Stille Nacht - Mary Higgins Clark - E-Book

Stille Nacht E-Book

Mary Higgins Clark

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Beschreibung

Ein modernes Weihnachtsmärchen, eine Parabel über die Macht des Glaubens – bewegend erzählt von der „Königin der Spannung“.

Manhattan am Heiligen Abend: Brian verschwindet im Gedränge und gerät in die Hände eines Mörders. Doch der siebenjährige Junge hat nur einen Gedanken: Er möchte seinem schwerkranken Vater ein Christophorus-Medaillon übergeben, denn er ist fest davon überzeugt, dass dieser dann wieder gesund werden wird.

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Seitenzahl: 192

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Inhaltsverzeichnis

WidmungKapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 Kapitel 7 Kapitel 8 Kapitel 9 Kapitel 10 Kapitel 11 Kapitel 12 Kapitel 13 Kapitel 14 Kapitel 15 Kapitel 16 Kapitel 17 Kapitel 18 Kapitel 19 Kapitel 20 Kapitel 21 Kapitel 22 Kapitel 23 Kapitel 24 Kapitel 25 WEIHNACHTEN DANKSAGUNGCopyright

Für Joan Murchison Broad und in Erinnerung an Col. Richard L. Broad, mit Liebe und Dank für die gemeinsamen schönen Zeiten

Heiliger Christophorus,Schutzpatron der Reisenden,bitte für unsund beschütze uns vor allem Übel.

1

Es war Heiligabend in New York City. Das Taxi schob sich langsam die Fifth Avenue hinunter. Es war beinahe fünf Uhr. Der Verkehr war dicht, und die Bürgersteige waren überlaufen von Menschen auf der späten Jagd nach Weihnachtsgeschenken, von Büroangestellten auf dem Heimweg und von Touristen, die unbedingt einen Blick auf die kunstvoll geschmückten Schaufenster und den legendären Christbaum am Rockefeller Center erhaschen wollten.

Es war bereits dunkel, und der Himmel überzog sich immer schwerer mit Wolken, eine offensichtliche Bestätigung der Wettervorhersage für ein weißes Weihnachtsfest. Die blinkenden Lichter jedoch, die Klänge von Weihnachtsliedern, die klingelnden Glöckchen von Weihnachtsmännern auf den Bürgersteigen und die allgemein fröhliche Stimmung der Menschenmenge verliehen der berühmten Hauptverkehrsstraße eine für den 24. Dezember angemessen festliche Atmosphäre.

Catherine Dornan saß kerzengerade auf der Rückbank des Taxis und hatte die Arme um ihre beiden kleinen Söhne gelegt. An der Steifheit ihrer Körper erkannte sie, daß ihre Mutter recht gehabt hatte. Die schroffe Haltung des zehnjährigen Michael und das Schweigen des siebenjährigen Brian waren ein sicheres Zeichen dafür, daß sich beide Jungen große Sorgen um ihren Dad machten.

Als sie früher am Nachmittag vom Krankenhaus aus ihre Mutter angerufen hatte, noch immer schluchzend, obwohl ihr Spence Crowley, der alte Freund und Arzt ihres Mannes, versichert hatte, Tom habe die Operation besser als erwartet überstanden, und sogar vorgeschlagen hatte, die Jungen könnten ihn noch am Abend desselben Tages um sieben Uhr besuchen, da hatte ihre Mutter sie energisch ins Gebet genommen: »Catherine, du mußt dich zusammenreißen«, hatte sie gesagt. »Die Jungs sind so verstört, und du bist keine Hilfe. Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn du versuchst, sie ein bißchen abzulenken. Geh doch mit ihnen zum Rockefeller Center, schaut euch den Baum an, und danach geht ihr irgendwo essen. Daß du dir solche Sorgen machst, hat sie praktisch davon überzeugt, daß Tom sterben muß.«

Was da passiert, darf doch einfach nicht wahr sein, dachte Catherine. Mit jeder Faser ihres Wesens wünschte sie, sie könnte die vergangenen zehn Tage ungeschehen machen, und zwar von dem schrecklichen Augenblick an, als das Telefon läutete und der Anruf aus dem St. Mary’s Hospital kam. »Catherine, kannst du sofort rüberkommen? Tom ist zusammengebrochen, während er seinen Rundgang gemacht hat.«

Ihr unmittelbarer Eindruck zu jenem Zeitpunkt war, daß es sich um einen Irrtum handeln mußte. Schlanke, athletische, achtunddreißigjährige Männer brechen nicht einfach zusammen. Und Tom scherzte doch immer darüber, daß Kinderärzte von Haus aus gegen all die von ihren Patienten angeschleppten Viren und Bakterien resistent seien.

Aber Tom war nicht gegen die Leukämie resistent, welche die sofortige Entfernung seiner enorm vergrößerten Milz erforderlich machte. Im Krankenhaus berichteten sie ihr, er müsse schon seit Monaten Warnzeichen ignoriert haben. Und ich war zu dumm, es zu bemerken, dachte Catherine, während sie das Zittern ihrer Lippen zu unterdrücken versuchte.

Sie blickte aus dem Fenster und sah, daß sie gerade am Plaza Hotel vorbeifuhren. Elf Jahre zuvor, an ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag, hatten sie im Plaza ihren Hochzeitsempfang abgehalten. Bräute sollten eigentlich nervös sein, dachte sie. War ich aber nicht. Ich bin damals praktisch auf ihn zugerannt.

Zehn Tage später hatten sie dann ein bescheidenes Weihnachten in Omaha gefeiert, wo Tom in der angesehenen Kinderstation des Krankenhauses eine Stellung angenommen hatte. Wir haben uns diesen verrückten künstlichen Baum im Ausverkauf besorgt, dachte sie bei der Erinnerung daran, wie Tom ihn hochgehalten und verkündet hatte: »Alle mal herhören, K-mart-Kunden ...«

Dieses Jahr aber stand der Baum, den sie so sorgfältig ausgewählt hatten, noch mit zusammengebundenen Ästen in der Garage. Sie hatten beschlossen, für die Operation nach New York zu gehen. Toms bester Freund, Spence Crowley, war mittlerweile ein prominenter Chirurg in der Klinik Sloan-Kettering.

Catherine zuckte bei dem Gedanken daran zusammen, wie verstört sie gewesen war, als sie endlich die Erlaubnis erhielt, Tom zu sehen.

Das Taxi hielt am Bordstein. »Hier okay, Lady?«

»Ja, ist gut so«, sagte Catherine in erzwungen heiterem Tonfall, während sie ihr Portemonnaie hervorholte. »Dad und ich haben euch beide vor fünf Jahren am Weihnachtsabend hierher mitgenommen. Brian, ich weiß, du warst noch zu klein, aber Michael, kannst du dich noch erinnern?«

»Ja«, erwiderte Michael knapp und machte sich am Türgriff zu schaffen. Er beobachtete, wie Catherine einen Fünf-Dollar-Schein von dem Notenbündel in ihrem Portemonnaie abschälte. »Wieso hast du eigentlich so viel Geld dabei, Mom?«

»Als Dad gestern im Krankenhaus aufgenommen wurde, haben sie verlangt, daß ich bis auf ein paar Dollar alles, was er in seiner Brieftasche hatte, mitnehme. Ich hätte es aussortieren sollen, als ich wieder bei Gran zu Hause war.«

Sie folgte Michael auf das Trottoir hinaus und hielt Brian die Wagentür auf. Sie waren vor dem Kaufhaus Sak’s, unweit der Ecke Neunundvierzigste Straße und Fifth Avenue. Ordentlich aufgereihte Zuschauer warteten geduldig darauf, die Weihnachtsdekoration der Schaufenster aus der Nähe bewundern zu können. Catherine steuerte ihre Söhne auf das Ende der Schlange zu. »Schaun wir uns erst mal die Schaufenster an, dann gehen wir über die Straße und verschaffen uns einen besseren Blick auf den Baum.«

Brian seufzte tief. Das war vielleicht ein Weihnachten! Er haßte es, anzustehen – egal wofür. Er beschloß, das Spiel zu spielen, auf das er sich immer einließ, wenn er wollte, daß die Zeit rasch vorüberging. Er tat dann nämlich einfach so, als wäre er bereits dort, wo er sein wollte, und heute abend hieß das dort im Zimmer, wo sein Dad im Krankenhaus war. Er konnte es kaum erwarten, seinen Dad zu besuchen, ihm das Geschenk zu überreichen, von dem seine Großmutter behauptet hatte, es werde ihn wieder gesund machen.

Brian war so darauf versessen, den Abend voranzutreiben, daß er, als sie endlich an die Reihe kamen, die Schaufenster von nahem zu begutachten, schnell nach vorne trat und die Szenerien mit den wirbelnden Schneeflocken und den tanzenden und singenden Puppen und Elfen und Tieren kaum wahrnahm. Er war froh, als sie endlich die Menschenschlange hinter sich ließen.

Als sie dann jedoch auf die Straßenecke zugingen, um die Avenue zu überqueren, sah er, daß gerade ein Mann mit einer Geige Anstalten machte, zu spielen, und sich immer mehr Leute in seinem Umkreis ansammelten. Mit einemmal war die Luft von den Klängen des Lieds »Stille Nacht« erfüllt, und die Menschen fingen an zu singen.

Catherine machte am Bordstein kehrt. »Wartet mal, laßt uns ein paar Minuten zuhören«, sagte sie zu den Jungen.

Brian bekam das Stocken in ihrer Kehle mit und wußte, daß sie versuchte, nicht zu weinen. Er hatte Mom noch kaum je weinen sehen, bis zu dem Morgen letzte Woche, als jemand aus dem Krankenhaus anrief und sagte, daß Dad ganz schlimm krank sei.

Cally ging langsam die Fifth Avenue hinunter. Es war kurz nach fünf, und sie war umgeben von einem Strom mit Päckchen beladener Weihnachtskunden, die auf den letzten Drücker einkauften. Es hatte eine Zeit gegeben, da sie sich von der allgemeinen Stimmung hätte anstecken lassen, aber das einzige, was sie heute empfand, war eine bleierne Müdigkeit. Der Tag war so anstrengend gewesen. Während der Weihnachtsfeiertage wollten die Leute zu Hause sein, und so waren die meisten Patienten im Krankenhaus entweder deprimiert oder schwierig. Ihre trübsinnigen Mienen erinnerten sie lebhaft an ihre eigene Depression während der letzten zwei Weihnachtsfeste, die sie beide in der Frauenstrafanstalt Bedford verbracht hatte.

Sie kam an der St. Patrick’s Cathedral vorbei, und nur für einen Augenblick zögerte sie, als ihr wieder einfiel, wie ihre Großmutter sie und ihren Bruder Jimmy einmal mitgenommen hatte, um die Krippe dort anzuschauen. Doch das war nun schon zwanzig Jahre her; sie war damals zehn gewesen, und er sechs. Sie verspürte flüchtig den Wunsch, sie könnte wieder in die Zeit von damals zurückkehren, die Dinge ändern, die schlimmen Ereignisse rechtzeitig verhindern, sie könnte Jimmy davor bewahren, zu dem zu werden, was er jetzt war.

Seinen Namen auch nur zu denken reichte schon aus, Wellen der Furcht durch ihren Körper zu jagen. Lieber Gott, mach, daß er mich in Ruhe läßt, betete sie. Heute morgen war schon früh stürmisch gegen ihre Wohnungstür geklopft worden. Als Cally sie aufmachte, während Gigi sich an sie klammerte, standen Detective Shore und ein weiterer Polizeibeamter, der sich als Detective Levy vorstellte, in dem schäbigen Korridor ihres Apartmenthauses an der Zehnten Straße Ost vor ihr.

»Cally, haben Sie mal wieder Ihrem Bruder Unterschlupf gewährt?« Shores Augen hatten den Raum hinter ihr nach Zeichen für seine Anwesenheit abgesucht.

Die Frage war der erste Hinweis für Cally, daß es Jimmy offenbar gelungen war, aus dem Gefängnis auf Riker’s Island zu entkommen.

»Die Beschuldigung lautet auf Mordversuch an einem Gefängniswärter«, sagte der Kriminalbeamte mit von Bitterkeit erfüllter Stimme. »Der Wachmann ist schwer verletzt, und es ist fraglich, ob er durchkommt. Ihr Bruder hat ihn angeschossen und ihm seine Uniform weggenommen. Diesmal werden Sie erheblich länger als fünfzehn Monate im Gefängnis verbringen, wenn Sie Jimmy bei der Flucht helfen. Beihilfe nach der Tat im Wiederholungsfall, wobei wir von einem Mordversuch – oder Mord – an einem Strafvollzugsbeamten reden. Cally, diesmal rechnen die gründlich mit Ihnen ab.«

»Ich hab mir nie verziehen, daß ich Jimmy letztesmal Geld gegeben habe«, hatte Cally leise gesagt.

»Sicher. Und die Schlüssel zu Ihrem Wagen«, erinnerte er sie. »Cally, ich warne Sie. Helfen Sie ihm bloß dieses Mal nicht.«

»Tu ich nicht. Darauf können Sie sich verlassen. Und ich wußte damals nicht, was er angestellt hatte.« Sie hatte dann beobachtet, wie die Blicke der Männer wieder an ihr vorbei in Richtung Wohnung wanderten. »Nur zu«, hatte sie geschrien. »Sehen Sie sich um! Er ist nicht da. Und wenn Sie mein Telefon anzapfen wollen, dann bitte sehr. Ich will, daß Sie hören, wie ich Jimmy sage, er soll sich freiwillig stellen. Weil das alles ist, was ich ihm zu sagen habe.«

Aber Jimmy findet mich doch bestimmt nicht, flehte sie im stillen, während sie sich ihren Weg durch das Gewimmel von Kauf- und Schaulustigen bahnte. Nicht dieses Mal. Nach Absolvierung ihrer Gefängnisstrafe hatte sie sich damals Gigi wieder aus dem Pflegeheim geholt. Die Sozialarbeiterin hatte die winzige Wohnung an der Zehnten Straße Ost ausfindig gemacht und ihr die Stelle als Schwesternhilfe im St. Luke’s-Roosevelt Hospital besorgt.

Dies würde seit zwei Jahren ihr erstes Weihnachtsfest mit Gigi zusammen sein! Wenn sie sich doch nur ein paar anständige Geschenke für sie hätte leisten können, dachte sie. Eine kleine Vierjährige sollte ihren eigenen neuen Puppenwagen haben, nicht diesen abgenutzten, den Cally für sie hatte besorgen müssen. Die Bettdecke und das Kissen, die sie gekauft hatte, würden das schmuddelige Aussehen des Wagens nicht verbergen. Doch vielleicht gelang es ihr ja, den Typen wiederzufinden, der in der Woche zuvor auf einer Straße hier in der Gegend Puppen zum Verkauf geboten hatte. Sie kosteten bloß acht Dollar, und sie erinnerte sich, daß sogar eine darunter gewesen war, die Gigi ähnlich sah.

Sie hatte an jenem Tag nicht genug Geld dabeigehabt, aber der Typ hatte ihr erklärt, am Heiligabend werde er an der Fifth Avenue zwischen der Siebenundfünfzigsten und der Siebenundvierzigsten Straße sein, also mußte sie ihn doch finden. O Gott, betete sie, laß sie Jimmy verhaften, bevor er noch jemand was antut. Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Schon von Anfang an war das so gewesen.

Vor ihr sangen Leute »Stille Nacht«. Als sie jedoch näherkam, stellte sie fest, daß es keine eigentlichen Weihnachtssänger waren, sondern einfach eine Gruppe Menschen, die sich um einen Straßengeiger versammelt hatte, der Weihnachtsmelodien spielte.

»... Holder Knabe im lockigen Haar ...«

Brian stimmte nicht in das Singen ein, obwohl »Stille Nacht« sein Lieblingslied war und er zu Hause in Omaha ein Mitglied des Kinderchors seiner Kirche war. Er wünschte sich, er könnte jetzt dort sein, nicht in New York, und sie wären gerade dabei, den Weihnachtsbaum in ihrem eigenen Wohnzimmer zu schmücken, und alles wäre noch so wie sonst immer.

Er hatte New York gern und freute sich immer auf die Besuche bei seiner Großmutter im Sommer. Dann hatte er Spaß. Aber diese Art von Besuch jetzt mochte er nicht. Nicht am Heiligabend, mit Dad im Krankenhaus und Mom so traurig und mit seinem Bruder, der ihn ständig rumkommandierte, obwohl Michael doch bloß drei Jahre älter war.

Brian steckte die Hände in seine Jackentaschen. Sie fühlten sich kalt an, obwohl er seine Handschuhe trug. Er blickte ungeduldig auf den riesigen Weihnachtsbaum auf der gegenüberliegenden Straßenseite, jenseits der Eisbahn. Er wußte, daß seine Mutter gleich sagen würde: »Also gut. Laßt uns jetzt den Baum richtig anschauen.«

Er war so hoch, und die Lichter daran waren so hell, und da war ein großer Stern oben auf der Spitze. Aber Brian machte sich jetzt nichts daraus oder aus den Schaufenstern, die sie eben betrachtet hatten. Er wollte auch nicht diesem Kerl beim Geigenspiel zuhören, und er hatte keine Lust, hier rumzustehen.

Sie vergeudeten nur Zeit. Er wollte ins Krankenhaus und zuschauen, wie Mom Dad die große Christophorus-Medaille gab, die Grandpa das Leben gerettet hatte, als er im Zweiten Weltkrieg Soldat gewesen war. Grandpa hatte sie den ganzen Krieg hindurch getragen, und sie hatte sogar eine Delle an der Stelle, wo sie von einer Kugel getroffen worden war.

Gran hatte Mom gebeten, sie Dad zu geben, und obwohl Mom beinahe aufgelacht hätte, hatte sie es versprochen, aber mit den Worten: »Ach, Mutter, Christophorus war doch bloß eine Legende. Er wird nicht mehr als Heiliger angesehen, und die einzigen Menschen, denen er geholfen hat, sind die Leute, die all die Gedenkmünzen verkauft haben, die sich früher jeder ans Armaturenbrett gesteckt hat.«

Gran hatte daraufhin erklärt: »Catherine, dein Vater war überzeugt davon, daß ihm die Medaille einige schreckliche Schlachten überstehen half, und das ist das einzige, was zählt. Er hat daran geglaubt, und ich tu’s auch. Bitte gib sie Tom und hab Vertrauen.«

Brian empfand Ungeduld mit seiner Mutter. Wenn Gran daran glaubte, daß Dad sich wieder erholen würde, sobald er die Medaille bekam, dann mußte Mom sie ihm auch geben. Er war fest davon überzeugt, daß Gran recht hatte.

»... schlaf in himmlischer Ruh!« Die Geige hörte zu spielen auf, und eine Frau, die das Singen angeführt hatte, reichte einen Korb herum. Brian schaute zu, wie die Leute anfingen, Münzen und Dollarscheine hineinfallen zu lassen.

Seine Mutter zog ihr Portemonnaie aus ihrer Umhängetasche hervor und nahm zwei Ein-DollarScheine heraus. »Michael, Brian, hier. Steckt das in den Korb.«

Michael griff nach seinem Dollar und versuchte sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen. Brian schickte sich schon an, ihm zu folgen, bemerkte dann jedoch, daß das Portemonnaie seiner Mutter, als sie es zurückgesteckt hatte, nicht wieder richtig unten in ihrer Schultertasche verschwunden war. Noch während er hinsah, fiel es zu Boden.

Er machte kehrt, um das Portemonnaie aufzuheben, aber bevor er danach greifen konnte, streckte sich eine Hand nach unten aus und packte es. Brian sah, daß die Hand zu einer mageren Frau mit einem dunklen Regenmantel und einem langen Pferdeschwanz gehörte.

»Mom!« sagte er eindringlich, aber alle hatten wieder zu singen angefangen, und sie wandte nicht den Kopf. Die Frau, die das Portemonnaie an sich genommen hatte, begann durch die Menschenmenge zu entschlüpfen. Instinktiv nahm Brian die Verfolgung auf, da er besorgt war, er könnte sie aus den Augen verlieren. Er drehte sich um und wollte erneut nach seiner Mutter rufen, aber sie sang jetzt auch mit den anderen mit: »O du fröhliche, o du selige ...« Alle sangen so laut, daß ihm klar war, sie würde ihn nicht hören können.

Eine Sekunde lang zögerte Brian, als er über die Schulter zu seiner Mutter hinüberblickte. Sollte er lieber zurücklaufen und sie holen? Aber er dachte wieder an die Medaille, die seinem Vater helfen würde, gesund zu werden; sie steckte in dem Portemonnaie, und er durfte nicht zulassen, daß sie gestohlen wurde.

Die Frau war bereits dabei, um die Ecke zu verschwinden. Er rannte los, um sie noch einzuholen.

ENDE DER LESEPROBE

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Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 11/2008

Copyright © 1995 by Mary Higgins Clark Copyright © 1996 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Eisele Grafik Design, MünchenCoverfoto: © Shutterstock/Sofiaworld und iulias

eISBN 978-3-641-10066-7V002

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