Standort und Strategie - Armin Müller - E-Book

Standort und Strategie E-Book

Armin Müller

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Beschreibung

Kaum eine Stadt hat in den letzten Jahren einen ähnlich steilen Anstieg der Tourismusintensität erlebt wie Konstanz, die größte Stadt am Bodensee. Im vorliegenden Studienbuch wird diese Entwicklung nachgezeichnet und die Bedingungen hierfür geklärt. Im Zentrum der Darstellung stehen die Konstanzer Traditions- und Neubetriebe der Hotellerie und der Gastronomie, ohne deren Engagement, ohne deren strategische Entscheidungen und Konzepte dieser Wandel nicht möglich gewesen wäre.

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Armin Müller

Standort und Strategie

Impressum

Texte:   © 2021 Copyright by Armin Müller

Umschlag: © 2021 Copyright by Armin Müller

Titelbild:  MTK / Dagmar Schwelle

Verantwortlich

für den Inhalt: Dr. Armin MüllerSchussenstr. 1

88212 Ravensburg

[email protected]

Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Inhaltsverzeichnis

AbbildungsverzeichnisVIII

1. Tourismusstandort im Wandel1

1.1 Schlaglicht Eins1

1.2 Schlaglicht Zwei3

1.3 Tourismusentwicklung seit 20075

1.4 Tourismuspolitische Diskussionen12

1.5 Fallstudien zu Unternehmen im Wandel19

1.6 Vier Felder des touristischen Potentials23

2. Traditionelle Hotels – neue Entwicklungen und Strategien27

2.1 Tweer Hotel Goldener Adler27

2.2 Petershof30

2.3 Hotel Barbarossa41

2.4 Steigenberger Inselhotel51

2.5 Wachstumsstrategien in der Traditionshotellerie64

2.5.1 Hotel Halm64

2.5.2 Hotel Waldhaus Jakob66

2.5.3 Wachstum am Standort69

3. Traditionelle Gastronomie – neue Strategien71

3.1 Konzil-Gaststätten72

3.2 Traditionscafés: die Beispiele Café Marktstätte und Rosgarten-Café84

3.3 Ausblick auf andere Gastronomien92

4.- Neue Hotels – neue Akteure am Markt97

4.1 Hotel Riva98

4.2 Hotel Ganter 47 Grad111

4.3 Kettenhotellerie in der Stadt121

4.3.1 IBIS Benediktinerplatz122

4.3.2 Weitere Kettenhotels in Konstanz: Ibis, B&B, Harbr und Hampton by Hilton132

4.3.3 Zu den Standortfaktoren der Konstanzer Kettenhotellerie140

4.4 Hotelprojekt Büdingen144

5. Neue Gastronomien153

5.1 Café Voglhaus154

5.2 auszeit coffee shop166

5.3 Weitere neue Gastronomiekonzepte175

6. Unternehmerische Strategien und  Standortentwicklung181

6.1 Erschließung des Tourismuspotentials181

6.2 Analyse der vier Felder

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vergleich der Übernachtungszahlen Stadt Konstanz und Deutschland (2006 bis 2019)

4

Abbildung 2: Übersichtskarte der Stadt Konstanz

7

Abbildung 3: Vier-Felder-Modell des touristischen Potentials

24

1. Tourismusstandort im Wandel

1.1 Schlaglicht Eins

Will man die gegenwärtige Situation eines Touristenstandorts verstehen, so ist es unabdingbar, den Blick auf die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit zu werfen. Für die Stadt Konstanz hilft ein Rückblick auf die Zeit seit Mitte der 2000er Jahre. Die damalige Situation des städtischen Tourismus verdeutlicht ein Zustandsbericht, der 2007 im Rahmen des Stadtentwicklungsprogramms „Zukunft Konstanz 2020“ verfasst und von den kommunalen Entscheidungsgremien verabschiedet wurde. Darin wird ein recht ernüchterndes Bild der Infrastruktur, insbesondere der Hotellerie, gezeichnet. Zwar wird dem Standort eine sehr hohe Attraktivität insbesondere für Urlauber und Tagestouristen und der Tourismuswirtschaft eine hohe Bedeutung für die Stadt zugestanden, die Kapazitäten und Betriebsstrukturen der Konstanzer Hotellerie entsprachen aber „nur in geringem Maße den heutigen Anforderungen zur Unterbringung von größeren Tagungs- und Gruppenreisen. Das Marktsegment Großtagungen/ Kongresse kann in Konstanz nicht direkt bedient werden.“{1} Dieses Urteil wird insbesondere mit der Beobachtung begründet, dass in der Stadt nur eine überschaubare Anzahl an klein- und mittelständischen Beherbergungsbetrieben vorhanden waren. Lediglich 13 der vorhandenen 38 Betriebe konnten als Vollhotels bezeichnet werden. Diese verfügten über kaum mehr als 500 Zimmer bzw. nicht einmal 1.000 Betten. Nur drei Häuser verfügten überhaupt über mehr als 50 Zimmer, darunter jeweils ein einziges Hotel der Vier- bzw. Fünf-Sterne-Kategorie. Der Rest bestand aus kleineren, familiengeführten Häusern des Zwei- oder Drei-Sterne-Segments, von denen wiederum einige nicht im Zentrum, sondern in den Vororten der Stadt lagen.{2}

Dieser aus touristischer Sicht besorgniserregende Zustand war im Vorjahr den politischen Akteuren der Stadt anschaulich vor Augen geführt worden. 2006 fand mit dem 46. Deutschen Historikertag der größte geisteswissenschaftliche Kongress Europas an der Universität der Bodenseemetropole statt. Dabei handelt es sich um eine Großveranstaltung, die vor allem Fachwissenschaftler, aber auch Geschichtslehrer aus ganz Deutschland sowie interessierte Laien über eine Woche zu Vorträgen und Diskussionen versammelt. Am Konstanzer Kongress nahmen insgesamt 3.150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil, die sich zwar auf die Kongresstage verteilten, die aber die städtische Infrastruktur vor enorme Herausforderungen stellten.{3} Hauptveranstaltungsort war der Campus der Universität mit seiner Lage auf dem Gießberg vor den Toren der Stadt. Es gab aber auch eine Reihe von Veranstaltungen im Stadtzentrum und gerade die Unterbringung der vielen Gäste war die entscheidende Herausforderung bei der Planung und Durchführung des Kongresses. Das entsprechende Konzept der Veranstalter sah eine reservierte Kapazität von rund 1.000 Betten vor. Ein Abgleich mit den oben genannten Zahlen macht sehr schnell deutlich, dass dieses Volumen nicht allein von den städtischen Hotels bewältigt werden konnte. Das Konzept war deshalb regional konzipiert und band Beherbergungsbetriebe entlang der S-Bahn-Strecke durch den Landkreis – bis nach Radolfzell und Singen – sowie bis nach Friedrichshafen auf der nördlichen Seeseite ein. Für den Transport der Teilnehmer in und durch die Stadt mussten Sonderkapazitäten der Stadtbusse bereitgestellt werden.

Der Kongress war ein voller Erfolg, wie man sowohl der örtlichen Presse als auch der Organisationsberichte zum Konstanzer Historikertag entnehmen kann.{4} Die Organisatoren in den zuständigen Verbänden, der Universität und der Stadt konnten insbesondere mit der logistischen Leistung sehr zufrieden sein. Der Kongress führte aber den Akteuren auch deutlich die Grenzen des touristischen Standorts Konstanz vor Augen. Nur ein außergewöhnlicher Kraftakt und viel, auch idealistisches Sonderengagement der Beteiligten ermöglichten es, dass eine solche Großveranstaltung aus dem Segment Non-Profit in Konstanz über die Bühne gehen konnte.

1.2 Schlaglicht Zwei

Gut zehn Jahre später sieht die Situation am Standort Konstanz grundlegend anders aus. Die touristische Infrastruktur der Stadt hat sich in wenigen Jahren erheblich weiterentwickelt. Insbesondere im Beherbergungsbereich konnten die Kapazitäten deutlich ausgebaut werden. Eine ganze Reihe neuer Hotels eröffnete in zentraler Lage.

Lag die Zahl jährlicher Übernachtungen im Jahr des Historikertags in Konstanz noch bei rund 485.000, so kam die Stadt im Jahr 2019 mit rund 953.000 Übernachtungen der Millionen-Schwelle schon recht nahe. Der Anteil der Hotellerie daran ist im gleichen Zeitraum von rund 40 auf deutlich über 70 Prozent angestiegen. Dieses touristische Wachstum wurde von einer stark ausgebauten Hotelinfrastruktur getragen: 2006 verfügte der Konstanzer Tourismus über kaum 1.000 Hotelbetten, 2019 waren es knapp 4.000. Die in der kommunalen Statistik erfassten Schlafgelegenheiten des gesamten Beherbergungswesens der Stadt wuchsen im gleichen Zeitraum von 4.150 auf 5.250. Beide Zahlen zusammen zeigen, dass es sowohl ein klar quantitatives Wachstum gegeben hat, dass aber auch Schlafgelegenheiten einfacher Art zunehmend von Hotelbetrieben höher Qualität ersetzt wurden.

Abbildung 1: Vergleich der Übernachtungszahlen Stadt Konstanz und Deutschland (2006 bis 2019)

Im überregionalen Vergleich zeigt sich eine deutliche Konstanzer Sonderentwicklung. Unbestritten können die Jahre nach Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 als goldene Jahre des gesamten nationalen wie internationalen Tourismus bezeichnet werden. Ein ganzes Jahrzehnt lang war die Branche auf Wachstumszahlen abonniert. Bundesweit stiegen die Übernachtungszahlen von 2006 bis 2019 um etwa 40 Prozent an.{5} Die Konstanzer Übernachtungszahlen hingegen zeigen eine Steigerung um annähernd 100 Prozent (vgl. Abbildung 1).{6} Die verschiedenen Kennzahlen belegen, dass der Tourismusstandort Konstanz innerhalb nur eines Jahrzehnts seinen infrastrukturellen Kern etwa verdoppeln konnte. Es liegt also nahe, den Gründen dieser Sonderentwicklung auf die Spur zu kommen.

1.3 Tourismusentwicklung seit 2007

Hierfür scheint es sinnvoll, die Stadt, ihre Standortlage und ihr touristisches Potential näher zu beschreiben. Konstanz ist die größte Stadt am Bodensee, neben dem Schwarzwald einer der beiden großen, traditionellen Tourismusregionen in Baden-Württemberg. Geographisch ist die Stadt stark durch ihre Wasserlage am westlichen Bodenseeufer geprägt. Sie erstreckt sich entlang der beiden Uferseiten des sogenannten Seerheins, der zentralen Engstelle zwischen Obersee und Untersee. Durch den Seerhein strömt das Seewasser in den Untersee in Richtung der Ausflussstelle bei Stein am Rhein, wo aus dem Bodensee endgültig wieder ein Fluss wird.

Linksrheinisch, also auf dem Gebiet südlich des Seerheins, bildet die Stadt eine Art Brückenkopf auf der Schweizer Seite. (vgl. Abbildung 2) Auf diesem engen, dicht bebauten Bereich liegen die historische Altstadt, der gesamte Hafenbereich und der Stadtteil Paradies, der seit der Industrialisierung erschlossen wurde. Der Brückenkopf endet direkt mit der Schweizer Grenze, die das eigentliche Stadtgebiet durchschneidet und den Schweizer „Vorort“ Kreuzlingen von Konstanz abtrennt.

Rechtsrheinisch, also am Nordufer des Seerheins, bildet die Stadt die Spitze der Halbinsel Bodanrück zwischen Untersee und Überlinger See. Hier breitet sich das Stadtgebiet weiter aus und erstreckt sich über mehrere Stadtteile. Direkt am Seerhein liegt Petershausen, im westlichen Anschluss ein großes Industriegebiet, im Landesinneren dann die Stadtteile Wollmatingen, Fürstenberg, Königsbau, Allmannsdorf, Staad und Egg, die zusammen das geschlossene Stadtgebiet bilden. Zur Stadt gehören noch weitere, etwas abgekoppelte Vororte, die auf dem Bodanrück oder an seinem Nordufer liegen. Hier befindet sich auch die touristisch sehr wichtige Insel Mainau. Der See und die Lage auf der Halbinsel bieten zum einen sehr viel Seezugang, zum anderen begrenzt diese Geographie stark die meisten Möglichkeiten der Flächenexpansion. Heute leben rund 86.000 Menschen in Konstanz. Mitte der 2000er Jahre waren es mit rund 76.000 noch 10.000 Bewohner weniger.{7} Da die Stadt kaum über Möglichkeiten verfügt, in der Fläche zu expandieren, musste dieses Bevölkerungswachstum vor allem auch durch Verdichtung und neue Lösungen im bestehenden Stadtgebiet realisiert werden.

Den traditionellen touristischen Kernraum der Stadt bildet die Altstadt auf dem linksrheinischen Brückenkopf. Dort befinden sich nicht nur wesentliche touristische Ziele, sondern auch wichtige Infrastrukturen, insbesondere der Hotellerie und Gastronomie. Am rechtsrheinischen Ufer, im Stadtteil Petershausen, gibt es ebenfalls touristische Infrastruktur, aber in deutlich geringerem Umfang. Einige der traditionellen, kleineren Hotelbetriebe sind beispielsweise dort verstreut. Die oben für 2007 im Zustandsbericht genannten Hotelbetriebe waren aber vor allem auf dem Gebiet der Altstadt verortet.

Abbildung 2: Übersichtskarte der Stadt Konstanz (Quelle: Stadt Konstanz 2020c)

Das Nordufer des Seerheins selbst war zu einem großen Teil bis in die 2000er Jahre von produzierenden Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie besetzt. Erst ab 2005 wurde hier mit dem Ende des Konstanzer Standorts des Unternehmens Great Lakes (vormals Degussa) ein großes, 5 ha umfassendes Geländeareal frei. Erst jetzt konnte die Stadt mit der Planung eines neuen Stadtteils beginnen – direkt am Seerhein, im Übergang von Altstadt zu den Wohnbezirken in Petershausen und zum weiteren Industriegebiet der Stadt gelegen.{8}

In der Tourismuswissenschaft unterscheidet man zwischen den ursprünglichen und dem abgeleiteten Angebot eines Standorts. Dabei gehören zum ursprünglichen Angebot insbesondere natürliche und klassische soziokulturelle Faktoren.{9} Für den Standort Konstanz ist das ursprüngliche Angebot und damit das touristische Potential unbestritten hoch. Die Lage inmitten der Urlaubsregion Bodensee, die direkte und für die Menschen erlebbare Seelage, die Nähe zu den Alpen sowie die mittelalterliche Altstadt sind hier wesentliche Faktoren. Aber auch die direkte Nachbarschaft zu weiteren, attraktiven Destinationen wie der Mainau oder der Reichenau sowie die Grenzlage zur Schweiz erhöhen dieses Potential.

Diese Faktoren des ursprünglichen Angebots gelten seit Jahrzehnten und wurden auch im eingangs zitierten Konstanzer Stadtentwicklungsprogramm von 2007 aufgeführt. (Schlaglicht Eins) Gleichzeitig wurde auch verdeutlicht, wie unterentwickelt das abgeleitete Angebot war – sichtbar in der begrenzten Beherbergungskapazität bzw. an den vergleichsweise niedrigen touristischen Kennzahlen (Übernachtungen etc.). Unter dem abgeleiteten Angebot versteht man alle Angebotsbausteine, die aufgrund der touristischen Standortentwicklung errichtet wurde – also Beherbergungsbetriebe genauso wie Gastronomien, Freizeitinfrastruktur oder andere touristische Infrastruktur (Tagungszentren etc.).{10}

Deswegen war die Weiterentwicklung dieser Beherbergungsstrukturen ein schon lange formuliertes, tourismuspolitisches Ziel der Stadt.{11} Explizit wurde der quantitative Ausbau der Beherbergungskapazitäten in Verbindung mit einer Steigerung der Übernachtungs- und Tagesgäste, einer Steigerung der Tagesausgaben und einer Verlängerung des Aufenthaltes genannt. Gleichzeitig wurde eine qualitative und umweltverträgliche Tourismusentwicklung eingefordert, eine saisonale Ausweitung in Richtung Nebensaison und eine explizite Neuprofilierung im Segment des Tagungs- und Kongresstourismus vorgeschlagen.{12}

Dass es mit der Realisierung insbesondere der quantitativen Wachstumsziele sehr gut geklappt hat, wurde aufgezeigt. Die wesentlich hierfür notwendige Voraussetzung wurde ebenfalls benannt: Mit der Umprofilierung und Neunutzung großer Areale am rechten Seerheinufer (Great Lakes/ Herosé) nach 2005 wurde eine entsprechende „Erweiterung“ des touristischen Kerns ermöglicht. Hierbei ging es nicht nur um touristische Angebote, sondern auch um Wohnraum, andere gewerbliche Nutzungen und öffentliche Freizeitareale. Aber es sind eben auch wesentliche Investitionen in neue Hotelprojekte getätigt worden, die die angesprochene Verdopplung der Bettenkapazitäten ermöglichten.

So eröffnet 2008 mit dem Hotel Riva das zweite Fünf-Sterne-Hotel der Stadt. Direkt an der repräsentativen Seestraße gelegen, tritt es an die Stelle des früheren Hotels Siber und verfügt über 50 Zimmer. Mit dem IBIS am Benediktinerplatz im Jahr 2010 eröffnet das erste klassische Economy Hotel der Stadt mit 115 Zimmern.{13} Im gleichen Segment entstehen innerhalb der Altstadt zwei neue, kleinere Hotels: zunächst 2009 das Hotel Restaurant Constantia mit 37 Zimmern im Gebäude eines ehemaligen Gasthofes und eher im Vier-Sterne-Segment verortet, sowie 2011 das Hotel Viva Sky mit 35 Zimmern Kapazität im Drei-Sterne-Segment.{14}

Im Rahmen der voranschreitenden Seerheinbebauung folgen 2015 zwei weitere IBIS-Hotels, etwas zurückversetzt im Landesinneren gelegen: ein Hotel der Marke IBIS Styles (83 Zimmer) und ein Hotel IBIS Budget mit 76 Zimmern. Dieses Doppelhotel steht unter Führung einer gemeinsamen Betreibergesellschaft. 2013 eröffnet mitten im Industriegebiet das Hotel und Hostel Aqua, das noch stärker in den Ein- bis Zwei-Sterne-Markt von Jugend- und Familienreisen drängt. 2016 folgt im Übergang von der Seerheinsiedlung ins Gewebegebiet ein B&B-Hotel mit rund 100 Zimmern. Zwischenzeitlich eröffnet 2014 auch unmittelbar am rechten Seerheinufer, auf dem ehemaligen Great-Leaks-Areal, das Vier-Sterne-Hotel Ganter 47 Grad mit weiteren knapp 100 Zimmern.

Die bislang letzte Fertigstellung eines Hotels findet 2018 mit dem Harbr-Hotel auf dem Grundstück Torhaus entlang der Bundesstraße (Reichenaustraße) statt. Zwei weitere Großprojekte befinden sich aber schon in der Bauphase, ein weiteres in Planung. In Bau befindet sich zum einen ein großes Investorenprojekt an der Ausfallstraße Reichenaustraße im Industriegebiet. Dort wird ein Hotel mit geplanten 180 Zimmern errichtet, das unter der Marke Hampton by Hilton betrieben werden soll. Eine Eröffnung ist für 2021 angekündigt. Zum anderen geht es um einen Fünf-Sterne-Komplex auf dem Areal Büdingen Park, direkt an der Konstanzer Seestraße, also in bester repräsentativer Uferlage mit Blick in den Konstanzer Trichter. Wo sich bis heute eine Grünanlage befindet, will eine Schweizer Investor das bislang größte Luxushotel der Stadt errichten. Beide Projekte werden unter den Fallbeispielen des Buches charakterisiert und eingeordnet. Geplant ist zudem ein Appartement-Hotel auf dem Areal Stromeyersdorf.{15}

Das 2018 eröffnete Harbr befindet sich direkt im Anschluss an den Herosé-Park und liegt fast in Sichtweise zum ersten IBIS Benediktinerplatz. Es bietet 80 Zimmer im Drei-Sterne-Segment und repräsentiert die Kategorie eines modernen Budget-Design-Hotels. In der Lokalpresse wurde es zur Eröffnung als „eines der umstrittensten Bauprojekt in Konstanz“{16} bezeichnet. Diese Charakterisierung des Harbr verweist zum einen auf die lange, wechselhafte Planungs- und Bauzeit. Insgesamt 15 Jahre lagen zwischen ersten Planungsbeschlüssen und der Eröffnung. Sie verweist aber vor allem auch auf jahrelange, kommunalpolitische Diskussionen rund um das Hotelprojekt, auf Anwohner aus der Nachbarschaft, die gegen das Bauvorhaben klagten, sowie auf Umweltschützer, die sich für den alten Baumbestand des Areals einsetzten, und auf Stadträte, die zähneknirschend einem reinen Hotelbau zustimmten, obwohl ursprünglich eine gemischte Nutzung vorgesehen war.{17}

Insofern ist das Projekt auch exemplarisch für die gesamte Entwicklung des Seerhein-Areals zu sehen: Der Großteil der genannten Hotelprojekte liegt direkt im neu erschlossenen Stadtteil oder in unmittelbarer Nachbarschaft hierzu. Die Erfahrungen der Jahre zeigt, dass hier unterschiedliche Interessen und sehr verschiedene gesellschaftliche Gruppen der Stadt zusammenkommen. Sie alle versuchen bis in die Gegenwart, den neuen Quartieren ihren Stempel aufzudrücken. Hotelgäste und Urlaubstouristen treffen auf Anwohner, junge Menschen und Studierende auf Geschäftsreisende, Senioren oder Familien, Bewohner exklusiver Wohnobjekte auf flanierende Tagesgäste aus dem deutschen oder Schweizer Hinterland.

1.4 Tourismuspolitische Diskussionen

Damit sind die wesentlichen Entwicklungsschritte auf dem Konstanzer Beherbergungsmarkt benannt. Sicherlich ist damit nur eine Säule der gesamten Tourismusbranche beschreiben, es ist aber das Segment, das in der vorliegenden Untersuchung im Vordergrund stehen soll. Daneben spielen auch die Unternehmen der Gastronomie und der Tourismuswirtschaft mit ihren vielen Teilsegmenten eine nicht zu vernachlässigende Rolle der Standortentwicklung. Insofern ist es auch Aufgabe des Buches, auf einige Fallstudie zu diesen Bereichen einzugehen und diese vor dem Hintergrund des zugrundeliegenden Modells der touristischen Potentialfelder zu beleuchten.

Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion zur Tourismusentwicklung sind aber in der betrachteten Zeit die Hotelprojekte. Der Ausbau der Hotelinfrastruktur ist von Anfang an begleitet von einer Kontroverse um deren Notwendigkeit. Gestritten wird über deren Auswirkungen auf den Tourismus, aber auch auf die gesamte Wirtschaft und die anderen Lebensbereiche, sowohl in den betroffenen Quartieren als auch in der gesamten Stadt. Die tourismuspolitischen Akteure der Stadt versuchen hier einen Spagat zwischen quantitativen und qualitativen Zielen des touristischen Ausbaus. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Konflikten, die sich zumeist an den konkreten Projektstandorten oder generell an den Konfliktherden im Stadtteil festmachten. Diese Konflikte um konkrete Projekte und lokale Standorte werden in den Fallstudien dieses Buches verdeutlicht.

Es gibt aber auch wiederkehrende und übergreifende Diskussionen über die touristische Stadtentwicklung. Zum einen wird regelmäßig über „Qualität statt Masse“ im lokalen Tourismus diskutiert. Hier geht die Wahrnehmung eher von einer Überlastung der Stadt durch den Tourismus aus. Es gäbe also zu viel Tourismus oder touristische Infrastruktur. Diese Debatte wurde immer wieder rund um die beschriebenen investorengetriebenen Hotelneubauten geführt und keineswegs nur von Anwohnern oder Umweltschützern befördert. Kritik kommt regelmäßig auch aus der Branche selbst. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf eine Wortmeldung des Konstanzer Dehoga-Vorsitzenden und Hoteliers Dieter Wäschle (Petershof) im Jahr 2017 verwiesen. Er mahnt das Wachstum im unteren Qualitätssegment der Konstanzer Hotellerie als Fehlentwicklung an. Dies führe zu starkem Konkurrenzkampf in der Nebensaison, zu fallenden Zimmerpreisen und damit auch zu sinkenden Gewinnen für Hoteliers und Investoren. Festanstellungen würden durch schlechter qualifizierte Saisonkräfte ersetzt.{18} „Diese Entwicklung fällt uns in 10 oder 20 Jahren auf die Füße“{19}, so Wäschle. Stattdessen plädiert er für neue Vier- und Fünf-Sterne-Hotels als Kernelement einer qualitativen Tourismusstrategie. Die drohende touristische Überlast solle mit dem Aufbau bzw. Ausbau von Preisbarrieren verhindert werden.

Seit einigen Jahren wird diese Diskussion branchenweit auch unter dem Schlagwort des „Overtourismus“ geführt. Wenn es darum geht, deutsche Beispiele hierfür zu nennen, wird immer wieder gerne auf die Bodenseemetropole Konstanz verwiesen.{20} Bis zu einem gewissen Grad verbindet sich diese Debatte mit einer standortspezifischen Diskussion um den zunehmenden Tages- und Einkauftourismus aus der nahegelegenen Schweiz. Wie andere Grenzstädte auch erlebt Konstanz seit über zehn Jahren einen stark wachsenden Strom von Schweizer Tagesbesuchern, die vor allem den Einzelhandel der Stadt nutzen.{21} Genaue Statistiken über diesen Besucherstrom fehlen, es dürften aber täglich mehrere Tausend Besucher über die Grenze in die Stadt kommen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn 30 bis 50 Prozent der Besucher der Konstanzer Altstadt aus der Schweiz kommen, so schätzen Experten.{22} Insofern prägen diese (Schweizer) Tagesgäste das Alltagsbild des Konstanzer Tourismus viel stärker als die Urlaubsgäste, die in der Stadt oder Region auch als Übernachtungsgäste gezählt werden. Unbestritten ist aber die Beobachtung, dass Konstanz gerade in den Sommermonaten sehr gut touristisch frequentiert und die touristische Infrastruktur entsprechend nachgefragt und ausgelastet ist. Insofern trifft das Schlagwort vom Overtourismus die Konstanzer Situation ganz gut.

Umgekehrt wird unter der Überschrift Tagungstourismus auch immer wieder eine Diskussion über fehlende Bettenkapazitäten geführt. Hier geht es also um Phänomene von zu wenig Tourismus in Konstanz – wenn man so will also um eine Situation des „Undertourismus“. Mit Verweis auf die Situation 2006/07 mit dem Großkongress Historikertag und der oben beschriebenen Mängel in der Beherbergungsstruktur ist dieses Argument sicherlich gut nachvollziehbar. Diese Einschätzung wird aber bis heute vorgebracht, wenn es um die Position des Tagungsstandorts Konstanz im überregionalen Wettbewerb geht. Gerade mit der Eröffnung des Bodenseeforums Konstanz als neue, große Tagungsstätte wurden in der Presse immer wieder Beispiele berichtet, in denen diese Konkurrenzfähigkeit aufgrund zu geringer Bettenkapazitäten in der Stadt gerade nicht bestehe. Im Vergleich mit großen Messe- und Tagungsstandorten ist dieses Argument sicherlich einsichtig. Aber es gibt auch ein mittleres Segment der MICE-Branche, in denen ein Tagungsstandort Konstanz sehr wohl attraktiv und konkurrenzfähig ist. Mit Bezug auf das Bodenseeforum wurde hier wiederholt auf Planungsfehler im Management hingewiesen.{23}

Außerdem ist die Konstanzer Diskussion um „Untertourismus“ seit jeher eng verknüpft mit dem Blick auf die saisonalen Unterschiede und die fehlende Auslastung in der Nebensaison. Wer im November oder im Januar im Konstanzer Hafen oder auf der Seestraße unterwegs ist, kann sehr wohl den Eindruck bekommen, dass nur wenige Besucher den Weg in die Stadt finden.

Heute hat sich die Stadtpolitik auf eine Hotelstrategie verständigt, die in enger Zusammenarbeit mit Tourismusberatern und unter Federführung der Marketing- und Tourismusorganisation (MTK) erarbeitet und 2018 im Gemeinderat beschlossen wurde.{24} Letztlich werden darin die wichtigsten Leitlinien von 2007 fortgeschrieben und bis zu einem gewissen Grad die Ausbau- und Expansionsphase des letzten Jahrzehnts abgeschlossen. Dazu gehört das Bekenntnis zu einer Qualitätsstrategie und zu nachhaltigem Tourismus. Dazu gehört aber auch ein Bekenntnis zu einem begrenzten Ausbau der städtischen Hotellerie. Im Jahrzehnt nach 2018 sollen vier weitere Hotelbauten im Stadtgebiet realisiert werden. Diese vier Projekte waren zum Zeitpunkt der Konzeptverabschiedung alle schon bekannt und sind mehr oder weniger weit im Bau befindlich. Dabei handelt es sich um das im gleichen Jahr schon eröffnete Harbr-Hotel, die beiden ebenfalls schon erwähnten Projekte Hampton by Hilton und Büdingen Park sowie das Aparthotel in Stromeyersdorf als Teil des Ensemble Seepark Campus. Mit diesem Szenario wird Konstanz weitere rund 900 Betten zusätzliche Kapazität erhalten, darunter die 160 Betten des Harbr, die seit 2018 schon am Markt sind. Die Stadt rechnet in der Hotelstrategie mit einem weiteren, gemäßigten Wachstum der Übernachtungszahlen, die im Wesentlichen mit Tagungstourismus (MICE-Segment) verbunden ist.

Im Gemeinderat waren sich die großen Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und Freien Wählern einig beim Beschluss der Hotelstrategie. Aber auch hier flammte die Overtourismus-Diskussion in zwei Spielarten erneut auf, wobei sich nur die kleine Fraktion der Linken grundsätzlich gegen die im Szenario vorgesehenen Bauprojekte aussprach. Mehrere Gemeinderäte wandten sich in der Beschlusssitzung gegen den weiteren Ausbau der Budget-Economy-Hotellerie und gegen den weiteren „Bau riesiger Anlagen“. Im Lager der Grünen kam zudem die Kritik an einer Fokussierung der Tourismus- und Hotelstrategie auf „Zielgruppen mit hoher sozialen Lage“ auf Kosten preisgünstiger Angebote auf.{25}

Auch wenn die fast einstimmige Verabschiedung der neuen Tourismus- und Hotelstrategie die grundsätzliche Einigkeit der großen politischen Lager der Stadt widerspiegelt, gibt es weiterhin große Konfliktzonen der Stadt- und Tourismusentwicklung. In den letzten Jahren kristallisierten sich diese vor allem an zwei Großprojekten: zum einen am gerade erwähnten Hotelneubau Büdingen Park und zum anderen am Betrieb des Bodenseeforums, des neuen Kongresshauses der Stadt. Beide Diskussionen drehen sich letztlich um Vorwürfe, sie dienen nur Privat- und Einzelinteressen einflussreicher Gruppen der Stadt bzw. der Tourismuswirtschaft und schaden gleichzeitig der Gemeinde, ihren Bürgern und damit der Allgemeinheit, indem öffentliche Räume privatisiert werden und hierfür Steuergelder eingesetzt werden. Eine systematische Darstellung des Hotelbaus Büdingen Park findet in der Fallstudie hierzu statt.

Mit der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) wurde schon ein zentraler Akteur der Tourismusentwicklung und des Destinationsmarketing in der Stadt benannt: Die MTK entstand 2017 aus dem Zusammenschluss der bestehenden Organisationen Tourist-Information Konstanz GmbH und der Stadtmarketing Konstanz GmbH. {26}Wie die beiden Vorgängerorganisationen ist die MTK auch ein Public-Private-Partnerchip-Projekt, also eine Organisation an der Schnittstelle von Stadtverwaltung und Privatwirtschaft. Die MTK gehört zu 51 Prozent der Stadt Konstanz und zu 49 Prozent den Akteuren der städtischen Tourismuswirtschaft, insbesondere dem Wirtekreis e.V., als Verein der Konstanzer Gastronomen, und dem Tourismusförderverein KonTour e.V., in dem vor allem die Hoteliers und Tourismusunternehmen der Stadt organisiert sind. Damit bündelt die MTK die relevanten Akteure in der eigenen Gesellschaftsstruktur und verfolgt zusätzlich eine konsensorientierte Gesamtstrategie. Die zitierte Hotelstrategie zeigt, wie man versucht, die Zielformulierung für den Konstanzer Tourismus voranzubringen und auf dieser Basis dann gemeinsame Aktivitäten aller Stakeholder zu initiieren und durchzuführen. Die MTK ist nicht nur eine Plattform, auf der Tourismus-Akteure zusammengeführt werden, sondern auch ein Unternehmen zur umfassenden und ganzheitlichen Vermarktung der Stadt Konstanz. Dazu gehören die nationale wie internationale Markbearbeitung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Themen- und Zielgruppenmarketing. Auch eine mittelgroße Stadt wie Konstanz und seine Hotellerie muss möglichst viele Zielgruppen ansprechen. Teil davon sind die externen Urlaubs- und Geschäftsreisenden in den unterschiedlichen Milieus, aber auch die eigene Bevölkerung, die eine wichtige Gäste- und Besucherstütze für das bestehende Angebot darstellt.

Ein wichtiger Schritt der aktuellen Tourismusstrategie von Stadt und MTK ist die systematische Zusammenarbeit mit der Region, insbesondere der Region westlicher Bodensee. Hierfür wurde 2017 mit dem Verein REGIO Konstanz-Bodensee-Hegau e.V. eine weitere Plattform gegründet, die von 26 deutschen und Schweizer Gemeinden, dem Landkreis Konstanz und weiteren Tourismusunternehmen getragen wird. Die REGIO-Geschäftsstelle untersteht der MTK-Geschäftsführung, sodass ein gemeinsames Arbeiten strukturell fest verankert ist. Mit dem REGIO-Zusammenschluss werden das ländliche Hinterland und der urbane Raum in Konstanz enger verbunden und gemeinsam vermarktet.{27}

Für die kleineren Städte und Gemeinden, aber auch für die mittelgroße Stadt Konstanz ist es wichtig, die Kräfte untereinander zu bündeln, gemeinsames Marketing zu betrieben und sich gegenseitig mit Ressourcen zu unterstützen. In diesem Ansatz wird Tourismus als regionale, auch grenzüberschreitende Aufgabe verstanden.{28} Ein Blick zurück auf den Großkongress Historikertag 2006 zeigt, wie große Projekte gemeinsam angegangen und bewältigt werden können. Im Vergleich zu anderen Destinationen ist der Raum westlicher Bodensee sehr kleinteilig strukturiert. Ihre Beherbergungs- oder Freizeitangebote liegen nicht weit auseinander und werden von Besuchern zumeist gemeinsam genutzt.

1.5 Fallstudien zu Unternehmen im Wandel

In den Hauptkapiteln des Buches soll nun die Perspektive gewechselt werden. Stand in diesen einleitenden Abschnitten die Ebene der Standortentwicklung und damit die Veränderungen der Rahmenbedingungen für das touristische System der Stadt im Mittelpunkt, wird im Folgenden der Wandel aus Perspektive der Unternehmen als Träger des touristischen Angebots in den Blick genommen. Die Beschreibung der gesamten Standortentwicklung, des starken Wachstumsprozesses und seiner Treiber ist notwendig, um diese Rahmenbedingungen zu verstehen. Die touristische Realität in diesem Wandlungsprozess ist aber letztlich nur abstrakt und unzureichend beschrieben, wenn man in dieser Vogelperspektive (Makroperspektive) verharrt. Ein viel besseres Verständnis von der Dynamik des Standortes bietet eine Analyse der Akteure auf der Mikroebene und das sind die Unternehmen der Hotellerie, der Gastronomie und der Tourismuswirtschaft.

Letztlich will das vorliegende Buch dabei helfen, die Entwicklung eines Standortes aus den Wechselwirkungen dieser beiden Ebenen, der Makroebene des urbanen Raumes und den Aktivitäten der Unternehmen auf der Mikroebene zu verstehen. Nur in dieser gegenseitigen Beziehung zwischen städtisch-institutionellen Rahmenbedingungen (Makroebene) und den Aktivitäten der Unternehmen (Mikroebene) kann dieses touristische Potential erschlossen und weiterentwickelt werden. Weiterführende Erkenntnisse über diese Prozesse und Wechselwirkungen können nur mit Hilfe von vertiefenden Mikrostudien zu einzelnen Unternehmen gewonnen werden.

Das Buch nähert sich dieser Ebene über den Ansatz von Fallstudien.{29} Da es nicht möglich ist, alle Unternehmen der Tourismusbranche in ausreichender Tiefenschärfe vorzustellen und zu analysieren, werden zu den einzelnen Bereichen ausgewählte Beispiele vorgestellt. Für die Hotellerie mag es noch möglich sein, zumindest einen großen Teil der relevanten Anbieter zu benennen und in größeren wie kleineren Fallstudien zu charakterisieren. Aber selbst hier werden in der aktuellen Statistik zum Konstanzer Tourismus 55 Beherbergungsunternehmen gelistet. In diesem Buch werden immerhin 15 dieser Unternehmen in größeren Fallstudien und kleineren Fallskizzen vorgestellt.

Spätestens aber mit Blick auf die vielen großen und kleinen Unternehmen in der Gastronomie und in weiteren touristischen Leistungssegmenten ist nicht einmal mehr das möglich. Ein aktueller Führer der MTK durch das gastronomische Angebot in Konstanz listet rund 170 Betriebe auf.{30} Das zeigt die Breite und Vielfalt der Branche. Insofern beschränkt sich das Buch auf die Vorstellung einiger Unternehmen mit exemplarischen Geschäftsmodellen und Konzepten.

Insgesamt kann über die Summe der ausgewählten Fallstudien ein Organizational Survey zur Branche in der Stadt gebildet werden. Zu jeder einzelnen Fallstudie wird eine möglichst „dichte“ Datenerhebung und Fallbeschreibung durchgeführt. Die ergänzenden Fallskizzen ermöglichen den Ausblick auf weitere Unternehmen des jeweiligen Branchensegments. Methodisch bewegen sich diese Fallstudien im Bereich der qualitativen Betriebswirtschaftslehre und Organisationsforschung. Mit der Methode des Organizational Survey auf Basis von ausgewählten Fallstudien werden vergleichbare Beschreibungen in Bezug auf Strukturen, Praktiken und Einschätzungen der Unternehmen möglich.{31} Hierzu wurden alle verfügbaren Informationen und Publikationen ausgewertet, sowie ergänzende Interviews mit Führungskräften der Unternehmen durchgeführt.

Aufbereitet werden die Fallstudien im Rahmen des Organizational Survey mit Hilfe eines Rasters, das aus der Marketingforschung abgeleitet ist.{32} Das Raster lehnt sich an die Konzepte der Situationsanalyse der Marketingforschung und an das damit verbundene Modell der Markenidentität an. D.h. es fragt insbesondere nach qualitativen Aspekten der Organisationsidentität. Im Marketing spricht man vom Selbstbild und vom Fremdbild einer Marke. Untersucht wurden Aspekte, die dabei helfen, die Unternehmen auch über rein quantifizierbare Informationen und Fakten hinaus zu charakterisieren.{33} Mit Hilfe der folgenden Rasterthemen soll ein möglichst umfassendes Bild der hier untersuchten Unternehmen der Konstanzer Hotellerie und Gastronomie gewonnen werden. Da die Studie sich den Unternehmen über den realen, räumlichen und stadtgeographischen Standort