Star Wars Battlefront: Twilight-Kompanie - Alexander Freed - E-Book

Star Wars Battlefront: Twilight-Kompanie E-Book

Alexander Freed

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Beschreibung

Der offizielle Roman zum brandneuen Videogame Star Wars:Battlefront galt schon Monate vor Erscheinen als das vermutlich beste Action Adventure-Spiel des Jahres 2015. Brillante Bilder und eine actiongeladene Story sorgen dafür, dass Fans der erfolgreichsten Space-Opera aller Zeiten nicht nur im Kino, sondern auch auf Konsolen voll auf ihre Kosten kommen. Panini veröffentlicht den offiziellen Roman zum Blockbuster-Spiel.

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AUSSERDEM VON PANINI ERHÄLTLICH:

Star Wars: Bewegliches Ziel – Ein Prinzessin Leia-Abenteuer

(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)

Cecil Castellucci, Jason Fry – ISBN 978-3-8332-3197-1

Star Wars: Die Waffe eines Jedi – Ein Luke Skywalker-Abenteuer

(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)

Jason Fry – ISBN 978-3-8332-3196-4

Star Wars: Im Auftrag der Rebellion – Ein Han Solo & Chewbacca-Abenteuer

(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)

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Star Wars: Verlorene Welten

(Journey to Star Wars: Das Erwachen der Macht)

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Star Wars: Shadow Games – Im Schatten

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-3158-2

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 1 – Im Zwielicht

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2906-0

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 2 – Straße der Schatten

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2983-1

Star Wars: CORUSCANT NIGHTS Band 3 – Schablonen der Macht

Michael Reaves – ISBN 978-3-8332-2984-8

William Shakespeares Star Wars: Fürwahr eine neue Hoffnung

Ian Doescher – ISBN 978-3-8332-2866-7

William Shakespeares Star Wars: Das Imperium schlägt zurück

Ian Doescher – ISBN 978-3-8332-3017-2

Nähere Infos und weitere Bände unter:

www.paninicomics.de

ROMANVON ALEXANDER FREED

INS DEUTSCHE ÜBERTRAGENVON TOBIAS TONEGUZZO

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars Battlefront: Twilight Company“ by Alexander Freed, A Del Rey ® Book, published by The Random House Publishing Group.

TM & © 2016 LUCASFILM LTD.

Deutsche Ausgabe 2016 by Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87,

70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Geschäftsführer: Hermann Paul

Head of Editorial: Jo Löffler

Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])

Presse & PR: Steffen Volkmer

Übersetzung: Andreas Kasprzak

Lektorat: Thomas Gießl für Grinning Cat Productions

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

YDSWBA001E

ISBN 978-3-8332-3291-6

Gedruckte Ausgabe

ISBN 978-3-8332-3259-6

Findet uns im Netz:

www.paninicomics.de

PaniniComicsDE

Für Susan, weil sie es verdient hat.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Obwohl die Rebellen-Allianz den Todesstern zerstört hat, ist die Dominanz des Galaktischen Imperiums ungebrochen, und seine Tyrannei breitet sich weiter ungebremst zwischen den Sternen aus.

Unter der Führung des Imperators und seiner rechten Hand, Darth Vader, erstickt eine Armee gut ausgebildeter, unbeirrbarer Sturmtruppler jeglichen Einspruch und schlägt Widerstand brutal nieder.

Doch auf Welten wie Sullust, Coyerti, Haidoral Prime und vielen anderen halten sich die Rebellen in den Schützengräben, entschlossen, die Hoffnung im Kampf gegen die gnadenlose imperiale Kriegsmaschinerie aufrechtzuerhalten …

1. TEIL

RÜCKZUG

1. KAPITEL

DER PLANET CRUCIVAL

Tag siebenundvierzig des Malkhani-Aufstands

Dreizehn Jahre nach den Klonkriegen

Sein Name war Donin. Das war nicht der Name, den man ihm bei der Geburt gegeben hatte, aber es war der Name, der ihm ins Fleisch geritzt und mit Tinte dort verewigt worden war. Das Mal hatte er erst vor Kurzem zu Ehren seiner Einweihung vom Klan-Meister erhalten. Die schwarzen Wellen und Kringel verliefen unter dem rauen Stoff seiner Jacke quer über seine Schulterblätter. Das war eines von vier Geschenken, die er bei seiner Aufnahme in die Armee von Kriegsherr Malkhan bekommen hatte: ein neuer Name, das Mal, ein Messer mit gezackter Klinge und der Partikelblaster eines Fremdweltlers.

Die Meister hatten ihm versichert, dass der Blaster unter diesen vier Geschenken das wertvollste war. Sein Griff war mit ausgefranstem Leder umwickelt, sein Lauf rußgeschwärzt und mit Asche verkrustet. Die Waffe hatte noch genug Energie für ein Dutzend gleißender Schüsse, und Donin war ermahnt worden, dass er keinen dieser Schüsse vergeuden oder die Waffe fallen lassen durfte, sollte sie seine Hände verbrennen. Das wäre das Verhalten eines Kindes – nicht das eines vollwertigen Klan-Mitglieds.

Er kauerte sich zwischen seinen neuen Brüdern und Schwestern – deren Namen er erst noch in Erfahrung bringen musste – hinter der niedrigen Steinmauer auf dem Hügelkamm zusammen. Dank seiner schmalen Gestalt, dünn aufgrund seiner Jugend und des Hungers, konnte er sich ganz hinter der Barrikade verbergen; das war auch der Grund, warum man ihn an die Front befohlen hatte. Ebenso wie das Mal auf seinem Rücken und die Waffen war auch dies ein Privileg. Das rief er sich jedes Mal wieder ins Gedächtnis, wenn er zu schwitzen oder zu zittern begann.

Er blickte entlang der Reihe seiner Kameraden und suchte nach Anzeichen dafür, dass auch sie Angst vor der bevorstehenden Schlacht hatten. Die meisten von ihnen waren größer und älter als er, ausgerüstet mit Fremdweltler-Waffen, die genauso geschwärzt und verrostet waren wie seine eigene. Sie säuberten ihre Messer, murmelten einander leise zu. Donin sagte sich, dass er für sie sterben würde, ebenso wie sie für ihn sterben würden, im Namen des Klans und ihres Kriegsherrn. Und sollten sie den Kampf gewinnen …

Nein, sollte ich den Kampf überleben, korrigierte er sich. Dass sie gewinnen würden, war laut Kriegsherr Malkhan gewiss. Die Frage war nur, ob er diesen Sieg auch miterleben würde.

… dann würde es ein großes Fest geben. Er hatte Geschichten gehört, über große Festmähler mit Kannen voll klarem Wasser und Grillspießen mit Bantha-Fleisch, mit Salzen und Soßen von anderen Kontinenten, anderen Planeten. Er würde sich vollessen, dachte er, und sich dann sicher im Lager des Kriegsherrn schlafen legen. Donin hatte die Gelage des Klans noch nicht gesehen, aber er hatte sie gehört, während er sich zitternd im Haus seines Vaters versteckt hatte. Dieses fröhliche Grölen war es gewesen, was ihn letztlich zu den Meistern geführt hatte.

Sein Vater hatte gesagt, die Malkhanis wären nicht anders als die anderen Fraktionen auf Crucival, aber da hatte er sich geirrt. Kein anderer Klan hatte solche Festmähler oder erfreute sich so sehr an seinen Siegen. Kein anderer Anführer war so stark wie Malkhan, und ganz sicher wäre keiner von ihnen schlau genug gewesen, eine Ladung fremdweltlerischer Waffen in seinen Besitz zu bringen. Donins neuer Klan würde diesen Planeten zu einem besseren Ort machen.

Irgendwo in weiter Ferne erklang ein Heulen in der staubigen Luft, zunächst leise, dann rasch lauter werdend. Donin straffte die Schultern, erhob sich halb aus seiner gebückten Haltung und schob in derselben Bewegung seinen Blaster über den Rand der Mauer, so, wie man es ihm beigebracht hatte. Er konnte kein Ziel sehen. Hinter ihm lachte jemand, dann legte sich eine große Hand auf sein dunkles Haar und drückte seinen Kopf nach hinten.

„Die Schlacht hat noch nicht begonnen, Junge. Das ist nur ein Schiff auf dem Weg zum Turm. Wenn du jetzt schießt, wirst du uns alle töten.“

Nun, da sein Blick nach oben gerichtet war, konnte Donin vor dem Hintergrund der Wolken den runden Mittelteil und die kantigen Platten des fremdweltlerischen Fliegers ausmachen. Die Maschine jaulte in Richtung des großen Metallturms davon, und kurz darauf war sie schon nicht mehr zu sehen.

Donin sank wieder auf die Knie, und die Hand ließ seinen Kopf los. Er hatte sich zum Narren gemacht. Im Stillen schwor er sich, dass so etwas nicht noch einmal passieren würde. „In den Schluchten sehen wir nur selten Flieger“, murmelte er – eine Erklärung, keine Entschuldigung.

Der Mann hinter ihm brummte. „Hier wirst du jede Menge von ihnen sehen. Merk dir also, dass du nicht auf sie schießen darfst. Und dem Turm solltest du dich auch nicht weiter als einen Steinwurf nähern, ganz egal, was passiert. Die Fremdweltler in ihren weißen Rüstungen kommen zwar nur selten heraus, aber wenn sie sich in irgendeiner Weise gestört fühlen …“

„Ich weiß“, blaffte der Junge. Er drehte sich um und blickte den Mann mit den milchigen Augen und der pockennarbigen Haut an. Der Krieger sah aus, als wäre er gut und gerne viermal so alt wie Donin – als wäre er sogar älter als der Kriegsherr selbst. Doch das bedeutete nicht, dass er länger zum Klan gehörte als Donin. „Ich weiß Bescheid. Ihre Soldaten sind Klone. Sie bauen sie künstlich zusammen.“

Wieder brummte der Mann, und er entblößte abgebrochene, gelbe Zähne in einer Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen sollte. „Was du nicht sagst. Und wer hat dir das erzählt?“

„Mein Vater“, antwortete Donin. „Er hat früher gegen sie gekämpft.“ Der Junge nickte zum Himmel hinauf, zu den Sternen jenseits der graugelben Wolken. „Während des Krieges.“

„Nun, du wirst jedenfalls nicht gegen Klone kämpfen“, erklärte der Mann. „Du kämpfst gegen die Kerle, die letzte Woche den Steinbruch übernommen haben und uns unser Territorium wegnehmen wollen. Ich hoffe, das ist aufregend genug für dich.“

Donin zog die Brauen zusammen und starrte den Älteren finster an. „Ich bin hier, um dem Klan zu dienen“, knurrte er, dann wirbelte er energisch zur Mauer herum. Eine Hand weiterhin um seinen Blaster gelegt, hob er die andere und schlug den Kragen seiner Jacke zurück, damit der Mann hinter ihm das Mal sehen konnte.

Er hörte ein Lachen, dann spürte er einen Klaps auf seinem Rücken, fest genug, dass er nach vorne taumelte.

„Da haben wir ja einen richtigen Krieger“, sagte der Alte. „Mach dir nur keine falschen Hoffnungen, ja? Ein Kampf nach dem anderen.“

Donin nickte, schob die Jacke wieder nach oben und nahm das Gewehr in beide Hände. Er war nicht sicher, was die Worte des Mannes bedeuten sollten. Der Klan war Hoffnung für sie alle.

Es dauerte nicht lange, dann erklang der Ruf, dass der Feind näher kam. Die Krieger an der Frontlinie drückten sich gegen die Mauer und spähten über ihre Krone hinweg. Donin entdeckte mehrere dunkle Flecken im hohen gelben Gras des Tals, und schon bald entpuppten sich diese Flecken als mehrere Dutzend Männer und Frauen. Die meisten von ihnen hielten Speere über ihren Köpfen, nur eine Handvoll hatte fremdweltlerische Waffen – aber die waren so klein, dass ihre Träger sie in einer Hand hatten, fast so, als wären es Zweige.

Da stieß eine dieser Waffen einen Energieblitz und ein widerhallendes Jaulen aus. Grünes Feuer zuckte über die Mauer hinweg. Die Armee des Kriegsherrn brach in lautes Gebrüll aus, von dem Donin jedoch kein einziges Wort verstand. Er schob seinen Blaster über die Mauer und ermahnte sich, keine Schüsse zu vergeuden.

„Gelobt sei der Kriegsherr!“, rief jemand, und das Gebrüll verwandelte sich in lauten Jubel. Eine warme Woge füllte die Brust des Jungen, und er stimmte grinsend in die Rufe mit ein.

Sein Name war nun Donin, und er verteidigte sein neues Zuhause. Dies waren seine Brüder und Schwestern, ihre Absichten waren hehr, und er würde auf ewig Teil ihres Klans sein.

2. KAPITEL

DER PLANET HAIDORAL PRIME

Tag achtundvierzig des Rückzugs aus dem Mid Rim

Neun Jahre später

Der Regen fiel warm und dicht vom glühenden Himmel über Haidoral Prime. Er roch wie Essig, sammelte sich auf den trümmerübersäten Straßen und rings um die vorgefertigten Modulbauten, und er glänzte auf der Haut wie ätzender Schweiß.

Aber nach dreißig Standardstunden hatten sich die Soldaten der Twilight-Kompanie inzwischen daran gewöhnt.

Drei Gestalten schlichen unter zerrissenen Vordächern eine verlassene Straße entlang. Der schlanke, kompakte Mann an der Spitze der Gruppe trug einen ausgewaschenen grauen Overall und darüber ein Durcheinander verschiedener Rüstungsteile, unter anderem eine Brustplatte, auf die er mithilfe einer Schablone das Sternvogel-Symbol der Rebellen-Allianz gesprüht hatte. Regen tropfte von dem dunklen Haar, das unter seinem Helm mit dem hochgeklappten Gesichtsschutz hervorwallte, und die bronzenen Züge darunter glänzten nass.

Sein Name war Hazram Namir, aber man hatte ihn auch schon anders genannt. Im Stillen verfluchte er den Häuserkampf und Haidoral Prime und sämtliche Gesetze atmosphärischer Wissenschaft, die es regnen ließen. Der Gedanke an Schlaf zuckte durch seinen Kopf und brach sich wie eine Welle am Damm seiner Entschlossenheit. Er presste die Kiefer zusammen und deutete mit einem Gewehr, das dicker war als sein Arm, auf die nächste Kreuzung.

Irgendwo in der Ferne erklangen in rascher Folge mehrere Blasterschüsse, dann Schreie, dann – Stille.

Der Mann, der hinter Namir ging – ein hochgewachsener Mensch mit ergrauendem Haar und einem von Narbengewebe überwucherten Gesicht –, hastete über die Straße, um auf der anderen Seite Position zu beziehen. Die dritte Gestalt blieb hinter ihnen zurück; sie hatte sich ein Stück Plane um den Körper geschlungen, das wie die Kapuze eines Mantels auch ihren Kopf bedeckte.

Der Narbengesichtige machte ein Handzeichen, und Namir trat auf die Kreuzung hinaus. Ein Dutzend Meter entfernt waren mehrere Umrisse menschlicher Körper zu erkennen, die auf dem Asphalt lagen. Sie trugen zerfetzte Regenkleidung – glänzende, leichte Wickelgewänder und Sandalen. Zivilisten.

Das ist zwar eine Schande, dachte Hazram, aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Das Imperium erschoss keine Zivilisten, wenn alles unter Kontrolle war.

„Charmeur – möchtest du dir das mal ansehen?“ Er deutete auf die reglosen Gestalten. Während der Narbengesichtige hinüberging, tippte Namir sein Kommlink an. „Sektor gesichert“, meldete er. „Was steht als Nächstes auf dem Plan?“

Die Antwort wurde halb vom Zischen statischer Störungen überlagert – irgendetwas über „auf Nummer sicher gehen“. Hazram vermisste es wirklich, einen Kommunikationsexperten in seiner Einheit zu haben. Bei der letzten Kommtechnikerin der Twilight-Kompanie hatte es sich vielleicht um eine Alkoholikerin und Misanthropin gehandelt, aber immerhin waren die Funksprüche verständlich gewesen. Oh, und in langweiligen Nächten hatte sie mit Namir obszöne Gedichte verfasst. Zu dumm, dass sie und ihr Droide während der Bombardierung von Asyrphus gestorben waren.

„Wiederholen“, versuchte er es. „Sind wir bereit zum Abflug?“

Diesmal waren die Störungen leiser. „Unterstützungseinheiten beladen das Schiff gerade mit Nahrung und Ausrüstung“, erklärte die Stimme. „Falls ihr wisst, wo wir in der Nähe medizinische Vorräte finden können, wäre die Donnerschlag euch zu Dank verpflichtet. Andernfalls begebt euch zum Treffpunkt – es sind noch ein paar Stunden, bis Verstärkung eintrifft.“

„Sagt den Unterstützungseinheiten, sie sollen diesmal nicht vergessen, Hygieneartikel einzupacken“, sagte Namir. „Das Schiff muss ja nicht genauso stinken wie die Baracken.“

Wieder drang statisches Rauschen aus dem Empfänger, oder war es vielleicht ein Lachen? „Wir werden es ausrichten. Passt auf euch auf.“

Charmeur hatte inzwischen jede der reglosen Gestalten auf Puls und Identifikationschips überprüft. Er schüttelte den Kopf, als er sich erhob.

„Wie schrecklich!“ Die Gestalt unter dem Stück Plane kam zu ihnen herüber. Ihre Stimme war tief und durchdringend, und während sie mit zwei fleischigen, vierfingrigen Händen die Plane vor ihrer Brust zusammenhielt, schloss sich ein zweites Paar Hände auf Hüfthöhe fester um ihre mächtige Blasterkanone. „Wie kann man so etwas einem anderen Lebewesen nur antun?“

Charmeur biss sich auf die Lippe, und Namir zuckte mit den Schultern. „Vielleicht waren es ja Kampfdroiden.“

„Unwahrscheinlich“, entgegnete das hünenhafte Wesen. „Doch selbst wenn, trägt die Gouverneurin die Verantwortung dafür.“ Es kniete sich neben eine der leblosen Gestalten und streckte zwei Arme aus, um der Leiche die Augen zu schließen. Jede seiner Hände war so groß wie der Kopf des Toten.

„Wir müssen los, Gadren“, brummte Hazram. „Jemand wird sie schon finden.“

Das Wesen machte keine Anstalten aufzustehen. Charmeur öffnete den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn dann aber wortlos wieder zu. Namir fragte sich, ob es wohl etwas bringen würde, wenn er den Ton Gadren gegenüber verschärfte.

Einen Moment später explodierte die Mauer neben ihm, und plötzlich war Gadren das kleinste seiner Probleme.

Feuer, Metallteile und geschmolzener Kunststoff prasselten auf seinen Rücken ein. Er wusste nicht, wie oder warum, aber als sein Blick sich klärte, lag er mitten auf der Straße, ein Bein unter seinem Körper verdreht, und die Scherben seines geborstenen Gesichtsschutzes stachen ihn in Kinn und Wangen; er hatte aber zumindest genug Geistesgegenwart, um dankbar dafür zu sein, dass er sich kein Auge ausgestochen hatte.

Und dann richtete sein Körper sich plötzlich auf, von fremden Händen in die Höhe gerissen. Charmeur schlang ihm einen Arm um die Schulter und stützte ihn, zerrte ihn neben sich her zur anderen Straßenseite. Dabei stieß er einen steten Strom an Verwünschungen von seiner Heimatwelt aus – vermutlich wegen dem Sturm roter Partikelstrahlen, die zwischen den Flammen und den Trümmern durch die Luft stachen. Als Namir wieder aus eigener Kraft stehen konnte und Charmeur von sich fortstieß, hatte er die Schüsse bereits zu ihrem Ursprung zurückverfolgt.

Vier Sturmtruppler standen an der Mündung einer Gasse, ein Stück die Straße hinauf. Ihre totenbleichen Rüstungen glänzten im Regen, und die Linsen vor den Augenschlitzen wirkten wie schwarze Löcher in ihren Schädeln. Die Waffen der Imperialen glänzten ebenfalls, von Öl und regelmäßiger Säuberung, und es hatte den Anschein, als wären die vier gerade erst vom Fließband gestiegen.

Namir riss den Blick lange genug von den Soldaten los, um zu sehen, dass er mit dem Rücken vor einem Schaufenster voller Vid-Schirme stand. Kurz entschlossen hob er seinen Blaster, feuerte auf die Scheibe und kletterte dann zwischen den Scherben hindurch. Charmeur folgte ihm ohne Zögern. Der Laden würde ihnen nur kurz Deckung bieten – vielleicht auch gar keine, falls die Sturmtruppler noch einmal ihren Raketenwerfer einsetzten –, aber das war immer noch besser als nichts.

„Such nach einem Weg nach oben“, rief Hazram. Seine eigene Stimme klang weit entfernt und blechern in seinen Ohren, und erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Blasterschüsse der Imperialen überhaupt nicht hören konnte. „Ich brauche Feuerunterstützung!“ Ohne nachzusehen, ob Charmeur seinem Befehl nachkam, kauerte er sich jenseits des Schaufensters zusammen, als die Feinde ihre Schussbahn korrigierten.

Gadren konnte er ebenfalls nicht sehen, dennoch wies er den Nichtmenschen an, in Position zu gehen – falls er noch lebte. Und falls sein Kommlink noch funktionierte. Anschließend legte er sein Gewehr an, gab zwei Schüsse in Richtung der Sturmtruppler ab und genoss den kurzen Moment, als der Feindbeschuss nachließ.

„Ich brauche hier Unterstützung, Brand“, grollte er in sein Komm. „Und zwar jetzt gleich.“

Falls ihm jemand antwortete, konnte er es zumindest nicht hören.

In diesem Augenblick erspähte er den Sturmtruppler mit dem Raketenwerfer. Der Soldat lud die Waffe gerade nach, was bedeutete, dass Namir maximal eine halbe Minute blieb, bevor der Laden über ihm einstürzen würde. Er feuerte ein paar überstürzte Schüsse ab, sah, wie einer der Imperialen zu Boden ging, aber er bezweifelte, dass das sein Verdienst war. Charmeur hatte wohl eine gute Schützenposition im Obergeschoss gefunden.

Damit waren noch drei Imperiale übrig. Einer von ihnen entfernte sich von der Gasse, während der andere seine Position beibehielt, um seinem Kameraden mit dem Raketenwerfer Feuerschutz zu geben. Namir feuerte auf den Soldaten, der sich auf die Straße hinausgewagt hatte, und er verzog seine Lippen zu einem grimmigen Lächeln, als der Weiß-Uniformierte ausrutschte und auf die Knie fiel. Es hatte etwas zutiefst Befriedigendes, zu sehen, wie ein perfekt gedrillter Sturmtruppler sich zum Narren machte. Hazrams Truppe passierte das häufig genug.

Eine ruckhafte Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Soldaten mit dem Raketenwerfer. Gadren stand hinter ihm und hob ihn mit beiden Armpaaren hoch in die Luft. Der Imperiale wedelte wild mit den Armen, und seine Waffe fiel klappernd zu Boden. Die weiße Rüstung schien in den Händen des Nichtmenschen zu zerknittern, als würde Gadren eine Dose zusammendrücken. Das Stück Plane wurde ihm dabei von den Schultern geweht, und darunter kam sein Schädel zum Vorschein: eine braune, knollenförmige Masse mit einem breiten Maul, gekrönt von einem dunklen Knochenkamm, der ihn noch mehr wie eine Art amphibisches Albtraum-Götzenbild wirken ließ. Der andere Truppler vor der Gasse drehte sich um und wurde prompt unter der Leiche seines Kameraden begraben, die Gadren mit einem wütenden Heulen und übermenschlicher Kraft auf ihn hinabgeschleudert hatte.

Namir vertraute dem Nichtmenschen mehr als den meisten anderen Wesen, die er kannte, aber es gab Momente, da machte Gadren ihm immer noch Angst.

Der letzte Sturmtruppler kniete weiterhin auf der Straße. Hazram feuerte auf ihn, bis sich ein schwarzes Loch durch seinen Brustpanzer brannte und er nach hinten kippte. Anschließend kamen die drei Rebellen zwischen den Leichen zusammen, um zu sehen, ob einer von ihnen ernsthaft verletzt war.

Namirs Gehör kehrte allmählich zurück, aber der Schaden an seinem Helm betraf nicht nur die Gesichtsplatte – ein Riss verlief über seine gesamte Länge –, und als er ihn abnahm und von sich warf, ertastete er eine gezackte Schnittwunde an seiner Stirn. Charmeur pflückte Glassplitter von seiner Weste, beschwerte sich jedoch zumindest nicht. Gadren zitterte im warmen Regen.

„Wo ist Brand?“, fragte der Nichtmensch.

Namir brummte nur.

Charmeur stieß sein eigentümliches, an Schluckauf erinnerndes Lachen aus, und als er sprach, musste er alle paar Wörter drei- oder viermal neu ansetzen. Das Stottern hatte nach der Schlacht von Blacktar Cyst begonnen, und er war es seither nicht mehr losgeworden. „Wenn du weiter in dem Tempo Leichen auftürmst“, sagte er, „haben wir bald den besten Aussichtspunkt in der ganzen Stadt.“

Er deutete auf die beiden Sturmtruppler, die Gadren getötet hatte: Sie waren übereinander auf einem der zivilen Opfer gelandet.

„Du bist krank, Charmeur“, brummte Namir, dann legte er seinem Kameraden die Hand auf die Schulter. „Ich werde dich vermissen, wenn sie dich rausschmeißen.“

Gadren hinter ihnen grunzte. Vielleicht war es Betroffenheit, aber Hazram beschloss, es als Zeichen der Belustigung zu interpretieren.

Offiziell hieß die Stadt Haidoral-Administrationszentrum Eins, aber die Einheimischen nannten sie Glitter, wegen der kristallinen Berge, die sich vor dem Horizont erhoben. Wann immer es etwas zu benennen gab, so schien es Namir, wählte das Imperium entweder Namen, die Angst auslösen sollten – etwa bei ihren Sturmtruppler-Legionen und Sternenzerstörern –, oder Namen, die möglichst langweilig und bürokratisch klangen. Nicht, dass er sich daran gestört hätte, aber er musste ja auch nicht in einer dieser Städte auf einem dieser Planeten leben und sich so bezeichnen lassen.

Ein halbes Dutzend Rebellen-Einheiten war bereits auf dem zentralen Platz der Stadt versammelt, als sein Team eintraf. Der Regen war einem feuchten Dunst gewichen, insofern boten die Zelte und Vordächer rings um den Platz nur wenig Schutz, dennoch zwängten sich Männer und Frauen in zerschlissener Rüstung in den trockeneren Ecken zusammen. Sie unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, beäugten leichte Verletzungen oder versuchten, beschädigte Ausrüstung zu reparieren. Für eine Siegesfeier war die Stimmung äußerst bedrückt. Der Kampf war zu lang und zu verbissen gewesen, um nun bei der Aussicht auf ein paar frische Mahlzeiten in Jubel auszubrechen.

„Hört auf, euch selbst zu bewundern, und macht euch gefälligst nützlich“, bellte Namir, ohne dabei auch nur seine Schritte zu verlangsamen. „Die Unterstützungsteams könnten ein wenig Hilfe brauchen – falls ihr euch nicht zu fein dafür seid.“

Er achtete kaum darauf, wie die verschiedenen Einheiten Haltung annahmen – seine Aufmerksamkeit galt vornehmlich der Frau, die hinter einem Unterstand mit mehreren Speedern auftauchte. Sie war hochgewachsen und stämmig gebaut, gekleidet in abgewetzte Hosen und eine gepolsterte braune Fliegerjacke. Ein Scharfschützengewehr hing von ihrer Schulter, ein netzartiges Schultertuch verbarg ihren Hals bis zum Kinn, und sie hatte eine Gesichtsmaske auf die Stirn hochgeschoben. Ihre Haut wies nur leichte Falten auf und war so dunkel, wie sie bei einem Menschen nur sein konnte. Das Haar trug sie kurz geschoren, nur wenige Millimeter lang. Sie würdigte Namir keines Blickes, als sie zu ihm trat und neben ihm her über den Platz ging.

„Möchtest du mir verraten, wo du warst?“, fragte er.

„Das zweite Feuerteam ist euch entwischt. Ich habe mich darum gekümmert“, antwortete Brand.

Namir bemühte sich um einen kühlen Tonfall. „Das nächste Mal könntest du mir ja wenigstens Bescheid geben.“

„Ich wollte euch nicht ablenken.“

Namir lachte. „Ich hab dich auch lieb.“

Brand legte den Kopf schräg. Falls sie den Witz verstanden hatte – und er war sicher, das hatte sie –, schien er sie nicht zu amüsieren. „Was also nun?“, fragte sie nur.

„Uns bleiben noch acht Stunden, bis wir das System verlassen“, erwiderte Namir, bevor er mit dem Rücken zu einem umgestürzten Kiosk stehen blieb. Er lehnte sich gegen den Metallrahmen und starrte in den Nebel. „Weniger, falls schon früher imperiale Schiffe auftauchen oder sich die Truppen der Gouverneurin neu sammeln. Danach werden wir dem Rest des Kampfverbandes seinen Anteil an den Vorräten geben. Vielleicht lassen sie uns ja ein oder zwei Begleitschiffe für die Donnerschlag da, bevor sie wieder verschwinden.“

„Und dann überlassen wir diesen Sektor wieder dem Imperium“, sagte Brand.

Charmeur hatte sich inzwischen abgesetzt, aber Gadren war noch immer an Hazrams Seite. „Wir werden zurückkommen“, erklärte der Nichtmensch grimmig.

„Richtig“, kommentierte Namir mit einem Schmunzeln. „Etwas, worauf wir uns schon alle freuen.“

Er wusste, dass es die falschen Worte zur falschen Zeit waren.

Vor achtzehn Monaten hatte sich die Einundsechzigste Mobile Infanterieeinheit der Rebellen-Allianz – gemeinhin als Twilight-Kompanie bekannt – dem Vorstoß in den Mid Rim angeschlossen. Die Operation gehörte zu den bis dato größten der Rebellion, umfasste sie doch Tausende Raumschiffe, Hunderte von Schlachtgruppen und Dutzende Welten. Nachdem die Allianz dem Imperium durch die Zerstörung des Todessterns eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte, hatte das Oberkommando beschlossen, dass dies der richtige Moment sei, um von den Rändern des imperialen Territoriums in Richtung seiner Populationszentren vorzustoßen.

Die Twilight-Kompanie hatte in den Fabrikwüsten von Phorsa Gedd gekämpft und den Ducal-Palast von Bamayar eingenommen. Sie hatte Brückenköpfe für die Schwebepanzer der Rebellen aufgebaut und aus Planen und Metallstangen Basen auf verkohlten Schlachtfeldern errichtet. Namir hatte gesehen, wie Soldaten Arme oder Beine verloren und wochenlang warten mussten, bevor sie die entsprechende medizinische Behandlung bekamen. Er hatte Rekruten beigebracht, wie man behelfsmäßige Bajonette zusammenbastelte, wenn einem die Energiezellen für den Blaster ausgingen. Er hatte Städte in Brand gesetzt und miterlebt, wie das Imperium dasselbe tat. Er hatte Freunde auf zerstörten Welten zurücklassen müssen, in dem Wissen, dass er sie nie mehr wiedersehen würde.

Auf einem Planeten nach dem anderen hatte die Twilight-Kompanie gekämpft. Manche Schlachten hatten sie gewonnen, andere hatten sie verloren, und irgendwann hatte Namir aufgehört mitzuzählen. Als Speerspitze der Rebellentruppen waren sie vor der großen Armada tiefer und tiefer ins imperiale Territorium eingedrungen, bis neun Monate nach Beginn der Operation die Meldung vom Oberkommando kam: Die Flotte sei überfordert, es würde keinen weiteren Vorstoß mehr geben – stattdessen sollte das Augenmerk darauf gelegt werden, die neu eroberten Gebiete zu verteidigen.

Kurz darauf hatte der Rückzug begonnen.

Die Twilight-Kompanie war nun nicht mehr die Speerspitze, sondern die Nachhut eines gewaltigen Truppenabzugs. Sie fanden sich auf Welten wieder, die sie vor wenigen Monaten erst befreit hatten, und evakuierten die Basen, an deren Aufbau sie mitgewirkt hatten. Sie halfen, die Helden und Generäle der Rebellion auszufliegen und ihnen den Weg nach Hause zu weisen. Sie marschierten über die Gräber ihrer gefallenen Soldaten. Einige der überlebenden Mitglieder hatten die Hoffnung verloren. Andere waren wütend.

Keiner wollte sich zurückziehen.

Als die Zivilisten aus ihren Verstecken kamen und zum großen Platz strömten, begann die offene Rekrutierung.

Der Einheit von Sergeant Zab – welche Namir einst in einem Moment des Zorns „Idioten, die ein Blastergewehr nicht von einem Hydrospanner unterscheiden können“ genannt hatte – war es gelungen, einen Astromechdroiden ins Kontrollzentrum der Stadt zu schmuggeln. Die Maschine hatte sich für sie in das öffentliche Lautsprechersystem der Stadt gehackt und eine Nachricht des Captains gesendet: Die Twilight-Kompanie würde Haidoral Prime in Kürze verlassen, und jeder Bürger, der ihre Ideale von Freiheit und Demokratie teile, könne entweder bleiben und seine Heimat verteidigen oder sich der Twilight anschließen und die Offensive gegen das Imperium dort unterstützen, wo die Rebellion am meisten gebraucht werde. Und so weiter.

Der Captain nahm jedes Mal eine neue Botschaft auf, wenn die Kompanie ihre Ränge auffüllen musste, angepasst an die Umstände und die örtlichen Gepflogenheiten. Für Namir klangen sie trotzdem alle gleich.

Rein technisch verstießen offene Rekrutierungen gegen die Philosophie der Allianz, aber bei der Twilight-Kompanie waren sie eine Art Tradition, und der Captain beharrte darauf, dass diese Tradition fortgeführt wurde. Solange die Rebellion die Kompanie wieder und wieder durch die Hölle schickte – und solange genug Überlebende von diesen Missionen zurückkehrten –, würde die Twilight ihre Verluste durch willige Zivilisten auffüllen. Auf Haidoral Prime waren sieben Soldaten der Kompanie gestorben, sie brauchten also sieben Neulinge, um die Gefallenen aufzuwiegen, und dann noch einige mehr, um nach den Schlachten der vergangenen Wochen wieder volle Truppenstärke herzustellen.

Innerhalb einer Stunde versammelten sich mehrere Dutzend Männer und Frauen auf dem Platz, wo sie zunächst vom „Begrüßungskomitee“ der Twilight nach Waffen und versteckten Sprengkörpern durchsucht wurden. Natürlich kamen sie nicht alle, um sich rekrutieren zu lassen: Barfüßige Frauen mit schwieligen Händen bettelten die Soldaten an zu bleiben; gebeugte, alte Männer blafften die Kompanie an, sie solle endlich verschwinden; und eine schlecht organisierte Gruppe von Einheimischen bekundete ihren Wunsch, den Kampf gegen das Imperium hier auf Haidoral fortzusetzen – sie erhielten das wenige an Ausrüstung, das die Twilight entbehren konnte, und wurden dann mit bedeutungslosen Durchhalteparolen und einer abgedroschenen Beschwörung „der Sache“ fortgeschickt.

Die eigentlichen Rekruten waren eine bunte Mischung aus Jung und Alt, verhätschelt und verzweifelt. Namir ging vor ihnen auf und ab, blickte ihnen in die Augen und gab seine Beurteilung dann an den Rekrutierungsoffizier weiter. Da war ein bärtiger, heruntergekommener Kerl, der aussah, als würde er auf der Straße leben, aber die Haltung eines Bürokraten hatte; Hazram vermutete, dass es sich um einen imperialen Spion handelte. Die Augen einer stupsnasigen Frau suchten kurz nach einem Fluchtweg, als Namir vor ihr die Waffe von einer Hand in die andere nahm; sie schätzte er als Kleinkriminelle ein, die vermutlich gesucht wurde und schnell den Planeten verlassen wollte.

Der Rekrutierungsoffizier des Tages – Hober, ein wettergegerbter Quartiermeister mit knackenden Knien und einem glücklichen Händchen beim Kartenspiel – quittierte Namirs Einschätzung mit einem Schulterzucken. „Du kennst die Befehle vom Heuler“, brummte er.

Ja, Hazram kannte die Befehle. Captain Evon – meist nur „der Heuler“ genannt, wenn er nicht in Hörweite war – übersah gerne mal Risiken, solange er nur wieder volle Truppenstärke herstellen konnte.

„Behalt sie einfach im Auge“, wies Namir Hober an. „Man muss schon ziemlich verrückt sein, um auf ein sinkendes Schiff zu springen.“

Der Quartiermeister schüttelte schnaubend den Kopf. „Sag das noch ein bisschen lauter, und es wird keiner bleiben, den ich im Auge behalten müsste.“

Namir nickte. Es gab Schlimmeres als Rekruten, die ein wenig verrückt waren; aber er brauchte nun mal Männer und Frauen, die er ausbilden konnte, keine Deserteure oder Psychopathen.

Die potenziellen Rekruten standen in einer Reihe vor Hober, und er stellte ihnen Fragen, bei denen es nicht nur um ihre Kampferfahrung ging, sondern auch um Hobbys und Familien und einiges mehr. Hober war gut in seinem Job; gut darin, abzuschätzen, wer einen Beitrag leisten konnte und wer in Panik geraten und die Sicherheit der anderen gefährden würde. Namir ging am Rand des Platzes auf und ab und versuchte, sich nicht einzumischen. Er wusste, wie sich Rekruten fühlten, wusste, dass sie eher die Wahrheit sagen würden, wenn sie halbwegs entspannt waren. Immerhin war es erst drei Jahre her, dass er sich selbst in eine solche Reihe gestellt hatte. Doch im Moment brachte er weder Mitgefühl noch Interesse zustande.

Einer der Rekruten rief etwas. Hazram drehte sich herum und sah, dass unter drei der Einheimischen ein Gerangel entstanden war. Zwei von ihnen schlugen und verfluchten eine dritte Person, bei der es sich um ein blasses, langgliedriges Mädchen mit einem roten Haarschopf handelte. Das offensichtliche Opfer brach innerhalb weniger Sekunden auf Hände und Knie zusammen, wollte aber nicht aufgeben und versuchte immer wieder aufzustehen. Sie war kein guter Kämpfer, aber für ihre Zähigkeit verdiente sie wohl Bonuspunkte.

Namir feuerte dicht über die Köpfe des Trios hinweg, und sofort erstarrten die Streithähne. Das rothaarige Mädchen konnte noch keine achtzehn sein, und die beiden anderen wirkten auch nicht älter.

„Möchte ich wissen, was da los ist?“, fragte er, dann würgte er jeden Erklärungsversuch mit einer schneidenden, horizontalen Handbewegung ab. „Tut uns allen einen Gefallen und sagt einfach Nein.“

Die drei Jugendlichen schüttelten die Köpfe.

„Kämpft auf meinem Schiff, und ihr werdet in einen Spind gesperrt, bis ihr verhungert“, fuhr Namir fort. „Ich werde weder Blasterschüsse an euch vergeuden noch den Sauerstoff, den wir verlieren würden, wenn ich euch durch die Luftschleuse ins All blasen lassen würde. Nein, ihr werdet langsam sterben – weil ihr mir egal seid.“

Er besaß zwar weder die Kaltblütigkeit noch die Autorität, eine solche Drohung in die Tat umzusetzen, aber das wussten die jungen Rekruten nicht. Einer der beiden älteren zögerte, dann drehte er sich um und ging davon. Die beiden anderen senkten die Köpfe.

„Wie alt bist du?“, fragte Hazram das rothaarige Mädchen.

„Zwanzig.“ Trotzig hob sie wieder den Kopf.

Das erschien ihm zwar höchst unwahrscheinlich, aber sie hatten keine Zeit für Hintergrundchecks. Außerdem wäre sie nicht die erste Sechzehnjährige, die sich der Allianz anschloss.

Namir drehte sich um und nickte Hober zu. Der alte Quartiermeister blickte zwar skeptisch drein, aber die Kompanie brauchte Frischfleisch, und vermutlich würde er die beiden Jugendlichen letztlich doch akzeptieren – wider besseres Wissen.

Die Twilight-Kompanie konnte es sich dieser Tage schlicht und ergreifend nicht leisten, wählerisch zu sein.

Drei Stunden nach Beginn der offenen Rekrutierung erreichte sie die Meldung, dass Namirs Einheit vor dem Anwesen der Gouverneurin gebraucht werde. Eine willkommene Abwechslung.

Die Twilight hatte das Grundstück schon am ersten Tag der Gefechte abgeriegelt. Das Anwesen mit all seinen Kuppeln und Verzierungen lag am Rande der Stadt, zu weit vom Zentrum imperialer Macht auf dem Planeten entfernt, um irgendeinen praktischen Zweck zu erfüllen, dafür aber mit einem beeindruckenden Ausblick auf die Kristallberge gesegnet. Nach den ersten Kampfhandlungen hatte Captain Heuler ein halbes Dutzend Rebellensoldaten rings um das Grundstück verteilt, einen Steinwurf von der brandgeschwärzten, aber noch immer intakten Mauer entfernt. Niemand hatte versucht, den Komplex zu stürmen; solange die Bewohner vom Rest des Planeten abgeschnitten waren, war die Villa strategisch nicht weiter wichtig.

Doch inzwischen hatte sich die Situation verändert.

„Ein Mausdroide ist vor einer halben Stunde durch den Seiteneingang herausgerollt“, sagte Sergeant Fektrin. „Wir glaubten erst, er wäre mit Sprengstoff präpariert. War er aber nicht. Stattdessen brachte er uns eine handgeschriebene Nachricht von einem ‚Sympathisanten der Rebellion‘.“

Namir, Gadren, Charmeur und Brand standen ein paar Dutzend Meter von der Mauer entfernt, und während Hazram sich mit Fektrin unterhielt, überprüften die anderen zum wiederholten Mal ihre Ausrüstung. In regelmäßigen Abständen wurde eines der Fenster der Villa geöffnet, woraufhin eine Salve von Blasterschüssen auf die Straße hinabgefeuert wurde, und dann schloss sich das Fenster wieder. Fektrins Team schien es inzwischen kaum noch zur Kenntnis zu nehmen.

„Was stand in dieser Nachricht?“, fragte Namir.

„Dass Gouverneurin Chalis und ihre Männer da drin mehrere Rebellensoldaten gefangen halten. Unser anonymer Freund“ – er räusperte sich – „‚fürchtet um ihr Leben‘. Zitat Ende.“

Hazram spuckte auf die Straße und beobachtete, wie der Speichel zu zischen begann, wo die Blasterstrahlen in den Asphalt eingeschlagen waren. „Sie sollten wissen, dass wir unsere Leute durchzählen. Für wie dumm halten die uns eigentlich?“

„Dasselbe habe ich dem Heuler gesagt“, seufzte Fektrin. Die Kämme auf seiner Stirn kräuselten sich vor Unbehagen, und die Tentakel, die von seinen Wangen und seinem Kinn herabhingen, kringelten sich zusammen. Namir sah in diesen Tentakeln eine Art bizarren Bart, und er hatte sich schon oft vorgenommen, Fektrin zu fragen, ob die weiblichen Vertreter seiner Spezies ebenfalls solche Fortsätze im Gesicht hatten. „Aber der Captain befürchtet, dass die Gouverneurin sich ein paar der Einheimischen geschnappt haben könnte. Er will, dass die Sache überprüft wird.

Außerdem“, fügte er hinzu, „fand der Heuler, dass wir nichts zu verlieren hätten, selbst, falls es eine Falle sein sollte. Wegen einer Einheit mehr oder weniger werden wir den Krieg nicht verlieren.“

Namir starrte den anderen Soldaten mit offener Skepsis an. „Die Theorie des Captains beruht also darauf, dass wir es uns leisten können, ein paar Leben zu vergeuden, nur um der entfernten Chance willen, dass wir dabei ein paar Zivilisten retten?“ Der Tentakelbart seines Gegenübers zuckte, aber Namir sprach dennoch weiter. „Sehe ich das richtig?“

Fektrin zeigte keine weitere Reaktion. Hazram hatte ihn noch nie lächeln sehen, aber er wusste, dass der Humanoid einen staubtrockenen Sinn für Humor hatte.

„Möchtest du das mit dem Heuler ausdiskutieren?“, fragte Fektrin.

Namir fluchte, dann stieß er ein verbittertes Lachen aus. „Was soll’s?“, brummte er. „Aber falls wir sterben, nehmen wir dieses ganze verdammte Anwesen mit.“

Charmeur arbeitete einen Plan für ihren Vorstoß aus. Über die Mauer zu klettern oder um sich schießend durch den Haupteingang zu stürmen, würde zu viel Feindfeuer auf sie ziehen. Fektrin würde zwar einen Frontalangriff vorbereiten, aber nur für den äußersten Notfall. Stattdessen sah der Plan vor, dass Namir, Brand und Charmeur das Anwesen über die Dachterrasse der benachbarten Villa betreten würden. Die Bewohner besagter Villa erwiesen sich als äußerst kooperativ, nachdem Hazram drei Blasterlöcher in ihren Haushaltsdroiden gebrannt hatte, und sie ließen sich nicht mehr blicken, während Charmeur zwischen den Blumenbeeten auf der Dachterrasse einen magnetischen Seilwerfer vorbereitete.

Brand beobachtete das Gouverneursanwesen durch die Linsen ihrer gepanzerten Maske, und auf ihr Signal hin feuerte Charmeur den Seilwerfer ab. Ein winziger Haken schoss, ein dünnes Kabel hinter sich herziehend, durch den wieder erstarkenden Regen und bohrte sich dicht unter einem Balkon im ersten Stock in die Wand. Nachdem das Kabel fixiert und gestrafft war, rutschte Namir als Erster zur Villa hinüber, wo er federnd auf dem nassen Stein des Balkons landete.

Zuerst folgte ihm Charmeur, dann Brand, die anschließend ein geschwungenes Messer aus dem Stiefel zog und das Kabel durchschnitt. Die Klinge summte leise vor Elektrizität.

„Wo hast du das denn her?“, fragte Namir.

„Konfisziert“, meinte sie nur.

Hazram warf Charmeur einen Seitenblick zu, woraufhin dieser einen Schockstab vom Gürtel nahm und ihn ausfuhr. Das Ding sah aus, als würde es bei der kleinsten Belastung entzweibrechen. Charmeur hielt es ihm hin, und als Namir nur den Kopf schüttelte, presste er ihm die Waffe mehr oder weniger in die Hand. „Ich habe mein eigenes Messer“, brachte Charmeur stotternd hervor. „Außerdem wird er dir mehr bringen als mir.“

Namir zog die Brauen zusammen, widersprach aber nicht. Er war kleiner als Charmeur und hatte nicht dieselbe Reichweite wie sein Freund.

„Wir gehen rein“, flüsterte er in sein Kommlink. „Ihr wisst, was ihr zu tun habt, wenn ihr Schreie hört.“

Gadrens tiefe Stimme kämpfte sich durch das statische Rauschen. „Ich werde bei eurer Beerdigung weinen und einen Seilwerfer anfordern, der mein Gewicht tragen kann. Das sollte in Zukunft viele Leben retten.“

„Einen echten Optimisten haben wir da“, kommentierte Namir.

Gemeinsam schlichen die drei in die Villa. Die Zimmer waren dunkel und groß, im imperialen Stil eingerichtet, mit dicken Teppichen und glänzenden holografischen Mobiles, die rotierten und pulsierten und die Bewegungen der Rebellen widerspiegelten. Namir ging voran durch mehrere miteinander verbundene Räume, bis sie einen hohen, schmalen Korridor erreichten, dessen Wände aus Bergkristall bestanden. Bronzene Büsten und Statuetten reihten sich hier in mehreren Nischen aneinander.

Keine der dargestellten Persönlichkeiten kam Hazram bekannt vor. Für ihn waren es einfach nur Männer und Frauen in imperialen Militäruniformen oder Staatsgewändern. Die Büste einer älteren Gestalt mit Wangen wie geschmolzenem Wachs und lichtem Haar erinnerte ein wenig an den Imperator – Namir hatte Palpatine schon in den Propagandavideos der Rebellen gesehen. Und die gehörnte Gestalt dort drüben mochte den gealterten Wesir des Imperators darstellen. Wie hieß er noch gleich? Mas Amedda?

Charmeur und Brand schienen hingegen mehrere der hier verewigten Imperialen zu kennen, wobei Charmeur einen besonders finsteren Blick in Richtung eines Mannes mittleren Alters warf, dessen vorstehende, übergroße Augen aus seinen ansonsten menschlich wirkenden Zügen hervorstachen. Sein Hals wurde von einem metallenen Kragen umschlossen, der die Büste fast wie eine groteske Topfpflanze aussehen ließ. Brand hingegen blieb vor dem Abbild eines seltsamen Helmes stehen, dessen geschwungene und gerade Linien von totenschädelgleichen Augen dominiert wurden.

„Kennst du ihn?“, fragte Namir.

„Nicht persönlich“, murmelte Brand.

„Darth Vader“, wisperte Charmeur. Bei diesen Worten stotterte er nicht.

Der Vollstrecker des Imperators, der Albtraum der Rebellen-Allianz, geboren aus den Feuern der Klonkriege, verantwortlich für mehr Gräueltaten, als es Zivilisationen in der Galaxis gab. Zumindest, wenn man den Geschichten über ihn Glauben schenkte.

„Also gut“, flüsterte Namir. „Können wir jetzt weitergehen?“

Zu seiner Überraschung drehte sich Brand zu ihm um und sagte mit leiser, ernster Stimme: „Du solltest diese Personen kennen. Darth Vader. General Tulia. Count Vidian. Sieh dir ihre Gesichter an. Präg sie dir genau ein.“

Hazram erwiderte ihren Blick kühl und ungerührt, aber sie starrte ihn nur weiter an.

„Okay, ich hab’s begriffen“, brummte er schließlich. „Wirklich.“

„Nein, hast du nicht“, entgegnete sie, dann setzte sie sich wieder in Bewegung.

Charmeur, der ein paar Schritte weitergegangen war, deutete auf die Treppe am Ende des Korridors, anschließend reckte er zwei Finger in die Höhe und strich mit dem Daumen über seine Handfläche: zwei Wachen am oberen Treppenabsatz, dazu eine weitere auf Patrouillengang.

Brand übernahm die Führung. Manchmal hasste Namir die ältere Frau dafür, dass sie sich so lautlos bewegen konnte – aber nicht heute, da seine eigenen, nassen Stiefel auf dem polierten Boden quietschten wie aufgeschreckte Ratten. Er folgte ihr, die Finger fest um den Schockstab geschlossen, Charmeur so dicht hinter ihm, dass er die Körperwärme des anderen Mannes spüren konnte.

Am unteren Ende der Treppe standen zwei Wachen, keine von ihnen in voller Rüstung. Lokale Sicherheitskräfte. Brand huschte aus dem Gang hervor, und Namir hörte das Surren, als ihr Elektromesser sein erstes Ziel fand. Er selbst schnellte um die Treppe herum, um die patrouillierende Wache zu suchen; Charmeur würde sich um den anderen Kerl am Fuß der Treppe kümmern.

Der dritte Imperiale war keine fünf Meter entfernt, und Namirs Organe zogen sich zu einem harten Klumpen zusammen, als sie einander erblickten. Es war ein imperialer Sturmtruppler. Zum Glück stand er seitlich zu ihm und musste sich erst herumdrehen; das gab Hazram Zeit, die Distanz zwischen ihnen zu überwinden. Doch sein Schockstab war gegen diese weiße Rüstung völlig nutzlos.

Hätte er Brand lieber mal gefragt, ob er sich ihr Messer ausleihen könne.

Der Rebell zog die Schulter hoch, während er auf den Sturmtruppler zustürmte, und rammte seinen Gegner. Noch in derselben Bewegung drehte er den Imperialen in Richtung der Treppe herum und versuchte, seine gepanzerten Arme hinter die glatte, glänzende Rückenplatte seiner Rüstung zu ziehen; er wollte ihm keine Gelegenheit geben, auch nur einen Schuss abzugeben. Der Lärm würde die gesamte Villa alarmieren, und das wäre dann das Ende ihrer unbemerkten Infiltration.

Der Sturmtruppler reagierte schnell und gewandt: Er warf den Kopf nach hinten und traf Namir an der Stirn, die ohne schützenden Helm ein leichtes Ziel bot. Hätte der Rebell aufrecht gestanden, hätte ihm der Kopfstoß sicher die Nase gebrochen. Einen Moment später roch er verbranntes Metall und Plastoid, und der Imperiale erschlaffte in seinen Armen, während Brand ihr Messer aus der Lücke unter seinem Helmrand zog.

Namir versuchte, die Leiche möglichst sanft auf den Boden gleiten zu lassen, aber ihre Rüstung klapperte dennoch laut in der nächtlichen Stille. Charmeur stand erwartungsvoll zwischen den beiden Sicherheitsleuten am unteren Ende der Treppe, und Brand hatte bereits ihr Messer gesäubert, als Hazram flüsterte: „Weiter.“

Die Nachricht des vermeintlichen Sympathisanten aus der Villa hatte einen groben Grundriss des Gebäudes enthalten. Dieser Karte nach waren sie keine fünfzig Meter mehr von der angeblichen Position der Geiseln entfernt; falls sie ein Hinterhalt erwartete, würden sie also bald darauf stoßen. Namir tastete kurz nach dem Gewehr auf seinem Rücken, um sicherzugehen, dass es während des kurzen Kampfes nicht verrutscht war. Früher oder später würde sie ihr leises Vorgehen nicht mehr weiterbringen, und er wollte auf diesen Moment vorbereitet sein.

Diesmal ging Charmeur voran. Aus irgendeinem Grund war er immer an der Spitze, wenn ein Hinterhalt drohte, aus Gründen, die Hazram nicht verstand und die er auch gar nicht kennen wollte. Nicht einmal der Umstand, dass er bei einem dieser Hinterhalte im wahrsten Sinne des Wortes sein Gesicht verloren hatte, hatte Charmeur von dieser Angewohnheit kurieren können.

Sie schlichen durch einen weiteren, engen Korridor in eine Speisekammer, die nach Zitronen roch. Zunächst vermutete Namir, dass es ein künstliches Aroma sei, aber dann sah er Früchte – echte Früchte – und weitere kulinarische Schätze auf den hohen Vorratsregalen. Kurz sog er ihren Geruch tief in die Nase ein, dann konzentrierte er sich wieder auf die Mission. Jenseits der Speisekammer lag die Küche, lang gezogen und metallisch glänzend und voller langgliedriger Haushaltsdroiden, die in Ladestationen schlummerten. An der Tür auf der gegenüberliegenden Seite angekommen, hielt Charmeur inne und zuckte mit den Schultern. Laut Karte sollten sich die Gefangenen im nächsten Raum befinden.

Namir warf Brand einen Blick zu, und sie ging auf der anderen Seite der Tür in Position. „Falls jemand eine Blendgranate mitgebracht hat“, flüsterte er, „wäre jetzt der richtige Moment, sie einzusetzen.“

Keiner der anderen rührte sich.

Na schön, dachte Hazram, dann eben keine Granate. Machen wir’s auf die altmodische Weise.

Das störte ihn keineswegs. Mit der altmodischen Weise kannte er sich am besten aus.

Er hakte den Schockstab an seinem Gürtel ein und nahm das Gewehr in die Hände. Brand und Charmeur taten es ihm gleich, anschließend betätigte Letzterer den Türöffner, und sie schnellten nebeneinander über die Schwelle.

Vor ihnen erstreckte sich ein Speisesaal – oder zumindest war es einmal ein Speisesaal gewesen. Jetzt, mit all den Ausdrucken, tragbaren Holo-Displays und strategischen Karten, sah es dort eher so aus, wie Namir sich das Gehirn eines Bürokraten vorstellte. Zwischen den behelfsmäßigen Arbeitsstationen standen sechs imperiale Armeeoffiziere, die Kappen schief auf dem Kopf, einen verkniffenen Ausdruck auf den erschöpften Gesichtern, die Krägen ihrer schwarzen Uniformen von Schweiß verdunkelt. Sie waren so in ihre Aufgaben vertieft, dass es eine halbe Sekunde dauerte, bis einer von ihnen die Rebellen bemerkte. Namir zielte mit seinem Blaster, als der Mann – ein Colonel mit scharfer Nase, der über den ehemaligen Esstisch gebeugt stand – nach seiner Pistole griff, und der Imperiale erstarrte.

Brand und Charmeur schwenkten ihre Gewehre in gleichmäßigem Bogen hin und her, während Hazram weiterhin den Colonel im Visier behielt. „Die Gefangenen“, sagte er. „Wo sind sie?“

„Was für Gefangene?“, fragte der Offizier.

Namirs Muskeln waren angespannt, aber seine Stimme blieb weiterhin ruhig. „Die, die ihr gefangen genommen habt“, erklärte er. „Oder von denen ihr zumindest behauptet, dass ihr sie gefangen genommen habt.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie da sprechen“, knurrte der Colonel. Seine rechte Hand näherte sich wieder seinem Gürtel … zumindest, bis Hazram den Kopf schräg legte und der Imperiale wieder erstarrte.

„Er weiß es wirklich nicht“, erklang eine Stimme von der anderen Seite des Speisesaals, warm, weiblich und kraftvoll. Namir wollte sich zu ihrer Besitzerin umdrehen, aber er wusste, dass er tot wäre, sobald er den Colonel aus den Augen ließ. Also behielt er Blaster und Blick auf den Offizier hinter dem Essenstisch gerichtet und vertraute darauf, dass Brand und Charmeur den Rest des Raums unter Kontrolle hatten.

Kurz darauf trat die Sprecherin langsam in sein Blickfeld. Sie musste den Saal durch einen Nebeneingang betreten haben: menschlich, mit gerade genug Falten im Gesicht, um ihren einst jugendlichen Zügen einen gravitätischen Ausdruck zu verleihen. Ihr schwarzes Haar war von grauen und weißen Strähnen durchzogen, und sie hatte einen dunklen, formellen Anzug an, mit rotem Saum und silbernen Knöpfen. Der teure und neue Eindruck ihrer Kleidung wurde durch einen zerschlissenen, fleckigen Seesack konterkariert, den sie über einer Schulter trug – so etwas würde man eher bei einem Rebellensoldaten oder Vagabunden erwarten.

„Ich bin die Gefangene“, erklärte sie mit leiser Verachtung. „Die Tatsache, dass der Colonel das nicht begreift …“

Sie ließ den Seesack von ihrer Schulter rutschen, sodass er schwer auf dem Boden landete, und während sie in demselben abfälligen Tonfall weitersprach, zog sie eine Blasterpistole aus ihrer linken Tasche. „… zeigt nur, wie unaufmerksam er ist.“ Ein roter Lichtblitz zuckte aus der Waffe, und der Colonel brach über dem Essenstisch zusammen, ein rauchendes Loch zwischen seinen Schulterblättern.

Namir war nicht sicher, wer den nächsten Schuss abgab, aber dem ersten Blastergeräusch folgte fast sofort ein zweites und dann ein drittes. Er ließ sich auf die Knie fallen, schwenkte seine Waffe herum und drückte ab, als er einen anderen Offizier sah, der etwas in der Hand hielt – vielleicht eine Waffe, vielleicht ein Kommlink. Einen Moment später brannte sich ein Energiestrahl in die Wand hinter ihm, und Splitter regneten auf sein Haar herab.

Er warf sich nach vorne, hinter den Tisch in Deckung, dann schob er sein Gewehr über den Rand nach oben und feuerte mehrmals blindlings in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. Die Beine des toten Colonels versperrten ihm den Blick auf die andere Seite des Raums, aber er konnte hören, dass das Blasterfeuer nachließ. Also rollte er sich unter dem Tisch hindurch, kam auf der anderen Seite wieder auf die Knie und jagte der erstbesten schwarz gekleideten Gestalt, die er sah, mehrere Schüsse in den Leib.

Jetzt war nur noch ein Offizier übrig; er hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und hielt seine Pistole gesenkt, die Mündung auf den Boden gerichtet. Es dauerte einen Moment, bis Namir sah, worauf der Imperiale zielte: Charmeur lag vor ihm, vor Schmerzen stöhnend, beide Hände auf seine Hüfte gepresst.

Hazram riss seine Waffe hoch, aber die Frau in dem Anzug kam ihm zuvor. Sie erschoss den Offizier mit einem wütenden Zischen und einem Aufblitzen ihres Blasters. Sofort eilte Namir an die Seite seines Kameraden.

Als er Charmeurs Hände sanft beiseiteschob, um sich die Wunde anzusehen, stellte er fest, dass ein Brandloch in seiner Hose prangte. Das Mikrofasermaterial ringsum war geschmolzen und klebte auf seiner geschwärzten Haut. Die Verletzung war nicht tödlich, aber sie musste höllisch wehtun, und es war offensichtlich, dass Charmeur nicht mehr gehen konnte.

Namir fletschte die Zähne und hoffte, dass es wie ein Grinsen aussah. „Hör auf zu jammern“, sagte er. „Die Wunde ist ausgebrannt. Willst du den Verband selbst anlegen?“

Charmeur lachte heiser und stotterte eine Verwünschung.

Brand war bereits dabei, systematisch alle Türen zu sichern, die vom Speisesaal abgingen, also wandte Hazram sich der Frau zu, die behauptete, die „Gefangene“ der Imperialen zu sein. Sie stand am Essenstisch und goss sich aus einer Karaffe Wasser über die Hände, um sie zu reinigen – doch nicht von Blut, wie Namir zuerst annahm, sondern von einer dicken Schmutzschicht, die auf ihren Fingern getrocknet war. Die Pistole lag neben ihr auf dem Tisch.

„Wer sind Sie?“, fragte er.

Sie bedachte ihn nur mit einem kurzen Blick, bevor sie sich die nassen Hände an den Hüften abwischte. „Mein Name ist Everi Chalis“, stellte sie sich vor. „Gouverneurin von Haidoral Prime, Gesandte des Herrschenden Imperialen Rates und natürlich“ – an dieser Stelle wanderten ihre Mundwinkel nach oben, als wären die Worte ein privater Scherz – „die Bewohnerin dieser Mauern.“

Sie begann von einer Leiche zur nächsten zu gehen und sie mit der Stiefelspitze anzustoßen, wie um sicherzugehen, dass sie auch wirklich tot waren. „Mich als Gefangene zu bezeichnen war vielleicht ein wenig übertrieben“, räumte sie ein, „aber irgendwie musste ich schließlich Ihre Aufmerksamkeit erregen.“ Inzwischen hatte sie den Colonel erreicht, der noch immer auf dem Tisch lag, und sie beugte sich vor, zog seinen Kopf an den Haaren nach oben und spuckte ihm zwischen seine starren Augen.

„Schön, dass Sie Ihren Untergebenen gegenüber so loyal sind“, sagte Namir gedehnt und argwöhnisch. Als Chalis sich zu ihm umdrehte, war sein Gewehr bereits auf ihre Brust gerichtet.

Sie schien sich nicht daran zu stören. „Das waren nicht meine Untergebenen“, korrigierte sie säuerlich. „Meine Leute – meine Berater, meine Leibwächter, mein Koch – wurden vor Monaten fortgebracht. Diese Männer waren hier, um mich auf Geheiß des Imperators zu überwachen.“

Charmeur versuchte, etwas zu sagen, aber alles, was Namir davon verstehen konnte, war das Wort Koch. Brand blickte von einer der Seitentüren erst zu ihm und dann zu der Gouverneurin hinüber. „Erschieß sie“, brummte sie dann. „Tu Haidoral einen Gefallen.“

Namir zog die Brauen zusammen. Das ergab alles keinen Sinn, und plötzlich spürte er das Gewicht von dreißig kräftezehrenden, schlaflosen Stunden des Kämpfens auf sich lasten. „Warum wollten Sie unsere Aufmerksamkeit erregen?“, fragte er.

„Dank der Rebellion sind meine Tage beim Imperium gezählt.“ Chalis lächelte, aber ihr Ton war so ätzend wie Säure. „Wie ich höre, rekrutieren Sie neue Leute. Tja, hier bin ich. Ich werde mich Ihrer Kompanie anschließen, und im Gegenzug gewähren Sie mir Asyl.“

Namir legte den Blaster an. Er überlegte, wie viele Wachen wohl noch in der Villa waren und wie lange es dauern würde, bis sie hier auftauchten. Dann war da noch die Frage, wie sehr Charmeurs Verletzung ihren Rückzug verzögern würde. In jedem Fall hatten sie keine Zeit, um sich hier durch einen Haufen Lügen zu wühlen.

Da ertönte ein tiefes, elektrisches Surren, und ein oszillierendes blaues Licht blitzte auf. Die Lippen der Gouverneurin teilten sich, aber sie sagte nichts. Einen Moment später versteiften sich ihre Glieder, und sie fiel neben ihrem Seesack auf den Boden.

Hazram wirbelte herum. In der letzten Tür, die Brand noch nicht überprüft hatte, stand ein hünenhafter Umriss. Zwei von Gadrens Händen hielten ein Gewehr und zielten damit noch immer auf die Stelle, wo Chalis eben noch gestanden hatte. Er atmete schwer, sodass sich seine mächtigen Schultern hoben und senkten wie ein Blasebalg. „Wir haben den Kontakt verloren“, sagte er. „Ich dachte, ihr wärt in Schwierigkeiten. Zum Glück scheine ich ein wenig überreagiert zu haben.“

Brand blickte auf die Gouverneurin hinab. „Sie atmet noch“, stellte sie fest. „Warum ein Betäubungsschuss?“

Gadren trat neben Charmeur, beäugte dessen Wunde und hob ihn dann wie eine Puppe vom Boden auf. Erst als der narbengesichtige Soldat sicher auf seinen Armen lag, beantwortete er die Frage. „Ich hatte Angst um die Gefangenen. Ein Blasterstrahl hätte den Falschen treffen können.“

„Es gibt keine Gefangenen“, informierte ihn Brand. Gadren nickte – nicht, weil er verstand, was sie da sagte, sondern weil er einsah, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Fragen war.

Namir ging zu der Gouverneurin hinüber und untersuchte sie. Ihr Atem ging gleichmäßig, keine Zuckungen oder Krämpfe, kein stockender Herzschlag. Betäubungsstrahlen waren alles andere als zuverlässig, aber dieser schien seinen Zweck erfüllt zu haben. Was bedeutete, dass Chalis jetzt offiziell sein Problem war.

„Wir nehmen sie mit, bringen sie zum Heuler.“ Er nickte in Gadrens Richtung. „Sofern du noch Platz für sie hast. Und du darfst sie ruhig ein wenig grober anpacken.“

Der Nichtmensch packte die Gouverneurin unsanft am Kragen ihres Anzugs und warf sie sich mit einer Hand über die Schulter, während er in dem anderen Armpaar weiterhin Charmeur trug. Brand, die gerade Chalis’ Seesack aufhob, murmelte leise: „Es heißt, einen Imperialen zu entführen, bringt Unglück.“

Namir war sich nicht sicher, ob das ein Witz sein sollte. „Es bringt Unglück – jedem Sturmtruppler, der sich uns in den Weg stellt.“ Er hatte gelernt, dass es nichts brachte, zu lange über gewisse Dinge nachzudenken. „Jetzt lasst uns von hier verschwinden.“

Er war mehr als bereit, diesen ständigen Regen hinter sich zu lassen. Ein wenig zu schlafen. Die Bilder der Leichenberge zu vergessen – genauso wie die opulenten Anwesen mit ihren duftenden Früchten und Büsten galaktischer Massenmörder. Der Angriff auf Haidoral Prime war kein wirklicher Reinfall, aber er war von Anfang bis Ende mit Problemen behaftet gewesen.

Und jetzt nahm er eines dieser Probleme mit nach Hause.

3. KAPITEL

DER PLANET SULLUST

Tag fünfundachtzig des Rückzugs aus dem Mid Rim

Als sich der Abend über Pinyumb senkte, verlor der Obsidian in der Höhlendecke langsam seinen gebrochenen Glanz. In den gewaltigen Türmen der Stadt, die sich wie Stalagmiten vom Boden der Höhle erhoben, wurden die Lichter gelöscht, und die Kuppel versank in tiefer Dunkelheit. Der gelbe Schwefel an den Höhlenwänden nahm einen blassen Farbton an, und das Rascheln von Flügeln wurde abwechselnd leiser und wieder lauter, als die Ascheengel von ihren Beutezügen ins Nest zurückkehrten.

Mit diesen Kreaturen kamen auch die Einwohner von Pinyumb – Schwebebahnen und Shuttles trugen sie zu ihren Wohnblocks zurück, um anschließend die nächste Schicht zu den Fabriken an die Oberfläche zu bringen. Unter den Personen, die sich an den Haltestellen aneinander vorbeischoben, waren bleiche Menschen, grauhäutige Sullustaner, aber auch exotischere Spezies. Pinyumb war auf seine ganz eigene Art kosmopolitisch – jeder, der bereit war, hart zu arbeiten, wurde hier willkommen geheißen, aber sie alle waren auf die eine oder andere Weise Ausgestoßene.

Thara Nyende schlenderte nicht an den türkisblauen Bächen entlang, die unter den Gehwegen der Stadt verliefen, sie blieb auch nicht stehen, um in der Menge der Pendler nach vertrauten Gesichtern zu suchen. Nein, wie alle anderen schritt sie zielstrebig voran, um vor der Ausgangssperre ihre Besorgungen zu erledigen. Sie hielt lediglich kurz inne, um den Sturmtrupplern zuzunicken, die an jeder Haltestelle und jeder Kreuzung postiert waren, auch wenn nur zwei der Soldaten die Geste erwiderten.

Ihr Weg führte Thara vorbei an gedrungenen stahlgrauen Gebäuden mit gesichtslosen Fassaden, die sie dennoch genau kannte – das öffentliche Badehaus, das Hospiz, ein Café –, bevor sie schließlich vor einem nicht markierten Hauseingang eine kurze, direkt in den Höhlenboden gehauene Treppe hinabstieg. Sie schob sich durch die Tür und rückte die Ledertasche auf ihrem Rücken zurecht, während ihre Augen sich an das gedämpfte Licht der Cantina gewöhnten. Nicht mal ein Dutzend Gäste war anwesend – die meisten von ihnen waren männlich und speziesübergreifend alt, breitschultrige Gestalten mit faltigen Gesichtern, stämmig und vernarbt nach Jahren der Arbeit in der Mineralverarbeitungsanlage von Inyusu Tor. Die größte Gruppe saß um einen Holo-Tisch versammelt und sah sich ein Sportereignis von einem anderen Planeten an, wobei der Kommentar der Holo-Übertragung aber völlig in ihrer lautstarken Unterhaltung unterging.

„Onkel!“, rief Thara in Richtung der Bar. „Ich bin hier, um dich zu verwöhnen.“

Der Mann, dessen Kopf über mehreren Zapfhähnen hinter der Theke auftauchte, sah alt genug aus, um ihr Urgroßvater zu sein, nicht nur ihr Onkel. Falls er je ebenso blondes Haar gehabt hatte wie sie, dann war die Farbe schon vor langer Zeit verblichen. Als einige andere Köpfe sich in Richtung der jungen Frau herumdrehten und ihr mit faltigen Lippen zulächelten, klopfte er ihr auf die Schulter.

„Die Einzige, die hier verwöhnt wird, scheinst du zu sein“, sagte er, bevor er sich von ihr die Ledertasche geben ließ. „Arbeitest halb so lange wie der Rest von uns und bekommst dafür doppelt so viel Geld! Aber wollen wir mal sehen, was du für mich hast.“

Er legte die Tasche auf die Theke und begann ihren Inhalt zu durchwühlen. Zunächst förderte er eine durchsichtige Tube mit ockerfarbenem Gel zutage, die er mehrere Sekunden in seinen Händen drehte. Schließlich rief er über die Schulter: „Myan! Wir haben hier noch eine Tube Brandsalbe. Haben die Jungs in Schlafraum vier noch Schmerzen?“

Thara erinnerte sich an den Unfall: Die Dampfleitungen der Magma-Absauganlage waren gebrochen, und die Arbeiter hatten schwere Verbrennungen davongetragen. Einige von ihnen waren noch immer nicht einsatzfähig, und es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis sie ihre Unterkunft nicht länger bezahlen konnten.

Myan, ein klein gewachsener Sullustaner, humpelte von einem der Tische herüber. Er sagte etwas in seiner Muttersprache, zu schnell, als dass Thara es richtig verstehen konnte, aber sein Tonfall klang dankbar, dann nahm er die Salbe und ging davon.

„Ein guter Anfang“, kommentierte ihr Onkel. Sie schenkte ihm ein trockenes Lächeln, und beinahe hätte sie ihn bei einem Schmunzeln erwischt – aber wirklich nur beinahe. Eins nach dem anderen nahm er ihre Spenden aus der Tasche: zusätzliche Essensmarken, Grippetabletten, Maskenfilter für die Arbeiter in den untersten Erzprozessoren. Wenn etwas für einen seiner Gäste dabei war, rief er ihn zur Theke und überreichte ihm sein Geschenk. Einige der Empfänger drückten Tharas Hände oder sprachen ihr und ihrer Familie Dank aus, andere hielten den Blick gesenkt, als könnten sie ihr nicht ins Gesicht sehen.

Während ihr Onkel die letzten Gegenstände aus der Tasche fischte, trat Thara hinter die Bar und beäugte die Zapfhähne. Ihr Onkel war gerade dabei gewesen, eines der Ventile auszutauschen, und hatte die Werkzeuge auf dem Boden liegen lassen. Sie hob sie auf und machte sich an die Arbeit, genau wie sie es schon als Mädchen getan hatte.

„Mein Sohn hat mir gestern ein Flugblatt gezeigt. Er meinte, er will sich der Bewegung anschließen.“

Die Unterhaltung an dem Holo-Tisch war laut genug, dass Thara jedes Wort hören konnte. Es war nicht so, dass sie die Arbeiter belauschen wollte, aber sie würde auch nicht gehen, nur damit sie ungestört weiterreden konnten.

„Nach dem Unfall mit den Dampfleitungen denkt er, dass die Kobalt-Front vielleicht recht hat und wir für unsere Rechte kämpfen müssen.“

„Die Kobalt-Reformationsfront“, schnaubte eine zweite Stimme abfällig. „Das sind doch Terroristen. Vermutlich haben sie den Unfall selbst angezettelt.“

Es folgte Gemurmel, ein paar Worte zögerlicher Zustimmung. „Proteste sind eine Sache. Aber Aufstände sind etwas völlig anderes.“

Thara schraubte das neue Ventil fest. Laut imperialer Anordnung waren die Mitglieder der Kobalt-Front Terroristen. Schade eigentlich; vielleicht hätten sie wirklich etwas bewirken können, wenn sie nur weiter versucht hätten, am Verhandlungstisch Änderungen bei Sicherheitsvorschriften und allgemeinen Arbeitsbedingungen zu erreichen.

„Vielleicht ist es unsere Schuld“, sagte die erste Stimme. „Die junge Generation hat keine Ahnung, was sie da tut. Ich habe meinem Jungen jedenfalls nicht erzählt, was wir während der Klonkriege gesehen haben.“

Eine dritte Stimme lachte. „Natürlich hast du es ihm nicht gesagt. Er hätte nie wieder schlafen können.“

Der erste Mann seufzte. „Aber er hätte Bescheid gewusst. Er würde verstehen, dass selbst ein harter Frieden besser ist als … die Alternative.“

„Beten wir nur, dass die Rebellen-Allianz niemals von Sullust Notiz nimmt. Wenn ihr glaubt, die Lage wäre jetzt schon haarig …“

Thara testete den Zapfhahn, und ein Rinnsal grüner, süßlich riechender Flüssigkeit tropfte auf ihre Handfläche hinab.

„Nein“, mischte sich eine weitere Stimme in akzentbehaftetem Sullustanisch ein. Thara erkannte das Röcheln toxinzerfressener Lungen; ein Leiden, das immer mehr Arbeiter plagte.