Stark durch krisenhafte Zeiten - Johanna Gerngroß - E-Book

Stark durch krisenhafte Zeiten E-Book

Johanna Gerngroß

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Beschreibung

Wie uns das Wissen über Krisen stärkt - Basiswissen: Menschen in Krisen sinnvoll unterstützen und dabei gut auf sich selbst achten - Praxis: Typische Fälle, Fallen und Übungen Wissen Sie, was Empathie-Stress ist? Warum Opfern von Gewalttaten oft die Schuld an dem, was ihnen zugestoßen ist, gegeben wird? Warum Menschen oft lieber gaffen als helfen? Was ein Amygdala-Hijack ist oder warum existenzielle Einsichten unsere Resilienz fördern? Krisenkompetenz ist heute so gefragt wie nie. Neben persönlichen Krisen oder Schicksalsschlägen, die das Leben mit sich bringt, erleben wir Erschütterungen durch kollektive Krisen wie die Klimaerwärmung, die Corona-Pandemie und den Angriffskrieg auf die Ukraine. Wir fühlen uns verwundbar – und sind es auch. Wie können wir uns selbst und Betroffene in Krisen unterstützen? Was brauchen Menschen in Krisen? Was ist überhaupt sinnvolle Hilfe? Und nicht zuletzt: Wie kann ich als helfende Person gesund und stabil bleiben? Ausgehend von Wissenswertem über psychosoziale Krisen, Trauma und Traumabewältigung stellt dieses Buch wirksame Unterstützungsmöglichkeiten vor. Übungen und Fallbeispiele verdeutlichen, wie Fachkräfte, aber auch Betroffene und Angehörige Stark durch krisenhafte Zeiten gehen.

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Seitenzahl: 438

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Cover for EPUB

Johanna Gerngroß

Stark durch krisenhafte Zeiten

Resilienz fördern bei sich selbst und anderen

Schattauer

Impressum

Mag.a Dr.in Johanna Gerngroß

Fakultät für Psychologie Sigmund Freud Privat Universität

Campus Prater Freudplatz 1

1020 Wien Österreich

[email protected]

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltungskonzept: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © Anna Gorbacheva / istock

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Karla Seedorf

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40165-3

E-Book ISBN 978-3-608-12227-5

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20644-9

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Inhalt

Einleitung

1 Wissen über Krisen

1.1 Was sind psychosoziale Krisen?

1.2 Arten von psychosozialen Krisen – Krise ist nicht gleich Krise

1.3 Dynamik und Verlauf von Krisen

1.4 Krisenerleben – Wie geht es Menschen in Krisen?

1.4.1 Ganzheitliche Auswirkungen von Krisen

1.4.2 Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl

1.4.3 Subjektivität und die kritische Schwelle

1.4.4 Overthinking: Grübeln und sich sorgen

1.4.5 Schuldgefühle

1.4.6 Scham

1.5 Von der Krise zum Trauma

1.5.1 Krise oder Trauma?

1.5.2 Arten von Psychotrauma

1.5.3 Trauma als Bruch oder »Eigentlich hätte ich etwas anderes vorgehabt!«

1.5.4 Erschütterung der Grundannahmen oder die »rosarote Brille«

1.6 »Selbst schuld, kein Mitleid« oder blaming the victim

1.7 Krise als Chance? Persönliches Wachstum nach Krisen

1.8 Krisenprävention – Kann man sich gegen Krisen wappnen?

1.8.1 Das PERMA-Modell von Martin Seligman

1.8.2 Selbstwirksamkeit und Kontrolle über unser Leben

2 Wege aus der Krise

2.1 Acht Wege aus der Krise

2.2 Menschen in Krisen unterstützen

2.3 Was Menschen in akuten Krisen brauchen – und was nicht

2.4 Resilienz und Resilienzförderung

2.4.1 Resilienz in Krisensituationen

2.4.2 Trauma und Resilienz: Warum nicht jedes Trauma traumatisiert

2.5 Psychologische Akuthilfe

2.5.1 Die Ausgangslage

2.5.2 Was ist Psychologische Akuthilfe?

2.6 Praktische Hilfe: Das Ampelsystem

2.7 Traumabewältigung

2.7.1 Das Phasenmodell der traumatischen Reaktion

3 Darüber sprechen hilft (nicht immer) – Gesprächsführung in Krisen

3.1 Reden ist nicht gleich reden

3.1.1 Sender und Empfänger

3.1.2 Fünf Axiome der Kommunikation nach Paul Watzlawick

3.1.3 Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun

3.1.4 Kommunikationsmodell nach Gordon

3.1.5 Was unterscheidet ein professionelles (therapeutisches) Gespräch vom Alltagsgespräch?

3.2 Zentrale Techniken der Gesprächsführung

3.2.1 Zum Gespräch einladen: Mit

Pacing

und

Leading

zum Rapport

3.2.2 Verhalten des*der Beratenden

3.2.3 Aktives Zuhören

3.2.4 Richtig fragen

3.2.5 Weitere Techniken der Gesprächsführung

3.3 Motivational Interviewing (MI)

3.3.1 Elemente des Motivational Interviewing

3.3.2 Zum Umgang mit Widerstand

3.4 Fehler vermeiden

3.4.1 Störungen in der Kommunikation

3.4.2 Umgang mit Fallen

3.5 Ressourcenorientierung

3.5.1 Einteilung von Ressourcen

3.5.2 Ressourcenorientierung als Beratungsverständnis

3.5.3 Die Theorie der Ressourcenerhaltung

3.5.4 Ressourcenorientierte Gesprächsführung

3.6 Gesprächsführung in akuten Krisen und Notfällen

3.6.1 Grundprinzipien der Gesprächsführung in der Krise

3.6.2 Leitfaden Krisengespräch

3.6.3 Emotionen in der Gesprächsführung

3.7 Mit traumatisierten Menschen sprechen

3.7.1 Hilfreiche Haltungen im Gespräch mit einer traumatisierten Person

3.7.2 Reaktionsstile auf Konfrontation mit Trauma

3.7.3 Die Rolle der Beziehung

3.7.4 Die Kraft des Positiven

3.7.5 In Krisenzeiten

3.8 Wie sag ich es meinem Kind? – Mit Kindern über Krisen sprechen

3.8.1 Das Überbringen schlechter Nachrichten an Kinder

4 Das Leid anderer ertragen – Helfen ist anstrengend

4.1 Stressmanagement: Wie gehe ich als Helfer*in mit Belastungen um?

4.1.1 Was sind Ängste?

4.1.2 Stressmanagement

4.1.3 Exkurs: Ist der Mensch ein rationales Wesen?

4.2 Gefühlsansteckung: Mitweinen erlaubt?

4.2.1 Was ist Gefühlsansteckung?

4.2.2 Zwischen Mitweinen und Ablehnung: ein Grenzgang

4.2.3 Umgang mit Gefühlsansteckung

4.3 The cost of caring – Trauma ist ansteckend

4.3.1 Was ist »sekundäre Traumatisierung«?

4.3.2 Bausteine für eine sekundäre Traumatisierung

4.3.3 Transformation ermöglichen – Schutz vor sekundärer Traumatisierung

5 Über das Helfen

5.1 Warum fühlt helfen sich gut an?

5.1.1 Helfen wir, weil wir Altruisten sind?

5.1.2 Wer anderen hilft, lebt länger und ist zufriedener

5.2 Helfersyndrom und hilflose Helfer*innen

5.2.1 Helfersyndrom versus Altruismus

5.2.2 Möglichkeiten der Veränderung

5.2.3 Das Drama-Dreieck

5.2.4 Hilflose Helfer*innen

5.3 Gaffen statt helfen

5.3.1 Der Zuschauereffekt

5.3.2 Helfer*in in der Not?

5.4 Wenn Hilfe abgelehnt wird

5.4.1 Der freundliche Affe

5.4.2 Ablehnung von Hilfe in akuten Krisen

5.5 Wann ist professionelle Hilfe notwendig und wo finde ich diese?

5.5.1 Wann also professionelle Hilfe aufsuchen?

5.5.2 Wann braucht mein Kind professionelle Unterstützung?

5.5.3 Wie viel Hilfe ist notwendig?

6 Wenn die Verzweiflung zu groß wird – Suizidalität und Suizid

6.1 Lebensgefährliche Vorurteile – Suizidmythen

6.2 »Niemand bringt sich gerne um« – Ursachen für Suizid

6.2.1 Mögliche Auslöser für Suizid

6.2.2 Suizid als rationale Entscheidung?

6.2.3 Wie fühlen sich suizidale Menschen?

6.3 Wie wird man suizidal? – Die suizidale Entwicklung

6.3.1 Die drei Stadien nach Pöldinger

6.3.2 Das präsuizidale Syndrom

6.3.3 Die akute Überwältigungsreaktion

6.4 Wann wird es gefährlich? – Signale und Einschätzung von Suizidalität

6.4.1 Mögliche Signale für eine Suizidgefahr

6.4.2 Hinweise auf akute Suizidgefahr

6.5 Was tun bei Suizidalität?

6.5.1 Suizidalität ansprechen

6.5.2 Gespräche mit suizidgefährdeten Personen

6.5.3 Handlungsmöglichkeiten bei Suizidalität

6.6 Besorgte Eltern – Suizidalität bei Jugendlichen

6.6.1 Suizidgedanken und -fantasien als normaler Teil dieser Entwicklungsphase

6.6.2 Umgang mit suizidalen Jugendlichen

Danksagung

Literatur

Anhang: Settings und Anlaufstellen der Krisenintervention

Sachverzeichnis

Einleitung

Wie dieses Buch zu lesen ist

Meine bisherigen Bücher hatten eher Lehrbuchcharakter, auch wenn sie sich durchaus an Praktiker*innen richteten und praktisch anwendbares Wissen vermitteln sollten. Das nun vorliegende Buch hat einen anderen Ansatz. Ich möchte Wissen über Krisen und traumatische Ereignisse sowie Möglichkeiten des Umgangs bzw. der Bewältigung für alle, die sich dafür interessieren, zugänglich machen. Mein Anspruch ist, dass das vorliegende Buch zwar fachlich fundiert, aber doch leicht lesbar ist, mit vielen Beispielen aus der Praxis, Übungen, Anleitungen, Möglichkeiten zum selbst Ausprobieren. Alle, die mich aus Seminaren, Lehrveranstaltungen oder meiner Praxis kennen, wissen, dass ich einen sehr direkten Zugang zu diesen Themen habe und auch der Humor nie fehlen darf. Ich kann mich erinnern, dass mir nach einer Fortbildung über das Thema »Suizidalität in der klinischen Praxis« als Feedback ein »tabuloser Umgang mit dem Thema Suizidalität« attestiert wurde. Das mag vielen Menschen gefallen, aber manchen vielleicht auch zu viel sein. Als Notfallpsychologin bin ich davon geprägt, dass schlimme Ereignisse nicht besser werden, nur weil man die Dinge nicht klar benennt und ausspricht, sondern dass es für Betroffene hilfreich ist, wenn sich jemand nicht davor scheut, »das Kind beim Namen zu nennen«. Denn es zeigt, dass ich als Helferin nicht davor zurückschrecke und mit dem Thema umgehen kann. Ich habe länger mit mir gerungen, ob dieser deutliche und »tabulose« Ton auch in einem Buch sein darf. Denn im persönlichen Kontakt im Rahmen eines Seminars habe ich die Möglichkeit, starke Betroffenheiten bei Teilnehmenden aufzufangen – dies ist bei Leser*innen natürlich nicht möglich. Zudem bringe ich eigene Erfahrungen und Erlebnisse ein und das macht mich zu einem gewissen Grad angreifbar. Meine Erfahrung ist allerdings, dass es oft für meine Klient*innen, Studierenden oder Seminarteilnehmenden eine positive Erfahrung ist, auch von meinen Schwierigkeiten und Fehlern zu hören. Wir alle sind »Lernende« und über sich selbst zu lachen ist oft heilsam. Dies ermöglicht eine Begegnung auf Augenhöhe. So bitte ich meine Leser*innen um Nachsicht, wenn Ihnen einige Aussagen überspitzt erscheinen, manchmal vielleicht auch etwas vereinfacht. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, absolutes Wissen oder Ähnliches. Natürlich ist jede Krise anders und jeder Mensch ist anders und erlebt Krisen zu verschiedenen Zeitpunkten seines Lebens unterschiedlich. Das sollten wir in der Arbeit mit Menschen in Krisen nie vergessen. Dennoch: Vielleicht ist in diesem Buch Interessantes, Hilfreiches, Neues für Sie dabei – das würde mich freuen! Es soll Ihnen Anregungen liefern, vielleicht Optionen aufzeigen, Sie zum Nachdenken und – auch wenn es um Krisen geht – ab und zu zum Lächeln bringen. Denn Lachen ist noch immer die beste Medizin!

Noch ein Wort zu den im Buch beschriebenen Fallbeispielen: Diese basieren auf realen »Fällen«. Ich habe sie aber stark verfremdet, zum Teil auch zerlegt und neu zusammengesetzt. Wichtig ist für mich die »Message« und dass sie nicht »nachverfolgbar« sind. Sollte sich ein Klient oder eine Klientin von mir hier wiederfinden, bitte ich um Verständnis. Diese Fallbeispiele sind unverzichtbar und ermöglichen vielleicht auch anderen Menschen in ähnlichen Situationen, einen Weg für sich zu finden.

Die einzelnen Kapitel des vorliegenden Buches sind nur zum Teil aufeinander aufbauend, können also auch nach Interesse in einer individuellen Reihenfolge gelesen werden. Lediglich Kapitel 1 empfehle ich, tatsächlich als Einstieg zu lesen, da darin grundlegendes Wissen über Krisen vermittelt wird. Dabei geht es um eine begriffliche Klärung, was unter psychosozialen Krisen zu verstehen ist, welche Arten von Krisen unterschieden werden können und wie die Abgrenzung zwischen Krise und Psychotrauma aussieht. Dieses Einführungskapitel ist etwas theoretischer, lehrbuchartiger als das restliche Buch. Die beschriebenen Fallbeispiele lockern jedoch auf und stellen den nötigen Praxisbezug her. Kapitel 2 zeigt Wege aus der Krise auf – einerseits als Hilfe zur Selbsthilfe, andererseits als Unterstützung anderer Menschen in Krisen. Der Gesprächsführung ist Kapitel 3 gewidmet. Denn auch wenn wir ständig miteinander kommunizieren, heißt das nicht, dass wir mit dem, was für die Alltagskommunikation gilt, auch Menschen in Krisen helfen können. Häufig ist es sogar wichtig, gegen das eigene Bauchgefühl zu handeln, vor allem wenn es um das Ansprechen schwieriger Themen geht, über die wir uns vielleicht lieber ausschweigen würden, aus Angst, die Verletzung noch größer zu machen. Helfen, also andere Menschen in Krisen zu unterstützen, zu begleiten und zu beraten, ist anstrengend und zugleich auch immer ein »zweischneidiges Schwert«, da es zu einem Gefälle kommt zwischen der Person, die hilft, und der Person, die Hilfe braucht. So widmet sich Kapitel 4 den Fragen, wie man mit Gefühlsansteckung, persönlichen Betroffenheiten und eigener Hilflosigkeit zurechtkommt, wie man einer sekundären Traumatisierung vorbeugen und selbst Hoffnung und Zuversicht aufrechterhalten kann. Kapitel 5 geht schließlich der Frage nach, warum sich helfen gut anfühlt, wie man sein eigenes Helfersyndrom im Zaum hält und wie es dazu kommen kann, dass Hilfe abgelehnt wird. Das Buch schließt mit einem Kapitel zum Thema Suizidalität und Suizid. Auch wenn dies im ursprünglichen Konzept gar nicht vorgesehen war, erschien es mir doch zu wichtig, als dass es ausgespart werden dürfte. Neben Ursachen und Dynamik von Suizidalität wird der Frage nachgegangen, wie sich diese entwickelt und vor allem, was bei (akuter) Suizidalität zu tun ist. Da Studien zeigen, dass gerade junge Menschen in der Pandemie sehr gelitten haben, wird auch das Thema Suizidalität bei Jugendlichen behandelt. Schließlich sind im Anhang verschiedene Settings der Krisenintervention beschrieben und Kontaktadressen von Einrichtungen der Krisenhilfe angegeben für Deutschland, die Schweiz und Österreich. Diese Auflistung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist eher als Ideengeber zu sehen, wohin man sich wenden oder nach welchen Stellen man suchen kann.

1 Wissen über Krisen

1.1 Was sind psychosoziale Krisen?

»Es gibt kein Paradies auf Erden«, so formulierte es der Psychoanalytiker und Gründungsrektor der Sigmund Freud Privatuniversität Wien Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Alfred Pritz im Mai 2022 im Interview mit einer großen österreichischen Tageszeitung über eine Gesellschaft im Krisenmodus. Der Ausnahmezustand und die Veränderung seien das »neue Normal«.

Ja, Krisen gehören zum Leben und können jeden treffen. Dennoch kommen sie häufig überraschend und werden als bedrohlich erlebt. Sie sind typischerweise vorübergehend und bergen eine Chance zu Entwicklung und Wachstum. Dennoch sind sie meist mit Verlusten oder Kränkungen verbunden, stellen die bisherigen Werte und (Lebens-)Ziele infrage, erzeugen Angst und Hilflosigkeit und erfordern rasche Entscheidungen. Der betroffene Mensch erlebt sich als orientierungslos, ohnmächtig, hilflos, ohne Kontrolle, unter Druck. Die Erkenntnis, dass man sich in einer Krise befindet, lässt die Betroffenen Ressourcen aktivieren und verschiedene Wege der Bewältigung ausprobieren. Nicht immer mit Erfolg. Dabei sind die Anlässe, die uns in Krisen stürzen, individuell sehr unterschiedlich – so wie auch die Wege, die aus der Krise führen.

Der Begriff der Krise ist nicht erst seit der Coronakrise, Energiekrise oder Klimakrise in aller Munde und löst die verschiedensten Assoziationen aus. Ob in Wirtschaft, Politik, Medizin oder Psychologie, überall begegnen uns Krisen. Auch in die Alltagssprache haben die Begriffe Krise und Trauma Einzug gehalten. Das Wort Krise ist dem Altgriechischen κρίσις, Krisis, entlehnt und bedeutet Scheidung, Auswahl, Entscheidung (Gemoll 2006). Diese Bedeutung führt hin zum heutigen Gebrauch: Krise als schwierige Lage, Situation, Zeit (die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt), als Schwierigkeit, kritische Situation oder Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins (Duden online 2022). Schon in den Anfängen der Medizin, im sogenannten »Corpus Hippocraticum« (einer Sammlung von antiken medizinischen Texten), wird mit Krisis der Zeitpunkt benannt, an dem sich die Krankheiten verstärken, nachlassen, in eine andere Krankheit umschlagen oder aufhören. Krisen wohnt somit sowohl ein Gefahrenpotenzial als auch ein Wachstumspotenzial inne. So können durch psychosoziale Krisen psychische Erkrankungen bis hin zu Suiziden ausgelöst werden, aber es ist ebenso Wachstum möglich, wenn beispielsweise Menschen nach einer überstandenen schweren Erkrankung ihre Prioritäten ändern, gestärkt aus Krisen hervorgehen oder für sich einen neuen Lebenssinn finden. Krisen sind wichtiger Bestandteil von starkem Wachstum und großer Veränderung und zugleich Phasen hoher Vulnerabilität.

DEFINITION VON PSYCHOSOZIALEN KRISEN

Psychosoziale Krisen werden als Verlust des seelischen Gleichgewichts definiert, wenn wichtige Ereignisse oder Lebensumstände nicht bewältigt werden können, wenn Ressourcen und früher erworbene Fähigkeiten zur Bewältigung nicht mehr ausreichen. Psychosoziale Krisen können in vielen Schattierungen auftreten, von leichten Krisen, die nur wenige Tage bestehen, bis hin zu schweren Verläufen, die zu körperlichen und/oder psychischen Erkrankungen führen können.

1.2 Arten von (2)psychosozialen Krisen – Krise ist nicht gleich Krise

Psychosoziale Krisen können durch die verschiedensten Ursachen ausgelöst werden. Das können kollektive Ereignisse wie Naturkatastrophen, Unwetter, Kriege oder die Coronapandemie sein oder individuelle Schicksalsschläge wie Todesfälle, Erkrankungen oder Trennungen, aber auch Entwicklungskrisen wie die Pubertät. Beispiele für verschiedene Arten von Krisen sind:

Entwicklungskrisen junger Erwachsener

Trennungs- und Verlustkrisen – Partner*innenverlust, Scheidung, Arbeitsplatzverlust oder Arbeitslosigkeit, Auswanderung bis Flüchtlingsstatus, Inhaftierung, finanzieller Abstieg in Armut

soziale Krisen, eskalierende Konflikte meist im nahen sozialen Umfeld

Krisen im Rahmen psychischer Erkrankungen (zum Beispiel krisenhafte Verläufe im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen, …)

chronifizierte Krisen (chronische somatische Erkrankungen und Behinderungen)

Veränderungskrisen (zum Beispiel durch Pubertät, Verlassen des Elternhauses, Schwangerschaft, Pensionierung etc.)

suizidale Krisen (kann sich aus anderen Formen heraus entwickeln)

krisenhafte Reaktionen nach traumatischen Erlebnissen, sogenannte »traumatische Krisen«

Wenn man versucht, eine Einteilung zu treffen, so lassen sich verschiedene Arten von Krisen unterscheiden. Neben der Unterscheidung zwischen kollektiven und individuellen Krisen(1) sind psychosoziale Krisen abzugrenzen von einem psychiatrischen Notfall. Unter Letzterem wird ein krankheitsbedingter Zustand verstanden, der zu unmittelbarem Handeln zwingt. Darunter fallen Zustände wie Erregung, Wahn, starke Angst, Verwirrung, Verlust der Impulskontrolle, Fremd- oder Selbstdestruktivität. Diese Unterscheidung ist allerdings in der Praxis nicht immer einfach zu treffen, weil die Reaktionen nach einem furchtbaren Schicksalsschlag sehr heftig ausfallen und an psychiatrische Notfälle erinnern können (Aggression, Verwirrung, Selbst- oder Fremdgefährdung). Umso wichtiger ist es, Helfer*innen entsprechend zu schulen, um normale Reaktionen auf ein unnormales Ereignis von einem psychiatrischen Notfall abgrenzen und die richtige Form der Unterstützung anbieten zu können.

FALLBEISPIEL

Nachdem eine Mutter ihr Baby durch den plötzlichen Kindstod verloren hat, lässt sich die junge Frau durch nichts beruhigen. Die Helfer*innen sind ratlos. Es werden ihr Beruhigungsmittel verabreicht und sie wird – da eine Selbstgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann – auf eine psychiatrische Station eines Krankenhauses gebracht. Rückblickend gibt die Frau an, dies als traumatisch erlebt zu haben – aus der vertrauten Umgebung und weg von den vertrauten Personen gerissen zu werden, vor allem weg von ihrem (toten) Baby und dessen persönlichen Dingen (Bettchen, Decke, Kuscheltiere). Sie wurde dadurch in ihrem Trauer- und Verarbeitungsprozess empfindlich gestört.

Während kollektive (3)Krisen(1) häufig geprägt sind durch geteiltes Leid, gegenseitige Unterstützung und Sinnstiftung durch eine kollektive Identität, stellt sich bei individuellen Krisen wie Unfällen, Gewalttaten oder sogenannten »Off-time«-Ereignissen (Tod des Partners vor der Zeit, plötzlicher Kindstod, Krebserkrankung u. Ä.) die Frage nach dem Warum: »Warum ich?« »Warum mein (unschuldiges) Kind?« Darin findet die schmerzhafte Ungerechtigkeit Ausdruck, das Unerklärliche, dass manche Menschen derartiges Leid ertragen müssen, während andere scheinbar unbesorgt dahinleben. Eine individuelle Antwort auf diese Frage zu finden, ist eine große Herausforderung und ein wichtiger Schritt in der Bewältigung.

Eine weitere Möglichkeit, Krisen einzuteilen, ist die Unterscheidung zwischen normativen und nicht-normativen Krisen (Erikson 1973). Während unter normativen(1) Krisen etwa Entwicklungskrisen, Geburt, Alter oder Tod verstanden werden, also Ereignisse, die als zum Leben gehörend gesehen werden können, die mehr oder weniger jeder Mensch durchlebt, fallen nicht-normative Krisen(1) aus dem »Normalen« heraus. Dazu zählen traumatische (1)Ereignisse, die die physische Existenz und Unversehrtheit beschädigen, wie (sexualisierte) Gewalt, Unfälle, Naturkatastrophen, plötzliche Todesfälle, Krieg, Flucht oder Vertreibung. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, plötzlich, sogenannte Schicksalsschläge und verändern das Leben von einer Sekunde auf die andere. Diese Ereignisse werden auch als kritische Lebensereignisse bezeichnet.

Eine ähnliche Unterscheidung ist jene in Veränderungskrisen (1)(Caplan 1964) und traumatische(1) Krisen (Cullberg 1978). Während Veränderungskrisen aufgrund von großen Lebensveränderungen entstehen können (Pubertät, Verlassen des Elternhauses, Schwangerschaft, Berufswechsel, Pensionierung, Konfrontation mit eigenem Sterben), werden traumatische Krisen ausgelöst durch ein plötzlich auftretendes Ereignis, das die psychische Existenz, soziale Identität und Sicherheit bedroht. Interessant dabei ist, dass eine Veränderungskrise auch durch positive Ereignisse, Situationen, die wir selbst gewählt und gewünscht haben, ausgelöst werden können. Denken wir an die Geburt eines Kindes, ein Ereignis, das wir sehnlichst erwarten, aber unser Leben komplett auf den Kopf stellt und uns zum Teil psychisch und physisch überfordert, oder an einen Umzug, eine Beförderung, die Pensionierung u. v. m. Die Einteilung von Krisen in normative und nicht-normative Krisen bzw. in Veränderungskrisen und traumatische Krisen ist in Abb. 1-1 veranschaulicht.

Abb. 1-1: Krisentypologien:(4) normative versus nicht-normative Krise; (2) Veränderungskrise vs. traumatische Krise.

Wie Menschen verschiedene Krisenanlässe erleben und welche Auswirkungen diese haben, ist individuell sehr verschieden und abhängig von der jeweiligen Lebenssituation, den Vorerfahrungen sowie den vorhandenen Ressourcen. Die Bewältigung von Krisen hängt wiederum davon ab, welches Ausmaß an sozialer Unterstützung vorhanden ist, welche individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen jemand gemacht hat und ob Ressourcen aktiviert werden können. Zudem spielen die subjektive Bewertung des Krisenanlasses eine bedeutende Rolle sowie auch Gedanken über den Ausgang, die Bewältigung (»Das schaffe ich nie.« oder »Ich weiß zwar noch nicht, wie, aber ich weiß, dass ich das überstehen kann.«).

Eine Krise stellt keine »Krankheit« dar, sondern ist ein emotionaler Ausnahmezustand, der durch psychosoziale Belastungen hervorgerufen wird.

WAS SIND PSYCHOSOZIALE KRISEN?

Bruch im bisherigen Erleben und Handeln durch Ereignisse, Erlebnisse oder Veränderungen

Verlust an Kontrolle

Bisherige Normen, Ziele und Werte werden infrage gestellt

Krise entsteht erst, wenn Bewältigungsstrategien gescheitert und erschöpft sind

Ausnahmezustände im Ablauf des menschlichen Lebens

Entscheidend: subjektiv erfahrene Belastung im Verhältnis zu den Bewältigungsmöglichkeiten

Spektrum von Krisen, wie sie bei jedem Menschen auftreten können, bis hin zu psychiatrischem Notfall

1.3 Dynamik und Verlauf von Krisen(1)

Zur Beschreibung des Verlaufs von Krisen soll die oben getroffene Unterscheidung in Veränderungskrisen (»normative« Krisen) und traumatische Krisen (»nicht-normative« Krisen, traumatische (2)Ereignisse) wiederaufgegriffen werden. Die Verläufe von Veränderungskrisen und traumatischen Krisen sind sehr unterschiedlich. Typisch für Veränderungskrisen ist, dass sich die Krise erst mit der Zeit aufbaut. Zuerst bemerkt man es selbst vielleicht noch gar nicht, sondern nimmt nur eine Zunahme an Druck und Belastung wahr und versucht Verschiedenes, um die Situation leichter zu machen. Erst wenn diese Bewältigungsversuche scheitern und man sich zunehmend hilflos fühlt, spitzt sich die Lage zu und die eigentliche Krise (Vollbild der Krise) entsteht. Es ist aber auch denkbar, dass sich die Krise gar nicht voll entwickelt, wenn beispielsweise der Krisenanlass wegfällt, die vorgestellte Katastrophe nicht eintritt oder eine Lösung gefunden wird. Ganz anders bei traumatischen Krisen oder kritischen Lebensereignissen. Diese treffen uns mit voller Wucht, völlig aus dem Nichts. Die Krise beginnt sofort mit dem Höhepunkt. Eine Betroffene berichtet: »Ich kann mich erinnern, ich habe gerade die Nudeln für das Abendessen aufgestellt, als es an der Türe klingelte. Draußen stand die Polizei und überbrachte mir die Nachricht, mein Sohn wäre tödlich verunglückt. Es war, als hätte mich der Schlag getroffen. Ich stand einfach da, konnte mich nicht rühren. Weinen konnte ich erst viel später. Ich dachte nur: »Bitte lass mich aus diesem Albtraum aufwachen, das kann nicht wahr sein, ich bin im falschen Film …«

Die unterschiedlichen Verläufe werden auch deutlich, wenn man Menschen in Krisensituationen die Frage stellt, seit wann sie sich bereits in einer Krise befinden. Menschen in Veränderungskrisen müssen darüber oft angestrengt nachdenken und antworten dann eher vage: »Ich kann das nicht so genau sagen, das geht schon länger so. Aber richtig schlimm ist es seit drei Wochen, seitdem kann ich fast nicht mehr schlafen. Daher hab ich mir gedacht, ich muss jetzt was tun.« Stellt man jemandem nach einem kritischen Lebensereignis dieselbe Frage, hört man Antworten wie folgende: »Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen. Es war gegen halb 10 Uhr morgens am 23. 07. 2019.« Auch wenn das traumatische Ereignis schon viele Jahre zurückliegt, hört es sich häufig so an, als wäre es gerade erst passiert. Dies kann bei Helfenden zu einer falschen Einschätzung der Dringlichkeit von Maßnahmen führen. Das erinnert mich an den Rat meines geschätzten Kollegen und bekannten Notfallpsychologen Prof. Dr. Clemens Hausmann, dass beim Erstkontakt wichtiger als die Frage nach dem Was die Frage nach dem Wann sei.

FALLBEISPIEL

Da kommt mir eine Situation in den Sinn, in der obiger Hinweis wichtig für mich gewesen wäre: Vor vielen Jahren befand ich mich auf der Zugfahrt nach Hause zu meiner Familie. Es war der 23. Dezember. In dem rappelvollen Zug erhielt ich den Anruf einer früheren Studentin von mir, die in einer Jugendeinrichtung arbeitete. Eines der Mädchen dort hatte sich das Leben genommen. Sowohl das Personal als auch die anderen Jugendlichen seien geschockt, alle hätten Angst vor einer Nachahmungstat. Da sie mich von einem Seminar an der Uni in guter Erinnerung hatte, bat sie mich, das Team in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Geschmeichelt von dem Gefühl, gebraucht zu werden, und voller Tatendrang ob des interessanten Auftrags machte ich mich schon bereit, bei der nächsten Station auszusteigen, um nach Wien zurückzufahren (der Zug war noch nicht weit weg von Wien). Da kam mir plötzlich etwas eigenartig vor und ich rief die Kollegin noch einmal an. Ich fragte, wann denn der Suizid passiert sei? Ihre Antwort lautete: vor acht Tagen. Halb belustigt, halb verärgert über mich selbst setzte ich mich wieder auf meinen Platz und vereinbarte eine telefonische Kontaktaufnahme, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ein sofortiges Handeln im Sinne einer akuten notfallpsychologischen Betreuung schien nicht unbedingt erforderlich – und wurde zudem gar nicht erwartet.

KRISENVERLÄUFE

Während sich Veränderungskrisen allmählich aufbauen und zunehmend zuspitzen, beginnen traumatische Krisen direkt mit dem Höhepunkt der Krise – völlig aus dem Nichts bricht das Leben auseinander. Es gibt ein Leben davor und eines danach.

Die zeitlichen Verläufe von Veränderungskrisen und traumatischen Krisen sind modellhaft in Abb. 1-2 und Abb. 1-3 dargestellt. Wie in Abb. 1-2 gut ersichtlich, baut sich eine Veränderungskrise üblicherweise allmählich auf. Konfrontiert mit einer schwierigen Situation, probiert man gewohnte Strategien aus, um diese zu bewältigen, macht aber die Erfahrung, dabei nicht erfolgreich zu sein. Es entsteht ein zunehmender Leidensdruck. Dabei fühlt man sich unzulänglich, was sich auch negativ auf den Selbstwert auswirkt, aber schließlich auch zu neuen Wegen der Bewältigung führen kann. Ich erlebe es häufig in meiner Praxis, dass mir Menschen in akuten Krisen gegenübersitzen, die es nicht fassen können, die Hilfe einer Psychologin in Anspruch nehmen zu müssen. Sie hätten bisher immer alles allein geschafft, aber diesmal haben alle Versuche, die Situation zu lösen, nicht gefruchtet. In der Phase der Mobilisierung wird noch einmal alles aufgeboten, um die Krise zu bewältigen – eigene Versuche, die Situation zu lösen, das Aufsuchen externer Unterstützung und so weiter. Dies kann zu einer Lösung der schwierigen Situation führen oder aber – wenn nicht erfolgreich – zu einer weiteren Verschärfung mit sozialem Rückzug, Resignation und Frustration. Der »Lösungsweg« der Vermeidung (eigentlich eher ein Aufgeben) birgt die Gefahr einer Chronifizierung. Bleibt das Problem ungelöst, kommt es schließlich zum Vollbild der Krise. Diese Zuspitzung geht häufig einher mit körperlichem und psychischem Leiden (Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen usw.), mit »Selbstmedikation« durch Tabletten, Alkohol oder anderen Substanzen, begleitet von Gefühlen der Ratlosigkeit, Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Erst eine Bearbeitung der Krise bzw. des Krisenanlasses sowie der stattgefundenen Veränderungen führen zu neuen Bewältigungsstrategien und schließlich zu einer Neuorientierung und Bewältigung (Caplan 1964, Sonneck et al. 2016).

Abb. 1-2: Verlauf(3) einer Veränderungskrise (eigene Darstellung nach Caplan 1964, Sonneck et al. 2016).

Anders der Verlauf der traumatischen Krise, dargestellt in Abb. 1-3 (nach Cullberg 1978). Diese beginnt mit einem traumatischen Ereignis. Das kann ein plötzlicher Todesfall, eine unerwartete Diagnose einer schweren Erkrankung, ein Unfall, eine Gewalterfahrung oder Ähnliches sein. Dieses Ereignis ist so bedrohlich und überwältigend, dass es zu einem regelrechten Schock kommt. Wie in den Fallbeispielen oben beschrieben, kann es sein, dass sich Betroffene wie »betäubt«, »im falschen Film« fühlen, völlig orientierungslos sind usw. Es gibt aber auch Menschen, die nach außen hin »funktionieren« und möglicherweise erst später zusammenbrechen. Typisch ist, dass diese psychischen Reaktionen begleitet sind von starken körperlichen Stressreaktionen wie Herzklopfen, Schweißausbruch oder zittrigen Knien. Genannt wird dieser Schockzustand auch »Akute Belastungsreaktion«. Wichtig ist, in dieser Phase die Betroffenen nicht allein zu lassen (es kann in dieser Phase auch zu einer suizidalen Handlung kommen – siehe Kapitel 6.3.3 »Suizidale Überwältigungsreaktion«) und sie behutsam zu begleiten. Wie man in einer solchen Situation reagiert, ist völlig unvorhersehbar, es sei denn, man ist – wie es beispielsweise bei Einsatzkräften der Fall ist – gut trainiert. Aber auch dies hat Grenzen. Ich erinnere mich an einen routinierten Lokführer, der einen Menschen, der sich vor den Zug warf, mit seiner Lok überrollte und erzählte, er hätte nur die Checkliste abarbeiten müssen – »aber, zum Teufel«, es war ihm nicht möglich, diese zu finden. Solche Reaktionen sind völlig normal und flauen üblicherweise rasch wieder ab. So wurde auch der Lokführer nach kurzer Instruktion über Funk rasch wieder handlungsfähig. Die relativ kurz andauernde Schockphase kann dann in die sogenannte Reaktionsphase übergehen. Diese kann mehrere Wochen dauern. Was passiert ist, wird jetzt erst realisiert. Allerdings sickert es erst nach und nach ins Bewusstsein, d. h. es kommt zu einem Wechselspiel zwischen Überwältigung (weinen, verzweifelt sein usw.) und Vermeidung (es nicht wahrhaben können; das Gefühl haben, das Ganze sei gar nicht passiert). Diesen Wechsel zwischen (1)Überwältigung und Vermeidung kennt wohl jeder von uns zumindest in milder Form, der sich schon einmal in einer schweren Krise befand, zum Beispiel nach einer Trennung. Man wacht in der Früh auf und fragt sich: »Ist das wirklich passiert oder hab ich das geträumt?«. Dann »fällt es einem wieder ein« und die Verzweiflung, die Sorgen, das Grübeln beginnen, vielleicht wird man von schrecklichen Bildern überflutet. Im Verlauf des Tages »vergisst« man immer wieder, was passiert ist, dann wird es einem wieder bewusst und so weiter und so fort. Dieser Prozess führt zu einer Art dosierten Durcharbeitens von etwas, was zu schrecklich, zu schmerzhaft ist, als dass es gleich ganz aufgenommen und verarbeitet werden könnte. Eigentlich ein großartiger Schutzmechanismus unserer Psyche. Dieser Prozess ist natürlich ein höchst leidvoller und kann mit einer Vielzahl an Belastungen einhergehen. Auftreten können Konzentrations- und Schlafstörungen, Ängste, erhöhte Schreckhaftigkeit, lebendige Erinnerungen und Wiedererleben oder Albträume. Betroffene versuchen, diese Reaktionen durch verschiedene Maßnahmen zu reduzieren. Menschen ziehen sich zurück, weil sie sich von anderen, die so etwas nicht erlebt haben, entfremdet fühlen. Um Schlafstörungen, quälende Gedanken und vielleicht sogar Schuldgefühle (diese treten häufig auf, auch ohne dass es eine tatsächliche Schuld gibt) zu betäuben, greifen manche zu Alkohol oder Medikamenten. Es werden auch andere Möglichkeiten erprobt, sich Linderung zu verschaffen – vielleicht Spaziergänge mit dem Hund, mit der Katze zu kuscheln oder gemeinsam mit den Kindern ein Gedenkbuch zu gestalten. So wird langsam eine Bearbeitung des Erlebten möglich und die Person erholt sich. Die Geschehnisse werden allmählich akzeptiert. Was davor noch unvorstellbar war, wird denkbar – zum Beispiel ein Leben ohne die geliebte verstorbene Person. Es werden Möglichkeiten gefunden, mit dieser neuen Situation zu leben. Natürlich ist das ein Prozess mit vielen »Ups and Downs«, der wellenförmig verläuft und in dem nicht linear eine Phase in die nächste übergeht. Schließlich kommt es auch hier, wie bei der Veränderungskrise, zu einer Neuorientierung. Für viele Menschen bedeutet dies, verstärkt über ihr Leben nachzudenken, sich neu zu positionieren, vielleicht sogar einen neuen Sinn in ihrem (4)Leben zu finden.

Abb. 1-3: Verlauf(5) einer traumatischen Krise(1) (eigene Darstellung nach Cullberg 1978).

1.4 Krisenerleben(1) – Wie geht es Menschen in Krisen?

1.4.1 Ganzheitliche Auswirkungen von Krisen

Krisen haben Auswirkungen auf den ganzen Menschen. Dass wir in einer Krise sind, merken wir selbst häufig auch daran, dass es zu Veränderungen kommt: Wir sind gereizt, haben keine Geduld, fühlen uns angespannt, traurig, lustlos. Zu Aktivitäten, die uns sonst Freude machen, können wir uns nicht aufraffen. Wir ziehen uns von Freund*innen, der Familie zurück. Wir können nicht abschalten, grübeln häufig, es kommt zum Tunnelblick, wir haben das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, sehen keinen Ausweg mehr. Es kommt vermehrt zu Ängsten, vielleicht sogar zu Panikattacken. Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Nervosität und eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit verschärfen die Situation noch. Dabei ist die Wirkung nach außen oft eine andere als unsere Innensicht ist. Nach außen sind häufig vor allem Rückzug, Aggression und Gereiztheit, Erschöpfung und ein Sich-im-Kreis-Drehen sichtbar. Über die dahinterstehende Verzweiflung, Ratlosigkeit und das Gefühl des Alleinseins wird oft nicht gesprochen.

Häufig sind es die körperlichen Auswirkungen von Krisen, die Betroffene als Erstes eine Arztpraxis aufsuchen lassen. Dies ist auf jeden Fall ein guter Schritt. Einerseits kann es Erleichterung bringen, zu wissen, dass körperlich alles in Ordnung ist, und beispielsweise Herzrasen oder Ähnliches keine Hinweise auf eine schwere Erkrankung sind. Andererseits kann eine Medikation mit leichten Antidepressiva die Situation entschärfen. Sind psychosoziale Krisen die Ursache für die körperlichen Beschwerden, ist es jedoch mit einem Arztbesuch nicht getan. Dennoch ist es ein erster Schritt – es wird erkannt: »Ich befinde mich in einer Krise, ich muss etwas tun.« Im besten Fall kann die Ärztin eine gute Psychologin oder Psychotherapeutin empfehlen. Leider zeigt die Erfahrung, dass Betroffene oft lange suchen müssen, bis sie wirklich Hilfe bekommen.

KRISEN WIRKEN SICH AUF DEN GANZEN MENSCHEN AUS

Gefühle: Ratlosigkeit, Gereiztheit, Ängste, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Verzweiflung, Verunsicherung etc.

Gedanken: verwirrt sein, keine klaren Gedanken mehr möglich, eingeengtes Denken, Gedankenkreisen, Verlust von Kreativität, innerliche und gedankliche Leere etc.

Körper: Anspannung (Verspannungen, Schmerzen), Nervosität, Erschöpfung, Schlaf- und Konzentrationsprobleme, Essprobleme (zu viel essen, zu viel Süßes essen, nichts essen …) etc.

sozial: Vermeidung, Rückzug, riskantes Verhalten

DIE »WIPPE« – EIN GEGENGEWICHT SCHAFFEN

Auch wenn sich die Krise nicht immer leicht entschärfen lässt, die Probleme nicht rasch gelöst werden können, so kann einer Verschärfung entgegengewirkt werden, indem zumindest auf die Erfüllung basaler Bedürfnisse geachtet wird. Diese Empfehlung wirkt auf den ersten Blick vielleicht eigenartig, aber ausreichend Schlaf, gesundes und regelmäßiges Essen, Körperpflege und die Einhaltung einer gewissen Routine helfen, die Kraft aufrechtzuerhalten, die für die Krisenbewältigung nötig ist. Auch kurze Momente der Erholung sind wichtig: ein Gespräch mit einem vertrauten Menschen (wobei nicht unbedingt über die Krise gesprochen werden muss), ein Spaziergang in der Natur, spielen und kuscheln mit Kindern, das Streicheln eines Tieres u. Ä. In einem permanenten Stresszustand zu sein, ist sehr anstrengend, daher braucht es unbedingt ein Gegengewicht. Es ist nachvollziehbar, dass man in Krisen keine Lust und Kraft hat, einen Ausflug zu machen oder mit Freund*innen essen zu gehen. Man fühlt sich nicht gut, kann so eine Unternehmung kaum genießen und hat kein Interesse am Plaudern mit Freund*innen. Auf der anderen Seite möchte und kann man nicht die ganze Zeit von den eigenen Problemen sprechen (um dann – etwas überspitzt gesagt – Ratschläge zu hören, die einen nicht weiterbringen). So bleibt man zu Hause, zieht sich immer mehr zurück. Dem muss unbedingt entgegengewirkt werden, sonst werden die Ressourcen immer weniger.

1.4.2 Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl(2)

Menschen in Krisen haben häufig das Gefühl, zu versagen, unzulänglich zu sein, die Einzigen zu sein, die ihr Leben nicht meistern. Das vorherrschende Gefühl in Krisen ist Hilflosigkeit, Ohnmacht, ein Gefühl des Kontrollverlusts (zum Gefühl der Hilflosigkeit siehe auch Kapitel 1.5). Dies hat massive Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl. Es kann als sehr entlastend erlebt werden, wenn Betroffene hören, dass sie eben nicht die Einzigen sind, denen es so geht. Zu Beginn meiner Tätigkeit in freier Praxis war ich noch sehr geprägt von meiner Ausbildung, in der ich immer zu hören bekam, dass man Klient*innen nichts von sich selbst erzählen solle. Natürlich ist es unprofessionell, den Klient*innen ungefiltert von den eigenen Problemen vorzujammern, jedoch hat es sich als durchaus hilfreich erwiesen, sehr dosiert zu berichten, dass man selbst oder Freund*innen/Klient*innen Ähnliches erlebt haben. Zu normalisieren, was jemand gerade erlebt, zu wissen, es liegt nicht an der eigenen vermuteten Unfähigkeit, kann sehr entlastend sein. Dabei habe ich eine Frau vor Augen, die mir mit einem bitteren Ausdruck anvertraut hat, wie sehr sie mit ihrem sich verändernden Körper (sie ist Anfang 50) hadere, wie traurig sie die beginnende Menopause mache, aber darüber könne man ja mit niemandem sprechen.

1.4.3 Subjektivität und die kritische Schwelle(3)

Welche Situationen von Menschen als Krise erlebt werden, ist subjektiv sehr verschieden. Nicht nur von Mensch zu Mensch unterschiedlich, sondern auch bei ein und derselben Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben. Je nachdem, was sonst gerade »los« ist, wie stabil man gerade ist, wie viel Halt man gerade hat, werden krisenhafte Ereignisse uns unterschiedlich hart treffen. Nicht schwanger zu werden, löst mit 32 Jahren andere Gedanken aus als mit 42 Jahren; eine sehr fordernde Chefin zu haben, erschöpft mich mehr, wenn ich zwei kleine Kinder zu Hause habe und sowieso aus dem letzten Loch pfeife oder wenn ich mich gerade beruflich beweisen möchte – wenn diese etwas plakativen Beispiele gestattet sind. Dazu kommen persönliche Stärken und wunde Punkte, die sich ebenfalls entsprechend auswirken. So ist die kritische Schwelle, bei deren Überschreiten eine Krise beginnt, von Person zu Person sowie »innerhalb einer Person« sehr unterschiedlich (siehe auch »Vulnerabilitätsmodell« nach Hiller, Goebel 1992).

FALLBEISPIEL

In einer Teamsupervision kamen immer wieder Spannungen zur Sprache, die aufgrund unterschiedlicher Belastbarkeiten entstanden. Das Team bestand aus drei jungen Frauen, die sehr unterschiedlich stressresistent schienen. Zwei der Teammitglieder hatten immer wieder den Eindruck, ihre Kollegin sei kaum belastbar, was sie dann ausgleichen müssten. Häufige Krankenstände der anscheinend weniger belastbaren Kollegin führten immer wieder zu Ärger und zu zum Teil unverhohlenen Vorwürfen. Letztlich wurde bei der betreffenden Frau eine schwere Autoimmunerkrankung diagnostiziert, was auch die geringere Belastbarkeit und erhöhte Krankheitsanfälligkeit erklärte.

1.4.4 Overthinking: Grübeln und sich sorgen(4)

Eine typische Verhaltensweise in Krisen ist das Grübeln(1). In der Fachsprache nennt man dieses Phänomen, das wir sicher alle gut kennen – Rumination. Häufig beschreiben es Menschen so, dass sie das Gefühl haben, sie hätten die Kontrolle über ihre Gedanken verloren (zu Techniken gegen Grübeln siehe Kapitel 2.6). Grübeln ist nicht dasselbe wie nachdenken. Es ist gut, über die Probleme, die zur Krise geführt haben bzw. diese aufrechterhalten, nachzudenken. Grübeln hat aber mit konstruktivem, lösungsorientiertem Nachdenken wenig zu tun. Meist ist es bloße Schwarzmalerei und ein Sich-im-Kreis-Drehen, das nicht zielführend ist, denn es führt zu Erschöpfung und dazu, dass man sich schlecht fühlt. Daher wird Grübeln auch als ein Vermeidungsverhalten angesehen. Das klingt zunächst seltsam. Durch das Grübeln entsteht der Eindruck, man würde sich mit dem Problem beschäftigen. Tatsächlich hält es uns jedoch davon ab, rational und konstruktiv nach Lösungen zu suchen und entsprechend zu handeln. Stattdessen kreisen unsere Gedanken immer wieder um dieselben negativen Szenarien. Zudem ist Grübeln mit Sorgen verbunden und nicht mit der Antizipation eines positiven Ausgangs der Situation. Problematisch ist außerdem, dass dadurch im Gehirn das (1)Angst-Netzwerk tief eingegraben wird und es daher immer schwieriger wird, positiv zu denken. Es gibt Menschen, die mehr zum Grübeln neigen als andere. Das heißt aber nicht, dass man dem hilflos ausgeliefert ist. Es ist daher wichtig, sich selbst kennenzulernen und entsprechend gegenzusteuern. Ähnlich ist es mit der sogenannten Handlungs- und Lageorientierung (Kuhl 2001). Jeder Mensch reagiert anders auf Probleme, Rückschläge u. Ä. Einige von uns brauchen länger, um sich von einem Misserfolg zu erholen, denken viel darüber nach, was gewesen sein könnte, wenn sie sich anders verhalten hätten (»kontrafaktisches Denken«). Sie trauern und hadern mit ihrem Schicksal (hohe Lageorientierung). Anderen fällt es leichter, das, was passiert ist, zu akzeptieren und sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Sie überlegen, was nun zu tun ist, und halten sich nicht lange mit Grübeln und depressiven Gedanken auf (hohe Handlungsorientierung). Wir alle haben beide Anteile in uns und beide Strategien haben Vor- und Nachteile. Auch hier ist es hilfreich, sich dessen bewusst zu werden, ungeeignete Strategien zu identifizieren und stattdessen verstärkt auf geeignetere zurückzugreifen.

WAS HABEN NEURONALE NETZWERKE MIT GRÜBELN ZU TUN?

»What fires together, wires together!« (auf Deutsch: Neuronen, die zusammen feuern, vernetzen sich auch miteinander) ist eine bahnbrechende Erkenntnis gewesen, die unsere Vorstellungen davon, wie unser Gehirn lernt, verändert hat. Der Psychologe Donald Olding Hebb stellte 1949 die sogenannte Hebbsche Lernregel auf (Hebb 2005). Zur Erklärung: Unser Gehirn besteht aus Nervenzellen (Neuronen). Eine einzelne Nervenzelle kann keine Aufgabe bewältigen oder Reaktionen auslösen. Dafür müssen diese in Strukturen zusammenarbeiten. Die Hebbsche Lernregel besagt, dass die Verbindung von zwei Neuronen gestärkt wird, wenn sie gemeinsam aktiv sind. Das bedeutet: Je öfter wir verschiedene Nervenstränge zum Beispiel durch Gedanken gemeinsam aktivieren, desto leichter wird es, dass diese Nervenzellen gemeinsam feuern. Hebb gilt als Entdecker der neuronalen oder synaptischen Plastizität. Das heißt, dass sich ein neuronales Netzwerk anpassen und verändern kann. Je nach Umwelt und Einfluss werden Verbindungen verstärkt oder abgeschwächt – wir verlernen und vergessen. Unsere neuronalen Netzwerke verändern sich mit jeder gemachten Erfahrung – neue Netzwerke werden angelegt oder Informationen in bereits bestehende Netzwerke integriert. Wir lernen ein Leben lang. Je häufiger ein Netzwerk aktiviert wird, desto stabiler ist es. Es wird immer größer und kann immer leichter aufgerufen werden. Es ist also von großer Bedeutung, zu kontrollieren, was wir denken, denn jeder Gedanke, jede Befürchtung kann ein Netzwerk stärken, das wir eigentlich gar nicht stabilisieren wollen.(2)

1.4.5 Schuldgefühle(5)

Grübeln und kontrafaktisches Denken (»Was wäre, wenn …?«) treten häufig in Zusammenhang mit Schuldgefühle(1)n auf: Hätte man das Unglück abwenden können, wenn man sich anders verhalten hätte? Schuldgefühle sind etwas sehr Hartnäckiges, Unangenehmes, Quälendes und treten interessanterweise oft auf, ohne dass wir tatsächlich etwas Schuldhaftes getan (oder unterlassen) haben. Im Übrigen können wir auch etwas Schuldhaftes tun, ohne auch nur die geringsten Schuldgefühle zu haben – aber das soll hier nicht Thema sein. Häufig unterliegen wir bei Schuldgefühlen verschiedenen Denkfehlern, wie etwa dem sogenannten »Rückschaufehler(1)«. Dabei bewerten wir eine vergangene Situation so, als hätten wir zum damaligen Zeitpunkt schon die Informationen gehabt, über die wir zum heutigen Zeitpunkt verfügen. Als Beispiel: Eine Frau, deren Mann sich das Leben genommen hat, sagt: »Als ich ihn zum letzten Mal gesehen hab, hab ich ihm gar nicht gesagt, wie lieb ich ihn habe. Ich war total im Stress, das Kind wollte die Schuhe nicht anziehen und ich hab mich nicht einmal richtig von ihm verabschiedet, weil ich nur damit beschäftigt war, das Kind rechtzeitig in den Kindergarten zu bringen.« Diese Frau konnte nicht wissen, dass sie ihren Mann an diesem Morgen zum letzten Mal sieht. Eine Verabschiedung oder gar Liebesbezeugung ist im frühmorgendlichen Alltagsstress ganz einfach untergegangen. In der Rückschau – mit dem Wissen, dass er an sich an diesem Tag das Leben nahm – bewertet sie die Situation ganz anders.

FUNKTION VON SCHULDGEFÜHLEN

Schuldgefühle bedeuten, dass ein Grund, eine Ursache, ein*e Schuldige*r für ein (unkontrollierbares) Ereignis gefunden werden konnte (»Ich bin schuld, ich habe XY falsch gemacht. Hätte ich besser aufgepasst, wäre das nicht passiert.«). Dadurch entsteht das Gefühl der Kontrollierbarkeit, der Eindruck, zukünftige schlimme Situationen könnten vermieden werden. Schuldgefühle sind insofern ein Schutz vor dem Gefühl völliger Schutzlosigkeit, der totalen Preisgabe und dem (1)Kontrollverlust. Indem ich mir die Verantwortung für das Ereignis selbst zuschreibe, kann das Gefühl von Kontrolle und der Vorhersagbarkeit zukünftiger Ereignisse aufrechterhalten werden. Nach dem Motto: »Lieber Schuldgefühle als unkontrollierbare Situationen« (vgl. dazu Grundannahmen in Kapitel 1.5.4).1

Schuldgefühle haben also eine wichtige Funktion: Sie schützen unsere Psyche vor dem schädigenden Gefühl der Hilflosigkeit, des Kontrollverlusts. Wir schützen damit unsere Grundannahmen. Wenn jemand Schuldgefühle äußert, ist es somit wenig hilfreich, wenn wir der Person diese gleich abnehmen oder ausreden wollen. Vielmehr sollten wir zuhören, die Person sich aussprechen lassen, ein strukturiertes Erzählen fördern. Wir können Schuldgefühle normalisieren und helfen, Schuld und Schuldgefühle(2) auseinanderzuhalten (»Viele Menschen fühlen sich in so einer Situation schuldig. Auch wenn sie keine Schuld haben.«). Ebenfalls hilfreich kann es sein, auf positives Handeln hinzulenken, zu entlasten, zu loben (»Sie haben sofort die Rettung verständigt? Das ist gut!«). Auch auf andere Themen bzw. aktuelle Aufgaben umzulenken, kann entlastend sein und vom Grübeln ablenken (»Was ist jetzt als Nächstes zu tun?«). Treten gegenseitige Schuldzuweisung auf, sollten diese in jedem Fall unterbunden werden.(6)

FALLBEISPIEL

Eine Familie (Eltern und ihr dreijähriges Kind) machen im Winter einen Ausflug in den Schnee. Nach einer langen Wanderung kommen sie zurück in ihre Wohnung. Das Kind ist nass und schon etwas durchgefroren, weshalb der Vater dem Kind rasch einen frischen Tee machen will. Er schüttet heißes Wasser in eine Teekanne. In einem Augenblick der Unachtsamkeit lässt der Vater das Kind mit der Teekanne aus den Augen und das Kind schüttet sich das brühend heiße Wasser über die Brust. Es brüllt vor Schmerzen. Der Vater stürzt herbei und zieht dem Kind den Pullover vom Körper. Nun ist das leider das Schlechteste, was man bei Verbrühungen machen kann. Die Folge dieses Unfalls sind einige operative Eingriffe und Narben, die wohl für immer bleiben werden. Zusätzlich quälen die Eltern Selbstvorwürfe und Schuldgefühle sowie Schuldzuweisungen (vor allem der Mutter gegenüber dem Vater). Nachdem ich längere Zeit mit der Mutter gearbeitet habe, um vor allem die gegenseitigen Vorwürfe und Schuldgefühle zu reduzieren, kommt die letzte Stunde. Wir fassen zusammen, ziehen ein Resümee. Dann steht die Mutter auf, um zu gehen, dreht sich an der Türe noch einmal um und sagt: »Wir können das, was passiert ist, nun hoffentlich hinter uns lassen. Aber das, was bleibt, ist die Schuld.« Nachdem wir so lange am Thema Schuldgefühle (und am Unterschied zwischen Schuld und Schuldgefühlen) gearbeitet haben, bleibe ich etwas frustriert zurück.(3)

1.4.6(1)Scham(7)

Viele Menschen schämen sich dafür, dass es ihnen nicht gut geht, sie sich in einer Krise befinden. Verstärkt wird dieses Gefühl oft dadurch, dass man den Eindruck erhält (befeuert durch soziale Medien), allen anderen gehe es prima, alle anderen meistern problemlos ihr Leben. Gefühle wie Scham können auch ein Hindernis sein, sich Hilfe zu suchen, da dies als Schwäche interpretiert wird. Wenn ich solche Vorbehalte höre, antworte ich gerne mit einem überspitzten Beispiel und einem Augenzwinkern: »Wenn Sie einen Blinddarmdurchbruch haben – wollen Sie dann auch allein damit fertigwerden? Schämen Sie sich dann ebenfalls, Hilfe in Anspruch zu nehmen?« Nein, natürlich nicht. Auf so eine Idee würde niemand kommen. Bei psychischen oder psychosozialen Krisen haben wir jedoch interessanterweise immer noch Hemmungen, Hilfe anzunehmen.

1.5 Von der Krise zum Trauma(1)

In der Alltagssprache wird der Begriff des Traumas (genauer müsste man in diesem Zusammenhang eigentlich von Psychotrauma (1)sprechen) meist unpräzise und inflationär verwendet. Es kommt zudem häufig zu einer Gleichsetzung von seelischen und körperlichen Wunden (»Diese Aussage hat mich verletzt!«). Jedoch ist es nach wie vor oft leichter für Menschen, Hilfe und Anerkennung für ihr Leid zu erhalten, wenn ihnen körperliche – sichtbare – Wunden zugefügt wurden. Seelische Verletzungen sind nicht direkt sichtbar, dadurch weniger »real« und Betroffene müssen sich nach wie vor häufig rechtfertigen und nachweisen, »wirklich« zu leiden.

Der Begriff Trauma stammt vom altgriechischen Wort τραύμα, bedeutet Wunde, Verletzung und ist ein medizinischer Begriff, der seit dem 18. Jahrhundert belegt ist. Beschrieben wird damit die Schädigung lebenden Gewebes durch äußere Gewalteinwirkung (zum Beispiel Knochenbruch, Verbrennung, Schädel-Hirn-Trauma usw.). Während jedoch die chirurgische Traumatologie auf eine mehrtausendjährige Geschichte zurückblickt, ist die Psychotraumatologie noch immer im Aufbau (Fischer, Riedesser 2020, S. 25). Im 19. Jahrhundert wird der Begriff des Traumas aus der medizinischen Pathologie auf die psychische Ebene übertragen (von der Körperwunde zur Seelenwunde). Er wird also als Metapher gebraucht. Dazu tragen vorerst vor allem Vertreter*innen aus der Medizin (Psychiatrie und Neurologie) bei.

Interessant und erwähnenswert, wenn man sich die Geschichte der (1)Psychotraumatologie2 (das ist die Lehre der psychischen Traumafolgen) ansieht, ist das »Railway Spine Syndrome« (auf Deutsch: Eisenbahnkrankheit). Im frühen 19. Jahrhundert waren Eisenbahnunglücke recht häufig und die Waggons filigrane Holzkonstruktionen, die den Reisenden wenig Schutz boten. Einige der Überlebenden von Eisenbahnunglücken zeigten langanhaltende »nervöse« Symptome, obwohl keine körperlichen Verletzungen vorlagen. Der englische Chirurg John Eric Erichsen (1866) verwendete den Begriff »Railway Spine Syndrome«, um die Symptome zu beschreiben, die Opfer oder Augenzeug*innen derartiger Unfälle zeigten. Ursprünglich führte man die psychischen Symptome auf Verletzungen des Rückenmarks oder Gehirns zurück, doch dann entstand unter den Chirurgen eine Debatte, ob die Symptome auf psychische Ursachen wie »Entsetzen, Terror oder einen emotionalen Schock« zurückzuführen seien. Das »Railway Spine Syndrome« ist somit eine direkte Vorläuferin der traumatischen Neurose. Diese wurde 1889 vom Neurologen Hermann Oppenheim beschrieben, der damals ebenfalls noch anatomische Veränderungen des Gehirns als Ursache vermutete.

Menschen, die Traumafolgestörungen zeigten, wurde lange Zeit (manchmal auch heute noch) unterstellt, dass sie ihre Symptome nur vortäuschten, um sich Vorteile zu erschleichen wie beispielsweise Entschädigungen nach Unfällen oder die Entlassung aus dem Militärdienst.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert jedoch stellte Sigmund Freud 1896 die Hypothese auf, dass »Hysterie« eine Folge von sexueller (2)Traumatisierung und Missbrauch in der Kindheit sei. In Frankreich postulierte der Begründer der modernen Neurologie, Jean-Martin Charcot 1887, dass psychopathologische Symptombildungen mit verdrängten Erinnerungen an traumatische Ereignisse zusammenhängen. Pierre Janet, ebenfalls ein Zeitgenosse Sigmund Freuds, prägte 1894 den Begriff der (1)Dissoziation und beschrieb damit die Abspaltung von Traumaerinnerungen.(2)

Im Ersten Weltkrieg wurden die sogenannten »Kriegszitterer« bekannt. Die Zustände dieser bedauernswerten Menschen wurden auch als Grabenneurose, shell-shock oder battle fatigue bezeichnet. Man versteht darunter extreme Stressreaktionen wie Zittern, vorübergehende Lähmungen, Apathie bis Stupor (1915 beschrieben vom britischen Psychologen Charles Samuel Myers). Erste »Behandlungs«-Versuche hatten nur ein Ziel: die rasche Rückkehr der Soldaten zur Front. Berüchtigt war die sogenannte »Kaufmann-Kur«, bei der die bemitleidenswerten Soldaten so lange mit Stromstößen »behandelt« (heute würde man sagen: gefoltert) wurden, bis sie »freiwillig« wieder an die Front gingen.

Eine Wende brachten der Zweite Weltkrieg und vor allem der Vietnamkrieg (1955–1975). Vietnamkriegsveteranen wurde erstmals eine Traumatisierung durch das im Krieg Erlebte zugesprochen und erste Behandlungsansätze wurden entwickelt. Es dauerte dann allerdings noch bis 1980, bis die Posttraumatische Belastungsstörung (1) (abgekürzt PTBS) Aufnahme in das Diagnosemanual der American Psychiatric Association (DSM-III) fand. Im von der WHO herausgegebenen Diagnosesystem, der Internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (in Europa wird das ICD verwendet), hielt die PTBS erst 1991 Einzug (in das ICD-10). Erst durch die Möglichkeit einer offiziellen Diagnose wurden die psychischen Folgen traumatischer(3) Ereignisse als eigenständige psychische Störung anerkannt und Forschung, Prävention und Behandlung erleichtert (vgl. auch Hausmann 2021).(2)

NICHT JEDES TRAUMATISCHE EREIGNIS FÜHRT ZU EINEM TRAUMA

Traumatische Ereignisse führen nicht zwingend zu einem Psychotrauma (anders ausgedrückt: Nicht jedes traumatische Ereignis wirkt traumatisierend). Traumatische Ereignisse (3)haben ein gewisses Potenzial, zu einem Trauma zu werden (und damit zur Entwicklung einer Traumafolgestörung). Ob ein potenziell traumatisierendes Ereignis zu einem Psychotrauma wird, hängt u. a. ab vom Ereignis selbst (wie lange hat es gedauert, was genau ist passiert?), von der Vorgeschichte, den Ressourcen und möglicherweise früheren Traumatisierungen einer Person. Zudem spielen die erlebte Hilflosigkeit und schutzlose Preisgabe während des Ereignisses eine Rolle sowie das Ausmaß der sozialen Unterstützung, die eine Person danach erfährt (siehe dazu auch Kapitel 2.4.2).

FALLBEISPIEL Vergewaltigung

Ich war sehr beeindruckt von einer Frau, die mir von ihrer Vergewaltigung erzählte. Sie wirkte dabei ruhig und gefasst und schien nicht von ihren Emotionen überwältigt zu werden. Obwohl es ein furchtbares Ereignis für sie war, meinte sie, davon nicht traumatisiert worden zu sein. Sie erklärte das damit, dass sie sich während des Ereignisses nicht nur hilflos und ausgeliefert gefühlt habe, sondern das Geschehen zwar nicht abwenden, aber doch beeinflussen habe können. Geholfen habe ihr ein Antigewalttraining, das sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit absolviert habe. Sie habe das Gefühl gehabt, die Schritte dieses Trainings direkt in dieser Situation anwenden zu können und so ein Stück weit die Kontrolle behalten zu haben. Zudem schaffte sie es, das Geschehen distanziert zu sehen – im Sinne von »Aha, interessant, so läuft das also …«, die Ereignisse quasi wie auf einer Metaebene zu betrachten. Auch habe ihr ihre Lebenserfahrung geholfen. Nach dem Ereignis wurde sie von einem Menschen sehr gut aufgefangen, der ihr half zu verstehen, wie Täter in so einer Situation ticken (siehe auch Verstehbarkeit Kapitel 2.4.1). Zu ihrem Erstaunen war es jedoch gerade ihr nahes Umfeld – insbesondere Freundinnen –, die besonders wenig hilfreich waren, sondern ihr im Gegenteil noch vorwarfen, zumindest mit schuld zu sein, es herausgefordert, sich falsch verhalten zu haben (siehe Kapitel 1.6 »blaming the victim«). Das habe sie besonders gekränkt.

1.5.1 Krise oder Trauma?

Der zentrale Faktor bei diesen Begriffen ist Stress(1). Jede psychosoziale Krise ist eine Stresssituation. Traumatische (4)Ereignisse werden auch als Hochstressereignisse beschrieben, mit allen damit verbundenen Auswirkungen auf Körper und Gehirn. Auch wenn wir alle häufig im Stress sind, wird nicht jede Art von Stress gleich erlebt und hat dieselben Auswirkungen. Stress entsteht bei übermäßiger psychischer und/oder physischer Anforderung, wenn eine Situation nach subjektiver Einschätzung nur schwer kontrollierbar scheint, aber gleichzeitig biologisch, psychologisch und/oder sozial bedeutsam ist. Es kommt zu einem Aktivationszustand (= Stress). Der US-amerikanische Physiologe Walter B. Cannon beschrieb die bekannte »(1)fight-or-flight-reaction« als Reaktion auf eine Bedrohung (Cannon 1915). Durch die schlagartige Freisetzung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin wird Energie freigesetzt für überlebenssicherndes Verhalten wie Kampf oder Flucht. Sind weder Kampf noch Flucht möglich (wie es typischerweise bei einer traumatischen Situation der Fall ist), kann es zum freeze(1)kommen, einer Art Bewegungslosigkeit, Starre, bei gleichzeitig extrem erhöhter Aufmerksamkeit (Vigilanz). Hans Selye (Selye 1936), ein Pionier der Stressforschung, unterteilte Umweltreize in Stressoren mit negativer (Distress) und positiver Bedeutung (Eustress). Er beschrieb Stress als unspezifische Reaktion des Organismus auf externe Anforderungen mit drei Phasen (»allgemeines Adaptationssyndrom«): Alarmphase – Widerstandsphase – Erschöpfungsphase. Eine Weiterentwicklung brachte das »transaktionale Stressmodell(1)« nach Lazarus (Lazarus, Folkman 1984). Laut diesem wird Stress bestimmt durch Wahrnehmung – (1)Interpretation – Bewertung. Das bedeutet, dass ein bestimmter Stressor nicht unmittelbar zu einer Stressreaktion führt, sondern die Bewertung der Situation quasi dazwischengeschaltet ist (vgl. dazu auch Kapitel 4.1.2). Wie es meine geschätzte Kollegin Helga Kernstock-Redl in ihren spannenden Trauma-Seminaren formuliert: »Sie können vielleicht nicht verändern helfen, was passiert ist (zum Beispiel ein Unglück usw.), aber vielleicht die Reaktion darauf (zum Beispiel Angst oder Schuldgefühle) oder die Bewertung des Ganzen (zum Beispiel Welt- oder Selbstüberzeugung).«(4)

Wir kennen das alle: Kurzzeitiger Hochstress (»normaler« Stress(1)) ist im Prinzip nützlich und hilft uns kurzzeitig, zum Beispiel in einer Prüfungssituation eine Höchstleistung zu erbringen (sofern der Stress nicht zu groß ist, sonst kommt es zum gefürchteten Blackout). Ist das »Stresshäferl« aber ständig voll (kumulativer Stress(1)), beginnen wir bald, körperliche und psychische Folgen zu spüren. Chronischer Stress kann zu Immunsuppression oder Dysregulation einzelner Immunfunktionen führen. Stark traumatisierte Menschen haben Dauerstress, womit das Risiko für bestimmte Erkrankungen steigt. Eine spezielle Form von Stress ist der Einsatzstress(1), wie ihn (1)Einsatzkräfte erleben. Ihr Stresserleben im Dienst reicht von »normalem« Stress bei Routineeinsätzen bis hin zu traumatischem Stress. Einsatzkräfte stehen bei ihrer Arbeit unter einem besonderen Leistungs- und Zeitdruck. Sie sind konfrontiert mit Leiden, Unfällen, Tod, vielleicht sogar mit eigener Bedrohung (beispielsweise Feuerwehrleute). Dazu kommen Schichtdienste, Warten auf den nächsten Einsatz, Ungewissheit, was sie erwartet, Großschadensereignisse und andere besonders belastende Einsätze wie zum Beispiel verunfallte Kinder. Die verschiedenen Arten von Stress sind in Abb. 1-4 dargestellt.

Abb. 1-4: Verschiedene Arten von Stress in Zusammenhang mit psychosozialen und (5)traumatischen Krisen.

Was ist nun aber bei traumatischem (2)Stress (1)anders? Einer Stresssituation können wir mit bestimmten Bewältigungsstrategien ((1)Coping) und Anpassung begegnen. So können wir beispielsweise vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch ein Bewerbungstraining machen, unsere Einstellung (2)ändern (»das ist nicht der einzige Job auf der Welt«), uns ablenken, soziale Unterstützung suchen usw., um den Stress(2) zu reduzieren. Ist die Situation jedoch zu schrecklich und überwältigend (totaler (2)Kontrollverlust, Hilflosigkeit), also »traumatisch«, werden Abwehrmechanismen (2)(Notfallreaktionen(1)) eingesetzt. Typische Notfallreaktionen sind Starre, Panik und (2)