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Felix Steingruber ist Katzenhalter, Kammerjäger und Junggeselle mit unspektakulärem Leben: Von Schädlingen geplagte Hausfrauen nötigen ihn zum Kaffeetrinken, seine Mutter gibt die Hoffnung auf Enkelkinder nicht auf, Frau Obermüller bringt hin und wieder nach Katzenart ein Geschenk nach Hause. Nach einem seltsamen Traum aber muss Steingruber über den Tod nachdenken. Ein Ratgeber aus der Bibliothek empfiehlt ihm, Tagebuch zu führen. Das macht er, ein ganzes Jahr lang. Außerdem findet er in der Bibliothek eine Bibliothekarin, die dieses Jahr zu etwas Einzigartigem macht … Ralf Schlatter versteht es unnachahmlich, Tragisches und Komisches ineinander zu verweben, er entdeckt die Poesie im Unscheinbaren, die Schönheit im Morbiden.
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Ralf Schlatter
Steingrubers Jahr
Ich wurde geboren an einem Fluss
und seitdem treibe ich dahin
durch dieses Leben
das mich lieben will
egal was ich auch bin
Gisbert zu Knyphausen
Montag, 11. März
Diese Nacht habe ich Folgendes geträumt: Ich war beim Psychiater. Er hieß Dr. König. Keine Ahnung, warum. Wir saßen beide in tiefen Sesseln, zwischen uns stand ein Salontischchen. Auf dem Tischchen stand eine Schale mit Äpfeln. Keine Ahnung, warum. Dr. König schaute mir lange und tief in die Augen, dann sagte er: „Es tut mir leid, Herr Steingruber, aber ich kann nichts mehr für Sie tun.“ Ich schluckte leer und sagte: „Wie lange noch?“ Er zuckte ein bisschen mit den Schultern, kratzte sich am rechten Ohr und sagte: „Plus, minus ein Jahr.“ Dann bin ich erwacht. Ich habe sogleich Frau Höchstettner, Ameisen, abgesagt und bin in die Bibliothek gefahren. Zum ersten Mal in meinem Leben. Kurz vor der Bibliothek fuhr eine Ambulanz mit Blaulicht und Sirene an mir vorüber. Keine Ahnung, warum. Ich habe ein Ratgeberbuch zum Thema „Angst vor dem Tod“ ausgeliehen. Den Blick der Bibliothekarin werde ich so schnell nicht vergessen. Ich bin dann extra noch einmal zurück an die Theke, habe etwas Belangloses gefragt und ihr dabei auf den Busen gestarrt. Dort hing ihr Namensschild. Sie heißt Bernadette Amrain. Habe das Buch daheim gleich überflogen. Im letzten KapitelEinfache, aber wirkungsvolle Maßnahmensteht, man solle doch ein Tagebuch führen. Es könne helfen, seine Gedanken und Beobachtungen niederzuschreiben. Also habe ich eines gekauft. So ein trendiges, schwarzes mit einem Gummiband rundum, Format A5. Mein Handgelenk schmerzt bereits ein wenig. Ich finde, meine Handschrift sieht sehr seltsam aus.
Dienstag, 12. März
Heute vor einer Woche starb Vater. Ob der Traum von Dr. König damit zu tun hat? Keine Ahnung. Mein Vater war mir fremd, sein ganzes Leben lang. Warum soll ich dann von ihm träumen, wenn er nicht mehr da ist? Oder eben gerade deshalb? Und wer soll im Traum denn mein Vater gewesen sein? Dr. König? Ich? Die Schale? Und wer war ich? Ein Apfel? Alle Äpfel? Es ist kompliziert. Und wenn es wahr ist und ich habe noch ein Jahr zu leben? Was mache ich bloß? Aufhören zu arbeiten kann ich mir nicht leisten. Mit der Geschichte von Dr. König komme ich beim Sozialamt nicht durch. Habe in der Bibliothek ein Buch über Träume gefunden. Frau Amrain war da! Sie hat mich zuerst wieder so tiefgründig angeschaut, dann hat sie mich gefragt, ob ich mich denn für Träume interessiere. Das sei nämlich spannend. Sie schreibe jeden Morgen ihre Träume auf. Ich glaube, ich bin rot angelaufen, dann habe ich „Soso“ gesagt. Im Buch über Träume Folgendes gelesen: In einem Amazonas-Volk erzählen sie sich jeden Morgen ihre Träume und richten die Dorfpolitik danach aus. Der französische Philosoph Descartes soll seine ganze Theorie aus einem Traum abgeleitet haben. Darin kamen eine Kirchenmauer vor, ein Gewitter und eine Melone. Keine Ahnung, warum. Statistisch gesehen träumen wir erstens von Sex, zweitens vom Fallen und drittens vom Versagen. Vielleicht auch manchmal von allen drei Dingen gleichzeitig. In verschiedenen Reihenfolgen. Morgen wird Vater beerdigt.
Mittwoch, 13. März
Heute wurde Vater beerdigt. Urnenbestattung. Schlichte Feier in der Kirche. Warum sagt man bei uns immer, eine Feier sei schön gewesen, wenn sie schlicht war? Schön schlicht sei es gewesen, sagt man. Und warum muss man in der Kirche immer diese Lieder singen mit diesen seltsamen Texten und den viel zu schwierigen Melodien? Bei der zweiten Strophe stehen dann die Noten nicht mehr dabei und man kanns vergessen. Es kamen Leute, die ich noch nie gesehen habe. Alte Arbeitskollegen meines Vaters. Ich stelle fest: Ich habe keine Ahnung von seinem Leben. Als Erste kam eine alte, gepflegte Dame mit kunstvoll frisierten Haaren, allein. Sie sagte, sie sei jahrelang seine Sekretärin gewesen. Ich könnte schwören, sie war seine Geliebte. Meine Mutter würdigte sie keines Blickes. Dabei sind sie beide schon über achtzig. Hat sich mein Vater tatsächlich eine Geliebte geleistet? Über den Mittag ins Hotel, falsche Geschäftsreisen, verstellbare Lehne am Bürosessel? Meine Güte. Ein mir vollkommen fremder Mensch wurde da beerdigt. Ich stamme von einem Fremden ab. Und ich habe weder Sekretärin noch Geliebte. Jetzt habe ich nur noch dich, sagte Mutter. Beim Leidmahl viel zu viel getrunken. Mutter danach noch nach Hause gefahren. Die Stille im Elternhaus hätte mich beinahe erschlagen.
Donnerstag, 14. März
War heute nochmal auf dem Friedhof. Warum stehen auf den Kindergräbern immer Windräder, auf den Erwachsenengräbern aber keine? Habe ein Windrad von einem Kindergrab genommen und aufs Grab meines Vaters gesteckt. Ich habe angefangen, seine Sachen zu räumen. Ich stelle fest: Man muss alles noch einmal in die Hand nehmen. Außer man würde das Haus anzünden. Oder sprengen. Aber Mutter lebt ja noch drin. Habe beim Anfassen seiner Unterhosen an seine Sekretärin gedacht. Zuoberst in der Schachtel für den Trödlerladen lag ein gerahmtes Foto von ihm als Offizier. Mutter hat es schon immer gehasst. Der Kofferraum war schon voll, ich stellte die Schachtel auf den Rücksitz und fuhr los. Ein Kind lief mir vor den Wagen, ich bremste abrupt, und das Bild flog Zentimeter an meinem Kopf vorbei nach vorne in die Windschutzscheibe. Ich stelle fest: Beinahe hätte mich mein fremder Vater quasi posthum erschlagen. – Nachmittags Frau Oberholzer, Kakerlaken. Hat mir ihr ganzes Leben erzählt. Ihr Mann hat sich am Tag nach seiner Pensionierung aufgehängt, am einzigen Baum im Garten. Ein Quittenbaum. Ihr Mann sei halt eher klein gewachsen gewesen und der Quittenbaum eher groß, sonst wäre das ja gar nicht gegangen, sagte sie. Dem Baum habe es jedenfalls nichts gemacht. Und sie mache trotzdem jedes Jahr Quittenkonfitüre. Das lasse sie sich nicht nehmen. Quitten seien reich an Vitamin C, reicher als Äpfel. Nur das Raffeln sei eine Schinderei. Mit der Arthrose in den Händen erst recht. Dann schenkte sie mir ein Glas Quittenkonfitüre. Ich glaube nicht, dass ich sie essen werde. Vitamin C hin oder her. Bin plötzlich nicht mehr sicher, ob das im Traum Äpfel waren in der Schale. Oder Quitten.
Freitag, 15. März
Sicherheitshalber beim Arzt gewesen. Habe ihm selbstverständlich von Dr. König erzählt. Ich glaube, er glaubte mir nicht. Er hat mich halbherzig durchgecheckt und mir am Ende einen Psychiater empfohlen. Der heißt Dr. Kaiser. Wirklich wahr. Keine Ahnung, warum. Im Bus neben dem größten Trottel gesessen. Warum komme ich im Bus immer neben den größten Trottel zu sitzen? Und denkt der das auch von mir? – Nachmittags Herr Krämer, Wanzen. Im Wohnzimmer stand ein riesiges Segelschiffmodell, gebaut aus Zündhölzern. So kann man das natürlich auch machen.
Samstag, 16. März
Seit gestern spüre ich ein Stechen im rechten Knie. Über die Art und Weise meines möglichen Ablebens nach Ablauf des Jahres hat sich Dr. König ja nicht geäußert. Kann man sterben an einem stechenden Knie? In der Bibliothek einen Gedichtband von Morgenstern gefunden. An der Theke kurzerhand aufgeschlagen und Frau Amrain das Gedicht vom Knie vorgelesen. Sie hat gelacht!
Sonntag, 17. März
Heute Morgen, beim Spaziergang, im aufkommenden Föhnsturm, wäre ich beinahe von einem einstürzenden Baugespannmast erschlagen worden. Habe die letzten Einträge gelesen. Jetzt bin ich schon zum dritten Mal fast erschlagen worden. Morgen Termin Dr. Kaiser.
Montag, 18. März
Ich töte Tiere. Täglich. Ich habe schon tausende von Tieren getötet. Der Tod ist Teil meines Lebens. Das soll ich so aufschreiben, hat Dr. Kaiser gesagt. Trottel. Was soll ich denn anderes tun, Herr Kaiser? Ich bin Kammerjäger! Die Leute bezahlen mich fürs Töten von Tieren! In meinem Traum ging es nicht um eine orientalische Schabe und ich habe mit den Schultern gezuckt, mich am Ohr gekratzt und gesagt „plus, minus eine Stunde“! In dem Traum ging es um mich! – Nachmittags zur Beruhigung in den Zoo. Eine Stunde lang dem Schabrackentapir zugeschaut. Das kostet zehnmal weniger als eine Stunde bei Dr. Kaiser. Auf dem Heimweg stieg Frau Amrain in den Bus! So, haben Sie Feierabend, sagte ich. Sie nickte, und dann fragte sie mich, was ich denn so mache im Leben. Ich sagte, ich sei Kammerjäger. Sie sagte, das treffe sich gut, sie habe Silberfischchen im Keller. Ich sagte, prima. Also nicht das mit den Silberfischchen. Sie lachte. Termin bei ihr am Freitag! Sie wohnt an der Käferbergstraße. Ausgerechnet!, sagte ich. Sie lachte noch einmal. Ich habe ja ganz feuchte Hände, meine Güte.
Dienstag, 19. März
Weiter das Büro und die Werkstatt meines Vaters geräumt. Sein altes Fahrrad, schachtelweise Bücher. Lederstrumpf, Gorbatschows Reden, Dürrenmatt, Glühbirnen, alles wird irgendwie gleichwertig wertlos, es zählt nur als Gewicht auf dem Entsorgungshof, man fährt vorher und nachher auf eine Waage, man bezahlt, was weg ist, egal ob Glühbirnen oder Gorbatschow. Wie tröstlich eigentlich. Ein Mann ging am Haus vorbei, mit einem vollbepackten Einkaufswagen. Darin offenbar sein gesamtes Hab und Gut. Er blieb stehen und schaute auf den Abfallberg auf dem Vorplatz. Dann ging er weiter. Nachmittags Frau Günther, Dörrobstmotten. Frau Oberholzer, Kakerlaken, Nachkontrolle. Sie hat mir noch einmal ihr ganzes Leben erzählt. Und sie hat mir wieder ein Glas Quittenkonfitüre geschenkt. Wäre ich doch Frau Oberholzer. Ich hätte den blöden Traum schon längst wieder vergessen. Kann man eigentlich vorsätzlich etwas vergessen? Jetzt sind es schon zwei Wochen, dass Vater gestorben ist. Das hätte ich jetzt beinahe vergessen.
Mittwoch, 20. März
Frau Bühlmann, Kakerlaken. Ich vermute: alleinstehend, Alkoholikerin. Hat wohl alle Flaschen weggeräumt, bevor ich kam. Aber man sieht es an der Haut. Und man riecht es, an diesen Mentholpastillen. Wenn Einsamkeit einen Geruch hat, dann ist es diese Mischung aus Restalkohol und Mentholpastillen. Vor dem Wohnhaus sah ich ein Mädchen, das zum ersten Mal in seinem Leben Fahrrad fuhr. Es strahlte übers ganze Gesicht. Schon beim zweiten Versuch war das Leuchten schwächer. Beim dritten Mal war es schon beinahe verschwunden. Ich könnte eine Liste machen mit Dingen, die mir ein solches Strahlen ins Gesicht zaubern. Jetzt gerade, so spontan, fällt mir nichts ein.
Donnerstag, 21. März
Heute Morgen um drei brachte mir Frau Obermüller ein Rotkehlchen. Trotz Glocke um den Hals. Vom Kehlchen des Rotkehlchens war leider nicht mehr viel übrig. Ich stelle fest: Frau Obermüller kann töten, was sie will, aber muss deswegen nicht zu Dr. Kaiser. Plötzlich sehe ich überall Bücher mit Listen. Tausend Orte, wo man gewesen sein muss. Hundert Dinge, die ein Mann getan haben muss. Habe das Buch aufgeschlagen. Ich solle mit einem Motorrad quer durch Amerika fahren. Na toll. Es ist vier Uhr nachmittags, ich sitze im Selbstbedienungsrestaurant im Einkaufszentrum. Alte ausländische Männer sitzen an runden Tischen, bei Kaffee und Kuchen. Hinten an der Wand hängen zwei Flachbildschirme nebeneinander. Auf beiden läuft der gleiche Sender. Biathlon. Frauen schießen und langlaufen tonlos durch einen verschneiten Wald. Einem alten Mann fällt ein Stück Himbeertorte zu Boden. Er flucht in einer fremden Sprache. Heute beginnt der Frühling.
Freitag, 22. März
Frau Amrain wohnt in einem kleinen Häuschen. Allein! Alles ist extrem aufgeräumt bei ihr und sauber. Überall hängen kleine Bilder, alte Blumenzeichnungen oder lustige Katzenbilder. Sie bat mich, die Schuhe auszuziehen, und gab mir Pantoffeln. Ein seltsames Gefühl, mit Pantoffeln in einem fremden Haus herumzugehen. Als wäre man dort zu Hause. Auf die Pantoffeln war eine Katze gestickt. Ich erzählte ihr von Frau Obermüller und dem Rotkehlchen. Frau Amrain schaute mich mit großen Augen an, zeigte auf ein Foto an der Wand und sagte, das sei Romeo. Wo er sich denn rumtreibe, der Gauner, sagte ich, da stiegen ihr die Tränen in die Augen. Überfahren, sagte sie, hier, gleich vor dem Haus, vier Monate sei es her. Dann ging sie in die Küche und machte schluchzend Kaffee. Ich stand betreten im Flur herum in meinen Katzenpantoffeln und überlegte krampfhaft, was ich sagen sollte. Dann rief sie zum Glück, ob ich Zucker nehme in den Kaffee. Ich ging in die Küche, sagte „ja, gerne“, und setzte mich an den Küchentisch. Beim Setzen stieß ich mit dem Knie ans Tischbein und der Kaffee schwappte über. Sie kam gleich mit einem Lappen und putzte den Fleck auf. Ich rührte sicher eine Minute lang in der Tasse herum, bis sich dieser Scheißwürfelzucker endlich aufgelöst hatte. Sie schwieg. Ich trank einen Schluck, und dann sagte ich: „So, dann werde ich mir mal die Silberfischchen vornehmen.“ Was für ein idiotischer Satz. Meine Güte, warum fiel mir nichts Besseres ein. Sie hatte mich ja förmlich eingeladen, sie zu trösten. „Das tut mir leid mit Ihrem Kater“, hätte ich sagen können. Oder „erzählen Sie mir von Romeo, wie war er denn so“. Oder „das kann ich verstehen, das ginge mir auch so“. Oder ich hätte sie sogar in den Arm nehmen können! Was auch immer. Alles außer „dann werde ich mir mal die Silberfischchen vornehmen“. Sie versuchte zu lächeln. Und logisch, beim Aufstehen stieß ich noch einmal an dieses verfluchte Tischbein. Wieder schwappte der Kaffee über. Sie putzte noch einmal, dann führte sie mich in den Keller. Ich stellte Klebefallen auf und riet zum Lüften. Sie nickte dankbar. Dann sagte ich: „So, das wärs schon gewesen von meiner Seite.“ Noch so ein idiotischer Satz. Von meiner Seite. Von welcher denn sonst. Morgen gehe ich in die Bibliothek und überlege mir vorher etwas Gescheiteres.
Samstag, 23. März
Bibliothek. Fünf unverfängliche Bücher ausgeliehen, nur um mit Frau Amrain reden zu können. Ich legte die Bücher auf die Theke und sagte: „Übrigens, es tut mir sehr leid wegen Ihrem Kater.“ Sie lächelte und sagte danke, es gehe schon. Wie sie mich dabei ansah! Meine Güte. Neben meinem Bett stapeln sich nutzlose Bücher. Wenn sie mich je auf eines anspricht, merkt sie, dass ich sie gar nicht lese. Neue Taktik: Ich muss eines ausleihen und hoffen, ihren Geschmack zu treffen! Dann ergibt sich das Gespräch von allein!
Sonntag, 24. März
Ich habe beschlossen, von nun an jeden Sonntag meine Mutter zu besuchen. Nicht dass sie am Ende von der Einsamkeit im Haus erschlagen wird. Und ich habe am Sonntag etwas zu tun. Ich glaube, sie hatte geweint, bevor ich kam. Sie packte mich eine Spur zu fest an den Schultern. Sie hatte den Kuchen gebacken, der ja früher mein Lieblingskuchen gewesen sei. Keine Ahnung, warum. Ich aß zu viel davon und blieb zu lange. Beim Abschied packte sie mich wieder zu fest bei den Schultern. Ich bereue bereits meinen Entschluss. Und dann hat sie mich auch noch gefragt, ob ich mit ihr im Juni für zwei Wochen an die Ostsee fahre. Sie habe die Reise ja für sich und meinen Vater gebucht. Sie hatte Tränen in den Augen. Ich habe Ja gesagt. Warum sind Mütter so gut im Erpressen? Sie umarmte mich eine Spur zu fest und packte mir den Rest vom Kuchen ein. Darum heißt es wohl Mutterkuchen. Abends im Krimi kam ein Kammerjäger vor. Wegen zwei läppischer Spinnen. Eine erfundene Art noch dazu. Und der Kammerjäger war nicht einmal zu sehen.
Montag, 25. März
Am frühen Morgen ein Reh gesehen, am Waldrand. Es ist geflüchtet. Ich habe kürzlich gelesen, Fluchttiere hätten die Augen auf der Seite, Raubtiere hätten sie vorne. Darum sei der Mensch ein Fleischfresser. Ich habe die Theorie im Supermarkt überprüft. Lauter beutegierige Hausfrauen an der Fleischtheke. Ich bin geflüchtet. Ich denke andauernd an Frau Amrain. Bin ich eigentlich verliebt? Woran merkt man das? Indem man sich andauernd fragt, ob man es sei?
Dienstag, 26. März