Starkes weiches Herz - Madeleine Alizadeh (dariadaria) - E-Book

Starkes weiches Herz E-Book

Madeleine Alizadeh (dariadaria)

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Beschreibung

Madeleine Alizadeh, im Internet als dariadaria bekannt, beschäftigt sich mit all den kleinen großen Fragen: Ist mein Leben erfüllt? Was ist mir wichtig und wie stehe ich dafür ein? Wie kann ich in einer Welt, die von Krisen beherrscht wird, optimistisch bleiben? Sie gibt ihren Leserinnen einen gut gefüllten Werkzeugkoffer mit auf den Weg, der ihnen hilft, sich ihrem inneren Zuhause mit ganz viel Liebe zu widmen und für all das, wofür es sich zu kämpfen lohnt, mit Mut einzustehen: für Feminismus und Gleichberechtigung, gegen Klimawandel und rechte Hetze. Gleichzeitig stark und weich zu sein ist dabei kein Widerspruch, sondern eine authentische Möglichkeit, der Welt zu begegnen und ein liebevolles und reflektiertes Miteinander zu schaffen. Ein inspirierendes Buch von einer beeindruckenden jungen Frau!

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Starkes weiches Herz

Die Autorin

MADELEINE ALIZADEH, geb. 1989, gründete 2010 DARIADARIA.com, einen der meistgelesenen Blogs im deutschsprachigen Raum. 2013 wendet sie sich komplett vom Fast-Fashion-Zirkus ab und beschäftigt sich heute ausschließlich mit nachhaltigen Themen. Sie produziert den Podcast A Mindful Mess und ist Kolumnistin und Speakerin. Außerdem betreibt sie das Fair-Fashion-Label Dariadéh, ist Umwelt- und Tierschutzaktivistin und ausgebildete Yogalehrerin. Nebenbei informiert sie täglich 230.000 Follower auf ihren Social-Media-Kanälen über ihre Herzensthemen.

Das Buch

Der Mut und die Liebe, die Stärke und das Weiche: Diese vermeintlichen Gegensätze begleiten Madeleine Alizadeh täglich sowohl beruflich als auch privat. Denn sie gilt als die wohl einflussreichste deutschsprachige Influencerin, die sich mutig und voller Liebe für eine Welt einsetzt, in der wir uns respektvoll und tolerant begegnen. In ihrem Buch zeigt sie ihr starkes und zu- gleich weiches Herz und ermutigt uns alle, für uns selbst und unsere Werte einzustehen.

EIN INSPIRIERENDES BUCH VON EINER BEEINDRUCKENDEN JUNGEN FRAU!

Madeleine Alizadeh (dariadaria)

Starkes weiches Herz

Wie Mut und Liebe unsere Welt verändern können

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

978-3-8437-2181-31. Auflage August 2019© Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinLektorat: Aylin LaMorey-SalzmannUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagmotiv: © Hubertus UrbanskiE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.com

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Worte zum Anfang

1. Bin ich eigentlich erfüllt?

Das Problem mit Glück

Das Erwachen

Die Jammerfalle

Die Samen, die wir pflanzen

Emotionales Erbe

Money, Money, Money

Der Reality-Check

Brief an mich selbst

2. Bin ich genug?

Miss Do It All

Der Brei im Kopf

Done is better than perfect

Feder statt Hammer

Auf der Matte bleiben

Zufälle gibt’s nicht. Oder doch?

Die Diktatur der Schönheit

Zu dünn, zu dick, zu alles

Wir dürfen alle Feministinnen sein

Alle wollen individuell sein, aber wehe, du bist anders

An erster Stelle kommt die Selbstliebe

An erster Stelle kommst du

3. Was will ich eigentlich?

Von Berufung und Scheitern

Schluss mit Zuckerglasur

Reinigung, innen und außen

Under pressure

Get up, stand up

Such dir die warmen Menschen, nicht die Coolen

4. Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte?

Was wir brauchen, ist Mut

Was wir brauchen, ist Wut

Manchmal muss man loslassen

5. Was kommt nach der Angst?

Warte nicht

Nein ist ein vollständiger Satz

Ehrlichkeit ist anstrengend

Produktiv und fokussiert – geht das?

Muss es immer wehtun?

6. Wie gehe ich mit Hindernissen um?

Die drei Schritte für Stresssituationen

Wenn meine Mängel zu deinen werden

Tschüss, Energievampir!

Im Hier und Jetzt

Raus aus der Konsumfalle

Zeit für das, was du liebst

Muss ich es alleine schaffen?

7. Wie liebe ich bedingungslos?

Die Macht der Entschuldigung

Der härteste Job der Welt

Warum dein Schmerz mir wichtig ist

Die Sprache, die alle sprechen

Liebe unter Umständen

Allein ist nicht einsam

Weniger Mauern, mehr Vertrauen

Wahres Mitgefühl

Geben & Nehmen

Quellen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Worte zum Anfang

Widmung

Für Oma, Mama und Mala.

1. Bin ich eigentlich erfüllt?

Ich hätte mir tausend Ausreden zurechtlegen können, wieso es dumm wäre, aus einem Hobby einen Beruf zu machen. Ich war 22, ohne Kohle, kurz vor dem abgeschlossenen Studium, ohne Aussicht auf einen Job. Aber: Ich habe es einfach probiert, denn zu verlieren gibt es selten etwas. Ich beschloss, mich mit meinem Blog, den ich zwei Jahre zuvor gegründet hatte, selbstständig zu machen. Ich jobbte nebenher ein bisschen, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen, und steckte in meiner Freizeit jede freie Minute in meinen Onlineauftritt. Es fühlte sich nicht wie Arbeit an, denn ich liebte es! Ich hielt jede Situation fotografisch fest, traf mich mit anderen Bloggerinnen, erzählte jedem, den ich kannte, von »dieser neuen App namens Instagram«. Meine Begeisterung beschränkte sich aber nicht nur aufs Bloggen: Schon immer liebte ich eigentlich alles, was ich tat. Ich liebte als Jugendliche meinen Job am Wochenendmarkt, wo ich um fünf Uhr morgens den Stand aufbaute und dann den ganzen Tag in klirrender Kälte Käse verkaufte. Ich liebte meinen Kellnerinnenjob, bei dem ich den dicksten Bizeps bekam. Und ich liebte meine ehrenamtliche Arbeit, die ich im zarten Alter von 14 begann. Und das ist der springende Punkt: Glück findet man nicht nur in glamourösen, glatt polierten Tätigkeiten. Wenn ich von Glück spreche, spreche ich nicht vom Leben auf den Bahamas, sondern von Dingen, die DICH ganz individuell erfüllen. Wenn ich über das, was wir als Glück bezeichnen, spreche, höre ich so oft »aber«. Menschen finden zig Ausreden, wieso Gegebenheit XY sie davon abhält, erfüllt und zufrieden zu sein. Das klingt jetzt vorerst mal wie ein kitschiges Versprechen eines Zehn-Wochen-Programms, das einem auf Social Media verkauft wird, aber: Jeder Mensch ist seines Glückes Schmied. Nein, ich bin keine Freundin von »Wir müssen alle immer glücklich sein« und der rosaroten Brille. Dennoch glaube ich aber aus tiefstem Herzen, dass Menschen erfüllt sein können, wenn sie es schaffen, das, was sie brauchen, in sich zu finden.

Die meisten Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden, haben einen Luxus, den viele andere Menschen nicht haben. Wieso nehmen wir die Chancen, wenn wir sie haben, nicht wahr? Die wenigsten von uns kämpfen in einem indischen Slum ums tägliche Überleben. Dennoch sind es meist Menschen aus der Mittelschicht, die sich zahlreiche Gründe zurechtlegen, warum sie dieses und jenes nicht tun können. »Check your privilege«, posaunt es. Ja, ich und viele andere sind wahnsinnig privilegiert. Ich lebe als Cisgender in einer sicheren Stadt, durfte eine gute Ausbildung genießen und gehöre zu keiner marginalisierten Gruppe. Natürlich wache ich nicht jeden Tag auf und sinniere über all meine Privilegien, und manchmal ist es völlig legitim zu jammern, sich zu beschweren. Dennoch bin ich irrsinnig dankbar für das wunderschöne Leben, das ich leben darf. »Check your privilege« jedoch kann oft bedeuten: »Halt den Mund, du darfst nicht mitreden.« Dieser Diskurs ist mir während der letzten Jahre mehr und mehr in diversen sozialen Medien aufgefallen, und ich halte ihn für alles andere als konstruktiv. Ja, Privilegien zu erkennen, ist wichtig. Vor allem White Privilege! White Privilege bedeutet nicht, keine Probleme zu haben, jedoch, dass diese Probleme nicht aufgrund der eigenen Hautfarbe entstanden sind. Abseits des Diskurses zum White Privilege gibt es aber auch andere Arten, einen Menschen darauf hinzuweisen, dass er oder sie etwas hat, was einem selbst fehlt und einen einschränkt. Jemanden im Imperativ zurückzuweisen, schafft keinen konstruktiven Diskurs, und es schafft auch keine Grundlage für Verständnis, Zuhören, und allem voran: Es schafft keine Lösung.

Mein Vater kam mit 16 aus dem Iran nach Wien. Mit im Gepäck: Diagnose Knochenkrebs. Nach einem jahrelangen Krankenhausaufenthalt wurde ihm letztendlich das linke Bein amputiert. Mit nur einem Bein fuhr er Taxi, arbeitete sich hoch, bis er ein Stipendium für die Diplomatische Akademie in Wien bekam. Seine Eltern unterstützten ihn weder finanziell noch emotional – er war auf sich allein gestellt. Meine Mutter kommt aus einer einfachen Familie, sie hat fünf Geschwister. Mit 26 war sie mit ihrem zweiten Kind schwanger, als ihr Vater mit nur 35 Kilo im Krebs-Endstadium auf der Intensivstation für immer ging. Meine Oma war allein, ohne jemals in die Rentenkasse einbezahlt zu haben, als Hausfrau und Mutter von sechs Kindern. Meine Mutter verlor das Kind, mit dem sie zum Zeitpunkt des Todes meines Großvaters schwanger war, im fünften Monat. Die Ehe meiner Eltern scheiterte, bald nachdem ich einige Jahre später geboren wurde – ein Rosenkrieg sondergleichen. Meine Mutter war gezwungen, früh wieder arbeiten zu gehen, ließ mich in der Obhut einer Kinderfrau. Unsere Nachbarin beichtete meiner Mutter, dass sie gesehen hätte, wie die Kinderfrau mich schlug, meine Mutter war außer sich. Die nächsten sechs Monate verbrachte ich bei meiner Großmutter, die das Kind, das sich nicht mehr anfassen ließ und völlig verstört war, wieder aufpäppelte. Ich ging zur Schule, wurde gehänselt, gemobbt, mit acht Jahren zeichnete ich nur noch schwarze Bilder, die Lehrer*innen stuften mich als depressiv ein, ich musste zur Psychologin.

Sinn und Zweck dieses Buches ist es aber nicht, dir über mein Leben und dessen Stolpersteine zu erzählen. Glücklicherweise gab es in meinem Leben viel mehr Höhen als Tiefen, und das ist es, was ich mir in Erinnerung rufe, wenn ich an die letzten Jahre denke. Worum es mir aber geht: Nur weil jemand langes, wallendes Haar, 200 000 Instagram-Follower, eine schlanke Figur und auf den ersten Blick »alles« hat, bedeutet es nicht, dass es fair ist, diese Menschen im Imperativ und pauschal auf ihr Privileg hinzuweisen. Wir kennen die Menschen, ihre Vergangenheit, ihre Herkunft nicht. Ich wurde von einem Vater mit einem Bein und einer Mutter mit einem Eierstock gezeugt, ich hatte sehr viel Glück, aber ich habe auch sehr viel Schmerz erlebt. Ich habe als junge Erwachsene sehr oft von weniger als 300 Euro im Monat gelebt, und ich habe so ziemlich jeden Job ausprobiert, den es auszuprobieren gab. Mein Leben läuft nicht immer glatt, doch ich bin unendlich dankbar, bisher keine gravierenden Schicksalsschläge in meinem Leben verzeichnet haben zu müssen. »Wie zufrieden bin ich?« ist eine Bestandsaufnahme, die wir immer wieder tätigen müssen, ohne sofort mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Ich erinnere mich noch genau an meine kurze Zeit im Gazastreifen, wo ich die wärmsten und herzlichsten Menschen meines Lebens getroffen habe. Die Menschen, die in einer politisch so prekären Situation leben, die Menschen, die stetig Bomben fallen hören. Oder an die Menschen, die ich im Irak, nur wenige Kilometer von der stark umkämpften Stadt Mossul kennenlernte – all diese Menschen trugen ein Lächeln auf den Lippen. Nicht, weil sie in dem Moment glücklich waren, das wäre ignorant zu behaupten. Aber weil das Lächeln das Einzige war, was ihnen blieb, und das Einzige, was Glück zumindest nahekam. »Wie zufrieden bin ich?« bedeutet, ehrlich zu sein, und wenn die Antwort »Eigentlich nicht so« lautet, sich hinzusetzen und den festen Entschluss zu treffen, das zu ändern.

Das Problem mit Glück

Nun habe ich den Begriff Glück zuhauf um mich geschmissen, um dich nun aber kurz auf einen philosophischen Diskurs mitzunehmen. Denn eigentlich geht es gar nicht um Glück. Zumindest nicht darum, es als solches zu bezeichnen. Glück ist ein irreführender Begriff, der einen großen Teil zu den vielen Hürden, die unser Leben mit sich bringt, beiträgt.

Was den Begriff des Glücks oft prägt, ist vor allem der Zufall, die Fügung günstiger Umstände. Die erste Krux besteht also darin, dass der Begriff Glück suggeriert: Alles, was uns Glück bringt, ist reiner Zufall, nach dem Motto: Wir haben nie Einfluss auf das eigene Glück, denn es wird uns vom Himmel in den Schoß fallen. Wir kommen zum Glück wie die Jungfrau zum Kind. Dem möchte ich widersprechen, denn nicht jedes Glück ist schierer Zufall. Erfüllung und Zufriedenheit sind Zustände, die dezidiert herangeführt werden können, da braucht es keinen Zufall.

Die zweite Herausforderung mit dem Terminus Glück kommt mit der Tatsache, dass Glück vermeintlich einen Zustand beschreibt, der vollkommen ist. Denn zum Glück gibt es den Gegenspieler namens Unglück, der den Zustand von »kein Glück« beschreiben soll. Mit dem Wort Glück gibt es kaum Spielraum für die Nuancen, die ein glückseliges Leben mit sich bringt. Meiner Meinung nach kann man durchaus glücklich, aber leidend sein. Man kann sich gestresst, aber zufrieden fühlen. Diese Nuancen, die das Leben mit sich bringt, schließt das Wort Glück für die Auffassung vieler Menschen aus. Glücklich und gleichzeitig unglücklich sein – geht das? Nicht wirklich, wenn das eine das Gegenteil des anderen bedeutet. Viel besser: Erfüllung! Oder: Eudämonie, ein Wort, das vom altgriechischen Begriff eudaimonía stammt, vor allem von den Philosophen Platon und Aristoteles gebraucht. Heutzutage greifen wir fälschlicherweise auf das Wort Glück zurück, wenn wir von Erfüllung sprechen, früher war es Eudämonie. Die alten Griechen glaubten nicht daran, dass der Zweck des Lebens darin bestand, glücklich zu sein. Viel eher strebten sie Eudämonie, Erfüllung, an. Der springende Unterschied zwischen Glück und Erfüllung ist nämlich die erlaubte Präsenz von Schmerz. Man kann gleichzeitig beruflich erfüllt sein, aber unter Druck stehen. Es ist möglich, in einer Beziehung Erfüllung zu finden und gleichzeitig hart dafür arbeiten zu müssen und nicht immer glücklich dabei zu sein. Was ich am Wort Eudämonie so mag, ist, dass es laut ausspricht, wovor zu viele scheuen: Schmerz und Trauer gehören dazu – auch zum Glücklichsein. Viele Projekte, die wir im Leben angehen, von Beziehungen bis zur beruflichen Karriere, erfordern oft Tränen und Schweiß. Auch unfassbar erfüllte Menschen gehen nicht immer fröhlich, immer lächelnd durchs Leben. Herausforderung, Schicksalsschläge, Hindernisse, sie alle gehören dazu, um zu wachsen, um zu leben. Das Leben wird uns immer wieder provozieren und herausfordern, was keineswegs im Gegensatz zum Glücklichsein steht. Die Anforderung sollte nicht sein, am Ende des Lebens auf ein reibungsloses, glückliches Leben ohne Herausforderungen zu blicken. Es sollte sein, auf ein erfülltes Leben zurückzublicken. Und zum erfüllten Leben kann alles gehören: das Gute und das Schlechte. Indem wir uns der Vorstellung des Glücks als vollkommenem Zustand der Zufriedenheit entledigen, können wir endlich aufhören, nach einem schmerzfreien Dasein zu streben. Wir können aufhören, uns immer zum Lächeln zu zwingen, und anfangen zu verstehen, dass es um etwas viel Wichtigeres geht, als ständig zu lächeln: das Beste aus unserem Leben zu holen, auch wenn das Beste oft nicht das vermeintlich Schönste ist.

Wenn ich also von Glück in diesem Buch spreche, meine ich viel eher das Konzept der Eudämonie, auch wenn ich diesen Begriff nicht immer anstelle von »Glück« verwende.

Das Erwachen

Vieles triggert Menschen, doch kaum etwas triggert sie mehr, als andere Menschen glücklich zu sehen und selbst das Gefühl zu haben, all das nicht erleben zu dürfen. Mich macht diese Reaktion immer unheimlich traurig. Vor allem, weil die Person eigentlich nur die entsprechenden Tools, den Werkzeugkoffer, braucht, um zufriedener zu sein. Es braucht keinen Urlaub auf den Malediven, und es braucht keine 200 000 Instagram-Follower, um froh zu sein. Es braucht eigentlich nur den Mut, die Dinge zu tun, die man gerne tut. Das bedeutet nicht, dass man nicht mehr arbeiten gehen muss oder keine Verpflichtungen mehr hat – denn dessen kann man sich nur schwer entledigen. Es bedeutet aber, dass man das Leben in die Hand nimmt und sich ehrlich anschaut: Was bedrückt mich wirklich? Denn oft ist es nicht die Tatsache, dass die Person auf unserem Handyscreen gerade einen tollen Urlaub macht und wir nicht. Wir glauben lediglich, dass das, was uns unglücklich macht, das Glück der anderen ist. Dabei liegt das, was uns unglücklich macht, vermutlich ganz woanders vergraben. Denn selbst wenn die anderen mit dem vermeintlich perfekten Leben unglücklich sind, wird das nichts an unserem eigenen Gemütszustand ändern.

Doch fangen wir von vorne an: Es geht um Selbstverantwortung und darum, was Selbstverantwortung überhaupt bedeutet. Wenn du dich getraut hast, aufrichtig und ehrlich zu fragen, ob du zufrieden und erfüllt bist, hast du den ersten Schritt geschafft. Wenn du mit »Nein« antworten musst, dann kannst du im Rahmen deiner Möglichkeiten daran arbeiten. Selbstverantwortung bedeutet, unser Leben in die Hand zu nehmen. Es gibt keinen Shortcut zu Integrität, und es gibt keinen Shortcut zu Glück. Wir müssen den Weg gehen, denn ohne den Weg kommen wir nicht zum Ziel. (Da habt ihr ihn, meinen ersten Kalenderspruch in diesem Buch!) Die große Schwester der Selbstverantwortung heißt Selbstbestimmung. Selbstbestimmung ist das, was aus einem Opfer eine Kämpferin macht und was aus Passivität Aktivität macht. Das Gegenteil von Selbstbestimmung ist die Fremdbestimmung. Die wenigsten unter uns leben in Sklaverei oder Abhängigkeit, und wir sollten jeden Tag wertschätzen, an dem wir das nicht tun. Man bedenke, wie viele Frauen tatsächlich in Abhängigkeit leben und es dennoch schaffen, Hilfe zu suchen. Dennoch erlebe ich täglich Menschen, die eine vermeintliche Fremdbestimmung leben, wenn all das, was sie bestimmt, sie selbst sind. Sie suchen die Schuld bei anderen und rechtfertigen so ihr eigenes Unglück. Jemandem die Schuld zu geben bedeutet auch, die eigene Macht aufzugeben. Wenn das wunderschöne Model auf Instagram schuld daran sein soll, dass ich unglücklich bin, dann habe ich jegliche Macht über mich selber abgegeben – nämlich an jemanden, den ich nicht mal persönlich kenne. Schuldzuweisungen sind leicht, sie sind ein Mechanismus, um sich aus der Verantwortung zu ziehen, allen voran der Verantwortung, die man sich selber schuldig ist. »Die Zeiten werden immer schlechter« und »Ich kann eh nichts ändern« – all das sind Resignationen. Resignationen von Menschen, die nicht im indischen Slum, sondern in Europa leben.

Die meisten meiner Leser*innen sind weiblich, und die wenigsten leben in dramatisch prekären Situationen wie gravierender Abhängigkeit oder starker körperlicher Einschränkung. Das Skurrile daran ist auch: Die Menschen, die ich kenne, die tatsächlich unter den soeben beschriebenen Umständen leben, sind die Menschen, die am härtesten dafür arbeiten, ihr Leben zu verändern. Meine gute Freundin Jacqueline verlor im August 2016 ihren Partner. Sie wachte neben ihrem leblosen Freund auf, für den jegliche Hilfe zu spät kam. Es ist so ziemlich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Der Verlust eines Menschen, den man über alles liebt. Der Mensch, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen wollte. Jacqueline hätte jegliches Recht dazu gehabt, alle viere von sich wegzustrecken und zu sagen: »Ich mach nicht mehr weiter – mein Leben ist somit zu Ende.« Doch sie hat selbstverantwortlich und selbstbestimmt gehandelt: Sie hat den Schmerz, die Trauer, die Wut zugelassen. Sie hat akzeptiert, dass man im Verlust eines geliebten Menschen nicht zwanghaft einen Sinn finden muss. Jacqueline ist regelmäßig zur Therapie gegangen, hat ihre Trauer öffentlich auf ihrem Instagram-Kanal minusgold aufgearbeitet, Kreativität aus der Trauer geschöpft, um Hilfe gebeten, wenn es zwischendurch einfach nicht weiterging und das Licht so weit weg schien. Sie hat den Young Widowers Dinner Club mitgegründet – eine Veranstaltungsreihe für junge Menschen, die ihren Partner oder ihre Partnerin verloren haben. Selbstverantwortung bedeutet nicht immer, am Boden zu liegen und wieder von selbst aufzustehen. Manchmal bedeutet es, jemanden um Hilfe zu bitten, damit man aufstehen kann, weil man es selber gerade einfach nicht schafft. Eine Hand auszustrecken und »bitte« zu sagen, ist genauso selbstverantwortlich, wie sich selber wieder aufzurichten. Jacqueline hätte jeglichen Grund gehabt, anderen Pärchen ihr Glück nicht zu gönnen, doch trotz des tragischen Verlustes kann sie sich von Herzen für andere freuen. Menschen wie Jacqueline geben mir Mut, sie bestärken und schaffen Raum für Verletzlichkeit und offenen Diskurs. Sie leben Selbstverantwortung mit jeder Zelle.

Für mich bedeutet selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu leben tatsächlich zu erwachen. Manche Menschen beschreiben es als spirituelles Erwachen, doch nicht für jede und jeden ist dieser Jargon zugänglich. Spirituell oder nicht: Selbstbestimmung bedeutet Macht über das eigene Leben einzufordern. Von sich selbst und von anderen. Viele Menschen sind Opfer schrecklicher Dinge, die ihnen widerfahren sind. Nichts davon soll diskreditiert oder banalisiert werden. Unsere Traumata und Schicksalsschläge müssen in Gänze anerkannt werden – daran geht kein Weg vorbei. Doch abseits dieser wichtigen Anerkennung ist es essenziell, sich zu entscheiden: Möchte ich für das, was ich verdiene, etwas tun? Möchte ich selbst über die Dinge entscheiden, auf die ich Einfluss habe, oder lasse ich mich wie eine Billardkugel herumstoßen? Selbstverantwortung und Selbstbestimmung sind die ersten Schritte, um mehr Liebe ins Leben zu lassen. Denn Vertrauen, Selbstliebe und unser Umgang mit anderen Menschen sind fundamental davon geprägt, wie selbstbestimmt wir mit unserem Leben und unseren Handlungen umgehen. Einer der großen Pfeiler meiner Arbeit als »Aktivistin für das Gute« ist es Menschen zu ermutigen, diesen Schritt zu tun. Befähigung und Bevollmächtigung scheinen Dinge zu sein, die wir anderen geben, dabei ist es etwas, das wir selbst in uns tragen. Der erste Schritt zu mehr Liebe für dich selber und andere Menschen ist es zu sagen: Ich erlaube mir, Herrin oder Herr über mein eigenes Leben zu sein und die emotionale Intelligenz zu entwickeln, mir die Werkzeuge für ein selbstbestimmtes Dasein zurechtzulegen.

Die Jammerfalle

Vor einigen Monaten war ich Basenfasten in einem Bio-Hotel. Ich wurde zu meinem Aufenthalt eingeladen und berichtete auf meinen sozialen Kanälen darüber. Als Antwort auf meine Fotos erhielt ich einige Kommentare und Nachrichten, eine davon lautete: »Ich wünschte, jede alleinerziehende Mutter würde eine 1000-Euro-Fastenkur geschenkt bekommen.« Für Außenstehende wirkt mein Job natürlich meistens so: Junge Frau fährt in ein Hotel, muss nichts tun außer lächeln, bekommt alles in den Arsch geschoben und darf wieder gehen. Geschenkt wurde mir die Fastenkur natürlich nicht – ich machte Fotos, schrieb Texte, beantwortete Fragen – mehrere Stunden pro Tag. Ich bot dem Hotel eine Plattform, die ich mir über neun Jahre aufgebaut habe. Eine Reichweite, die mir nicht geschenkt wurde. Das Problem mit Kommentaren wie dem der Mutter ist folgendes: Wir machen aus unseren Beschwerden Anforderungen an Fremde, denen faktisch die Hände gebunden sind. Die Tatsache, dass eine Fastenkur für 1000 Euro nicht drin ist, ist für manche Menschen schiere Realität. Doch einem fremden Menschen im Internet die Verantwortung dafür zu geben und zu erwarten, dass diese Person das eigene Problem nun löst, ist für mich das Gegenteil von Selbstbestimmung. Oft versuche ich solchen Kommentaren positiv entgegenzuwirken, was aber sehr häufig zu noch mehr Resistenz führt. Versteh mich nicht falsch: Ich jammere oft! Ich jammere über dieses und jenes, oft kleinste Kleinigkeiten. Jammern ist erlaubt, denn wie in der Einleitung bereits vorausgeschickt: Die Welt ist nicht immer Ponys und Regenbogen. Doch wenn das Jammern, das Auslagern der eigenen Probleme auf andere Menschen, zum Dauerzustand wird, dann haben wir uns als Mensch unseres machtvollsten Werkzeugs entledigt: der Selbstverantwortung.

Was wir tun müssen, ist, aufstehen und aktiv werden. Es reicht nicht zu kritisieren, mit dem Finger zu zeigen, sich hinter dem Handy zu verstecken. Manchmal muss man sich aus diesen Situationen, so wie ich aus der Diskussion, zurückziehen, durchatmen und sich fragen: Was kann ich, hier und jetzt, tun, um mein Problem zu lösen? Oder wen kann ich um Hilfe bitten, um das Problem zu lösen? Was ist mein Beitrag, und wie kann ich Selbstverantwortung kultivieren? Oft ist es tatsächlich nur ein kleiner Beitrag, den wir leisten können. Manchmal aber auch größere, wie das Anschließen an eine politische Partei oder Bewegung, die unsere Werte vertritt. In meinem Leben habe ich viele Menschen getroffen, die nicht wählen dürfen. Für jemanden wie mich ist das unvorstellbar. Ich darf wählen! Und nicht nur bei politischen Wahlen, sondern ich darf auch wählen, wen ich liebe, mit wem ich ins Bett gehe, wohin ich als Nächstes reise. Ich darf entscheiden, ob ich Fleisch esse oder nicht. Uns täte es gut, uns auf das zu konzentrieren, was wir aktiv tun können und dürfen, statt das Defizit zu unterstreichen. Vom Mangel in die Fülle! Selbstverantwortung bedeutet, die Fülle, vor allem für Menschen, die ein Privileg leben, anzuerkennen, auch wenn das manchmal schwer ist. Ich bin der Meinung, dass sich das öffentliche Echauffieren und Empören zu einem Trend entwickelt haben, der uns davon entledigt, tatsächlich politische Partizipation zu leben. Online wird oft mit dem Finger gezeigt, sich darüber gestritten, wer denn nun »korrekter« handelt. Offline sollten politische Partizipation und Veränderung aber genau anders aussehen: Wir müssen uns zusammensetzen, darüber sprechen, Lösungen finden. Mobilisieren und aktiv partizipieren. Wir werden selten eine absolute Deckungsgleichheit haben, wenn es um unsere Wertvorstellungen geht. Selbst mit Gleichgesinnten wird es immer nur eine Schnittmenge sein, die uns vereint. Aber vielleicht können wir uns so auf diese Schnittmenge, auf das Vereinende und die Themen, für die wir gemeinsam brennen, konzentrieren und proaktiv etwas tun.

In dem Bestseller Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg von Stephen Covey lautet die erste Regel zu mehr Effektivität im Leben: Sei proaktiv! Vorausdenken und handeln, aufhören, sich nur zu beschweren, und lernen, für das eigene Leben verantwortlich zu sein und es selbst zu gestalten – in dem Rahmen, in dem es einem möglich ist. An manchen Tagen ist einfach alles unfair, die Welt scheint gegen uns, kein Gespräch verläuft so, wie wir uns das vorstellen. Wir fühlen uns hässlich, ausgegrenzt, ungeliebt. Manchmal ist alles irgendwie doof, aber Jammern allein hilft nicht. Es ist wichtig, sich zu fragen: Was kann ich heute, hier und jetzt tun, um etwas zu verändern?

Die Samen, die wir pflanzen

Manchmal wache ich aus einem Traum auf und frage mich, wie dieser Zustand kommen konnte. Scheinbar zusammenhanglose Sachverhalte, Menschen oder Orte, mit denen ich schon ewig nichts mehr zu tun hatte, tauchen plötzlich im Traum auf. »Wie zum Teufel hat mein Hirn diesen Traum zusammengesponnen?«, frage ich mich dann. Doch wir Menschen tendieren dazu zu vergessen, dass unser Wesen aus einem Bewusstsein und einem Unterbewusstsein besteht. Das Bewusstsein ist der »wache« Zustand, den wir kennen, wenn wir Dinge aktiv, also bewusst tun. Demgegenüber steht jedoch der Schatten, in dem so viel verborgen liegt: das Unterbewusstsein. Die Tiefenpsychologie geht davon aus, dass es einen Teil der menschlichen Psyche gibt, der dem Bewusstsein nicht direkt zugänglich ist. Täglich tun wir zig Dinge, die unbewusst passieren. Wenn im Traum plötzlich Personen aus der Vergangenheit auftauchen, obwohl wir nichts mehr mit ihnen zu tun haben, ist es das Unterbewusstsein, das ein bisschen Archivarbeit betreibt. Und wenn wir nachts etwas plötzlich verarbeiten, was wir am Tag gar nicht richtig wahrgenommen haben, ist es das Unterbewusstsein, das sagt: »So beiläufig und belanglos war diese Sache gar nicht.« Wir säubern unseren Geist oft so, wie wir die Wohnung säubern: Wir heben den Staub auf und legen ihn in die Ecke oder kehren ihn unter den Teppich. Oft liegt die Wollmaus nämlich genau vor uns da auf den Fliesen des Badezimmers, und ganz unbewusst, automatisiert, kehren wir den Staub woandershin, statt ihn zu vernichten. So ähnlich passiert es auch mit unseren Gefühlen. Sie kommen und gehen, ohne aktives Eingreifen unseres Bewusstseins. Und dennoch reagieren wir immer wieder überrascht, wenn wir plötzlich vor einer völlig unaufgeräumten Wohnung stehen und uns denken: Wie ist das passiert?

Viele Menschen gehen durchs Leben und denken, ihre Beziehungen würden ihnen »einfach so« passieren. Sie betrachten sich als Blätter im Wind, die von willkürlichen Kräften herumgewirbelt werden. Dabei schaffen wir ganz viele unserer Beziehungen aus unbewussten Bedürfnissen und Mustern. Die Kräfte des Unterbewusstseins sind primitiv: Sie sind das, was wir von klein auf gelernt haben. Jemand, der einen intellektuellen, aber erniedrigenden Vater hatte, wird im Erwachsenenalter vielleicht, unbewusst, eine Aversion gegen intellektuelle Menschen haben – ohne bewusstes Wissen darüber, woher diese Aversion kommt. Genauso primitiv sind unbewusste Vereinbarungen, die wir mit Menschen treffen. Unbewusst begeben wir uns in Beziehungen, die rein selbsterfüllende Prophezeiungen sind. So begeben sich viele Menschen, die als Kind Gewalt von Eltern erfahren haben und somit Liebe mit Gewalt verknüpfen, als Erwachsene in Beziehungen, in denen sie diese Gewalt wieder erfahren. Das Unbewusste versucht nämlich eines: Dinge zu kategorisieren, einzuordnen, Muster zu definieren und diese Muster so oft wie möglich zum Einsatz kommen lassen. »Das war mir nicht bewusst« ist oft das Aufwachen aus einem Autopiloten, in dem wir uns seit Jahren befinden.

Aus dem Unterbewusstsein entspringen so viele Probleme, mit denen wir heutzutage zu kämpfen haben: Sucht, Abhängigkeit, Angstzustände. Die Reaktion, die das Unterbewusste dann oft sucht, ist die Schuld. Wem können wir die Schuld geben, wenn die Schuld doch nicht bei uns liegt? Das Externalisieren der eigenen Probleme bedeutet oft, die Aufmerksamkeit von innen auf außen zu legen. Denn: Nur wenn wir in das Verborgene, das nicht Offensichtliche, blicken, können wir eine realistische Bestandsaufnahme machen. Folgende Fragen könnten dabei hilfreich sein:

Was macht mir momentan Angst?

Was ärgert mich gerade?

Worüber grüble ich besonders viel?

Was für Dynamiken entwickeln sich in meinen Beziehungen häufig?

Wenn wir uns immer wieder in dergleichen Situationen wiederfinden, noch so banal, können wir sicher sein, dass unser Unterbewusstsein ein Programm abspielt, von dem wir nicht wussten, dass es uns überhaupt einprogrammiert ist. Das kann bei Dingen wie Essverhalten anfangen und übergehen zu der Art und Weise, wie wir mit unseren Partner*innen umgehen. Viele Menschen wundern sich, warum sie immer wieder dieselbe Art von Beziehungen führen, warum der Streit über etwas vermeintlich Banales wie die offene Zahnpasta auch in der neuen Beziehung auftaucht und warum auch in der neuen, tollen Beziehung nach ein paar Monaten der Wunsch nach neuen Sexualpartner*innen aufkeimt.

Erst wenn wir sehen, dass all das rein gar nichts mit dem Gegenüber, sondern nur etwas mit uns selbst zu tun hat, haben wir den Jackpot getroffen. Wir haben das Unbewusste entdeckt.

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Worte zum Anfang

Der Mut und die Liebe, die Stärke und das Weiche: Diese vermeintlichen Gegensätze begleiten mich täglich sowohl beruflich als auch privat. Immer wieder stand ich vor folgendem Problem: Für die eine Gruppe bin ich zu weich, zu soft, nicht radikal genug. Für die andere Gruppe wiederum bin ich zu rigoros, zu hart. Zu soft für die Harten und zu hart für die Soften. Jahrelang fühlte ich mich hin- und hergerissen: Soll ich entschiedener, unbarmherziger in meinem Aktivismus werden? Oder soll ich gar milder und sanfter werden in meiner Kommunikation, wenn es um die Klimakrise und andere Probleme geht? Es war ein Spagat, den ich als junge Aktivistin machen musste. Ein ermüdender Spagat. Bis ich eines Tages feststellte: Ich muss mich nicht entscheiden. Ich brauche kein Etikett, das mir vorschreibt, wie man Aktivismus durchzieht. Für manche werde ich immer zu weich und für manche immer zu hart sein – das ist nicht schlimm. Denn für mich ganz persönlich ist der Weg klar: Mein Herz ist stark, und es ist weich. Das eine schließt das andere nicht aus – diese Erkenntnis hat mich unheimlich befreit. Sie hat mir den Raum gegeben, verständnisvoll, aber bestimmt zu sein. Das Befreien von Labels war wichtig für mich, da ich als Person im Internet sofort in Schubladen gesteckt werde. Mal bin ich pazifistische Yogini, die immer lächelt, mal die wütende Feministin. Und was, wenn man beides in sich trägt? Ich wollte keine dieser Schubladen mehr, ich wollte ich sein. Ich wollte Raum für Liebe, Mut, Hass, Trauer, Leidenschaft, Stärke und Weichheit haben. Und diesen Raum habe ich mir einfach genommen, so wie du ihn dir auch nehmen kannst.

Wir leben in einer Zeit, wo es an Gurus zum Thema Positivität und Glück nicht mangelt, »Liebe ist überall« und »Du bist Liebe« liest man allerorts. Ein gezwungenes Lächeln, auch wenn einem nicht nach Lächeln zumute ist. Bei einem Buch über die Liebe denkt man dann vielleicht zuerst: Ponys, Regenbogen, Blumen. Das ist nicht meine Definition von Liebe. Liebe bedeutet für mich, roh und ehrlich zu sein. Liebe ist nämlich auch Hass, Wut, Trauer. Liebe schließt all diese dunklen Emotionen, die wir nicht fühlen wollen und zur Seite schieben, nicht aus. Liebe ist vielmehr die Erlaubnis, sich all das zu erlauben.

Es ist meine tiefste Überzeugung, dass Liebe ohne all das nicht sein kann, weil es eine oberflächliche Form der Liebe wäre. Eine gekünstelte Hollywoodliebe, eine plastikverpackte Styroporliebe. Liebe ist das Spektrum des Fühlens, mit allen Amplituden, in die das Leben ausschlägt. Ich habe so lange probiert, ein Mensch zu sein, der nicht wütend wird, der sanft ist, ein »liebevoller« Mensch. Was dabei an die Oberfläche gelangt, ist niemals die Wahrheit. Denn wenn wir alles, was nicht schön, glatt und wunderbar ist, nicht ausatmen und rauslassen, sondern glatt bügeln, runterschlucken, ignorieren, dann sprechen wir nicht von Herzen, und wir sprechen nicht unsere Wahrheit. Die Wahrheit kann oft »Ich liebe dich nicht mehr« sein, und dieser Satz birgt oft mehr Liebe als ein »Ich liebe dich«, wenn es nicht die Wahrheit ist. Ehrliche, rohe, wahre Worte zu sprechen, ist das, was Liebe für mich bedeutet. Liebe ist Toleranz, all den Gefühlen und Emotionen Raum zu geben – sie nicht zu ersticken. Bitte merke dir: Gefühle sind nicht schmutzig. Auch nicht die, die wir als negativ oder schmutzig ansehen.

Die Liebe zur Natur, meinen Mitmenschen, den Tieren gegenüber ist der Grundstein für meinen Aktivismus. Die Liebe zu mir selbst ist die Mutter, die über allen Emotionen steht – auch der Wut, der Angst, der Trauer und der Verzweiflung, die der Aktivismus und die allgegenwärtigen Krisen mit sich bringen. Aber auch die Leidenschaft für das, was man tut. In Zeiten der Klimakrise, der politischen und gesellschaftlichen Krise, brauchen wir die Liebe mehr als zuvor. Wir brauchen das Verständnis, den Dialog und die Toleranz, auch der Intoleranz gegenüber, um diese zu bewältigen. Viel zu viele Mauern wurden gebaut; zu viele Menschen leiden.

Mit diesem Buch schlägst du nicht nur Seiten auf – ich mache darin mein Herz für dich auf. Denn ich stelle mir unser Leben wie folgt vor: Es gibt ein inneres und ein äußeres Zuhause. Das äußere Zuhause kennen wir. Der Ort, an dem wir wohnen, uns aufhalten. Das, was wir »Heimat« nennen. Zuhause kann ein spezieller Ort oder auch mehrere, physische Orte sein. Viel weniger beachtet ist jedoch das innere Zuhause. Wie oft schauen wir rein, ins innere Zuhause? Manchmal, wenn man »nach Hause«, zu sich kommt und ganz genau hinfühlt, wird man mit dem inneren Auge sehen: Da sieht es nicht immer aufgeräumt und glatt aus. Manchmal ist das innere Zuhause chaotisch, kopfüber, manchmal hat da gerade jemand eine wilde Party gefeiert oder erotische Fantasien ausgelebt. Manchmal brennt es im inneren Zuhause. Es kann aber auch gemütlich, aufgeräumt oder angenehm unordentlich sein. Für unser äußeres Zuhause haben wir einen Werkzeugkoffer: Hammer, Schraubenzieher, Zange – alles da. Wenn das Bild mal schief hängt oder die Wände neu gestrichen gehören – wir wissen, was wir brauchen. Anders ist es aber oft mit dem inneren Zuhause, für das wir genauso eine Werkzeugkiste brauchen. Was tun wir, wenn wir vor lauter Stress nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist? Wie können wir entgegenwirken, wenn die innere Stimme uns wieder einmal klein macht? Und wie gehen wir mit Menschen um, die unsere gesamte Energie rauben? Wo ist der Feuerlöscher, wenn es mal brennt?

Schon früh wurde mir bewusst: Wir suchen so oft nach Antworten, ohne die richtige Frage zu kennen. Die richtige Frage ist oft viel bedeutender als die Antwort, die oft obsolet wird, sobald man die passende Frage gefunden hat. Wir alle haben Fragen, das beginnt schon im Kindesalter. Es ist die Neugier, die man beim Kind kultivieren muss, denn mit der Erstickung der Neugier stirbt auch alles andere, was daraus wachsen kann: Kreativität, Innovation, Veränderung, Wachstum. Ich selbst war eines dieser »nervigen« Kinder, die ununterbrochen Fragen stellen. Sehr zum Unmut vieler Lehrer*innen, die meine Fragen gerne als verhaltensauffällig bezeichneten und lieber ihren Frontalunterricht durchgezogen hätten. Zu meinem Glück hat mich der Mut zu fragen nie verlassen, vor allem nicht die Fragen, die ich mir selber tagtäglich stelle. Fragen wie »Möchte ich wirklich Kleidung von ausgebeuteten Textilarbeiterinnen tragen?« und »Kann ich mit 20 alleine für vier Monate durch Asien reisen?« haben mein Leben grundlegend verändert. Eine einzige Frage kann wie ein Tropfen auf einen flachen, stillen See prallen und Wellen schlagen, die wir uns zuvor niemals ausgemalt hätten.

Die wohl wichtigste Frage, die ich mir regelmäßig stelle, lautet »Liebe ich?«. Und hier meine ich eben nicht die oberflächliche, artifizielle Liebe, die wir aus Hollywoodfilmen kennen. Ich meine die Liebe, die Leidenschaft, die stärkste Zuneigung, die man sich vorstellen kann. Die Liebe, die auch Hass, Wut, Trauer erlaubt. Egal ob es das Essen ist, das vor mir steht, der Partner oder das Buch, das ich gerade lese: Wenn da keine Liebe ist, ist es Zeitverschwendung. Als ich 27 wurde, realisierte ich: Ein Drittel meines Lebens war bereits verstrichen. Durchschnittlich werden Menschen 28 000 Tage alt, die Hälfte ist also, wenn es nach der Statistik geht, mit knapp 38 Jahren vorbei. Wieso um alles in der Welt sollte ich etwas tun, wenn ich dabei keine Liebe empfinde? Wieso sollte ich einer Diät nachgehen, die sich jeden Tag wie eine Qual anfühlt? Wieso sollte ich in einer Beziehung bleiben, die mir nur Energie raubt? Und wieso verdammt noch mal sollte ich das tun, was andere, aber nicht mich zufrieden macht? Unsere Vergänglichkeit, die enorm kurze Zeit, die so ein Leben bereithält, sollte uns jeden Tag bewusst werden. Leider wird uns diese Vergänglichkeit aber nur dann bewusst, wenn sie vor der Tür steht. Wenn der Tod bei einem geliebten Menschen oder uns selbst anklopft. Wenn wir über eine Tragödie in der Zeitung lesen. Wenn wir ein ergreifendes Buch lesen oder einen TED Talk schauen, der uns daran erinnert. Zu sagen: »Ich möchte lieben«, mag für viele romantisiert klingen, dabei ist es für mich eine wahrhaftig realistische Herangehensweise, die besagt: Nutze deine Zeit, gib alles, blicke den Tatsachen ins Gesicht.

Wir realisieren nicht, dass es kein zweites, drittes, viertes Leben geben wird. Es gibt nur dieses eine Leben. Trotz alledem schieben wir die Entscheidung, ein erfülltes Leben zu führen, auf. Wir führen Beziehungen, die wir emotional schon längst beendet haben. Wir trennen uns jahrelang nicht, weil wir uns dem Auseinandergehen nicht stellen wollen. Wir verbringen die schönsten Jahre unseres Lebens in Jobs, die uns Tag für Tag mehr zermürben. Wir verbringen fünf Tage die Woche damit, uns auf die zwei Tage zu freuen, an denen wir das tun können, was uns Spaß macht. Wir beschweren uns über zu wenig Zeit für die Dinge, die wir lieben. Wir trauen uns so oft nicht, ins kalte Wasser zu springen, obwohl wir nichts zu verlieren haben. Wir hetzen einer Karriere nach, weil Familie oder Gesellschaft uns von klein auf indoktriniert haben, dass mehr Geld in mehr Zufriedenheit resultiert. Wir nehmen diese Rechnung für Bares, schuften, sind überarbeitet, ausgelaugt, müde und stellen irgendwann fest: Diese Rechnung geht nicht auf. Wir finden zig Erklärungen und Ausreden, wieso wir unser Leben nicht in die Hand nehmen. Die Zeit ist also gekommen: Liebe, oder lass es.