Stadt, Land, Fuchs - Josef H. Reichholf - E-Book
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Stadt, Land, Fuchs E-Book

Josef H. Reichholf

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Beschreibung

Wussten Sie, dass Berlin nicht nur die Hauptstadt der Nachtigallen ist, sondern auch der Wildschweine? Dass Murmeltierfett über wundersame Heilkraft verfügen soll, Feldmäuse uns lehren können, besser mit Stress umzugehen, und dass es nicht nur Ost- und Westgoten gab, sondern auch Ost- und Westmäuse gibt? Denn eine seltsame Grenze verläuft durch Deutschland.

Der Biologe Josef H. Reichholf entführt uns in die verborgene Welt der Säugetiere in der Tradition David Attenboroughs, aber nicht zu Tigern und Elefanten, sondern in die unserer heimischen Säuger. Voll überraschender Erkenntnisse und Anekdoten rückt das liebevoll von Johann Brandstetter illustrierte Buch unser Zusammenleben mit Wölfen, Füchsen, Bibern und Fledermäusen in ein neues Licht.

Ein wahres Lesevergnügen!

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Seitenzahl: 329

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Über das Buch

„Unsere Säugetiere verdienen mehr Beachtung; viel mehr, als ihnen gegenwärtig zuteilwird. Sie brauchen neue Freunde! Solche zu gewinnen, ist das Hauptanliegen dieses Buches. Es soll zeigen, dass sich viel Spannendes und Aufschlussreiches an ihnen beobachten lässt, ohne dass komplizierte wissenschaftliche Untersuchungen dazu nötig sind. Das geht in der Stadt. Sogar oft besser als auf dem Land, denn dort sind die meisten Säugetiere sehr scheu. Die kleinen Arten sind es, weil sie immer und überall auf der Hut vor Gefahren sein müssen, die größeren und großen, weil sie bejagt werden. Die Stadt bietet ihnen ungleich mehr Sicherheit. Die Beobachtung der Säugetiere ist allerdings nicht so leicht wie die der Vögel, weil viele von ihnen erst in der Dämmerung aktiv werden und nachts umherstreifen. Die Stadtfüchse sind eine Ausnahme – erfreulicherweise. Denn ihnen, auch tags, zuzusehen, ist in aller Regel spannender als Katzen zu beobachten. Diese erwecken eher den Eindruck, dass sie unsere Menschenwelt gar nicht interessiert. Der Fuchs dagegen erkundet sie. Und uns Menschen dazu. Dies bewog uns, das Buch ‚Stadt, Land, Fuchs` zu nennen.“ Josef H. Reichholf in seinem Vorwort

Über Josef H. Reichholf

Josef H. Reichholf, 1945 in Niederbayern geboren, war bis Mai 2010 Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München und Professor für Ökologie und Naturschutz an der TU München. 2007 wurde er mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet. Seine Bücher wurden Bestseller sowie als Wissens- und Wissenschaftsbücher des Jahres ausgezeichnet. Zusammen mit Johann Brandstetter legte er zuletzt das Buch »Regenwälder« vor, das auf der Sachbuchbestenliste stand. 

Johann Brandstetter, 1959 in Oberbayern geboren, hat fast 200 Bücher bebildert, seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Studienreisen nach Zentralafrika, Asien und Mittelamerika inspirierten ihn zum Bilderzyklus »Symbiosen«, der 2016/17 in Salzburg in einer Ausstellung zu sehen war. Das gleichnamige Buch, dessen Text von Josef H. Reichholf verfasst ist, wurde mit dem Preis »Wissensbuch des Jahres« ausgezeichnet.

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Josef H. Reichholf

Stadt, Land, Fuchs

Das Leben der heimischen Säugetiere

Mit Illustrationen von Johann Brandstetter

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Vorwort

Unsere Säugetiere …

Was unsere Säugetiere ausmacht

Wolf

Waldkatze / Wildkatze

Igel / Westigel

Spitzmäuse

Hausmaus

Ratten

Eichhörnchen

Siebenschläfer

Haselmaus

Kaninchen

Rotfuchs

Feldhase

Feldmaus

Ziesel           Feldhamster

Murmeltier

Hermelin     Mauswiesel

Marder

Reh

Rothirsch

Wildschwein

Dachs

Maulwurf

Biber

Bisamratte

Fischotter

Nerz

Gämse

Steinbock

Abendsegler

Braunes Langohr

Zur Lage unserer Säugetiere — Eine Schlußbemerkung

Literaturhinweise

Dank, wem wirklich viel Dank gebührt…

Impressum

Vorwort

Unsere Säugetiere verdienen mehr Beachtung; viel mehr, als ihnen gegenwärtig zuteilwird. Sie brauchen neue Freunde! Solche zu gewinnen, ist das Hauptanliegen dieses Buches. Es soll zeigen, dass sich viel Spannendes und Aufschlussreiches an ihnen beobachten lässt, ohne dass komplizierte wissenschaftliche Untersuchungen dazu nötig sind. Das geht in der Stadt. Sogar oft besser als auf dem Land, denn dort sind die meisten Säugetiere sehr scheu. Die kleinen Arten sind es, weil sie immer und überall auf der Hut vor Gefahren sein müssen, die größeren und großen, weil sie bejagt werden. Die Stadt bietet ihnen ungleich mehr Sicherheit. Wie auch den Vögeln. Das ist längst bekannt und wird bei der Vogelbeobachtung ganz selbstverständlich genutzt. Säugetiere machen es uns allerdings nicht so leicht wie die Stadtvögel, weil viele von ihnen erst in der Dämmerung aktiv werden und nachts umherstreifen. Die Stadtfüchse sind eine Ausnahme – erfreulicherweise. Denn ihnen zuzusehen, ist in aller Regel spannender, als Katzen zu beobachten. Diese erwecken eher den Eindruck, dass sie unsere Menschenwelt gar nicht interessiert. Der Fuchs dagegen erkundet sie. Und uns Menschen dazu. Das tut er auch am Tag, nicht klammheimlich in der Nacht. Dies bewog uns, das Buch »Stadt, Land, Fuchs« zu betiteln. Darin soll zum Ausdruck kommen, dass es nicht um eine Art Bestimmungsbuch für Säugetiere geht, sondern um ihr Leben in unserer Welt. Deshalb enthalten manche der Texte zu den verschiedenen Arten Schilderungen von Erlebnissen oder individuellen Besonderheiten und nicht bloß die Aneinanderreihung der »biologischen Fakten«. Davon gibt es so viele über unsere Säugetiere, dass sie schon dicke Handbücher gefüllt haben; Werke, die inzwischen veraltet sind, weil eine Fülle neuer Forschungsergebnisse hinzugekommen ist. Für den Anfang wäre dies zu viel und eher verwirrend. Motivierend, selbst zu beobachten und möglichst auch aufzuzeichnen, was man gesehen hat, wäre das nicht. Beim Beobachten sollte Stimmung mitschwingen und Begeisterung aufkommen. Wenn das Buch dazu anregt, erfüllt es seinen Zweck.

Josef H. Reichholf  im November 2021, gerade zurück von einem Gang ans Flussufer, wo sich Biber für den Winter vorbereiten

Unsere Säugetiere …

… leben nicht nur draußen in Wald und Flur, im Gebirge und am Wasser, sondern in großer Zahl und erstaunlicher Artenvielfalt auch in den Städten. Wir können in der Großstadt Füchsen und Mardern begegnen, mitunter sogar Wildschweinen, und dass Eichhörnchen an Gebäuden herumklettern, ist uns längst vertraut. Bereits im alten Märchen von der Stadtmaus und der Landmaus kommt zum Ausdruck, dass es Säugetiere durchaus in die städtische Menschenwelt zieht – allen Gefahren zum Trotz, denen sie darin ausgesetzt sind. Fallen und Gift, der Straßenverkehr, der viele Opfer fordert, und auch die Jagd, die auf sie gemacht wird, setzen ihnen zu. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen, die Säugetiere, unsere tierische Verwandtschaft. Denn auch wir Menschen gehören zu ihnen, zur Tierklasse der Mammalia, benannt nach den »Mammae«, den Brüsten, die Milch geben. Sie ist die Anfangsnahrung aller Säugetiere und wesentliche Voraussetzung für ihre besondere Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit. Denn die ersten Tage und Wochen oder Monate sind die entscheidenden für das Überleben der Neugeborenen. Wie lange sie Muttermilch brauchen, hängt davon ab, wovon sie sich später ernähren werden und wie groß sie werden müssen, bis sie ausgewachsen und selbstständig lebensfähig sind. In dieser Zeit der Abhängigkeit lernt der Nachwuchs viel. Lernen macht vielseitig, vermittelt es doch schon früh Lebenserfahrung, die nicht selbst gemacht werden muss. Es verblüfft mitunter, was Säugetiere so alles können und wie sie die von Natur aus nicht vorhandenen Herausforderungen meistern, die ihnen der Mensch mit seinen vielfältigen Veränderungen der Lebensbedingungen stellt.

Meistens bekommen wir aber nur indirekt mit, wozu Säugetiere fähig sind. Etwa dann, wenn ein Fuchs in der Großstadt offensichtlich die Verkehrslage studiert, bevor er die Straße überquert. Oder wenn in ähnlicher Situation ein Wildschwein die kleinen Jungen mit der gebotenen Vorsicht hinüberführt. Gerade so, als ob es die Wirkungsweise von Ampeln verstünde. Ist es nicht erstaunlich genug, dass sogenannte Wildbrücken über Autobahnen und stark befahrene Schnellstraßen von Hirschen, Rehen, Mardern, Dachsen und anderen Säugetieren, sogar von Mäusen, angenommen werden, obgleich unter ihnen die motorisierten Ungetüme dahinsausen? Die sonst so scheuen Rehe lernen schnell, dass die Ränder von Autobahnen für sie nicht gefährlich sind, solange sie auf einer Seite bleiben. Die sichersten Lebensorte finden sie jedoch wie alle Säugetiere auf den militärischen Übungsplätzen. Das dortige Donnern, Knallen, Panzergetöse und Umherhasten von seltsam verkleideten Menschen lernen sie als für sie ungefährlich kennen. Kriegsübungen, die sie nicht betreffen, stören sie auch nicht mehr. In dieser Hinsicht erweisen sich die allermeisten Säugetiere als außerordentlich tolerant: Was uns Menschen massiv stört, ja, nervt bis zum Wahnsinn, halten sie aus, so ihnen direkt nichts geschieht. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass die Anzahl und der Artenreichtum der Säugetiere, die in Großstädten leben, auf die Fläche bezogen, also pro Quadratkilometer zum Beispiel, weit höher liegen als draußen auf den Fluren oder in den Forsten. Sogar besondere Spezialisten wie die Fledermäuse finden in der Stadt vielfach bessere Lebensbedingungen als auf dem Land. Es lohnt sich, die Hintergründe zu betrachten, auch weil sie für uns von Bedeutung sind, etwa wenn es um unsere eigene Lebensqualität geht. Denn auch wir sind Säugetiere, um das einmal mehr zu betonen. Unser »Innenleben« läuft ganz ähnlich, in vielerlei Hinsicht sogar gleichartig ab wie bei anderen Säugetieren. Vorkommen, Häufigkeit und Lebensbedingungen der Säugetiere spiegeln also auch unsere Umwelt, deren Zustand uns nicht selten erst dann klar wird, wenn sie schon massiv geschädigt ist.

Sehen wir sie uns also etwas genauer an, »unsere Säugetiere«, und machen wir einen Streifzug durch ihre Lebenswelt. Einzelne Arten werden stellvertretend für ihre jeweils engere Verwandtschaft herausgegriffen, über die es Interessantes und Aufschlussreiches zu berichten gibt. Dabei geht es vornehmlich um die Lebensweise und nicht darum, wie man die verschiedenen, mitunter tatsächlich schwierig voneinander zu unterscheidenden Arten erkennt. Dies ist die Aufgabe von Bestimmungsbüchern. Solche gibt es genug und in hoher Qualität für alle in Europa vorkommenden Säugetiere. Die Beschränkung auf »unsere« meint die Arten, die in Mitteleuropa leben, in Deutschland und seiner unmittelbaren Umgebung. Nicht berücksichtigt werden Meeressäugetiere, also Robben und Wale, auch wenn mehrere Arten davon zu den deutschen Küsten kommen. Da sie sich aber mit dem Meer in einer so andersartigen Umwelt befinden, dass der Rahmen des Buches gesprengt werden würde, beschränken wir uns hier auf die Säugetiervielfalt an Land. Sie reicht von Spitz- und Fledermäusen über Maulwurf und Igel, Mäuse und Marder bis hin zu Biber, Hirsch und Wolf.

Nachfolgend werden die ausgewählten Säugetiere nicht so gegliedert, wie in einem Bestimmungsbuch üblich. Ein solches soll es auch nicht ersetzen. Vielmehr geht es darum, Anregungen dafür zu bieten, unseren Säugetieren mehr Beachtung zu schenken. Insbesondere auch, um die tiefe Spaltung zu überwinden, die sich aus »jagdbar« und »nicht jagdbar« ergeben hat. Diese Aufteilung entzieht uns weitgehend die attraktiven, weil großen Arten, die die Jäger für sich beanspruchen. Die Bejagung hat diese sehr scheu gemacht. Was »nicht jagdbar« ist, scheint wenig bis nichts wert zu sein. In diesem »Kleinzeug« stecken die Schädlinge, die zu bekämpfen sind, wie »die Mäuse«. Über die Zukunft der Säugetiere sollten aber nicht allein Jäger und Schädlingsbekämpfer entscheiden. Als frei lebende Tiere gehören sie uns allen und niemandem persönlich. Dass diese Forderung hochaktuell ist, zeigen die Kontroversen um die Rückkehr von »Raub«tieren wie Wolf und Luchs, die anhaltend heftige Bekämpfung von Füchsen und Mardern, die nur in Großstädten weitgehend normal leben können, und die Problematik von Wildschäden. Immer noch nicht beendet ist auch der Giftkrieg gegen Säugetiere.

Unsere Kenntnisse zur Lebensweise der Säugetiere sind bei den wenigsten Arten umfassend genug, aber bei den meisten ausreichend, um ihre Lage mit Vernunft und Augenmaß beurteilen zu können, bevor Vernichtungsmaßnahmen ergriffen werden bzw. »in gewohnter Weise« weiterlaufen sollten. Der Vogelwelt kam sehr zugute, dass Tausende und Abertausende Ornithologen und Bird Watcher als Amateure, als Bürgerwissenschaftler oder Citizen Scientists, wie sie international genannt werden, ein so riesiges Faktenmaterial zusammengetragen haben, dass sich dieses nicht mehr missachten lässt. Für die Säugetiere steht das noch aus, von den wenigen Arten abgesehen, die aus besonderen Gründen Interesse erweckt haben. Der Igel ist so ein Fall. Der Biber auf seine Weise auch. Er gehört zu den spektakulären Erfolgen des Artenschutzes. Es lohnt, näher darauf einzugehen, warum sein Comeback so gut gelungen ist.

Unser Buch behandelt eine Auswahl aus dem Spektrum der rund hundert Säugetierarten, die in Deutschland und seiner näheren Umgebung frei lebend vorkommen. Manche Art steht stellvertretend für mehrere andere, die mit ihr enger verwandt sind. Die verschiedenen Lebensstile unserer Säugetiere sind mit den gewählten Arten ziemlich gut erfasst. Da die Lebensweise im Vordergrund steht, werden sie nach Lebensräumen gruppiert. Den Anfang sollen die Wildformen zweier Arten machen, die als Haustiere in Millionenbeständen bei uns leben: Wolf und Wildkatze. Die nächste Gruppierung umfasst Säugetiere, die von sich aus in unsere Menschenwelt gekommen sind und darin mit uns leben, sei es in Gärten und Parks oder direkt an und in Häusern. Sie erhielten mit »synanthrop« eine hochwissenschaftlich klingende Bezeichnung, die aber nur »mit Menschen (lebend)« bedeutet. Die nächsten Gruppierungen umfassen Vertreter von Säugetieren der Fluren, der Wälder und der Gewässer. Die Gebirgsbewohner und die Fledermäuse bilden die letzten beiden Gruppen.

Verzichtet wird auf die Behandlung der Haus- und Heimtiere, da die mit ihnen verbundene Problematik zu sehr von den frei und von Menschen weitestgehend unabhängig lebenden Säugetieren ablenken würde. Denn sie sind tatsächlich mehr als nur ein Problem, in Form der Massentierhaltung sogar ein zentrales und globales Zukunftsproblem. Um welche Mengen es sich allein in Deutschland handelt und welche Folgen diese zeitigen, wird von den großen Naturschutzverbänden viel zu wenig thematisiert. Dabei übersteigen die im Jahreslauf mehr als 30 Millionen Schweine und die 14 Millionen Rinder sowohl an Lebendgewicht, das mit Nahrung versorgt werden muss, als auch mit dem Abwasser, der Gülle, die sie erzeugen, unser eigenes Lebendgewicht und unsere Ausscheidungen um ein Vielfaches. Im Zuge dieser Massentierhaltung wird das ganze Land überdüngt, werden global unentbehrliche Tropenwälder zur Erzeugung von Futtermitteln für das Stallvieh vernichtet und bei uns Biodiversität zerstört. Um es verkürzt auszudrücken: Den Schweinen und Rindern in den Ställen der Massenviehhaltung fällt die Artenvielfalt auf den Fluren zum Opfer. Der Massenanbau von Mais kommt jedoch den Wildschweinen und ihrer Vermehrung zugute. Auch das sogenannte Schalenwildproblem, die aus Sicht von Forst- und Landwirtschaft zu hohen Bestände von Rehen, Hirschen und eben auch die zunehmenden der Wildschweine, hängen mit der Überdüngung zusammen. Die intensive Bewirtschaftung der Forste nimmt vielen Säugetieren die Lebensmöglichkeiten; die Fluren sind ohnehin seit Jahrzehnten weithin tierleer geworden. Mit diesen Hinweisen kommen wir wieder zurück zum Titel »Stadt, Land, Fuchs«. Er drückt in seinen Verästelungen tatsächlich das aus, worum es geht – und auch welch besondere Bedeutung der Stadtbevölkerung für die Erhaltung unserer Säugetiere zukommt. Sie stellt die große Mehrheit, und sie sollte entsprechend das Sagen haben. Das Anrecht dazu hat sie längst erworben mit den Milliardensubventionen, die seit Jahrzehnten aus öffentlichen Steuermitteln in die Land- und Forstwirtschaft geflossen sind.

Bevor wir uns der Vielfalt der heimischen Säugetiere zuwenden, wollen wir zunächst klären, welche Merkmale sie auszeichnen und auch mit uns Menschen verbinden.

Was unsere Säugetiere ausmacht

Die Haare ihres Fells machen viele Säugetiere »kuschelig«. Manche sind das so sehr, dass wir unserem uralten Trieb zu kraulen nicht widerstehen und kaum aufhören können, etwa die Katze zu streicheln oder dem Hund das Fell an Kopf und Hals mit unseren Fingerspitzen zu massieren. Mit angedeutetem Biss oder leicht ausgefahrenen Krallen muss die Katze mitunter mitteilen, dass es nun wirklich genug ist. Fast alle Säugetiere mögen es, gekrault zu werden. Nicht nur die kleinen, nein, auch große, wie Kühe und Pferde. Sogar der Igel, der mit seinen zu Stacheln umgebildeten Haaren nicht gerade nach einem Streicheltier aussieht, mag am Bauch gekrault werden, wenn er völlig zahm geworden ist.

Haare kennzeichnen die Säugetiere fast so sehr wie Federn die Vögel. Als die »Haarigen« könnte man sie den »Gefiederten« gegenüberstellen, jedoch beide zu einer Gruppe zusammenfassen, die sich als Warmblüter durch geregelt hohe Körperinnentemperaturen auszeichnet. Ähnlich wie die Federn werden die Haare von der Haut gebildet. Sie wachsen aus der unteren Hautschicht namens Lederhaut, die, wenn gegerbt, zu Leder wird. In dieser Haut sitzen die Bildungsstätten der Haare wie winzige Zwiebeln, deren »Wurzeln« Blutgefäße sind. Diese transportieren die Eiweißstoffe heran, aus denen die Haare aufgebaut werden. Der Stoff, aus dem sie bestehen, heißt Keratin. Es ist das gleiche Material wie bei den Federn, wenn auch in anderer Feinstruktur. Im Haar ist sie lang gestreckt röhrenförmig, so dass diese seidig fein oder auch grob borstig werden können. Niemals bilden Haare Seitenäste, wie die Federn, die sich zu luftdichten Flächen ausbreiten können. Allerdings gibt es spezielle Federn in haarartiger Form, wie etwa beim seltsamen Kiwi von Neuseeland. Doch auch andere Vögel tragen solche »Feder-Haare« in Form von Borsten am Schnabel. Sie wirken als Tasthaare wie bei manchen Säugetieren die Schnurrhaare um Mund und Nase.

Wozu die Haare gut sind, ist offensichtlich. Schon unsere fernen Vorfahren in der Steinzeit erkannten dies und fertigten Pelze aus den Fellen der von ihnen erjagten Tiere, um sich damit zu kleiden und warmzuhalten. Pelze von »unseren« Säugetieren wurden bis in die jüngere Vergangenheit sehr geschätzt, und zwar nicht nur die von Fuchs und Marder, sondern auch solche von Kaninchen und sogar von Maulwürfen. Hermelinmäntel waren Herrschern vorbehalten, so dass Pelze also auch Rangpositionen hervorhoben. In Afrika zum Beispiel drückten Leopardenmantel oder Löwenfell-Umhang die persönliche Macht des Trägers aus. Der Brauch und das Sprichwort, sich mit fremden Federn zu schmücken, griffen auch auf fremde Haare über, zumal in Zeiten, in denen es besser war, sich die eigenen kurz zu scheren, um den Läusen das Leben zu erschweren. Wir werden auf einige unserer Säugetiere, die speziell für Kleidung ihr Fell lassen mussten, noch zurückkommen. Halten wir hier nur fest, dass wir Felle ganz allgemein und vergleichend in »Kleidereinheiten« bewerten. »Dreifache Kleidereinheit« bedeutet, dass das Fell so gut wärmt, wie es drei Schichten Normalkleidung tun würden. Anders als Felle wurden Federn als Bekleidung nur höchst selten verwendet, etwa um Straffällige öffentlich anzuprangern (»geteert und gefedert«) oder im Karneval.

Ein Fell aus Haaren zu tragen, wäre nicht sonderlich hilfreich, gäbe es darunter nichts, was warm gehalten werden muss. Wärmebedürftigen Vierfüßern, wie es zum Beispiel Schildkröten sind oder auch die in der freien Natur Mitteleuropas vorkommenden Eidechsen, würde ein Haarkleid wenig bringen. Begeben sie sich zum Aufwärmen in die Sonne, würde es die Wärmeaufnahme des Körpers verzögern. Und da ihr Stoffwechsel außer bei Bewegung der Muskulatur keine zusätzliche Wärme erzeugt, ließe sich auch nichts speichern. Innere Wärmeerzeugung und Isolationswirkung der Haare gehören wie bei Vögeln und ihren Federn zusammen. Säugetiere erzeugen Wärme im Körper, auch wenn sie ruhen. Sie halten ihre Körpertemperatur auf hohem Niveau, das meistens zwischen 38 und 40 Grad Celsius liegt. Manche Säugetiere können ihre Temperatur aber auch stark absenken, damit viel Energie sparen und sich an schwierige Außenbedingungen anpassen. Die Überwinterung ist eine solche. Im Kapitel zu Igel und Siebenschläfer wird sie behandelt. Im Regelfall aber arbeitet der Säugetierkörper wie unserer: Wärme wird in dem Umfang innerlich erzeugt, wie sie nötig ist, um die hohe Körpertemperatur konstant zu halten. Mit unseren 37 Grad Celsius liegen wir Menschen jedoch deutlich unter dem für Säugetiere außertropischer Lebensräume üblichen Niveau. Diese Gegebenheit weist darauf hin, dass wir als biologische Art aus den Tropen stammen. Die ursprünglich thermische Umwelt haben wir durch das Tragen von Kleidung mitgenommen in kältere Regionen und wechselnde Jahreszeiten. Körpernah halten wir uns nach Möglichkeit »tropisch«, nämlich bei etwa 27 Grad. Bei dieser Temperatur sind wir »thermoneutral«. Das bedeutet, dass die laufende innere Wärmeerzeugung genau richtig liegt. Wir müssen nicht schwitzen, um zu kühlen, weil der Körper zu warm geworden ist, und auch nicht im Stoffwechsel nachheizen, weil wir zu viel Wärme nach außen verlieren. Bekleidet, wie wir zu sein pflegen, senken wir die ideale Temperatur auf etwas über 20 Grad Celsius und nennen sie dann die optimale Raumtemperatur.

Diese ersten Hinweise sollen zeigen, dass für Säugetiere, ähnlich wie für uns Menschen, die Temperatur der Umwelt und die im Tages- und Jahreslauf auftretenden Veränderungen lebenswichtig sind. Der Wärmehaushalt bestimmt den Energiehaushalt. Wir werden Fälle finden, die sogar Anklänge an unseren Aufwand für Heizkosten zeigen. Auch die Art der Nahrung und ihr Wechsel im Jahreslauf hängen mit dem Wärmehaushalt des Säugetierkörpers maßgeblich zusammen. In enger Verbindung damit stehen die Gebisse und ihre besonderen Formen, die es Kennern ermöglichen, anhand fossiler Zähne recht zutreffend Aussehen und Lebensweise längst ausgestorbener Säugetiere zu rekonstruieren.

Drei Besonderheiten charakterisieren Zähne und Gebiss der Säugetiere: Erstens gibt es ein »Milchgebiss« als erste Zahngeneration, das mehr oder weniger schnell ausfällt und vom permanenten Gebiss ersetzt wird. Zweitens sind die Zähne der Säugetiere funktionell klar gegliedert in Schneidezähne, Eckzähne, Vorbacken- und Backenzähne. Diese Unterschiedlichkeit ermöglichte die Entstehung sehr spezieller Gebisse zur Verwertung von Nahrung, die geschnitten, zermahlen oder intensiv durchgekaut werden muss, bevor sie den Weg in die Verdauung nehmen kann. Als dritte Besonderheit kommt für manche Säugetiere hinzu, dass die Zähne permanent nachwachsen. Dies ist gewiss die eleganteste Methode, ihre Abnutzung auszugleichen, doch uns steht sie leider nicht zur Verfügung. Nicht in jeder Hinsicht sind wir die fortschrittlichsten Säugetiere.

Die Bezeichnung Säuge-Tier und, noch viel schöner, das wissenschaftliche Mammalia drücken aus, was diese Tiergruppe ganz besonders auszeichnet. Mamma, die Brust, ist es, die Milch spendende Mutterbrust. Auf überraschende Weise steht sie in uralter Verbindung mit den Haaren, nämlich über den Ursprung der Milchdrüsen. Das nachgeburtliche Ernähren der Jungen mit Muttermilch ist das zentrale Kennzeichen der Säugetiere. Auch Wale und Delfine sind trotz perfekter Fischform keine Fische, sondern echte Säugetiere, deren Junge Muttermilch trinken. Auch das im Beutel des Kängurus heranwachsende Junge tut dies. Muttermilch hält den Nachwuchs in seiner nachgeburtlichen Lebens- und Entwicklungsphase mehr oder weniger lange Zeit unabhängig von der später typischen Nahrung. Diese kann von Gras, das intensiv zerkaut werden muss, bis zum Fleisch anderer Säugetiere reichen, also je nach Lebensstil verschieden sein und ein extrem breites Spektrum umfassen. Erst wenn die Jungen von der Muttermilch entwöhnt sind, wechseln sie auf die für ihre Art spezifische Nahrung.

Muttermilch ist als Babynahrung schlicht das Beste. In ihrer Zusammensetzung ist sie auf die jeweiligen Bedürfnisse der Säugetierart eingestellt, und wir finden je nach Lebensweise unterschiedliche Kombinationen von Protein-, Fett- und Milchzuckergehalten. Bei hohem Eiweißgehalt beispielsweise wachsen die Jungtiere schnell. Viel schneller als wir Menschenkinder, die wir mit der Muttermilch wenig Eiweiß mitbekommen. So liegen Eiweiß- und Fettgehalt der Muttermilch bei Meeressäugetieren besonders hoch, der Milchzuckergehalt ist aber niedrig. Das bedeutet, dass die Jungen schnell wachsen und mit dem Fettgehalt viel innere Wärme erzeugen können, aber dank des geringen Zuckergehaltes kaum die Notwendigkeit verspüren, sich zu bewegen. Dagegen ist bei den Jungen der an Land lebenden Säugetiere der Bewegungsdrang groß, denn der hohe Gehalt an Milchzucker fördert das Bedürfnis zu spielen. Es lohnt, bei der Betrachtung der verschiedenen Arten von Säugetieren gelegentlich auf die Zusammensetzung der Muttermilch zu achten. Und natürlich auch darauf, was ihre Bereitstellung für die Mutter bedeutet. Die Milch fließt ja nicht einfach so.

Während die Vorteile dieser hochwertigen Anfangsversorgung offensichtlich sind, werden ihre Nachteile weniger beachtet. Denn die Kinder zehren an ihren Müttern. Die Milch spendende Mutter wird bei den Säugetieren sehr viel stärker in Anspruch genommen als der Vater. Eine der Folgen, die wir an uns selbst erleben, ist die Notwendigkeit, ein entsprechend differenziertes Sozialverhalten zu entwickeln, das beides garantiert: das erfolgreiche Aufwachsen des Nachwuchses und das Überleben der Mutter in hinreichend gutem Zustand. Bei den verschiedenen Säugetieren Mitteleuropas gibt es Verhaltensformen, die in direktem Zusammenhang mit Versorgung und Betreuung der Jungtiere stehen.

Wie schon angedeutet, gibt es eine weit in der Vergangenheit zurückliegende Verbindung zwischen der Bildung der Haare und der Entwicklung von Milchdrüsen. Diese entstanden ursprünglich, vor mehr als hundert Millionen Jahren, als sogenannte Milchleiste im Brustfell, über die eine zunächst milchartige Flüssigkeit abgesondert wurde, die die Neugeborenen ableckten. Die Drüsen, die Milch erzeugen, ähneln jenen, die Schweiß absondern und aus denen die Haare hervorgehen. Die Absonderungen enthalten Proteine, die zu Keratin, der Hornsubstanz von Haaren, Nägeln und Krallen, verdichtet werden. Dass diese Abscheidung immer noch stattfindet, riechen wir. Aus unseren Schweißdrüsen sondern wir Eiweißbausteine, Aminosäuren, ab. Bakterien auf unserer Haut verwerten sie und erzeugen dabei Abfallstoffe, die den Schweiß so anrüchig machen. Würden die Schweißdrüsen nur Wasser und etwas Salz abgeben, wäre unser Schweiß geruchlos. Schwitzen kühlt zwar sehr wirkungsvoll, verklebt jedoch auch das Fell, wenn dieses dicht ist und wärmend wirken soll. Die meisten Säugetiere tragen Schweißdrüsen daher nur an wenigen begrenzten Körperstellen und nicht wie wir auf nahezu der ganzen Körperoberfläche. Hund, Wolf und Fuchs haben sie zum Beispiel auf der Pfotenunterseite, was aber bei Weitem nicht zur Regulierung des Wärmehaushalts ausreicht. Hecheln mit heraushängender Zunge ist ihre Alternative bei Wärmeüberschuss. Ihr Fell wird mit der Absonderung von Talgdrüsen eingefettet. Das macht es wasserdicht oder zumindest schwerer benetzbar. Haare, Schweißdrüsen und Milchdrüsen bilden also einen Komplex, der maßgeblich den Entwicklungsweg der Säugetiere bestimmt hat und ihre Lebensweise weiter beeinflusst.

Die vierte Besonderheit der Säugetiere kennen meistens nur Spezialisten, obwohl sie immens wichtig ist – auch für uns Menschen. Es ist das Zwerchfell. Hand aufs Herz – wer weiß und spürt, dass der Bauchraum vom Brustraum mit einem Gebilde getrennt ist, auf das wir gelegentlich reflexartig reagieren, zum Beispiel wenn wir Schluckauf oder einen Schlag in die »Magengrube« bekommen haben? Das Zwerchfell als Sonderbildung ermöglicht den Säugetieren zwei unterschiedliche Formen der Atmung, die Brustkorb- und die Bauchatmung. Bei der Brustkorbatmung werden die Rippen von speziellen Muskeln angehoben. Das erweitert den Brustraum und saugt Luft in die Lunge. Mit Zusammendrücken des Brustkorbes wird sie wieder ausgepresst; recht unvollständig allerdings. Was verbleibt, also nicht ausgewechselt wurde, nennen wir Restluftvolumen. Dass dieses nicht zu groß und damit zu CO2-haltig wird, dafür sorgt das Zwerchfell. Durch Anspannung drückt es die Lunge nach vorn, durch Entspannung gibt es dieser mehr Raum. Wir können, wenn wir wollen, eine reine Zwerchfellatmung durchführen. Und dabei die Rippen gar nicht bewegen. Das machen wir automatisch in bestimmten Schlafstellungen, die den Rippen keine Bewegungen zulassen. Autonomes Atmen ist Teil der Zwerchfellfunktion. Anhaltend regelmäßige Atmung ist notwendig, weil Säugetiere auch im Schlaf ihre hohe Körperwärme aufrechterhalten müssen. Das geht nur bei kontinuierlicher Sauerstoffzufuhr. Der andere Teil der Zwerchfellfunktion wirkt beim Laufen: Ein Hund wird nach einer Strecke schnellen Laufes nicht annähernd so bald schlapp wie ein in seiner Körpermasse etwa gleich großes Reptil, ein Waran zum Beispiel. Der Hund hat Ausdauer, wie wir es nennen, sehr große sogar. Nordische Hunde können in kalten Regionen durchaus Marathondistanzen und mehr laufen und mit uns Menschen konkurrieren, die wir eigentlich die ausdauerndsten Läufer sind. In der Kälte reguliert unser Schwitzen den Energiehaushalt viel weniger als in der Hitze, in der wir dank umfassender Körperkühlung den Schlittenhunden haushoch überlegen sind. In der Kälte wie auch unter normalen Verhältnissen hierzulande vollzieht sich im laufenden Hund etwas, das wir nicht sehen können, was aber höchst wirksam ist: Er atmet passiv mit den Laufbewegungen. Die Eingeweide drücken über das Zwerchfell abwechselnd nach vorn und ziehen nach hinten, je nachdem, welche Phase der Bewegung gerade abläuft. Wie ein Kolben im Motor saugt dies den »Sprit« in Form von Sauerstoff in die Lunge und drückt die Abgase, das Kohlendioxid, mit dem Ausatmen hinaus. Der laufende Hund muss nicht zusätzlich Kraft aufwenden, um nicht außer Atem zu kommen. Bei uns Menschen ist dies anders, weil wir zweibeinig aufgerichtet laufen. Magen und Darm drücken nach unten aufs Becken, nicht rhythmisch aufs Zwerchfell. Der Brustkorb muss mitbewegt werden. Dafür tun wir mit den Armen so, als ob wir noch wie in fernen Vierfüßerzeiten laufen würden. Da dies beim Klettern viel weniger intensiv geschieht, ermüden kletternde Säugetiere schneller als laufende. Der Automatismus des Atmens kommt dabei einfach nicht so wirkungsvoll zustande.

Das Zwerchfell ist also eine höchst bedeutende Errungenschaft der Säugetiere. Es hat, zusammen mit der vorherrschenden Form vierbeiniger Fortbewegung, sogar Konsequenzen für den Bau der Lunge. Viele Säugetiere, jedenfalls alle, die viel laufen, haben eine gekammerte Lunge. Sie besteht aus drei Lappen rechterseits und vier linkerseits. Im Zusammenwirken mit dem Zwerchfell ergibt sich daraus eine erheblich bessere Ausnutzung der eingeatmeten Luft als in unserer simplen Sacklunge, die uns bei Überforderung das bekannte Seitenstechen einträgt. Die Zwerchfellbewegung beim Laufen presst zusammen mit elastischen Veränderungen des Brustkorbs die Restluft in Lungensäcke, in denen weiterer Gasaustausch stattfinden kann und sich dadurch insgesamt weniger Restluft ergibt. Natürlich verbessert dies die Leistung beim Dauerlauf, vor allem aber im Sprint. Dieser ist für viele Säugetiere extrem wichtig, um Feinden zu entkommen.

Und beim Klettern? Nicht wirklich und doch. Das hängt von der Art des Kletterns ab. Geht es bergauf, in Sprüngen, wie im Hochgebirge bei Steinbock und Gämse, dann ja, weil bei jedem Sprung die Lungen einen inneren Stoß mitbekommen. Wie sich das anfühlt, spüren wir beim erhöhten Absprung von einem Felsblock oder wenn wir uns von einem Baumast zu Boden fallen lassen, nicht aber beim Versuch, uns an einem Ast hochzuziehen. Das drückt Brustkorb und Lunge zusammen. Klettern gelingt weit besser, wenn die Beine stärker seitlich am Körper ansetzen. Dann erzeugt die Bauchseite viel Widerstand gegen das Abrutschen. Reibung spart Kraft. Aber sie macht langsamer am Boden. Gute Kletterer sind nicht ausdauernd, sie kommen schnell außer Atem. Die wichtigste Kletterhilfe sind die Krallen an den Zehen der vier Beine. Krallen müssen es sein, keine Klauen oder flache Zehen-/Fingernägel wie bei uns. Klauen sind gespaltene Hufe, die überhaupt nicht taugen zum Klettern an mehr oder weniger senkrechten Baumstämmen. Etwas schräg müssen diese schon sein, damit zum Beispiel die sehr gewandten Ziegen mit ihren Klauen hinaufkommen. Ihr an sich bewundernswertes Herumklettern im Geäst ausladender Bäume zeigt gleichzeitig die Grenzen auf, die den Paarhufern beim Klettern gesetzt sind. Das Gewicht kommt »erschwerend« hinzu. Je schwerer ein Körper, desto mehr Kraft ist nötig, ihn in die Höhe zu wuchten. Bei kleinen Säugetieren hingegen nimmt die Bedeutung des Gewichts rascher ab als die Größe. Ein Eichhörnchen kann den Stamm fast genauso schnell hinaufflitzen wie von Stamm zu Stamm über den Boden. Dass es dazu Sprünge benutzt, verdeutlicht, dass diese ab einem bestimmten Verhältnis von Schrittlänge und Körpermasse energetisch günstiger werden als das vierfüßige Laufen im Kreuzgang. Rehe wechseln früher ins Springen als Wölfe oder Hunde, die hinter ihnen herjagen, weil sie mit 15 bis 25 Kilogramm Körpergewicht meistens leichter sind als die Verfolger. Hermeline und die Mäuse, die sie jagen, springen fast immer. Diese Hinweise mögen ausreichen, um zu verdeutlichen, dass die Fortbewegungsweise zwischen Körpergröße und Kraftaufwand optimiert wird. Zum Maximaleinsatz kommt es, wenn es um Leben oder Tod geht.

Grundsätzlich muss zuallererst der Reibungswiderstand überwunden werden. Wer eine entsprechende Verbrauchsanzeige im Auto hat, kann sehen, wie die Werte des Spritverbrauchs beim Anfahren hochschnellen, obwohl die Geschwindigkeit noch sehr gering ist. Über 30 Liter pro 100 Kilometer erschrecken, bis man sich daran gewöhnt hat, dass dieser enorme Verbrauch rasch sinkt, wenn das Auto schneller fährt. Der günstigste Verbrauch wird dann bei irgendeiner mittleren Geschwindigkeit erreicht. Danach steigt er wieder an. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Fortbewegung der Säugetiere. Langsames Umherschleichen kann aufwändiger sein als ein flotter Dauerlauf. Das für uns so hektisch wirkende Verhalten der Mäuse erklärt sich großenteils daraus. Schnell eine Serie von Hüpfern, dann verharren, weitere Hüpfer, anhalten, und so fort. Das strengt die Maus nicht so an. Große Tiere, wie Rinder, ziehen ruhig und gleichmäßig dahin, wenn sie nicht getrieben oder von leckeren Pflanzen am Wegrand abgelenkt werden. Doch wie auch immer, jede Bewegung kostet Energie, und diese benötigt auch der Grundstoffwechsel, der dafür sorgt, dass der Körper bei hoher Innentemperatur gleichmäßig warm bleibt.

Das hat Folgen für drei weitere Formen der Fortbewegung: Schwimmen und Tauchen sowie Wühlen und Graben und das Fliegen. Betrachten wir zunächst das Schwimmen. So gut wie jeder tierische Körper schwimmt, weil er leichter ist als die Wassermenge, die er verdrängt – Muscheln und Schnecken mit schwerer Schale natürlich ausgenommen, deren Weichkörper alleine aber auch schwimmen würden. Der Auftrieb ist jedoch nicht unbedingt günstig, speziell für Säugetiere, die ins Wasser wollen. Er bremst sie, und dies umso mehr, je weniger fischförmig ihr Körperbau ist. Ein Reh hat zu strampeln, um mit seinen dünnen Beinen voranzukommen, obwohl der Körper ziemlich rundlich ist und es Kopf und Hals hochreckt und damit den Wasserwiderstand vermindert. Ein Maulwurf dagegen schwimmt sichtlich besser. Tatsächlich bietet er ein eindrucksvolles Bild: Seine kurzen, schaufelförmigen Beine rudern effektiv, die Schnauze reckt er nach oben wie einen Schnorchel und sein von einem dichten, seidigen Fell umgebener, sehr rundlicher Körper gleitet geradezu elegant dahin. Dass er dabei, reichlich wirkungslos, mit seinem Schwänzchen hin und her wackelt, erinnert an uralte Zeiten, in denen Maulwürfe noch keine Maulwürfe, sondern so etwas Ähnliches wie Spitzmäuse gewesen sind. Aus der einfachen Schlängelbewegung entstanden die besonderen, viel effizienteren Fortbewegungsweisen.

Soll nun abgetaucht werden, wird der Auftrieb zum Gegendruck. Diesen gilt es, mit Krafteinsatz zu überwinden. Anders geht das Tauchen nicht. Soll dabei gar ein Fisch erbeutet werden, muss der Säugetierkörper mehr, viel mehr leisten als der des Fisches. Denn dieser hat, meist über eine Schwimmblase, seinen Körper so eingestellt, dass er unter Wasser auftriebsneutral ist. Also kann er alle Kraft in den Vortrieb einsetzen. Auftrieb und Widerstand des Wassers muss der Fischotter dagegen überwinden, und zwar nicht bloß ein wenig. Sonst entschwindet ihm die schuppig glitzernde Beute. Dass er dennoch nicht verhungert und ein Vorkommen von Fischottern nicht gerade mit Wohlwollen von Fischern und Teichwirten wahrgenommen wird, liegt an zwei Säugetier-spezifischen Eigenheiten: der hohen Innentemperatur seines Körpers und dem dichten Fell, das ihn einhüllt. Zusammen verschaffen sie dem Otter den entscheidenden Vorteil. Die Geschwindigkeit, die Fische erreichen können, hängt von der Wassertemperatur ab. Handelt es sich um einen kühlen Bach oder Fluss, so ist es darin 10 bis über 20 Grad kälter als im Fischotter. Sein dichtes Fell verhindert, dass er bei der Jagd unter Wasser zu schnell auskühlt. In dieser Hinsicht ist er jedem Hecht überlegen, der als Fischjäger vielleicht den gleichen Fisch erbeuten würde, aber eben auch von der Wassertemperatur in seiner Leistung begrenzt wird. Aus dem Fischotter-Beispiel geht hervor, dass global gesehen nicht warmtropische Gewässer und das Korallenmeer die Domänen von Säugetieren sind, die im Wasser nach Beute jagen, sondern die kalten Gewässer bis an die Eisränder der Pole. Die Ausbildung von Schwimmhäuten zwischen den Zehen, mindestens an den Hinterfüßen, stellt zusammen mit dichtem, das Wasser abweisendem Fell die entscheidende Spezialanpassung zum Eindringen in den Lebensraum Gewässer dar.

Doch lebt die attraktive Beute tiefer im Gewässer, presst der Wasserdruck das eigentlich isolierende Luftpolster aus dem Fell. Blasenartig perlt es nach oben. Dem tauchenden Säugetier wird alsbald kalt. Die Gegenmaßnahme ist die Ablagerung einer entsprechend dicken Fettschicht unter der Haut. Diese isoliert zwar, jedoch kaum ein Drittel so gut wie das Fell. Daher muss die Fettschicht etwa dreimal so dick werden wie das Fell, um gleichen Wärmeschutz zu liefern. Das macht Meeressäuger so »ölig« und kostete so viele von ihnen das Leben, weil man sie wie Bio-Ölquellen nutzte. Wir vertiefen das hier nicht, weil Meeressäuger im Buch nicht behandelt werden. Fischotter könnten sich hingegen keine dicke Fettschicht unter der Haut leisten, weil diese ihre Beweglichkeit zu sehr einschränken würde. Bei ihrer Jagd geht es ja nicht nur vorwärts. Sie müssen wendiger sein als die Fische, hinter denen sie her sind. Ähnliches gilt für die kleine Wasserspitzmaus, die als unter Wasser jagendes Säugetier die untere Größengrenze repräsentiert. Noch kleinere könnten ihren Körper nicht mehr warm genug halten, denn das Wasser hat eine viel zu hohe Wärmeleitfähigkeit.

Dieser Zusammenhang leitet über zur nächsten Spezialform der Fortbewegung, dem Wühlen im Boden. Es sind gerade die kleinen Formen von Säugetieren, die das tun und mehr oder weniger unterirdisch leben. Der Wärmehaushalt erklärt, warum. Erde isoliert sehr gut. Sie leitet die Wärme nur langsam ab. Daher bleibt es schon wenige Handbreit unter der Erdoberfläche gleichmäßig kühl. Eine ungefähre Vorstellung von der Wärme oder Kühle im Boden vermittelt die Temperatur von Quellen der betreffenden Gegend. Sie entspricht ungefähr der mittleren Jahrestemperatur. Das ist zwar nicht warm in dem von uns präferierten Sinne, aber auch nicht kalt; nicht einmal kühlschrankkalt. Ein wühlendes Tier kann somit seine Körperwärme ziemlich gut halten. Das Wühlen und Graben setzt Wärme frei, die im Körper von Maulwurf und Wühlmäusen lange verbleibt und den Einsatz »reiner Heizenergie« mindert. Gibt es reichlich Nahrung im Boden, Regenwürmer und fette Insektenlarven zum Beispiel, passen die Umstände, auch wenn sie nicht die Welt wären, in der wir leben möchten. Lange Beine taugen dazu nicht. Kurze, schaufelförmige sind ideal. Der Maulwurf repräsentiert das unterirdische Leben in Perfektion. Viele Mäuse vermitteln Formen des Übergangs vom Leben auf dem Boden, dem Durchstöbern der Auflageschichten aus Laub und Gras bis hin zum Eindringen in den Boden mit röhrenförmigen Gängen und der Anlage unterirdischer Wohnungen. Zählt man die Tierarten, leben in dieser »Schicht« mehr Säugetiere als in jedem anderen Lebensraum. Das ist kein Wunder, denn der Boden und das bodennahe Dickicht waren einst in ferner erdgeschichtlicher Vergangenheit die Hauptlebenswelt der Säugetiere und sind es für zahlreiche Arten immer noch. Viele ihrer Fähigkeiten erklären sich aus der Herkunft vom »Typ Spitzmaus«. Vertreter der verschiedensten Anpassungsrichtungen gibt es. Von ihrem Leben bekommen wir jedoch nicht viel mit, weit weniger als von dem der Vögel. Denn ein Großteil der Säugetiere lebt auch nachtaktiv oder ist durch anhaltende Verfolgung seitens der Menschen zu dieser Lebensweise gezwungen worden. Dank zweier Sinne können sie dies: dem sehr gut entwickelten Geruchssinn und ihrem Sehen, das auf die schwache Helligkeit eingestellt ist, wie sie nachts herrscht. Darin sind sie uns weit überlegen. Aber dafür ist ihre Welt weit weniger bunt als unsere: Sie verfügen nur über ein Zweifarbsehen.

Die allermeisten Säugetiere können Rot und Grün nicht als unterschiedliche Farben und Abstufungen dazwischen erkennen. Sie sind das, wovon ein kleiner Teil der Menschen betroffen ist: rot-grün-blind. Farben sagen ihnen daher ungleich weniger als uns oder auch den Vögeln, die uns im Farbensehen qualitativ sogar erheblich übertreffen. Aber wie wir (unter natürlichen Bedingungen) gehen Vögel abends schlafen und werden mit Tagesanbruch wieder munter. Bei vielen Säugetieren verläuft der Tagesrhythmus ihres Lebens genau umgekehrt. Sie sehen nachts so gut wie wir an düsteren Tagen. Ihr Gehör ist feiner, getrimmter auf die Geräusche der Nacht, und es reicht bei zahlreichen Säugetieren in den Ultraschallbereich hinein. Katzen und Hunde hören das Mäusepiepsen auch in jenen hohen Tonlagen, die wir nicht mehr erfassen. Ihre Geruchswelt, zumal die der Hunde, entzieht sich ohnehin unserer Vorstellung. Trotz ihrer fortgeschrittenen Gehirnentwicklung sind uns die Säugetiere daher fremd geblieben, auch wenn wir uns mit ihnen, wie mit Hund und Katze, intensiv befassen. Ihre und unsere Welt kommen nur zum Teil zur Deckung. Das macht es umso spannender zu versuchen, in ihr Leben hineinzublicken. Die bei uns vorkommenden Säugetiere bieten dazu sehr viel.

So auch das buchstäblich eigenhändige Fliegen. Ein artenreicher Zweig der Säugetiere, von uns etwas verwirrend »Fledermäuse« genannt, hat auf andere Weise als die Vögel die Flugfähigkeit entwickelt. Ganz ohne Federn mit einer zwischen den stark verlängerten Fingern und den Körperseiten ausgespannten Flughaut. Diese ist dünn, durchblutet und sehr elastisch. In sie, blitzschnell ausgebreitet, lässt sich die mit dem Kopf nach unten hängende Fledermaus zum Abflug fallen. Fledermäuse brauchen daher erhöhte, möglichst auch Schutz bietende Stellen zum Ruhen, speziell zum Übertagen und Überwintern. Ihre Domäne ist die Nacht. Das macht sie uns irgendwie unheimlich, zumal sie sich offenbar im Dunkeln bestens zurechtfinden und nirgends anstoßen. Dazu befähigen sie nicht etwa besonders gute Augen, die mit Restlicht arbeiten, sondern die Ohren, ihr Gehör. Aus den Lauten im Ultraschallbereich, die Fledermäuse im Flug zur Orientierung und auch zur Jagd nach Insekten ausstoßen, formen sie etwas, das wir in Anlehnung an unser Sehen ein Hörbild der Umgebung nennen können. Es entspricht einem Radarbild, ist aber bei Fledermäusen viel präziser, allerdings je nach Art bzw. Gattungstyp verschieden. Grundsätzlich gilt, dass Fledermäuse mit dem Gehör »sehen«. Und sich damit den nächtlichen Luftraum für die Jagd nach Insekten, in den Tropen sogar nach Fröschen und Fischen, die an die Wasseroberfläche kommen, erschließen.