos sind. Die Staatsschulden, die Geldgeschenke an Banken, die schlecht gewirtschaftet haben, die Lage insgesamt – glaubt man Politikern, sind ziemlich viele Sachen ohne Beispiel. Noch nie dagewesen also. Dabei ist nichts davon wirklich beispiellos. Oder aber alles – je nachdem, wie eng man den einzelnen Fall definiert oder wie bereit man ist, Parallelen zu akzeptieren. Letzteres aber ist in der Politik nicht gern gesehen. Historische Vergleiche lassen Politiker schnell wie altbackene Deppen aussehen, denen nichts mehr einfällt. Der Zusatz »wie schon die alten Römer/Griechen/Sumerer sagten«, klingt eben einfach nicht so dramatisch. Außerdem ist es für Politiker heute schon mühsam genug, irgendetwas zu gestalten, da viele Dinge offensichtlich → alternativlos sind oder → parlamentarischen Zwängen unterliegen. Also braucht es frische Themen, gern auch Neuland genannt. Das betreten Politiker gern. Denn dort finden sich problemlos Rechtfertigungen noch für die absurdesten Forderungen. Denn wenn etwas beispiellos ist, dann gibt es keine vergleichbaren Situationen, niemand kann also prüfen, ob die Argumente stimmen. Ein herrlicher Zustand. Zumindest für denjenigen, der Geld ausgeben möchte, das der Staat nicht hat, und der Gesetze fordern will, die die Bürger nicht brauchen.

Berater

Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Verb rathen, jemanden mit etwas zu versorgen, ihm Fürsorge angedeihen zu lassen, ihn zu schützen. Bis heute hat sich dieser Sinn erhalten: Das Verb raten wird immer dann gebraucht, wenn jemand einen Rat erteilt, wenn jemand hilft, ohne etwas dafür zu verlangen. Der Berater muss demnach ein recht uneigennütziger Mensch sein, der durch die Lande zieht und Menschen unterstützt, wo er nur kann. Ist er aber nicht. Denn ein Berater ist entweder jemand, der für exorbitante Honorare dafür sorgt, dass Firmen mehr Gewinn machen, meistens indem sie Mitarbeiter → freisetzen. Oder jemand, der als Versicherungs-Berater anderen teure Dinge aufschwatzt, die sie nicht brauchen. In beiden Fällen also ist er eigentlich ein Verkäufer. Die Betreffenden wissen offensichtlich um das schwierige Ansehen ihres Berufes. Warum sonst sollten sie sich immer wieder mit dem Attribut »unabhängig« schmücken? Wobei dieses Adjektiv diejenigen, die eine solche Beratung genießen, nur umso stutziger machen müsste. Denn wer erst explizit darauf hinweisen muss, dass er unabhängig ist, ist es wahrscheinlich gerade nicht. Beraten und verraten haben übrigens den gleichen Wortstamm. Aber das nur nebenbei.

berufsqualifizierend

Wie gut klingt es, wenn ein Studienabschluss berufsqualifizierend ist! Leider stimmt es nicht, jedenfalls nicht im Wortsinn, denn ein Studienabschluss wie der Bachelor qualifiziert nicht für einen Beruf, sondern qualifiziert eher allgemein, so dass man danach einen Beruf erlernen kann, für den mehr als nur das Abitur benötigt wird. Treffender wäre also die Bezeichnung »einstellbar«. Und siehe da: berufsqualifizierend ist die deutsche Übersetzung für englisch employable, was in der Tat nicht mehr und nicht weniger heißt als »einstellbar«. Das englische Wort wird daher auch im Deutschen gern als Ersatz für berufsqualifizierend verwendet. Dummerweise ist der Gebrauchskontext und damit die genaue Bedeutung in Großbritannien aber eine andere: Dort wird es nämlich im Bereich von → Maßnahmen für Jugendliche verwendet, die eben, weil sie psychisch oder sozial auffällig sind, nicht einstellbar sind. Da sind wir dann wieder weit vom deutschen Hochschulwesen weg, denn bei aller Kritik wird niemand ein Bachelorstudium als psychisch-soziale → Maßnahme ansehen.

beschäftigt, geringfügig

Wir sind beschäftigt, wenn uns etwas zu schaffen macht, wenn wir mit einer Sache gut zu tun haben, ja wenn wir uns geradezu ausgelastet fühlen. Diese Bedeutung ist auch hier durchaus angestrebt – um zu kaschieren, dass die entsprechende Tätigkeit gerade nicht auslastet. Und so lautet die umgangssprachliche Bezeichnung für diese Art der Arbeit denn auch treffender »Minijob«. Doch ist der Ausdruck noch auf einer anderen Ebene falsch. Denn es ist nicht eine bestimmte Menge an Arbeit gemeint, wie die Bezeichnung nahelegt, sondern eine bestimmte und sehr geringe Menge an Geld. Laut Sozialgesetzbuch liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das »Arbeitsentgelt (…) im Monat 400 Euro nicht übersteigt«. Und zwar unabhängig davon, wie lange der Betroffene dafür schuften muss. Also sind eigentlich jene gemeint, die für ihre Mühen mies bezahlt werden. Was den Begriff nicht nur zum Euphemismus macht, sondern auch unfreiwillig entlarvend: Er rückt damit nämlich in die Nähe der zweiten möglichen Wortbedeutung: Denn für beschäftigt gibt es im Deutschen nicht nur eine aktive Verwendung, es kann auch passiv eingesetzt werden: So werden Kinder beschäftigt, damit sie sich nicht langweilen. Es geht somit darum, Menschen etwas tun zu lassen, was wie Arbeit aussieht, diese Bezeichnung im Sinne von Beruf aber nicht verdient.

Bierdeckelsteuer

Die Bierdeckelsteuer