Star Wars™ - Schattenfall - Alexander Freed - E-Book

Star Wars™ - Schattenfall E-Book

Alexander Freed

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Beschreibung

Das Schattengeschwader ist zurück und bedroht die noch junge Galaktische Republik. Der zweite Band der Alphabet-Geschwader-Trilogie.

Der Imperator ist tot, doch das Imperium ist noch nicht besiegt. Yrica Quell und ihr Alphabet-Geschwader von der Galaktischen Republik geben ihr Bestes, um die verstreuten Einheiten des Imperiums auszuschalten. Doch das imperiale Schattengeschwader entkommt ihnen immer wieder. Da fasst Yrica Quell den riskantesten Plan ihrer gesamten Karriere, um ihren Feinden eine Falle zu stellen. Allerdings hat das Schattengeschwader einen neuen Kommandanten, der jeden ihrer Schritte kennt. Immerhin hat er ihr alles beigebracht, was sie weiß: Ihr ehemaliger Mentor Soran Keize ist zurückgekehrt!


Star Wars™ - Das Alphabet-Geschwader bei Blanvalet:
1. Das Alphabet-Geschwader
2. Schattenfall
weitere Bände in Vorbereitung

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Seitenzahl: 670

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Buch

Der Imperator ist tot, doch das Imperium ist noch nicht besiegt. Yrica Quell und ihr Alphabet-Geschwader von der Galaktischen Republik geben ihr Bestes, um die verstreuten Einheiten des Imperiums auszuschalten. Doch das imperiale Schattengeschwader entkommt ihnen immer wieder. Da fasst Yrica Quell den riskantesten Plan ihrer gesamten Karriere, um ihren Feinden eine Falle zu stellen. Allerdings hat das Schattengeschwader einen neuen Kommandanten, der jeden ihrer Schritte kennt. Immerhin hat er ihr alles beigebracht, was sie weiß: Ihr ehemaliger Mentor Soran Keize ist zurückgekehrt!

Alexander Freed

SCHATTENFALL

Ein Alphabet-Geschwader-Roman

Deutsch von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Star Wars™ Shadow Fall (Alphabet Squadron 2)« bei Del Rey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright der Originalausgabe

Copyright © 2020 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Alexander Groß

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage ® & ™ 2020 LUCASFILMLTD

Covermotiv: Jeff Langevin

Coverdesign: Jeff Langevin and Scott Biel

HK · Herstellung: sam

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-26955-5V002

www.blanvalet.de

Für Stephen R. und Iain M., die keine Ahnung haben, wofür, die aber keine Schuld trifft.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

1. TeilHungriger Himmel

1. KapitelSechs Trillionen und eine Sonne

I

Auf Polyneus, wo Wyl Lark zur Welt gekommen und bis ins Mannesalter den Sun-Lamas des Hik’e-Matriarchats gefolgt war, war das Wort Stadt gleichbedeutend mit Garten. Die Siedlungen auf Polyneus wuchsen wie Moos an Schluchtwänden oder sprossen aus dem Boden der Wälder, gepflegt und gehütet von ihren Bewohnern. In Klippe, wo Wyl gelernt hatte, die Sur-Avaks zu fliegen, waren die Straßen jedes Jahr, wenn der Monsun kam, überschwemmt und neu geformt worden, und die Leute hatten ihre Häuser jedes Mal bereitwillig dem angepasst, was das Schicksal und die Flut aus der Landschaft gemacht hatten.

Seit er Polyneus verlassen hatte, war Wyl auf vielen Welten gewesen, aber erst auf Troithe erkannte er, dass er noch nie eine echte Stadt gesehen hatte.

Die Antriebe seines RZ-1-Abfangjägers dröhnten, als er einen Bogen um eine gewaltige Fassade aus mitternachtsschwarzem Metall und goldverzierten Bögen machte, um anschließend zwischen zwei Türmen und unter einer Schwebebahn hindurchzufliegen. Über den Reihen digitaler Reklametafeln glänzten Solarprojektoren in taghellem Schein. Ihr Glühen vor dem dunklen Himmel wies Wyl den Weg durch das urbane Labyrinth.

»Ich hoffe, du rennst nicht weg, Bruder?« Die Stimme, die aus Wyls Komm drang, wurde fast vom Lärm des A-Flüglers verschluckt. Trotzdem war Nath Tensents Belustigung deutlich zu hören.

»Ich renne nicht weg«, sagte Wyl. »Ich umkreise nur die Einsatzzone.«

»Ziemlich großer Kreis. Ich habe dich nicht mal mehr auf meinen Sensoren.«

»Vielleicht liegt das daran, dass deine Sensoren älter sind als ich«, konterte Wyl, aber er lächelte dabei nicht und achtete kaum auf seine eigenen Worte. Ascheflocken verschmierten seine Cockpithaube, als er den Jäger durch eine Rauchwolke lenkte und abbremste. Seine Hände huschten über die Schubregler und Repulsorkontrollen, und seine Augen blieben starr auf den Scanner gerichtet – die Sicht draußen war praktisch null. Kurz drehte sich ihm der Magen um, als der A-Flügler hundert Meter in die Tiefe sackte und wieder aus der Wolke hervorbrach.

Rechts von ihm ragte ein mehrstöckiges Speeder-Parkhaus in sein Blickfeld. Auf einer Seite leckten Flammen aus den drei oberen Ebenen der Anlage – die Quelle der Rauchwolke –, während das Metall und Durakret der beiden unteren Ebenen von blutroten Partikelstrahlen versengt wurden. Wyl lenkte seine Maschine von den Flammen fort, was ihn direkt in den Sturm der Blasterschüsse hineintrug. Er sah, wie seine Schilde schimmerten, und drehte hart genug ab, dass sich die Sicherheitsgurte in seine Seite gruben.

Kurz erhaschte er einen Blick auf den Asphalt tief unter ihm, wo sich zwei Gruppen auf einer breiten Allee bekämpften. Ihre Partikelstrahlen prasselten auf das Parkhaus ein – und im Moment auch auf Wyls Deflektorschilde –, aber die meisten von ihnen zielten auf den UT-60D, einen »U-Flügler«-Transporter, der zwanzig Meter über einer der beiden Gruppen hing und die andere mit seinen Waffensystemen beharkte. Wyl brauchte weniger als eine Sekunde, um die Lage einzuschätzen; sein Körper steuerte das Schiff, während sein Geist auf die gleißenden Lichtblitze fokussiert war. »Kairos?«, fragte er dann. »Brauchst du Unterstützung?«

Während er mit knapper Not einer Metallsäule auswich – vielleicht dekorative Architektur, vielleicht aber auch nur obsolete Technologie –, drang ein tiefes Geräusch aus dem Komm.

Das heißt wohl Nein, dachte Wyl, die Augen gegen das Blitzgewitter zusammengekniffen, das den Laserkanonen des U-Flüglers entströmte.

»Was sie braucht« – das war wieder Nath – »sind Staffelkameraden, die ihre eigenen Ziele ausschalten. Ich starte meinen Angriffsflug in zehn Sekunden. Willst du oben oder unten?«

»Oben«, antwortete Wyl. Er lenkte seinen Jäger in eine Straße, die senkrecht von der großen Allee abzweigte. Kurz studierte er die Umrisse, die den Horizont versperrten – kuppelförmige Opernhäuser, Einkaufsspiralen, übereinandergestapelte Kugeln aus geborstenem Kristall, wo einst Sportveranstaltungen ausgetragen worden waren –, dann konzentrierte er sich auf das titanische Metallmonstrum, das ihm auf vier dürren Beinen entgegenstakste. Sein gewölbter Rücken mündete in einen insektenartigen Schädel mit pumpenden Kanonenmündungen anstelle von Mandibeln, und wo seine Panzerplatten nicht von Staub und Asche bedeckt waren, waren sie von Blastereinschüssen geschwärzt. Klein wirkte das Ding allein im Vergleich zu den umliegenden Gebäuden, zwischen denen es sich hindurchbewegte wie ein Raubtier durch hohes Gras.

Wyl hatte solche Maschinen schon in Hologrammen gesehen, außerdem hatten Sata Neek und Sonogari ihm Geschichten über imperiale Kampfläufer erzählt, die einen ganzen Raumhafen einebnen konnten, wenn sie im Verband zuschlugen. Bei diesem Monstrum hier schien es sich um ein Transportmodell zu handeln – oder zumindest hatte einer der Soldaten am Boden es so genannt –, trotzdem würde schon ein Schuss aus seinen Kanonen reichen, um ein Dutzend Kämpfer auf der Straße auszulöschen.

Also wählte Wyl den oberen Anflugvektor. Er raste auf den Schädel des Läufers zu, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, dann ging er in einen wilden Zickzack aus Fassrollen und Ausweichmanövern über, als geladene Partikel durch die Luft heulten. Ihm war klar, selbst wenn der Beschuss des Läufers ihn nicht in Fetzen sprengte, würden die Schüsse die benachbarten Gebäude treffen. Sie würden die Kuppeln der Opern durchschlagen und die kristallenen Arenen sprengen; sie würden die Geschichte von Troithe in Staub verwandeln.

Aber zumindest würden sie nicht die Infanterie der Neuen Republik niedermetzeln.

Wyl nahm Schub weg, damit die Zielsensoren des Läufers ihn wieder erfassen konnten. Das Kanonenfeuer dröhnte laut genug, um seine Knochen durchzurütteln, und es erhellte die Nacht wie ein Blitzgewitter. Während er versuchte, seinem Feind weiter einen Schritt voraus zu bleiben, aber eben nur einen, rutschte er auf seinem Sitz hin und her, und wieder und wieder prallte sein Helm gegen die Kopfstütze.

»Ganz ruhig«, flüsterte er. Beinahe hätte er sich auf die Lippe gebissen, als der A-Flügler ein weiteres Mal durchgerüttelt wurde. »Nath ist unterwegs. Nur noch ein paar Sekunden.«

Einer der Kontakte auf dem Sensorschirm wurde größer. »Redest du schon wieder mit deinem Schiff?«, fragte Nath.

Wyl lachte, laut und ohne jede Scham. Endlich hatte er den Y-Flügler erblickt: Der Bomber raste zehn Meter über dem Boden durch die Häuserschlucht heran. Wyl flog an dem Läufer vorbei, heraus aus seinem Schussfeld, und einen Moment später feuerte der Bomber mit einem lauten Donnerschlag seine Torpedos ab. Er wendete, bereit, Nath Feuerschutz zu geben, sollte ein zweiter Anflug nötig sein, aber knisternde Blitze blauer Elektrizität tanzten über die Hülle des Läufers, und die Maschine erstarrte. »Direkter Treffer mit den Ionentorpedos«, meldete Nath. »Dem hab ich’s gezeigt.«

Der Läufer hob ein einzelnes Bein, das kränklich in der Luft zitterte, dann sackte sein Schädel nach unten, und das Gewicht der Maschine verlagerte sich. Die Schwerkraft erledigte unerbittlich den Rest. Wyl sah fasziniert zu, als der Läufer – erst ganz langsam wie ein Blatt im Wind, dann plötzlich ganz schnell wie eine Lawine – auf die Seite stürzte.

Ein runder Turm, dessen Außenseite von zersplitterten Werbeschirmen, Restaurantbalkonen und Boutiquefenstern übersät war, bekam das meiste ab. Der Läufer donnerte in den vierten Stock, zerschmetterte die Fassade des Gebäudes und brach durch Stützsäulen, Böden und Decken. Die Energie, die noch immer über das gepanzerte Fahrzeug züngelte, ließ Funken aus den bloßgelegten Energieleitungen und Batteriestationen in den Wänden des Gebäudes stieben. Als der Schädel des Läufers schließlich die letzte Schicht Durastahl durchschlagen hatte, hörte Wyl ein Geräusch wie ein Infanteriegeschütz, dann begann das Gebäude – Stockwerk um Stockwerk – in einer Wolke aus Trümmern und Feuer zu verschwinden.

Einen Augenblick später explodierte der Läufer. Es sah aus, als wollten die Flammen entkommen, bevor die Maschine vollends begraben wurde. Kurz darauf versperrte der Staub Wyl die Sicht, aber der Lärm des einstürzenden Turms und der Explosionen setzte sich unvermindert fort.

Jemand lachte auf dem Kommkanal. »Ja, dem hast du’s gezeigt. Danke für die Hilfe.« Es war eine Frauenstimme, aber keine, die Wyl kannte.

Er richtete seinen A-Flügler auf und raste aus der Staubwolke heraus, zurück in Richtung der Bodentruppen. Dabei zwang er sich, nicht zurückzublicken. Seine Cockpithaube war halb unter einer Schicht aus Ruß verborgen.

»Heißt das, eure Mission ist beendet?«, fragte Nath.

»Eure Mission, meinst du wohl. Wir sollten jeden Moment von dem Sonderkommando hören«, sagte die Frau. »Ich bin fast froh, dass ihr den Turm eingeebnet habt. Der wäre ein perfektes Scharfschützennest gewesen.«

Wyl blickte auf seinen Scanner, aber er sah nur Naths und Kairos’ Signaturen auf dem Schirm, also riskierte er einen Blick in Richtung der Allee und der Infanterietruppen. Die Soldaten wichen geordnet vor der immer weiter um sich greifenden Staubwolke zurück und huschten dabei durch den Schatten des U-Flüglers. »Hat irgendjemand Zivilisten gesehen?«, fragte er mit betont ruhiger Stimme.

»Nicht in den sechs Stunden, seit wir diesen Bezirk betreten haben.« Die Stimme der Frau wurde kurz leiser, als sie ihren Kameraden Befehle zurief, dann fuhr sie fort: »Laut Einsatzbesprechung war das mal ein Vergnügungsviertel. Es wurde jede Menge Geld reingepumpt, als das Imperium hier aufkreuzte. Aber inzwischen ist es wohl ziemlich verlassen.«

Ziemlich verlassen war leider keine Garantie. »Verstanden«, murmelte Wyl. »Wir halten unsere Position hier, bis ihr fertig seid.«

»Verstanden. Und sagt eurem U-Flügler, er steht mir in der Sonne.«

Das entlockte Wyl schließlich doch ein Lächeln. Gäbe es hier nur eine Sonne, die man versperren könnte, dachte er, während er Kairos die Nachricht übermittelte und sie zehn Meter von der Position der Einheit fortschwebte. Viel heller wurde es für die Soldaten deswegen nicht; der Schein der schwächer werdenden Solarprojektoren blieb dumpf und trüb.

»Bist du nicht ein bisschen überfürsorglich?«, fragte Nath.

Keine Antwort von Kairos.

Wyl strich geistesabwesend über seine Konsole und suchte nach einer klappernden Platte. Während der wogende Staub sich langsam lichtete, pendelten seine Gedanken hin und her zwischen Schuldgefühlen wegen der Zerstörung, die sie angerichtet hatten, und der Sorge um das Sonderkommando, das in die Unterstadt hinabgestiegen war.

»Wir waren so vorsichtig, wie wir nur sein konnten«, sagte Nath. Er hatte auf einen privaten Kanal gewechselt. »Es war ein hübsches Gebäude, aber nichts, dem man hinterherweinen müsste.«

»Ich weiß«, sagte Wyl. »Bestimmt wird es …«

»Wir haben die Zielpersonen! Drei imperiale Guerillas, verschnürt und bereit fürs Verhör«, tönte die Stimme der Frau dazwischen. »Das Sonderkommando hat erledigt, wofür ihr Fliegerasse sechs Tonnen zu schwer seid.«

»Verstanden.« Wyl konzentrierte sich auf die Konsole und drehte an den Kommreglern, um eine Verbindung zum Langstreckennetzwerk von Troithe herzustellen. »Mal sehen, ob wir ein Signal rausschicken können. Die warten sicher schon ungeduldig.«

II

Die Astrogationskarten nannten Cerberon ein System, und das war es auch – nur eben kein Sternensystem, weil es in einem Umkreis von einem halben Lichtjahr nicht einen Stern gab. Stattdessen kreisten seine Planeten, Monde und Asteroidenfelder um die Cerberon-Singularität: ein schwarzes Loch wie ein brennendes Auge, seine pechschwarze Pupille umgeben von einer Iris aus feurigen Trümmern. Die Gravitation des schwarzen Loches war mächtiger als jede Todesmaschine des Imperiums, und in ein paar tausend Jahren würde sie auch Troithe, Catadra, Verzan und die anderen Welten von Cerberon eingesaugt haben. Danach noch ein paar Jahrtausende mehr, und die nächstgelegenen Sterne würde dasselbe Schicksal ereilen.

Vor dem glühenden Himmel des galaktischen Tiefkerns war das schwarze Loch gleichzeitig das hellste und das dunkelste Objekt weit und breit. Chass na Chadic fragte sich, wie irgendjemand in diesem System leben konnte, ohne wahnsinnig zu werden. In ihren Augen war dies kein Ort, für den es sich zu kämpfen lohnte – aber die Rangoberen der Neuen Republik hatten Angst, dass Cerberon als Abkürzung benutzt werden könnte, um verschiedene Welten des Kerns zu erreichen. Auf der Siegerseite eines Krieges zu stehen, bedeutete offenbar, dass man für sinnlose Dinge kämpfen musste.

Sie riss ihren Blick von dem galaktischen Auge los und widmete sich wieder dem Asteroidenfeld rings um sie. Vorsichtig rotierte sie den Hauptflügel ihres B-Flüglers von oberhalb ihres Cockpits nach unten. Einen Moment später trieb ein Felsbrocken träge über ihr hinweg. Chass hatte in letzter Zeit so viele Atmosphärenflüge absolviert, dass sie fast erwartete, das Schiff würde als Reaktion auf das Manöver erzittern. Anschließend gab sie kurz Schub auf ihre Düsen, rekelte sich unter ihren Sicherheitsgurten und fragte: »Wo war ich stehen geblieben? Vor den Felsen?«

Aus ihrem Komm ertönte eine Frauenstimme so hart wie verkohlte Knochen in der Asche einer Feuerstelle. »Das Slipglas-Konglomerat.«

»Richtig«, sagte Chass. »Also, das Imperium gibt dem Konglomo absolute Kontrolle über den Transport auf Eufornis Minor. Selbst um die Schwebebahn zu benutzen, brauchte man Kettencodes. An ein Shuttle war nicht mal zu denken. Ich saß also fest, mitten im Nirgendwo. Und was, glaubst du, habe ich gemacht?«

»Du hast dir ein eigenes Schiff besorgt«, erwiderte die Stimme.

Chass lachte. »Genau das. Dieser Kerl, bei dem ich untergekommen war, der hatte einen alten Voltec-Himmelshüpfer. Ich hatte so einen noch nie geflogen, und der Blecheimer war auch schon seit Jahren nicht mehr angesprungen. Aber eines Abends, als er wieder anfing, über meine Spezies zu reden, hab ich beschlossen, dass es reicht. Also habe ich mich ins Cockpit geschlichen und angefangen, die Kontrollen zu studieren, einen Knopf nach dem anderen …«

Die Geschichte stimmte nicht – na schön, ein kleiner Teil vielleicht schon, aber das meiste war erfunden –, und sie hangelte sich genüsslich von einer Lüge zur nächsten, während sie immer absurdere Situationen ersann. Sie hatte schließlich nichts Besseres zu tun, solange ihr Schiff hier zwischen den Asteroiden herumtrieb. Also erzählte sie von einem armlangen Parasiten, der sich im Antriebsabteil des Himmelshüpfers eingenistet und sich selbst auf ihren stummeligen Hörnern aufgespießt hatte, als er sie ansprang. Sie erzählte davon, wie sie auf der Flucht vor dem planetaren Sicherheitsdienst durch einen Sturm geflogen war, wie sie sich einen Weg durch die Droiden des Konglomerats freigeschossen hatte, um einen Raumhafen zu erreichen. Eigentlich sollte dieser Teil Fragen aufwerfen – soweit sie wusste, hatte Voltec nie bewaffnete Himmelshüpfer produziert –, aber der erwartete Einspruch blieb aus.

Unvermittelt blitzte auf ihrer Steuerbordseite rotes Licht auf. Sie zerrte an ihrem Steuerbügel und sah kleine Felsfragmente in ihre Richtung trudeln. »Dieser Asteroid wird dir keine Probleme machen. Erzähl weiter«, hörte sie die Stimme sagen.

Chass zog die Schultern hoch und kam der Aufforderung nach. Sie trieb die Geschichte so weit auf die Spitze, wie sie nur konnte, und endete mit den Worten: »Als ich es schließlich von dem Planeten fortgeschafft hatte, gelang es mir, die Hound-Staffel zu kontaktieren. Hat sich gut angefühlt, wieder zu ihnen zu stoßen.«

Na, komm schon, du weißt genau, dass das eine Lüge ist, dachte sie. Die Hound-Staffel kam erst viel später … Sogar dir muss das klar sein.

Wie viel willst du mir noch durchgehen lassen?

»Kann ich mir gut vorstellen«, sagte Yrica Quell.

Chass warf den Kopf in den Nacken und lachte, weswegen sie um ein Haar einen weiteren Asteroiden gestreift hätte.

»Was ist so komisch?«, fragte Quell ohne jede Spur von Ironie.

Vielleicht machte sie sich über sie lustig, dachte Chass. Oder vielleicht versuchte sie aus irgendeinem Grund, Freundschaft mit ihr zu schließen. So oder so, es war unterhaltsam, wenn auch nicht die Reaktion, die Chass von einer Frau wie ihr erwartet hatte; einer Frau, die Chaos ebenso verabscheute wie einen schlecht getimten Rülpser. Sie stellte sich Quells Gesicht vor: die blonden Locken unter ihren Helm gestrichen, die spitze Nase, die gelbbraune Haut, Augen, die humorlos in die Dunkelheit starrten …

»Nichts«, sagte Chass. »Das Ziel kommt in Reichweite. Sind wir bereit?«

»Das Bodenteam hat das Signal gegeben. Sie haben die Guerillas gefangen genommen, bevor sie Alarm geben konnten. Und jetzt …« Sie unterbrach sich, und Chass hörte im Hintergrund ein digitales Piepsen, gefolgt von einem irritierten Fluch.

»Hast du immer noch Probleme mit deinem neuen Droiden?«, fragte sie.

»Es geht schon«, erwiderte Quell. »CB-9 wollte nur etwas anmerken, aber wie ich gerade sagte: Jetzt holen wir uns den Kerl, der sie mit Ausrüstung beliefert.«

Chass passte ihren Kurs an und schob einen Regler nach vorn. Mit knirschenden Servos klappten die Angriffsflügel des Sternjägers aus, und der Umriss des Schiffes verwandelte sich in ein Kreuz. Während der Computer automatisch Energie und Wärme umleitete, studierte Chass den Statusschirm. Der primäre Torpedowerfer wurde als einsatzbereit angezeigt. Der sekundäre blieb tot – so tot wie seit Pandem Nai –, aber Chass wusste es besser; sollte sie ihn brauchen, würde er funktionieren.

Zu guter Letzt stellte sie ihr Kommsystem neu ein. Sogleich wich das statische Rauschen einem dumpfen Trommelrhythmus, begleitet von schnellem Gesang mit einem huttesischen Akzent: narvathischer Retro-Shuddah von einem Musikchip, den sie einem betrunkenen Trottel in den Westlichen Weiten gestohlen hatte. Zufrieden lehnte sie sich auf ihrem Sitz zurück und feuerte den ersten Torpedo ab.

Das Ziel war ein Asteroid von der Größe einer orbitalen Kampfstation. Mit einem Lichtblitz, grell genug, dass er jeden in einem Umkreis von einem Kilometer blenden würde, sprengte der Torpedo einen Teil des Felsbrockens auseinander. Der Rest blieb intakt, also feuerte Chass ein zweites Geschoss ab, bevor sie ihre Systeme anpasste und den Beschuss mit Partikelstrahlen fortsetzte. Sie sang laut mit, während sie feuerte, und die Musik diktierte den Rhythmus der Gewalt. Als sie den Asteroiden passierte, änderte sie ihren Flugvektor, um ihn weiter mit Lichtblitzen einzudecken. Ihr Scanner zeigte ihr, dass Quells X-Flügler weiter seinen Abstand beibehielt, bereit, jederzeit in Aktion zu treten, sollte es nötig werden.

Chass beobachtete die Novae der Torpedos, bewegte ihr Schiff zum Takt des Liedes und warf hin und wieder einen Blick auf ihre stetig schrumpfende Munitionsanzeige. Dass ihr Scanner blinkte, fiel ihr erst auf, als Quells Stimme die Musik übertönte. »Sternjäger im Anflug. Zieh dich von dem Felsen zurück und überprüf deine Reflektoren.«

Chass’ Blick huschte zwischen ihrem Scanner und dem Asteroiden hin und her. Ja, jetzt sah sie die glänzenden Flieger, die wie ein Geysir aus einer Kluft in dem berggroßen Felsbrocken hervorströmten. Und genau wie die Fontäne eines Geysirs stoben die Schiffe auseinander, nachdem sie dicht gedrängt aus dem Asteroiden hervorgeschossen waren. Chass zählte mindestens ein Dutzend – allesamt TIE-Basismodelle mit breiten, flachen Solarflügeln und einem zentralen Cockpitauge dazwischen.

In den Händen eines begabten Piloten war ein TIE-Jäger wie ein Messer – schnell, schlank und im Kampf gegen einen trägen Gegner wie ihren B-Flügler absolut tödlich. In weniger geschickten Händen hingegen war ein TIE ein Haufen Altmetall, an den man zwei Kanonen geschnallt hatte: unbeholfen und schutzlos.

Und nachdem die Alphabet-Staffel schon eine Weile in Cerberon verbracht hatte, wusste Chass, worauf sie sich einstellen musste.

»Sieh sie dir nur an«, murmelte sie. »Die können ja nicht mal in Formation bleiben.«

Quell brummte, widersprach ihr aber nicht. Die TIEs hatten sich bereits in individuelle Gruppen aufgeteilt, als ein letztes Schiff aus dem Spalt auftauchte: ein kastenförmiges asymmetrisches Frachtshuttle mit vier Flügeln – ein Bautyp, der schon vor Jahrzehnten aus der Mode gekommen war. Chass gab seine Koordinaten durch und sagte: »Sieht aus, als wollte es fliehen – willst du ihm nach?«

»Nein.«

»Sind wir nicht seinetwegen hier?«

»Doch«, antwortete Quell. »Aber jetzt, da ihr Stützpunkt auf Troithe zerstört ist, gibt es nur noch einen Ort, wo er hinkann. Und wir wollen, dass er dort ankommt. Natürlich darf es nicht so aussehen, als wollten wir ihn entkommen lassen.«

Acht TIEs setzten sich zwischen die Schiffe der Neuen Republik und das Shuttle. Sie flogen in Zweiergruppen und hielten sich dicht an den herumtrudelnden Felstrümmern. »Ich sehe zwei Möglichkeiten«, erklärte Chass. »Wir sind in der Unterzahl, also könnten wir fliehen wie Feiglinge … Oder wir kämpfen und versuchen, nicht zu gewinnen. Du weißt, wofür ich bin.«

Sie hatte einen konkreten Verdacht, welche Option Quell bevorzugte. Aber alles war besser, als nach Hause zurückzukehren, wieder in ihrer Koje zu liegen und an die Decke zu starren, während sie auf die nächste Mission wartete. Der Narvath-Retro-Shuddah endete und wurde von einem neuen Lied abgelöst, schrill und schnell, mit Gesang in einer Sprache, die sie nicht kannte.

»Sechzig Sekunden Kampfzeit«, schlug Quell vor. »Falls es brenzlig wird, sprengen wir einen der großen Felsen und fliehen im Schutz der Trümmerwolke.«

Chass lachte, während sie Energie auf ihre Deflektoren umleitete und dem Feind entgegenraste. Vielleicht hatte Quell sich doch verändert. In jedem Fall gefiel Chass ihre neue Kommandantin mit jedem Tag besser. »In Ordnung. Versuch, sie mir vom Heck zu halten, in Ordnung?«

Die TIEs benutzten die Asteroiden als Deckung; an sich keine schlechte Taktik, aber es machte sie auch verwundbar. Chass drückte den Feuerknopf und entfesselte ein Gewitter aus Partikelstrahlen. Die Schüsse fuhren in die Felsbrocken und ließen Trümmer in alle Richtungen davonwirbeln. Ihre eigenen Schilde flackerten, als die Splitter auf den B-Flügler einprasselten. Die TIEs hingegen besaßen keine Schilde, und falls Chass Glück hatte, würden die Trümmer ein paar Antriebe zerstören. Ihr Hauptziel war aber einfach nur, Chaos zu stiften und die feindlichen Scanner zu überfordern – und dieser Plan war ein voller Erfolg.

Sie rief Quell ihre Ziele zu, während der X-Flügler seinerseits das erste Paar TIEs abfing, das ihnen entgegenkam. Ihre Instinkte wisperten Chass zu, was als Nächstes passieren könnte – ein Dutzend Szenarien, in denen sie siegten, und fünfzig weitere, in denen sie starben –, aber wenn die letzten Wochen sie etwas gelehrt hatten, dann, dass der Tod eine hohle Drohung war. Verzan, die luftlose Garnisonswelt dieses Systems, war angeblich eine Festung gewesen, aber das Feuer der Leitstern und die Protonenbomben der Alphabet-Staffel hatten ihre Kuppeln mühelos gesprengt. Die Turbolasersalven der Verteidiger von Catadra waren wirkungslos geblieben, während die Tempel und Paläste der Stadt rings um sie brannten. Und den größten Raumhafen von Troithe hatte der Kampfverband in wenig mehr als einem Tag eingenommen. In Cerberon hatte Chass einfach nicht das Gefühl, dass eine verlorene Schlacht das Ende des Krieges bedeuten könnte, so, wie es noch zu Zeiten der Rebellion gewesen war. Hier gab es keine Niederlage, von der die Neue Republik sich nicht erholen konnte; dafür war das Imperium zu geschwächt, zu verstreut.

Natürlich gab es Opfer. Soldaten starben. Aber mit jedem Tag nahm die Zahl der TIEs ab. In diesem Krieg war der Tod für die Dummen und Achtlosen, nicht für Helden.

Zugegeben, es war nicht die Art Krieg, die Chass führen wollte, aber da sie keine Wahl hatte, konnte sie ebenso gut das Beste daraus machen.

Sie zielte und feuerte auf den vordersten TIE, während Quells X-Flügler den zweiten Jäger unter Beschuss nahm. Quell traf – Chass nicht. Sie riss ihren Steuerbügel nach Backbord und entging knapp einer Salve von Partikelstrahlen, als ihr Feind an ihr vorbeiraste. Doch anstatt ihn zu verfolgen, hielt sie weiter auf die sechs anderen TIEs zu, die rasch näher kamen. »Einen von ihnen muss ich doch erwischen«, murmelte sie, bevor sie mehrere kurze Salven auf die Gruppe feindlicher Maschinen abfeuerte.

»Ich werde mal in Richtung des Frachtshuttles feuern«, meldete Quell. »Dauert nur einen Moment.«

Chass gab ein Geräusch von sich, halb Knurren, halb Lachen, als der X-Flügler zwischen den Asteroiden hindurchraste und wild auf ein Ziel schoss, das sie selbst nicht mehr sehen konnte. Die sieben verbliebenen TIE-Jäger versuchten, sie zu umkreisen, aber Chass zerstörte einen von ihnen und streifte einen zweiten mit ihren Kanonen. Smaragdgrüne Blitze zuckten über ihrem Cockpitfenster hinweg. Einer der Asteroiden in ihrer Nähe brannte; in seinem Innern musste sich entflammbares Gas gebildet haben, das nun lodernd entwich. Chass platzierte sich vor dem brennenden Felsen, leitete Energie in die vorderen Deflektoren um und wog ihre Überlebenschancen ab.

Sie war nicht wirklich überrascht, als der TIE, der ihr am nächsten war, explodierte. Der dolchförmige Umriss eines A-Flüglers schnitt durch den erblühenden Feuerball und wirbelte herum, um den nächsten Gegner zu zerstören, alles in einem einzigen Manöver.

»Wusstest du, dass sie schon auf dem Weg hierher waren?«, fragte Chass und klang wütender, als sie eigentlich war.

»Ja«, sagte Quell. »Du hattest deine sechzig Sekunden.«

Chass blickte auf ihre Konsole. Wegen des Meers von Trümmern auf ihrem Sensorschirm konnte sie den U- und den Y-Flügler nicht ausmachen, aber sie war sicher, dass die beiden ebenfalls da draußen waren.

»Ich freu mich auch, dich zu sehen«, drang Naths Stimme aus dem Komm. »Spiel uns doch ein bisschen Musik vor, während wir dir den Hintern retten.«

III

Chass’ Musik klang wie das Blöken eines sterbenden Tieres, und sie plärrte aus dem Komm, während Nath Tensent der Schlacht entgegendümpelte. T5 rekonfigurierte die Leistung seiner Antriebsdüsen, aber er bezweifelte, dass der Droide dem alternden Y-Flügler mehr Schub abringen konnte. »Halte uns einfach auf Kurs«, rief er, während das Schiff immer heftiger zu beben schien.

Vermutlich, überlegte er, wäre es ohnehin das Beste, wenn er zu spät eintraf. Er hatte den Großteil seiner Bewaffnung verschossen, um den Läufer auszuschalten.

Quell gab mehrere Befehle durch, und Nath feuerte ein paar Schüsse ab. Einer davon hätte sogar fast einen TIE getroffen, aber dann kam ihm ausgerechnet Kairos zuvor, indem sie den Jäger auslöschte. Sie neigte nicht zu prahlerischen Manövern, und sie war auch kein strategisches Genie – die meiste Zeit betrachtete Nath sie ehrlich gesagt nur als Frachtfliegerin –, aber wenn sie doch mal in den Kampf eingriff, verfehlte sie nur selten ihr Ziel.

Chass sprengte derweil mehr TIEs auseinander, als eigentlich mit einem B-Flügler möglich sein sollte. Zu dem Zeitpunkt, als Nath endlich in optimale Feuerreichweite kam, waren nur noch Schrottmetall und Asteroiden übrig, von denen einer so hell loderte wie ein Reaktorkern während einer Kernschmelze. »Was nicht alles brennen kann«, bemerkte er. »Sind alle in Ordnung? Müssen wir irgendwelchen Überlebenden nachjagen?«

»Einer ist mit diesem brennenden Asteroiden kollidiert«, erwiderte Wyl. »Ich werde mal vorbeifliegen und nachsehen.«

Der Junge ist ein hoffnungsloser Fall, dachte Nath mit einem Kopfschütteln, aber er lächelte dabei.

»Mach schnell«, befahl Quell. »Kairos, flieg mit ihm, für den Fall, dass er etwas findet. Chadic, sieh dich an meiner Flanke nach weiteren Sternjägern um. Xion, überprüf alle Kommfrequenzen und sorg dafür, dass dieses Frachtshuttle keinen Hilferuf sendet.«

Wyl und Chass bestätigten, und Kairos brachte ihr Schiff in Position. Dann bin ich wohl Xion, dachte Nath, aber er sprach Quell nicht auf ihren Versprecher an, sondern gab T5 die entsprechenden Instruktionen. Die anderen schienen es auch nicht bemerkt zu haben.

»Also, sind wir dann fertig mit dem Spionkram, den du und Adan euch für heute ausgedacht habt?«, erkundigte er sich.

»Ich sag dir schon, wenn wir fertig sind«, sagte Quell.

Kurz darauf ließen ihre fünf Schiffe das Trümmerfeld im Formationsflug hinter sich, und sie machten sich wieder auf den Weg nach Troithe. Während des Fluges synchronisierten die Bordcomputer ihre Geschwindigkeit, sodass sie ihre Position zueinander beibehielten, bis sie den Planeten erreichten. Nachdem sie über eine zersplitterte Landmasse und das angrenzende Meer hinweggeglitten waren, sanken sie dem weitläufigen Stadtkontinent entgegen und landeten in einem Sektor, der nicht von Schilden abgeschirmt wurde.

Die Solarprojektoren hatten sich von fahlem Gelb zu Dämmerungsblau verdunkelt, sodass die verfallenden Wolkenkratzer und die verwaisten Industrieparks noch schemenhafter wirkten – der Schatten ganzer Jahrtausende von Fortschritt, Verwandlung und Schaffenskraft, die ihren Höhepunkt lange vor dem Aufstieg und dem Fall des Imperiums erlebt hatten. Vor ein paar Jahrhunderten hatte Troithe Coruscant sogar den Titel als kosmopolitisches Kronjuwel der Republik streitig gemacht. Die endlose Stadt umfasste den halben Planeten und hatte Milliarden Einwohner beherbergt – nicht wenige von ihnen Mitglieder der angesehensten Adels- und Handelsdynastien der Republik.

Troithe war die Art Welt gewesen, die die Rostwelten des Mittleren Randes zu sein vorgaben: ein Ort der Innovation und der Produktion, wo ein talentierter Ingenieur am Morgen ein Kognitionsmodul entwickeln, am Mittag das Konzert eines populären Künstlers besuchen und am Abend den Bau einer neuen Droidenarmee beaufsichtigen konnte. Doch irgendwann hatte diese Phase geendet. Coruscant war bereits das politische Zentrum der Republik gewesen, und es zog Einwanderer von Tausenden Mitgliedswelten und verbündeten Spezies an, für die immer mehr Ebenen mit immer neuen Wohnkomplexen in die Höhe gezogen wurden. Aufgrund dieser größeren Bevölkerung begann Coruscant, sich auch in Sachen industrieller Produktivität von Troithe abzusetzen. Die Hände und Hirne zahlloser Spezies suchten dort nach Arbeit.

Und während Coruscants Wirtschaft wuchs, verwelkte die von Troithe. Die Gründe hierfür waren teils unvermeidbar (die wertvollen Mineralvorkommen auf dem Splitterkontinent gingen zur Neige; das Cerberon-System verlor an Relevanz, als sich die Republik in die Kolonien und den Inneren Rand ausweitete; der planetare Orbit destabilisierte sich immer weiter, während Troithe dem schwarzen Loch entgegenkreiste) und teils schmerzhaft vorhersehbar gewesen (ein kurzer Bürgerkrieg zwischen den Minderheiten der Unterschicht und der größtenteils menschlichen Oberschicht – ein Konflikt, provoziert von einer ehrgeizigen aristoindustriellen Familie, die sich an der Auseinandersetzung zu bereichern suchte). Als die Klonkriege ausbrachen, war Troithe längst auf dem Weg eines langsamen, stetigen Niedergangs. Jedes Jahr wurde seine milliardenschwere Bevölkerung ein wenig kleiner. Jedes Jahr schloss eine andere Fabrik ihre Tore, wurde ein anderes Wohngebiet aufgegeben.

Als Imperator Palpatine versprach, Troithe wieder zu erneuern und zu seiner alten Größe zurückzuführen, hatten sich viele Einwohner an seine Worte geklammert. Einige dieser Versprechen waren sogar umgesetzt worden, weswegen ein großer Teil der Bevölkerung dem Imperium gegenüber noch immer Sympathien hegte. Und deswegen wiederum war die Befreiung von Troithe so schleppend verlaufen.

Die Hügel der Wolkenkratzer wichen einem Tal aus tiefer liegenden Metallplattformen, getragen von einem Netz aus Gerüstanlagen. Zelte und vorgefertigte Unterkunftscontainer säumten die Straßen und Landefelder. Die Hangars und Startbahnen jenseits dieser Flüchtlingslager wurden derweil von Dutzenden Frachtern, Korvetten und Sternjägern in Beschlag genommen, und im Zentrum all dieser Schiffe: die Leitstern, das alternde Schlachtschiff der Acclamator-Klasse, das Nath und seine Kameraden durch die halbe Galaxis und wieder zurück transportiert hatte.

»Man kann die Brandspuren ja bis hierher sehen«, stellte Nath fest. »Das alte Mädchen steht schon seit Wochen da, und sie wartet noch immer darauf, dass man sie abschrubbt.«

»Auf so was stehst du doch, oder?«, erwiderte Chass, wobei sie glucksend vor sich hin lachte.

Kairos war die Einzige, die mit ihrem U-Flügler weiter auf das Schlachtschiff zuhielt, um bei den anderen Transportern zu landen. Die Sternjäger flogen derweil in einer Schleife zu einer Landplattform, die ungefähr einen halben Kilometer entfernt lag. Zwanzig Minuten später hatte Nath die Bodenmannschaft bereits über seinen Munitionsmangel informiert (er ließ die Techniker nur einfache Wartungsarbeiten an seinem Schiff durchführen) und T5 zum Aufladen geschickt. Anschließend trat er unter dem schwarzen Himmel zu Wyl, und sie machten sich auf den Weg zurück zu ihrem Träger.

Trotz des kühlen, milden Tages waren die Pilotenanzüge beider Männer schweißdurchtränkt. Ihre Helme trugen sie jeweils unter dem rechten Arm. Abgesehen von ihren Uniformen und ihrer Haltung gab es jedoch kaum Ähnlichkeiten zwischen ihnen. Nath war breitschultrig und muskulös, Wyl schlank und sehnig; Naths Haar war dunkel, nicht mehr wirklich dicht und nach hinten gekämmt, Wyls hingegen braun und ordentlich geschnitten; Naths Haut hatte einen leicht kupfrigen Einschlag, die von Wyl war olivenfarben. Und obwohl sie knapp zwanzig Jahre voneinander trennten, stapften sie beide mit dem Elan der Jugend dahin.

Sie sprachen mehr mit den Leuten um sie herum als miteinander – Wyl rief zwei Piloten der Hagel-Staffel aufmunternde Worte zu, die gerade an ihren Schiffen herumschraubten; Nath beharkte ein paar Speeder-Fahrer mit freundschaftlichen Beleidigungen und erntete dafür Grinsen und schlagfertige Erwiderungen.

»Siehst du Chass irgendwo?«, fragte Wyl nach einer Weile.

»Vermutlich ist sie, wo sie nach jeder Mission ist. Morgen früh wird sie schon wieder auftauchen.«

Quell sahen sie auch nicht; Nath nahm an, dass sie bereits zu Caern Adan in seine behelfsmäßige Geheimdienstzentrale gegangen war, um neue Pläne mit ihm zu schmieden. Dafür liefen sie Kairos über den Weg, als sie sich dem mächtigen Rumpf der Leitstern näherten. Falls die schweigsame Frau auch schwitzte, war es durch die Stoffschichten um ihren Körper nicht zu sehen und natürlich auch nicht durch die metallene Maske vor ihrem Gesicht. Sie schloss sich den beiden Männern an, und gemeinsam bahnten sie sich einen Weg zwischen abgestellten Schiffen, Frachtladern und Ausrüstungskisten hindurch zur Einstiegsrampe des Schlachtschiffs. Der gewaltige Hangar im Innern wirkte wie ein Spiegelbild des Flüchtlingslagers draußen: Bunte Zelte standen in mehreren Reihen, dominiert vom Geruch und dem Zischen von Öl auf Heizplatten und dem Surren von Hunderten Unterhaltungen. Überall saßen Soldaten, die entweder aßen oder ihre Gewehre reinigten oder die zerknitterte Jacke eines Kameraden versteckten.

»Die Helden der Alphabet-Staffel!«, rief ein stämmiger Sergeant mit dem Haarschnitt eines Sturmtrupplers. »Habt ihr euch hergeschleppt, weil ihr auf Applaus hofft?«

»Falls du applaudieren möchtest, sagen wir nicht nein«, erwiderte Nath.

Der Sergeant – Nath erinnerte sich vage daran, dass die anderen Soldaten ihn Carver nannten – schnaubte laut, dann blickte er an Nath und Wyl vorbei und nickte Kairos zu. »Die Einzige, die Applaus verdient hat, ist die, die nicht danach fragt. Das Sonderkommando lässt schön danken – du warst uns da draußen wirklich eine große Hilfe.«

Kairos schien ihn nicht zu hören, denn sie marschierte weiter auf die Korridore zu, die tiefer ins Innere des Schiffes führten. Für eine Frau, die ihr Leben so oft für die Bodentruppen riskierte, hatte sie erstaunlich wenig Interesse an persönlichem Kontakt mit den Soldaten.

Wyl versuchte, sich ebenfalls davonzustehlen, aber Nath packte ihn am Arm und zog ihn in eine Unterhaltung mit Carver und einem Dutzend anderer Infanteristen. Während die Alphabet-Staffel Missionen für den Geheimdienst der Neuen Republik geflogen war, hatte die Einundsechzigste Mobile Infanterieeinheit ihren langsamen Vormarsch durch die Bezirke von Troithe fortgesetzt. Der Konflikt am Boden war ein Zermürbungskrieg, und das Endresultat stand bereits fest – eigentlich genauso wie überall sonst in der Galaxis auch, selbst dort, wo es keinen so entscheidenden Sieg wie bei Pandem Nai gegeben hatte –, aber die Geschichten der Soldaten waren dennoch unterhaltsam. Außerdem war es nie verkehrt, sich bei den Bodentruppen beliebt zu machen.

»Immer schön lächeln«, flüsterte Nath Wyl zu, während eine zappelige Frau mit dem Spitznamen Tic beschrieb, wie sie in einem verlassenen Korridor mit ihrem Messer einen imperialen Guerilla-Kämpfer überwältigt hatte. »Wenn du abgeschossen wirst, brauchst du diese Leute.«

»Troithe braucht diese Leute«, erwiderte Wyl. »Generalin Syndulla braucht diese Leute. Ich brauche eine Dusche, bevor wir wieder ranmüssen.«

»Wie du willst.« Nath zog die Schultern hoch. »Dann feiere ich eben allein für die gesamte Staffel.«

Es wäre nicht das erste Mal. Er begann damit, dass er sich die Namen von Zab und Vitale und Junior einprägte und in den Augen der Frontsoldaten nach Zeichen von Erschöpfung, Langeweile oder Übereifer suchte. Gleichzeitig erzählte er ihnen ein paar nette Lügen darüber, wie die Alphabet-Staffel zusammengekommen war und warum Generalin Hera Syndulla sie an Bord der Leitstern nach Cerberon gebracht hatte, um an dem Feldzug hier mitzuwirken. Er hätte stundenlang weitererzählen können, aber irgendwann summte sein Komm, und zu seiner Überraschung war es Quells Stimme, die aus dem Empfänger knisterte.

»Ich konnte die anderen nicht erreichen«, sagte sie. »Also sag du es ihnen: Wir haben morgen eine Besprechung mit der Generalin.«

»Ist das gut oder schlecht?«, fragte Nath.

»Adan und ich haben einen Plan«, antwortete Quell. »Unser Spionkram hat funktioniert. Wir haben das geflohene Frachtshuttle zu seinem Ziel verfolgt.«

»Haben sie sich mit unseren Freunden getroffen?«

Sie wusste, was er meinte.

Seit Pandem Nai war das Schattengeschwader des Imperiums völlig untergetaucht. Dieser Feind war der Grund, warum die Alphabet-Staffel einst zusammengestellt worden war, aber seit ihrer Ankunft in Cerberon hatte niemand mehr darüber gesprochen. Stattdessen hatten sie den Vormarsch der Neuen Republik unterstützt und nur hin und wieder ein paar Geheimdienstmissionen durchgeführt.

»Nicht direkt.«

»Was dann?«

Sie zögerte so lange, dass Nath schon glaubte, die Verbindung wäre unterbrochen.

»Wir haben uns den Aufbau des Cerberon-Systems angesehen«, erklärte sie schließlich. »Dieser Ort ist perfekt für eine Falle.«

Nath grinste.

Quell war eine Lügnerin, Heuchlerin und eine Kriegsverbrecherin. Aber an ihren besten Tagen hatte sie auch Stil.

2. KapitelEhrliche Arbeit

I

Soran Keize stand auf der Brücke der Aerie, umgeben von taktischen Displays und Schirmen voller Karten und Statusanzeigen. Er sah sie nicht bewusst an – er ließ sein Rautenhirn die Daten aufsaugen und in etwas Instinktives umwandeln –, sondern starrte stattdessen im Geiste durch das Cockpitfenster eines TIE-Jägers, während er dem imaginären Heulen von Zwillingsantrieben lauschte.

Er sah Schrottringe, die am Himmel über der trostlosen Oberfläche von Jarbanov glänzten, und die Kuppeln einer Kolonie, die sich wie Drillingssonnen am Horizont erhoben. Aus einem der Ringe tröpfelte ein stetes glänzendes Rinnsal in die Atmosphäre herab wie ein halb ausgetrockneter, weit entfernter Wasserfall. Vögel mit ledrigen Schwingen streiften durch die Luft, und ein paar von ihnen segelten nahe genug heran, um den TIE zu betrachten, ehe sie wieder abdrehten und nach leichterer Beute suchten.

»Staffel vier ist in Position, Major.« Die Stimme kam aus dem Komm. »Dürfen wir zum nächsten Schritt übergehen?«

Sorans Augenlider flatterten, und er verbannte das Bild aus seinem Geist. Nun wieder ganz im Hier und Jetzt, suchte er auf den Gesichtern der Brückenoffiziere nach einer Reaktion auf Captain Gablerones offensichtlichen Sarkasmus. Anschließend sprach er leise und betont in das Komm.

»Weitermachen wie geplant«, sagte er. »Wir haben Sie auf unseren Schirmen und werden Sie falls nötig unterstützen.«

»Verstanden, Aerie«, bestätigte Gablerone, bevor er seiner Staffel die entsprechenden Befehle gab – er wies ihnen Anflugvektoren und Ziele zu und ordnete einen finalen Systemcheck vor dem Kampf an.

Die Brückenmannschaft der Aerie konzentrierte sich derweil auf ihre Konsolen und Kopfhörer. Niemand spähte auch nur in Sorans Richtung. Die meisten von ihnen kannte er erst seit Kurzem, aber er bemerkte eine gewisse Steifheit in ihrer Professionalität. Offiziere, die sich bei ihren Aufgaben nicht wohlfühlten, verrieten sich durch ihre Haltung und ihre zögerliche Kommunikation. Ein wenig Geplauder hier und da bedeutete Kooperation und Zuversicht; schweigsame Soldaten hingegen waren Soldaten mit unausgesprochenen Ängsten.

Aber damit würde er sich später wieder befassen. Im Moment war seine Brückenmannschaft nicht in Gefahr; jetzt waren es die Jägerpiloten, die seine Aufmerksamkeit brauchten.

Staffel vier griff ihre ersten beiden Ziele beinahe zeitgleich an. Lieutenant Seedia – das neueste Mitglied der Staffel, das nach dem Tod von Draige bei Pandem Nai nachgerückt war – und ihre Flügelmänner nahmen die Schrottverarbeitungsanlage der Kolonie ins Visier. Soran hatte vorgeschlagen, dass Arron Draiges Platz einnehmen sollte, aber unglücklicherweise war Arron bei einer Mission im Oridol-Sternhaufen gestorben; ein Verlust, für den Soran sich noch immer selbst die Schuld gab – wäre er da gewesen, hätte er es verhindern können, da war er sicher. Lieutenant Kandendes Gruppe eröffnete derweil den Beschuss auf die Batterie-Recyclinganlage, doch sie schlugen verspätet zu, was bedeutete, dass sie nicht maximalen Schaden anrichteten. Soran machte sich eine mentale Notiz, diesen Fehler während der Nachbesprechung zu erwähnen.

Gib ihnen Zeit, sagte er sich, nur um sich dann selbst zu tadeln. Zeit war ein Luxus, den sie nicht hatten.

»Sie senden einen Hilferuf«, meldete Rassus von seiner Station auf der Brücke. Er blickte über die Schulter zu Soran herüber. »Sollen wir versuchen, die Nachricht zu stören?«

»Nein«, antwortete Soran.

Rassus öffnete den Mund, als wollte er widersprechen, dann drehte er sich wortlos wieder zu seiner Konsole um.

Stell eine Frage oder führ deine Befehle aus, wollte Soran ihn anfahren. Aber säe keine Zweifel in den anderen.

Vielleicht war es ja niemandem aufgefallen.

Die Sternjäger verrichteten weiter ihr brutales Werk, und Gablerones eigene Formation badete die Straßen und Brücken der Kolonie in Feuer. Soran hatte die Angriffe präzise geplant. Ihr Überfall fiel exakt mit dem nachmittäglichen Schichtwechsel in dem großen Industriezentrum der Kolonie zusammen. Je weniger Arbeiter an ihren Stationen waren, desto größer würde das Chaos sein – das war der Knackpunkt von Sorans Plan. Natürlich bedeutete das auch mehr zivile Opfer als bei einem nächtlichen Angriff (sofern man Kolonisten, die das Militär der Neuen Republik belieferten, überhaupt als Zivilisten bezeichnen konnte), aber das ließ sich eben nicht ändern.

Soran hatte diese Einstellung schon vor mehreren Jahren übernommen, nach den Angriffen auf Roona. Die Taktik der Rebellenallianz war ihm damals grausam erschienen, aber inzwischen hatte er erkannt, dass man grausam sein musste, wenn man aus einer unterlegenen Position heraus angriff.

»Ich sehe Patrouillenschiffe«, verkündete Gablerone. »Der Feind nähert sich.«

»Wie besprochen«, sagte Soran. »Nicht angreifen.«

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die taktischen Karten und beobachtete, wie die TIE-Staffel durch die Kolonie raste. Die lokale Miliz hatte nur atmosphärengebundene Vehikel zur Verfügung – laut Sorans Informationen gab es im gesamten System keine feindlichen Sternjäger –, aber so dicht über dem Boden hatten die TIEs den gepanzerten Wolkenwagen gegenüber keinen nennenswerten Vorteil. Sie wichen dem Beschuss der Verteidiger aus und achteten darauf, die Patrouillen nicht zu nahe herankommen zu lassen, während sie in waghalsigem Zickzack über den Straßen dahinrasten und ihrerseits auf jedes Ziel feuerten, das die Mühe wert schien.

Soran kannte seine Leute gut genug, um zu wissen, wie viel Beherrschung sie diese Taktik kostete; keiner von ihnen wollte vor der Gefahr davonrennen. Und doch taten sie es – auf fremdem Terrain mit einer feindlichen Übermacht konfrontiert, benutzten sie Strategien, die sie nicht mal am Simulator hatten üben können, um ihren Verfolgern stets einen Schritt voraus zu bleiben. Einer der Wolkenwagen verschwand von der Taktikkarte, und Lieutenant Seedia verkündete den Grund dafür: eine Kollision mit einem Müllsilo, als der Pilot versucht hatte, die TIEs zu flankieren. »Wie praktisch«, fügte sie hinzu. »Dann muss die Aufräummannschaft die Trümmer wenigstens nicht weit transportieren.« Soran hörte Stolz in ihrem aristokratischen Tonfall.

Egal, ob sie Angst hatten, egal, ob sie Zweifel hatten, die Männer und Frauen, die dort über Jarbanov ihren Einsatz flogen, waren immer noch Mitglieder des 204ten. Des Schattengeschwaders. Falls sie Fehler machten, dann nur, weil sie bereits durch die Hölle gegangen waren und sich auf der anderen Seite in einem Krieg wiedergefunden hatten, für den sie nicht ausgebildet waren – und ganz sicher nicht, weil irgendeine hinterwäldlerische Kolonialmiliz ihnen die Stirn bieten konnte.

»Wie lange noch?«, fragte er, während er hinter Rassus trat.

»Drei Minuten, vielleicht vier«, antwortete der grauhaarige Major.

»Gut.« Soran klopfte Rassus auf die Schulter und begann, auf der Brücke auf und ab zu marschieren. Dabei versuchte er, möglichst selbstbewusst zu wirken.

Er lauschte den Berichten von brennenden Recyclinganlagen und zerstörten Schrottsammler-Karawanen und erkundigte sich regelmäßig nach dem Fortschritt von Staffel vier und ihren Piloten. Jede Meldung führte ihm vor Augen, wie sehr die Einheit sich doch verändert hatte – das Schattengeschwader war dezimiert, die Liste der Toten war länger als die der Überlebenden, und sie hatten sich noch immer nicht von dem Verlust von Colonel Shakara Nuress erholt.

Er hatte Nuress Großmutter genannt – das hatten sie alle, aber es war ein Ausdruck ihrer Bewunderung für die Frau gewesen, die das 204te zu einem der besten Jägergeschwader des Imperiums geschmiedet hatte. Sie war ihm eine Freundin gewesen, und um ihr Andenken zu ehren – und aus anderen Gründen – war er zurückgekommen, um das Kommando zu übernehmen. Um die Einheit neu aufzubauen. Nicht leicht, vor allem, da er sich einst geweigert hatte, in ihrer schwärzesten Stunde mit dem Geschwader zu kämpfen.

Seine Rückkehr war … schwierig gewesen. Und anstatt ihm das Kommando zu geben, hatte man ihn zu einem Berater gemacht.

Er warf einen weiteren Blick auf die taktische Karte. »Captain Gablerone? Dürfte ich einen Vorschlag machen?«

Gablerone schwieg länger, als Soran lieb war. »Nur zu.«

»Sie sind in der Unterzahl. Ein Kreuzfeuer würde Ihnen zum Vorteil gereichen. Möchten Sie Ihre Formation entsprechend anpassen?«

»Ich werde die Möglichkeit im Hinterkopf behalten«, erklärte Gablerone.

Während seiner Zeit fernab des Schattengeschwaders war er eine andere Person gewesen, eine Person namens Devon, und um ehrlich zu sein, trauerte er ihr nach.

Devon hatte seine eigene Existenz nie wirklich zu schätzen gewusst – seine Freiheit von jeglicher Verantwortung, abgesehen von der, die er selbst wählte. Er hätte den Luxus von Gnade und Zeit mehr genießen sollen.

»Eine Minute!«, rief Rassus.

»Ziehen Sie Ihre Piloten zurück, sobald Sie bereit sind«, sagte Soran.

Devon hätte beim 204ten nie überlebt.

Staffel vier schüttelte ihre Verfolger ab und stieg dann steil über der Oberfläche des Planeten Jarbanov in die Höhe. Seedia, die das Schlusslicht bildete, brach lange genug aus der Formation aus, um eine Reihe von Gefahrenstofftanks am Rand der Kolonie zu zerstören – genau davon hatte Soran während der Einsatzbesprechung abgeraten. Er versuchte, sich vorzustellen, wie der junge Lieutenant die Schutzsysteme umgangen hatte, und nahm sich gleichzeitig vor, die Bodenmannschaft zu warnen.

»Glückwunsch, Lieutenant Seedia«, sagte er. »Sie haben gerade die gesamte Jarbanov-Kolonie radioaktiv verseucht.«

»Haben Sie ein Problem damit, Berater?«

Berater. Er konnte keine Respektlosigkeit aus ihrer Stimme heraushören, andererseits sprach ihn nicht mal Gablerone mit diesem Titel an.

»Nein«, erwiderte er. »Aber ich schlage vor, Sie bleiben nach der Landung im Cockpit, bis Ihr Schiff von allen Spuren von Radioaktivität gereinigt wurde.«

»In meinem Fliegeranzug ist es sehr gemütlich«, entgegnete Seedia. »Ich schließe mich wieder dem Rest der Staffel an.«

Irgendjemand lachte leise über das Komm.

Die republikanische Korvette im Orbit würde versuchen, Staffel vier abzufangen, aber die TIEs hatten Geschwindigkeit und Planung auf ihrer Seite. Anschließend würden sie auf die dunkle Seite von Jarbanovs Mond zuhalten, wo der Kreuzer Treueschwur darauf wartete, sie an Bord zu nehmen und dann sofort in den Hyperraum zu springen. Eine leichte Flucht, auch wenn die Disziplin der Staffel zu wünschen übrig ließ.

Soran konnte sich nun also anderen Dingen zuwenden.

Sein Blick wanderte von den Taktikdisplays zum Aussichtsfenster, und er studierte das gewaltige Schrottfeld ringsum. Die Aerie hatte sich langsam immer weiter ins Systeminnere vorgearbeitet, mit minimalem Energieausstoß, um die Kolonisten nicht zu alarmieren, und inzwischen waren sie Jarbanov fast schon gefährlich nahe.

Der Schrottplanet gehörte zu den äußeren des Systems und war offiziell nicht Teil der Gilde. Trotzdem befand sich hier eine der größten Demontageanlagen, wo von Raumschiffwracks bis hin zu aufgegebenen planetaren Bergbaustationen so ziemlich alles auseinandergenommen wurde. Es hatte Soran viel Zeit, Mühe und persönliche Gefallen gekostet, um Kontakt mit einem verlässlichen Verbündeten innerhalb des Orbitalen Demontage-Verbands von Jarbanov aufzunehmen.

»Haben wir ein Bild?«, fragte er.

Rassus nickte und legte einen Schalter auf seiner Konsole um. »Ich aktiviere den Traktorstrahl«, sagte er.

Der sekundäre Sichtschirm flackerte, und das Bild von Jarbanovs Mond wich einer Übertragung aus dem Haupthangar der Aerie. Die Auflösung war nicht die beste, trotzdem konnte man die Trümmer jenseits des Magnetfeldes vorbeischweben sehen: unförmige Plastoidklumpen und verbeulte Schiffsteile. Dann tauchte zwischen den Trümmern der Bergungsschlitten auf, der vom Traktorstrahl auf das Schiff zugezogen wurde – ein selbstgesteuertes, fünfzig Meter langes Fahrzeug, eigentlich kaum mehr als eine schmale Plattform, von deren Seiten Magnetklammern abstanden wie die Beine eines Tausendfüßlers.

Als der Traktorstrahl den Schlitten näher zog, wurde auch seine Fracht erkennbar. An neun Klammern hingen die Überreste von neun TIE-Abfangjägern. Einer der Sternjäger hatte die Solarkollektoren an seinem Backbordflügel verloren, sodass man das albinoweiße Metall sehen konnte; bei einem anderen fehlte die Cockpitscheibe, was so wirkte, als hätte man ein Auge ausgedrückt. Ein dritter TIE besaß gar keine Flügel mehr. Alle waren sie mit Asche und Brandspuren verunstaltet, und bei den meisten hingen Kabel und Leitungen aus tiefen Wunden in der Außenhülle.

Soran blickte vom Sichtschirm zu seiner Mannschaft zurück. Er erspähte geschürzte Lippen und Augen, die sich weigerten, genauer hinzusehen. Ihre Emotionen waren offensichtlich, und er fasste sie in ein paar kurzen Sätzen zusammen: »Ich weiß, was Sie denken. Dafür haben wir unser Leben riskiert? Und die Leben unserer Kollegen von Staffel vier? Dafür haben wir uns dem Risiko eines Angriffs ausgesetzt? Für … Schrott?« Er schüttelte den Kopf und wartete, bis sich Rassus und die anderen zu ihm umdrehten. Erst dann fuhr er fort: »Das sind unsere Schiffe. Schiffe des Imperiums, geflogen von Piloten, die für ihre Brüder und Schwestern ihr Leben opferten. Und sie werden wieder fliegen. Dafür werden wir sorgen.« Er sprach langsam und bedächtig, sodass seine letzten Worte genau in dem Moment die Brücke erfüllten, als der Schlitten auf dem Deck des Hangars aufsetzte. Anschließend wechselte er übergangslos wieder zum Befehlston. »Hangar schließen und unseren Pfad durch das Schrottfeld zurückverfolgen. Machen Sie alles für den Sprung in die Lichtgeschwindigkeit bereit.«

Die Mannschaft gehorchte, und diesmal stellte Rassus seinen Befehl nicht durch einen Blick in Frage. Irgendjemand flüsterte aber: »Können wir nicht einfach einen Planeten niederbrennen?« Im selben Moment spürte Soran, wie die Aerie unter seinen Füßen vibrierte; die Antriebe des Trägers waren wieder zum Leben erwacht.

Alles, was er gesagt hatte, stimmte. Es gefiel ihm nicht, eine Operation nur als Ablenkungsmanöver zu orchestrieren – und dann auch noch, damit er Wracks bergen konnte, die zu Zeiten des Imperiums verschrottet und nicht repariert worden wären. Wracks, für die nicht einmal die Neue Republik noch Verwendung gehabt hatte. Es schmerzte ihn, seine Piloten dieser Gefahr auszusetzen, obwohl sie weit davon entfernt waren, eine geschlossene Einheit zu sein.

Aber das 204te war geschwächt. Er hatte die verbliebenen TIEs und Piloten gezählt, und weder die eine noch die andere Zahl war ausreichend für ihre bevorstehende Aufgabe. Wie sollte er ein Geschwader anführen, das schon nach einem Rückschlag auseinanderfallen könnte? Nein, um seine Einheit zu retten, musste er es erst wieder aufbauen.

Das würde dauern. Aber er würde es schaffen. Er würde das Schattengeschwader zu seiner alten Pracht zurückführen.

3. KapitelAlter Glanz und neuer Ruhm

I

»Ich nannte ihn Xion. Mitten während einer Operation nannte ich Tensent Xion. Aber ich glaube, er hat es nicht gemerkt.«

»Wäre es denn so schrecklich, falls er es bemerkt hätte?«, fragte der Droide. Der rote Punkt seines Fotorezeptors vergrößerte sich auf diese anklagende Weise, die Yrica Quell inzwischen fast schon gewohnt war. »Ihre Staffel weiß schließlich von Ihrer Vergangenheit beim Imperium.«

»Vermutlich nicht«, sagte Quell.

»Nein. Vermutlich nicht.«

Die kugelförmige IT-O-Einheit schwebte zwei Meter vor Quell über den Armaturen des Bahnwagens. Quell saß ihr gegenüber an der schweren Tür, die den Passagierbereich von der voll automatisierten Kontrollkabine der Bahn trennte. Der Wagen war seit Monaten nicht mehr gefahren – nicht, seit die Neue Republik den größten Raumhafen von Troithe gesichert hatte, und vermutlich auch schon während der vorangegangenen Unruhen nicht. Der umprogrammierte Verhördroide hatte ihn mehr oder weniger zu seinem Büro gemacht; vermutlich weil er wusste, dass niemand sonst Verwendung dafür hatte.

»Ich kann die Erinnerungen einfach nicht abschalten«, sagte sie – eines der schwersten Eingeständnisse, das sie je gemacht hatte.

Im Trümmerfeld von Cerberon waren ihre Gedanken zu einer früheren Mission abgeschweift: einer Patrouille im Randgebiet von Cathar, unmittelbar nach ihrem Abschluss an der Imperialen Akademie. Beim Start hatte sie feststellen müssen, dass das Innere ihres Helms nach Erbrochenem roch, aber weil sie neu in der Staffel war, hatte sie den Gestank nicht erwähnt. Nach ihrer Rückkehr zum Sternzerstörer Verfolger hatte sie sich sofort darangemacht, ihren gesamten Pilotenanzug zu waschen. Später hatte Sergeant Greef ihr erzählt, dass ein halbes Dutzend Offiziere davon wusste – offenbar hatte Xion sich in einem Moment akuter Übelkeit Quells Helm geschnappt, um seinen verstimmten Magen zu entleeren.

Quell war nicht sicher, warum die Mission ausgerechnet diese Erinnerung wachgerufen hatte, aber es waren meistens solche kleinen, unbedeutenden Details, die sie einholten: Piloten des Schattengeschwaders, die in Ausführung ihrer Pflicht gestorben waren; der eigentümliche Nachgeschmack von imperialen Rationspacks aus den Produktionsstätten von Aldraig. Hin und wieder erinnerte sie sich auch an dramatischere Dinge – den gefährlichen Flug durch die mit Sprengfallen präparierte Bienenstockkonstruktion der Tassahondee-Station oder den Tag, an dem sie beinahe in der Leere des Alls mit der Rettungskapsel eines Rebellenpiloten kollidiert wäre.

Und dann die Erinnerung, die sie öfter heimsuchte als alle anderen: dass sie sich nur ein paar Monate vor Troithe, als sie noch zum 204ten Imperialen Jägergeschwader gehört hatte, an einem unaussprechlichen Verbrechen beteiligt hatte. Sie hatte den Völkermord auf Nacronis unterstützt – hatte aktiv daran mitgewirkt. Und hätte sie die Gelegenheit gehabt, hätte sie weitergemacht, als Mörderin, als Kriegsverbrecherin, solange sie nur weiter ihre Staffel kommandieren konnte. Allein ihr Mentor hatte sie vor diesem Schicksal bewahrt.

»Die Erinnerung ist ein Konstrukt«, sagte der Droide. »Bei Ihrer Spezies ist eine individuelle Erinnerung keine isolierte, klare Aufzeichnung, sondern eine Neuinterpretation bekannter Daten. Vor Pandem Nai unterdrückten Sie den entscheidenden Fakt, der all Ihre Erinnerungen an das 204te bestimmte. Jetzt, da Sie sich Ihrem Trauma gestellt haben, ist es nur natürlich, dass andere Erinnerungen ebenfalls an die Oberfläche kommen.«

In den Trümmern von Nacronis hatte Major Soran Keize zu ihr gesagt: »Wer so etwas tut wie das hier, für den gibt es kein Zurück.« Er hatte von einer moralischen Krankheit gesprochen, die sie zerstörte, hatte sie gewarnt, dass diese Seuche sie töten würde, falls sie beim 204ten blieb – sofern die Rebellen ihr nicht zuvorkamen.

Er hatte ihre befohlen zu gehen, und sie war gegangen. Sie hatte nicht den Mut gehabt zu protestieren. Sie hatte die Neue Republik über die Umstände ihrer Fahnenflucht belogen, hatte ihren Kameraden erzählt, dass sie versucht hatte, den Massenmord von Nacronis zu verhindern. Sie hatte ihre neuen Vorgesetzten und auch sich selbst belogen. Denn solange sie sich an diese fiktive Version von Yrica Quell klammerte – an die rechtschaffene Frau, die zu weit getrieben worden war und sich vergeblich gegen Operation Asche gestellt hatte –, konnte sie Jagd auf ihre alten Freunde machen, ohne sich mit Schuldgefühlen herumplagen zu müssen.

Aber jetzt kannte jemand die Wahrheit: der Droide. Sie konnte sich nicht länger selbst etwas vormachen.

Und so kehrten mehr und mehr Erinnerungen zurück.

»Sie waren Zeuge eines schrecklichen Vergehens«, fuhr der Droide fort. »Sie fühlen enorme Schuld, und jeden Tag täuschen Sie die Kollegen, denen Sie Ihr Leben anvertrauen. Die Vorstellung, dass so etwas keine gesundheitlichen Auswirkungen haben könnte, ist absurd. Die einzige Frage ist, werden Sie uns gestatten, Ihre mentalen Wunden zu heilen, oder wollen Sie sie weiterhin überspielen?«

»Ich bin hier, oder?«, erwiderte Quell.

»Korrekt. Und ich erkenne das als wichtigen Schritt an. Trotzdem bin ich nicht sicher, welche Erwartungen Sie an diese Sitzungen haben. Ich frage mich, ob Sie es selbst überhaupt wissen.«

»Ich will, dass du mir zeigst, wie ich diese Dinge hinter mir lassen kann. Falls du mir dafür Medikamente verschreiben musst, bitte.«

Der Instrumentenarm des Droiden zuckte, aber die Spritze an seinem Ende war leer. »Medizinische Artikel sind gegenwärtig sehr knapp. Ich kann Ihnen helfen, in Ihrem Alltag besser zu funktionieren, aber verwechseln Sie die Symptome bitte nicht mit der Krankheit.«

Quell löste sich aus dem Schneidersitz, streckte die Beine aus und rieb anschließend ihren Bizeps, wo seit Kurzem eine Tätowierung mit dem Wappen der Alphabet-Staffel prangte.

Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit dem Droiden zu argumentieren. Er meinte es gut, aber Heilung war ein Luxus. Es gab nur eine einzige permanente Lösung: ihre Mission zu Ende zu bringen und dann so viel Distanz wie nur möglich zwischen sich und die Alphabet-Staffel und den Geheimdienst der Neuen Republik und Caern Adan zu bringen. Sie musste den Leuten entfliehen, die die Wahrheit kannten, und den Leuten, die sie verurteilen würden, sollten sie sie je erfahren.

»Worüber sollen wir jetzt reden?«, fragte sie.

»Ich würde gern weiter über Nacronis sprechen«, antwortete der Droide. »Insbesondere über die Geschichte, die Sie erfunden haben, und über die Details, für die Sie sich dabei entschieden haben. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst …«

Das Pochen einer Faust gegen Metall unterbrach ihre Unterhaltung. Quell richtete sich auf, bereit aufzuspringen. Der Droide schwebte zu den Kontrollen hinab und betätigte einen Knopf, um die Sprechanlage des Bahnwagens zu aktivieren. Eine Frauenstimme meldete sich, tief und mit leichtem Akzent behaftet. »Gravas hier. Ich suche Yrica Quell.«

»Wir sind mitten in einer Therapiesitzung«, erklärte der Droide. »Können wir Sie benachrichtigen, wenn wir fertig sind?«

»Adan und die Generalin sind viel beschäftigte Leute«, sagte die Stimme aus dem Interkom. »Sie möchten jetzt mit Quell sprechen.« Ihre Worte waren höflich, aber ihr Tonfall duldete keinen Widerspruch.

Der Droide gab nach, ohne weitere Fragen zu stellen. »Die Türen sind entriegelt.« Quell stand auf, streckte sich kurz und verließ dann den Bahnwagen. IT-Os künstliche männliche Stimme rief ihr nach: »Werden Sie morgen wiederkommen?«

»Falls ich kann«, erwiderte Quell. Es war nicht gelogen, aber es war vage genug, um sie von jeder Verpflichtung zu befreien.

»Wir können die Hauptstadt einnehmen«, sagte Generalin Syndulla. Die grünhäutige Frau reckte das Kinn vor, und ihre Kopfschwänze schwangen hin und her, während sie sich in dem Raum umblickte. »Die einzige Frage ist: Wie lange wird es dauern – und wie viel wird es uns kosten?«

Sie hatten die Planungszentrale der Leitstern für ihr Treffen gewählt. Sie wirkte nicht so förmlich wie die Besprechungsräume, und solange das Schlachtschiff auf dem Planeten parkte, hatte die Mannschaft keine Verwendung für die durchsichtigen Schirme, die wie kristalline Stalagmiten aus jeder ebenen Oberfläche hervorragten. Quell, Caern Adan und Syndulla standen an einem Ende des großen Holotisches, umgeben von planetaren Schildkarten und zweidimensionalen Bildern urbaner Landschaften und imperialer Bunker. Am anderen Ende des Tisches saßen Wyl Lark, Chass na Chadic und Nath Tensent, die Augen auf die Generalin oder auf die Displays gerichtet. Kairos schließlich marschierte lautlos durch den Raum, von einem Bildschirm zum nächsten, während sie die Daten studierte.

Quell hätte ihr befehlen können, sich zu setzen, aber sie hatte bereits vor Monaten akzeptiert, dass Kairos eine Frau mit ungewöhnlichen Angewohnheiten war. Außerdem war sie selbst immer noch ein wenig mitgenommen von der Sitzung mit ihrem metallenen Therapeuten.

»Die Alphabet-Staffel hat einen großen Beitrag zu unseren Fortschritten hier in Cerberon geleistet«, fuhr Syndulla fort. »Die Vorreiter-Staffel wurde zu einer Sondermission in den Bormea-Sektor abberufen; Alphabet, Meteor und Hagel sind also die einzigen Einheiten, die uns für den Rest dieser Operation zur Verfügung stehen. Aber« – sie blickte von einem Piloten zum nächsten, starrte sogar einen Moment in den Visor von Kairos’ Maske – »ich habe das Schattengeschwader nicht vergessen. Und Sie ebenso wenig, das weiß ich. Agent Adan hat mir die Liste mit den vermuteten Sichtungen des Feindes gezeigt, und ich stimme mit ihm überein, dass dieses Geschwader weiterhin eine Gefahr darstellt.«

Quell spürte, dass Adan sie anblickte. Er stand ein Stück abseits des Tisches, mit einem Datenblock in der Hand, die antennenartigen Fühler so weit eingezogen, dass sie fast in seinem lockigen schwarzen Haar verschwanden, und seine Miene wirkte gleichzeitig nachdenklich und selbstzufrieden.

»Wissen wir, was sie gerade treiben?«, fragte Tensent. Kurz sah es aus, als wollte er seine Stiefel auf den Tischrand hochlegen, aber dann besann er sich zum Glück eines Besseren. »Großmutter ist tot. Haben sie einen anderen aktiven Schlachtverband des Imperiums gefunden, dem sie sich anschließen konnten?«

Adan tippte seinen Datenblock an, und eine Reihe von Bildern erstrahlte im Orbit um den zentralen Holotisch: die Gesichter von Männern und Frauen, die Quell als die Kommandanten des Schattengeschwaders wiedererkannte; ein imperialer Sternzerstörer; zwei Kreuzer. Quell zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, sondern direkt in das blaue Licht zu starren. »Wir haben mehrere Theorien«, begann Adan. »Aber wir glauben nicht, dass die Einheit einer größeren Armada einverleibt wurde. Vielmehr können wir davon ausgehen, dass das Geschwader neu aufgebaut wurde. Der neue Anführer wäre leichter zu ermitteln, wenn wir wüssten, wer Pandem Nai überlebt hat, aber Quell hat bereits eine Liste mit den wahrscheinlichsten Kandidaten zusammengestellt.«

»Bis wir ein besseres Bild von ihren Aktivitäten haben, würde ich auf Major Rassus tippen.« Quell streckte den Arm aus und berührte eines der holografischen Bilder. Es zeigte einen Mann mittleren Alters mit säuerlichem Gesichtsausdruck. »Kompetent, gehorsam und nie außergewöhnlich genug, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder von seinen Vorgesetzten als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Vermutlich folgt er Großmutters letzten Befehlen und hält das Geschwader weiter auf ein Ziel ausgerichtet.«