Stadtwild - Nicolas Bogislav von Lettow-Vorbeck - E-Book
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Beschreibung

Dieses Buch ist ein Muss für alle Tierfreunde, die es in die große Stadt verschlagen hat: Es verblüfft mit Fakten aus der erstaunlichen Welt der urbanen Fauna, berührt oder erheitert mit Geschichten der Annäherung von Mensch, Tier und Architektur und verrät, an welchen Orten man am besten auf die Suche geht. Ein besonders schöner Nebeneffekt: Beim geduldigen Warten auf tierische Entdeckungen stellen sich Achtsamkeit und Entschleunigung ganz von selbst ein. Eine umwerfende Liebeserklärung an den Großstadtdschungel und zugleich eine unwiderstehliche Einladung zu einem Safari-Spaziergang!

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Für meine geliebte Frau Mignon, die es aushält, mit mir stundenlang Tiere zu beobachten.

Stadtwild

Von Amsel bis Zauneidechse

99 Tiere, die man in der Stadt entdecken kann

Inhalt

Einladung, Entdecker zu werden

Vorweg 11 Tipps für urbane Naturentdecker

1Die Aaskrähe

Knackt selbst die härteste Nuss

2Die Amsel

Energiesparmeister und versierter Klingeltonimitator

3Die Bettwanze

Blutlüsterner Bettgenosse

4Der Europäische Biber

Versierter Baumeister mit blutroten Nagezähnen

5Die Blaumeise

Hyperaktiver Kurzschnabel

6Die Blattläuse

Heimtückische Pflanzenvampire

7Das Blesshuhn

Schwarz-weißer Paddelexperte

8Die Blindschleiche

Falsche Schlange mit hohem Nutzwert

9Der Braunbrustigel

Stacheliger Stöhnweltmeister

10Der Buchsbaumzünsler

Asiatischer Buchsbaumfan mit Mordsappetit

11Die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte

Sonnenhungriges Ex-Haustier

12Der Buntspecht

Perfektionist mit Stoßdämpfer

13Der Europäische Dachs

Baudynast mit sozialer Ader

14Der Eichelhäher

Unmelodischer Waldpolizist

15Der Große Eichenbock

Seltener Riesenkäfer mit speziellen Bedürfnissen

16Der Eichen-Prozessionsspinner

Wuschelviech mit fiesen Nebenwirkungen

17Das Eichhörnchen

Kletterkünstler mit integrierter Kuscheldecke

18Der Eisvogel

Indikator naturnaher Gewässer

19Die Elster

Ist der Ruf erst ruiniert …

20Die Dunkle Erdhummel

Emsiges Rüsseltier

21Der Feldhase

Olympiareifer Läufer und Boxer

22Die Gemeine Feuerwanze

Stinkinsekt in Signalfarben

23Der Fischotter

Haarmillionär mit Tiefgang

24Die Rote Gartenameise

Emsiger Gärtner und Teamworker

25Die Gartenkreuzspinne

Geschickter Netzbaumeister

26Der Gelbrandkäfer

Aquatischer Killer mit Hightech-Ausstattung

27Der Goldfisch

Zählebige Augenweide

28Die Europäische Gottesanbeterin

Killerbraut mit perfekter Camouflage

29Der Graureiher

Adlerauge mit Zen-Faktor

30Der Halsbandsittich

Grüner Raser

31Der Haubentaucher

Emanzipierter Familienvogel

32Der Haushund

Kaltschnäuzer mit wölfischen Wurzeln

33Die Hauskatze

Mini-Löwe mit göttlicher Ausstrahlung

34Die Hausmaus

Monster und Maskottchen

35Der Haussperling

Stadtbekannter Jedermann und Teamplayer

36Das Grüne Heupferd

Trällernder Insektenkiller mit Biss

37Der Hirschkäfer

Rarität mit imposantem Pseudo-Geweih

38Der Höckerschwan

Romantiker mit Rambo-Qualitäten

39Der Gemeine Holzbock

Fauler Krankheitsüberträger

40Die Westliche Honigbiene

Fleißige Blütensammlerin mit Launen

41Die Kanadagans

Airbusschreck und Kotbomber

42Der Karpfen

Festessen, Statussymbol, Haustier

43Die Kellerassel

Allesverwerter und nahrhafter Snack

44Der Kleiber

Nachmieter mit Sonderwünschen

45Die Kleidermotte

Raupe Nimmersatt mit großem Modehunger

46Der Große Kohlweißling

Hochzeitsgast der etwas anderen Art

47Der Kormoran

Geschmähter Feind, gedrillter Freund

48Der Kranich

Lustiger Trompeter

49Der Große Leuchtkäfer

Lichtkünstler von nebenan

50Die Mandarinente

Farbenfrohe Exotin und Romantikerin

51Der Siebenpunkt-Marienkäfer

Glücksbringer mit bitterer Note

52Der Europäische Maulwurf

Grabungsprofi mit Supersinnen

53Die Mehlschwalbe

Langstreckenflieger und Baumeister

54Der Mensch

Beobachter und Teil der Stadtnatur

55Die Blaugrüne Mosaikjungfer

Schillernder Urzeit-Helikopter

56Die Nachtigall

Garant für Jugend und Schönheit

57Der Nashornkäfer

Kompostliebhaber mit markantem Geweih

58Die Nutria

Felllieferant aus Südamerika

59Der Gemeine Ohrwurm

Nachtaktiver Blattlausvernichter

60Der Gemeine Regenwurm

Segmentierter Schwerstarbeiter

61Das Reh

Hungriger Gartengast mit Panoramalinse

62Die Ringelnatter

Meisterschwimmerin und Showgröße

63Die Ringeltaube

Genie mit Imageproblem

64Der Goldglänzende Rosenkäfer

Schmuckstück mit Sonnenfaible

65Der Rotfuchs

Musikgenie und ausdauernder Liebhaber

66Das Rotkehlchen

Kreativer Sänger mit Powerorgan

67Die Schleiereule

Eleganter, lautloser Jäger

68Der Siebenschläfer

Riesensiesta bevorzugt

69Das Silberfischchen

Liebhaber von Feuchtgebieten

70Der Star

Imitationstalent und Massentourist

71Die Gemeine Stechmücke

Vampir unter den Insekten

72Der Steinmarder

Autosaboteur im Blutrausch

73Die Stockente

Eleganter Raser der Lüfte

74Die Stubenfliege

Hundehaufen- und Tortenliebhaber

75Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs

Fleischlieferant auf Wanderschaft

76Das Tagpfauenauge

Luftgaukler und Scheinaugenbesitzer

77Das Taubenschwänzchen

Pseudo-Kolibri mit langer Reichweite

78Der Teichfrosch

Grüner Presslufthammer

79Der Europäische Triops

Überlebenskünstler in der Pfütze

80Der Turmfalke

Mäuseschreck mit Helikopter-Genen

81Der Waldmistkäfer

Musikus mit Fäkalienvorliebe

82Die Wanderratte

Polizeihelfer mit Gemeinschaftssinn

83Der Waschbär

Geschickter Handwerker aus Amerika

84Der Gemeine Wasserläufer

Jesus der Stadtnatur

85Der Wasserskorpion

Taucher mit eingebautem Schnorchel

86Die Wasserspitzmaus

Giftspritze mit Taucher-Gen

87Die Weberknechte

Cowboys auf Stelzen

88Die Spanische Wegschnecke

Schleimer mit Raspelzunge

89Der Europäische Wels

Publikumsliebling mit großem Appetit

90Die Gemeine Wespe

Garstiger Schrecken aller Leckermäuler

91Die Wespenspinne

Farbenfroher Neubürger in Warntracht

92Das Wildkaninchen

Teamplayer mit seltsamen Fressgewohnheiten

93Das Wildschwein

Muskelbepackter Anpassungskünstler

94Die Große Winkelspinne

Hoher Ekelfaktor garantiert

95Die Zauneidechse

Mini-Dino mit ausgefeiltem Fluchtmanöver

96Die Zebraspringspinne

Hochseilartist mit Hydraulikunterstützung

97Der Zitronenfalter

Gelbes Winterwunder mit integriertem Frostschutz

98Die Große Zitterspinne

Helikopter-Mutter mit Hang zum Chaos

99Die Zwergfledermaus

Geselliger Stadtfan mit Horror-Image

Einladung Entdecker zu werden

»Es ist eine menschliche Universalie, dass wir uns nahezu instinktiv für die Dinge der Natur und für Tiere interessieren. Wer das bezweifelt, soll sich ansehen, wie Kinder orientiert sind. In allen Kulturen interessieren sie sich am meisten für Tiere«, sagte der österreichische Biologe, Verhaltensforscher und Autor Kurt Kotrschal 2014 in einem Interview.

Auch ich war einst ein solches Kind, das stundenlang Tiere mit unverwandtem Staunen betrachtet hat. Je älter ich wurde und je mehr ich um die Zusammenhänge und Besonderheiten dieser Lebewesen wusste, desto mehr steigerten sich meine Ehrfurcht und meine Bewunderung. Obgleich schon unzählige Male gesehen, bleibt mir noch heute der Mund offen stehen, wenn ich eine Kreuzspinne beim Netzbau sehe oder Zeuge der blitzschnellen Fangbewegung einer Gottesanbeterin werde.

Erwachsene Großstädter leiden unter ständiger Zeitknappheit. Die digitalen Technologien haben unser Leben spürbar beschleunigt, Geschwindigkeit ist heute Trumpf. Umso wichtiger sind analoge Zeitinseln. Im Meer der digitalen Reizüberflutung helfen sie uns durchzuatmen, zu uns zu finden und wieder gestärkt in den Alltag zurückzukehren. Die grundsätzliche Neugier auf Tiere ist glücklicherweise in nahezu allen Menschen angelegt, sie ist quasi Teil unseres Betriebssystems!

An genau diese zeitknappen, aber doch naturinteressierten Stadtmenschen richtet sich das vorliegende Büchlein. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit, und gehen Sie damit auf Expedition vor die Haustüre. Ihre tierischen Mitbewohner warten nur darauf, von Ihnen entdeckt zu werden! Nicht im fernen Afrika oder Australien, sondern direkt in Ihrer Umgebung. Die Stadttiere sind weitgehend an uns Menschen gewöhnt, ihre Fluchtdistanz ist deshalb nicht sehr groß.

Schon jetzt wünsche ich Ihnen bei Ihren Entdeckungen viel Vergnügen,

herzlichst, Ihr

Nicolas Bogislav von Lettow-Vorbeck

Vorweg

11 Tipps

für urbane Naturentdecker

1.

Nehmen Sie sich immer eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken mit!

Man kann nie wissen, wie lang eine urbane Expedition am Ende dauert. Da das Ganze in erster Linie Freude bereiten soll, schadet ein wenig Proviant nie.

2.

Fixieren Sie sich nicht auf eine Tierart!

Natürlich ist es ein großartiges Erlebnis, zum ersten Mal im Leben ein städtisches Wildschwein zu erspähen. Trotzdem sollte man niemals vergessen, dass jedes kleine und große Tier auf seine ganz eigene Weise interessant und wunderbar ist. Ich habe bei meinen Streifzügen eigentlich nie die Tiere gefunden, die ich gesucht habe – und das hat meinen Horizont ganz ungemein erweitert.

3.

Suchen Sie auch an den unmöglichsten Orten!

Natürlich würden wir spannende Tiere instinktiv in städtischen Wäldern oder Parks vermuten. Doch auch an scheinbar naturfernen Orten wie verlassenen Industrieanlagen kreucht und fleucht es. Tiere sind meist sehr flexibel in der Besiedlung neuer Lebensräume, also zeigen auch Sie Flexibilität bei der Suche nach ihnen!

4.

Seien Sie im Alltag aufmerksam!

Es müssen nicht immer ausgedehnte stundenlange Wanderungen durch einsame Naturschutzgebiete sein. Auch in der Mittagspause oder beim Warten auf den Bus kann man wunderbare, schnelle Naturbeobachtungen machen.

5.

Fotografieren Sie nicht zu viel!

Natürlich ist es fabelhaft, seine Beobachtungserfolge auf Facebook und Konsorten mit Freunden zu teilen. Trotzdem sollten Sie die Tiere in erster Linie mit Ihren eigenen Augen und nicht auf einem kleinen Bildschirm betrachten. Zudem geben Fotos oder Videos die wahre Schönheit einer Naturbegegnung oft nur sehr unvollständig wieder.

6.

Kommen Sie mit anderen ins Gespräch!

Oft trifft man in der Großstadtnatur auf Menschen, die ganz offensichtlich ebenfalls eine Passion für Tiere haben. Scheuen Sie sich nicht diese anzusprechen. Die fantastischen Tipps anderer Naturfreunde haben mir unzählige spektakuläre Beobachtungen ermöglicht – allein hätte ich das niemals geschafft!

7.

Fassen Sie die Tiere lieber nicht an!

Auch wenn es in unserer Natur liegt: Die meisten Tiere haben kein Bedürfnis, von uns angefasst oder gar gestreichelt zu werden.

8.

Halten Sie Abstand!

Ähnlich wie wir Menschen, schätzt es kein Tier, wenn man ihm zu nah auf die Pelle rückt. Genießen Sie Ihre Beobachtung lieber mit gebührendem Abstand, statt das Tier unnötig zu verscheuchen.

9.

Kontaktieren Sie im Zweifel Experten!

Viele wichtige Naturentdeckungen wurden durch interessierte Laien gemacht. Falls Sie ein Tier nicht identifizieren können oder es Ihnen irgendwie seltsam vorkommt, sollten Sie unbedingt Fotos machen und eine lokale Naturschutzorganisation kontaktieren. Die Experten vom NABU und dem BUND haben auch mir schon unzählige Male freundlich und kompetent weitergeholfen.

10.

Zeigen Sie bitte Respekt!

Bitte respektieren Sie die Grenzen von Naturschutzgebieten und bleiben Sie auf den gekennzeichneten Wegen. Seltene Arten haben nur Chancen auf eine Zukunft, wenn wir ihnen ungestörte Rückzugsorte zugestehen.

11.

Lesen Sie nach!

Am Ende einer Beobachtung hat man oft viele Fragen, denn das Verhalten eines Tieres erschließt sich niemals nur durch bloßes Anschauen. Dieses Büchlein möchte die wichtigsten Fakten kurz und hoffentlich unterhaltsam darlegen. Für tiefer gehende Informationen empfiehlt sich die Anschaffung eines Tierlexikons.

1

Die Aaskrähe

Knackt selbst die härteste Nuss

Wissenschaftlich

Häufigkeit

Lieblingsort

Corvus corone

Parks

Die grau-schwarze Nebelkrähe und die vollständig schwarze Rabenkrähe sind eine gemeinsame Art, die als Aaskrähe bezeichnet wird. Erst dank jüngerer DNA-Analysen ist bekannt, dass keine genetische Trennung zwischen Raben- und Nebelkrähe besteht. Rabenkrähen kommen vor allem in West- und Südwesteuropa vor, Nebelkrähen entdeckt man in Deutschland östlich der Elbe. Typisch für die Aaskrähe ist ihr gradliniger Flug mit langsamem, regelmäßigem Flügelschlag. Nicht nur Getreidesamen und Wirbellose, sondern auch kleine Wirbeltiere, Aas und Vogeleier werden verspeist. Ist in Parks der Inhalt von Mülleimern morgens weit verteilt, so waren oft Aaskrähen am Werk. Akribisch durchstöbern sie Behälter nach Lebensmitteln. Außerhalb der Brutzeit leben die Tiere in großen Schwärmen mit strenger Hierarchie.

Die Tiere knacken hartschalige Nüsse, indem sie diese aus der Luft auf harte Oberflächen fallen lassen. City-Krähen machen es sich noch einfacher: Sie legen die Nüsse bei roter Ampel auf die Straße, warten, bis die Autos rübergefahren sind, um sich ihren Leckerbissen bei der nächsten Rotphase mundgerecht zubereitet wieder abzuholen. In Skandinavien wurde gar beobachtet, wie Krähen an unbeaufsichtigten Angelleinen ziehen, um sich die daran hängenden Fische zu schnappen.

Im Jahr 2015 verbreiteten Aaskrähen in Hamburg Angst und Schrecken bei unbescholtenen Bürgern: Im Ortsteil Harvestehude flogen die Vögel im Sturzflug auf Passanten nieder und attackierten diese mit Schnäbeln und Krallen. Ein Ornithologe fand heraus, dass sich die Krähenopfer unwissentlich einem Jungvogel genähert hatten. Das kleine Tier war aus dem Nest gefallen und harrte im Gras aus. Wenn es gilt, die lieben Kleinen zu retten, sind Echt- oder Scheinangriffe bei Kräheneltern keine Seltenheit.

© koep/Fotolia

2

Die Amsel

Energiesparmeister und versierter Klingeltonimitator

Wissenschaftlich

Häufigkeit

Lieblingsort

Turdus merula

Wiesen

Die Amsel ist hierzulande einer der häufigsten Brutvögel und an vielen städtischen Orten wie Gärten, Parks oder Friedhöfen anzutreffen. Der Vogel im schwarzen Ganzkörper-Outfit hält sich überwiegend am Boden auf, wo er unter Laub und auf Rasenflächen nach Fressbarem sucht. Charakteristisch ist dabei folgender Bewegungsablauf: Erst werden hastig Blätter umgedreht, dann hüpft die Amsel ein wenig weiter, hält inne, lauscht mit schräg gelegtem Kopf, um dann blitzschnell mit dem Schnabel zuzustoßen. Ihr Lieblingssnack sind Regenwürmer – beim Verzehr sollte man sie lieber nicht stören, oder sie reagiert mit lautem Gezeter.

Die musikalischen Darbietungen der Amsel klingen ansonsten eingängig und gefällig in unseren Ohren, weshalb Amseln in früheren Jahrhunderten gern als Stubenvögel gehalten wurden. Ihr Talent ist zum Teil angeboren, zusätzliche Gesangselemente werden vom Vater oder anderen Männchen übernommen.

Doch welcher Künstler war jemals frei von Plagiatsvorwürfen? Die Amsel pfeift sprichwörtlich auf Konventionen und bedient sich auch aus dem Lautrepertoire unserer Zivilisation. Egal ob Sirenensignale oder Handyklingeltöne – alles wird aufgegriffen oder ganz neu arrangiert.

Im Frühjahr werden die Nester in sicheren Höhen von etwa zwei Metern errichtet. Architektin ist einzig das Weibchen, die aufwendige Konstruktion nimmt bis zu fünf Tage in Anspruch. Das Nest besteht aus drei Zwischenstufen – Nestbasis, Lehmschicht und Polsterung. Die Amseln setzen also auf modernste Wärmedämmung!

Im Mai 2017 stoppte im bayerischen Germering eine einzelne Amsel den Morgenverkehr auf der Bundesstraße 2. Der Vogel schafft es einfach nicht, sich von einem der viel befahrenen Fahrstreifen in die Lüfte zu erheben. Eine Streife zeigte Herz und stoppte beherzt den Verkehr. Fürsorglich nahmen die Polizisten das Tier in Gewahrsam und päppelten es wieder auf.

© Maciej Olszewski/Fotolia

3

Die Bettwanze

Blutlüsterner Bettgenosse

Wissenschaftlich

Häufigkeit

Lieblingsort

Cimex lectularius

Betten

Zum Glück sind Bettwanzen hierzulande aufgrund guter Hygienestandards kaum mehr verbreitet, doch durch Urlaubsreisen oder Antiquitäten können wir uns die Plagegeister trotzdem einfangen. Ein Schädlingsbekämpfer schätzt, dass es 2016 allein in Berlin etwa fünftausend Bettwanzen-Einsätze gab – rund zwei Drittel in Hotels und Hostels.

Knapp neun Millimeter beträgt ihre Körperlänge, charakteristisch sind die sechs Beine, die flache Körperform und die rotbraune Färbung. Wie der Name sagt, bewohnen die Wanzen mit Vorliebe Betten und Matratzen. Aber auch in Ritzen, hinter Tapeten, Fußleisten oder Lichtschaltern fühlen sie sich wohl.

Der Geruch, die Wärme und der Atem von uns Menschen locken die Tiere an, sie ernähren sich ausschließlich von Blut. Die Insekten stechen ihren Rüssel häufig mehrmals ein, bis sie ein passendes Blutgefäß gefunden haben. So entsteht die typische Wanzenstraße – in einer Reihe angeordnete rote Stellen. Da die Fieslinge nachtaktiv sind, werden sie oft erst zu spät bemerkt.

Blutspuren auf dem Bettbezug, ein süßlicher Geruch, tote Wanzen oder kleine schwarze Punkte (Kot) künden von ihrer Präsenz. Bisher konnte den Tieren nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass sie Krankheiten übertragen, dennoch sollten Wanzenbisse mit rezeptfreien Salben oder Medikamenten behandelt werden.

Entdeckt man die Biester im eigenen Heim, führt übrigens kein Weg am Kammerjäger vorbei. Selbst wenn Sie mit bloßem Auge keine Tiere mehr finden, können sich überall noch die winzigen Eier verstecken, denn an einem Tag legt ein Weibchen bis zu zwölf neue Eier!

Im Juni 2017 missbrauchte ein Mann im US-Bundesstaat Maine die Parasiten für einen Racheakt. Als ein Rathausbeamter ihm – wahrscheinlich bei einem Bettwanzenproblem – nicht weiterhelfen wollte, entließ der Mann einen Becher voller Bettwanzen in die Freiheit. Das Rathaus musste daraufhin evakuiert werden.

© smuay/Fotolia

4

Der Europäische Biber

Versierter Baumeister mit blutroten Nagezähnen

Wissenschaftlich

Häufigkeit

Lieblingsort

Castor fiber

Biberburgen

Noch in den Sechzigern galt der Europäische Biber bei uns als nahezu ausgestorben, heute leben wieder über dreißigtausend Tiere in Deutschland. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von maximal gut einem Meter ist der Biber das größte Nagetier Europas. Die Vorderseite der Zähne ist mit Eisen verstärkt, oftmals sind sie deshalb orangerot gefärbt. Biber sind reine Vegetarier, gefressen werden Baumtriebe sowie eine Vielzahl von Wasser- und Uferpflanzen. Das einprägsamste Merkmal des gedrungenen Tiers ist der halbkörperlange Schwanz, genannt Kelle.

Der Biber fällt am liebsten kleinere Bäume, da diese sich einfach aus dem Bestand herausziehen lassen. Emsig entfernt der Biber die Äste, zerlegt sie und transportiert sie zum Bau – wo sie entweder als Nahrungsvorrat oder Baumaterial dienen. Seine Biberburgen konstruiert das Tier an Böschungen von städtischen Gewässern. Stets gibt es mehrere Eingangsröhren, die unter der Wasseroberfläche liegen. Sie münden in den über dem Wasser liegenden Wohnkessel, dem Treffpunkt von Familie Biber.

Werden Boden oder Decke zu dünn, schichtet das Nagetier einfach neue Äste, Steine oder Schlamm auf. Wie ein Burger wächst das Biberdomizil so bis zu zwei Meter in die Höhe. Mit Dämmen staut der Biber das Wasser, um die Eingänge zu seinem Heim unter der Wasseroberfläche zu halten, außerdem kann er so das Holz leichter transportieren. Mitunter gräbt er zu diesem Zweck sogar eigene Kanäle, die bis zu fünfhundert Meter lang sein können.

Aufgrund dieser regen Bautätigkeit kommt es immer wieder zu Konflikten mit dem Menschen. Tatsächlich verursachen Biber mitunter Schäden: Sie fällen Bäume, überfluten Felder, mopsen Feldfrüchte oder untergraben Deiche. Größer ist aber ihr Nutzen, denn ihre Dämme beugen Überschwemmungen vor und halten Wasser in der Landschaft.

© Martin Steiner 77/Shutterstock.com

5

Die Blaumeise

Hyperaktiver Kurzschnabel

Wissenschaftlich

Häufigkeit

Lieblingsort

Cyanistes caeruleus

Parks

Die Familie der Meisen umfasst 51 Arten, die in der nördlichen Hemisphäre und in Afrika vorkommen. Als einziger Vogel Europas mit blau-gelbem Gefieder ist die Blaumeise einfach zu erkennen. Naturfreunde finden die Tiere in Parks, Gärten oder auf Friedhöfen. Die Beobachtung der kleinen, rundlichen Vögel macht allein schon wegen deren Agilität einen Riesenspaß. Sie können einfach nicht still sitzen und lassen sich selbst an den dünnsten Zweigen kopfüber hängen.

Als Allesfresser verputzen die Blaumeisen neben Insekten und Spinnen auch pflanzliche Kost. Die Füße setzt der Piepmatz gern als Werkzeug ein, und mit dem kurzen Schnabel werden Leckerbissen aus Spalten gehämmert oder geschickt hervorgeholt. In den 1940er-Jahren sorgten Blaumeisen auf den Britischen Inseln für Aufsehen: Sie hatten gelernt, mit dem Schnabel die Foliendeckel von Milchflaschen aufzupicken, die der Milchmann morgens vor die Haustür gestellt hatte.

Als Höhlenbrüter sind Blaumeisen auf alte Bäume im Stadtgebiet angewiesen. Da diese aber immer seltener werden, freuen sich die Vögel besonders über Nistkästen. Mitunter brüten die Tiere an den ungewöhnlichsten Stellen, ihre Nester wurden bereits in Teekesseln, Briefkästen und Mauerspalten entdeckt. Nach dem Schlüpfen bleiben die Jungvögel zwei bis drei Wochen im Nest und werden aufopferungsvoll von beiden Elternteilen gefüttert.

Der Sperber ist der größte Feind aller ausgewachsenen Blaumeisen. Glücklicherweise ist ihr Warnruf für diesen aufgrund der hohen Frequenz kaum hörbar, weshalb die Blaumeisen nur schwer lokalisiert werden können.

Im August 2011 erlag eine Blaumeise im britischen Somerset einem wesentlich exotischeren Fressfeind. Das Tier hatte versucht, Insekten aus einer fleischfressenden Kannenpflanze zu holen, wurde dabei im Gewächs eingeklemmt und verendete schließlich.

© motivjaegerin1/Fotolia