Stillen mit (herz-)krankem Kind - Julia Berg - E-Book

Stillen mit (herz-)krankem Kind E-Book

Julia Berg

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Beschreibung

Stillen ist nicht nur die natürliche, sondern auch die gesündeste Ernährungsform für alle Kinder im ersten Lebensjahr. Babys mit angeborenen Erkrankungen profitieren in besonderem Maße von Muttermilch. Oft haben deren Mütter jedoch besondere Hürden auf dem Weg zu einer gelingenden Stillbeziehung zu überwinden – etwa die körperliche Verfassung des Kindes, die räumliche Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt, der langwierige und durchgetaktete Klinikaufenthalt oder Regenerationsphasen nach Operationen. Dieser Ratgeber vermittelt (werdenden) Eltern fundiertes Wissen zu vielfältigen Themen rund ums Stillen kranker Kinder. Einen besonderen Schwerpunkt legt die Autorin, selbst betroffene Mutter, Hebamme und Kinderkrankenschwester, auf die Besonderheiten bei der Ernährung von Kindern mit angeborenem Herzfehler. Mütter erhalten wertvolle Tipps, wie z.B. zur Anregung und Aufrechterhaltung der Milchbildung sowie der alternativen Gewinnung von Muttermilch. So wird jeder Mutter, die stillen möchte, die Unterstützung geboten, die sie braucht.

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Erste Hilfen, Band 16

für Linus, Jonathan, Charlotte und Max

Julia Berg ist Kinderkrankenschwester und Hebamme. Sie hat viele Jahre im Kreißsaal einer Uniklinik gearbeitet und ist freiberuflich vor allem in der Wochenbettbetreuung und Stillberatung tätig. Im Jahr 2016 kam ihr drittes Kind mit einem Herzfehler zur Welt. Während der ersten 4½ Lebensmonate wurde es fast ausschließlich mit abgepumpter Muttermilch ernährt, obwohl Mutter und Tochter diese Zeit gemeinsam in der Klinik verbrachten. Zu Hause stellte Julia Berg auf Vollstillen um und stillte insgesamt 19 Monate.

Julia Berg

Stillen mit (herz-)krankem Kind

Hebammenwissen für Eltern

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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Umschlaggestaltung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main

Umschlagfoto: Julia Berg

Illustrationen und Fotos: Julia Berg, außerdem: Stefanie Stelzer

(Abb. 11–14), Dr. med. Tina Springer (Abb. 17)

Lektorat: Bettina Salis, Hamburg

Korrektorat: Antonia Ley, Hebenshausen

eISBN: 978-3-86321-563-7ISBN: 978-3-86321-540-8

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Einige Worte vorweg

Über dieses Buch

1.Allgemeine Informationen

1.1Warum Muttermilch so wichtig ist – gerade für kranke Säuglinge

1.2Besonderheiten bei (herz-)kranken Babys

1.3Der Partner als wichtiger Unterstützer

2.Schwangerschaft und Geburt

2.1So kommt die Milch in die Brust – und wieder hinaus

2.2Milch von Hand gewinnen

2.3Das Baby ist da! – Oder: Das erste Anlegen nach der Geburt

2.4Stillen und Schnuller

3Das (herz-)kranke Kind stillen

3.1Die ersten Stunden und Tage

3.2Stillpositionen und Anlegetechnik

3.3Entwicklungsschübe

3.4Stillen in der Öffentlichkeit

3.5Schwierigkeiten und schmerzende Brustwarzen

3.6Wenn mein Baby zu schwach an der Brust saugt

3.7Wenn die Milchmenge nicht ausreicht

3.8Zu viel Milch

3.9Schmerzen in der Brust

4Wenn Stillen nicht möglich ist

4.1Die Milchpumpe

4.2So pumpst du richtig ab

4.3Lagerung und Transport abgepumpter Milch

4.4Muttermilch aufwärmen und füttern

4.5Spenderinnenmilch und Frauenmilchbanken

5Genug zunehmen

5.1Gewichtsentwicklung beim herzkranken Baby

5.2Wenn mein Baby zu langsam zunimmt

5.3Wenn mein krankes Kind nicht essen kann oder mag

6Was die Stillzeit begleitet

6.1Das Kind isst mit – Ernährung der Mutter

6.2Stillen und Berufstätigkeit

6.3Langzeitstillen

6.4Kariesprophylaxe beim Kleinkind

7Abstillen und Relaktation

7.1Abstillen – Wann und Wie

7.2Wiederaufnahme der Stillbeziehung nach dem Abstillen

8Adressen, Links und weiterführende Literatur

9Endnoten

10Register

Einige Worte vorweg

Liebe Eltern,

in Deutschland kommt jedes Jahr etwa eines von hundert Kindern mit einem Herzfehler zur Welt. Ein Teil dieser Kinder startet mit noch anderen Besonderheiten ins Leben – zum Beispiel einer Chromosomenstörung und/oder Erkrankung eines weiteren Organsystems. Dank unserer fortgeschrittenen Medizin sind die meisten angeborenen Herzfehler heute gut behandelbar. Über 90 Prozent dieser Kinder erreichen das Erwachsenenalter. Nichtsdestotrotz ist die Diagnose für die (werdenden) Eltern ein Schock. Auf Mutter und Vater stürmen viele Gefühle ein. Schließlich wünschen sich Eltern für ihr Kind den bestmöglichen Start ins Leben. Für ein Neugeborenes oder einen Säugling mit angeborenem Herzfehler oder einer anderen Erkrankung bedeutet dies: die optimale, der Schwere der Erkrankung angepasste, medizinische Versorgung. Und: die Ernährung mit Muttermilch.

Muttermilch ist in ihrer Zusammensetzung unnachahmlich, unterstützt das noch unreife Immunsystem des heranwachsenden Kindes und kann über die gesamte Lebensspanne vor einer Vielzahl von Erkrankungen schützen. Besonders für Babys, die krank und/oder zu früh zur Welt gekommen sind und nach der Geburt in einer Klinik behandelt werden müssen, ist Muttermilch wichtig, um Komplikationen vorzubeugen. Eine Mutter, die ihrem Kind Muttermilch gibt und ein Partner, der sie dabei unterstützt, leisten einen wichtigen Beitrag zur Genesung ihres Kindes. Und eine gelingende Stillbeziehung kann für Mutter und Kind sehr tröstend sein.

Dabei sind die Voraussetzungen für die Mutter eines kranken Kindes oft nicht optimal. Neugeborene mit angeborenem Herzfehler oder anderen schweren Erkrankungen werden häufig schon kurz nach der Geburt im Kreißsaal von ihren Müttern getrennt und zur Überwachung und Behandlung in eine Kinderklinik verlegt. Die räumliche Trennung vom Kind, der körperliche und vor allem psychische Stress für die junge Mutter können den Stillstart bzw. das In-Gang-Kommen der Milchbildung nach der Geburt ebenso erschweren wie der Umstand, dass das Neugeborene infolge seiner Erkrankung und Behandlung vielleicht kurz- oder längerfristig nicht in der Lage sein wird, selbst effektiv an der mütterlichen Brust zu saugen. Schlimmstenfalls stillt dann eine Mutter, die sich auf das Stillen gefreut hat und ihrem Kind Muttermilch geben wollte, früh ab, weil sie zu wenig Milch oder Beschwerden der Brust hat.

Ich hoffe, dieser Ratgeber kann euch den Start in das Leben mit eurem kleinen Wunder, und das ist euer Baby in jedem Fall, ein wenig erleichtern. Er informiert euch zu vielen Themen rund ums Stillen und die Ernährung mit Muttermilch. Stillen ist zwar ein natürlicher Vorgang, der seit Menschengedenken das Überleben des Homo Sapiens sicherte, andererseits will es von Mutter und Kind gelernt sein. Das Wissen über Faktoren, die das Stillen fördern oder stören können, ist wichtig. Dieses Buch gibt euch Antwort auf die Frage, wie die Muttermilchbildung angeregt und aufrechterhalten werden kann, wenn das Kind zeitweise nicht in der Lage ist, selbst an der Brust zu saugen. Und darüber, wie das kranke Kind beim Stillen unterstützt oder Muttermilch alternativ gefüttert werden kann. Aufgrund meiner persönlichen Betroffenheit als Mutter einer schwer herzkranken Tochter richtet es sich zwar in erster Linie an Eltern herzkranker Neugeborener und Säuglinge; die allgemeinen Empfehlungen gelten aber ebenso für die Muttermilchernährung von Kindern mit anderen Grunderkrankungen, insofern diese eine Ernährung mit Muttermilch zulässt.* Wurde die Erkrankung eures Kindes schon in der Schwangerschaft diagnostiziert, so könnt ihr euch mithilfe dieses Buches schon vor der Geburt über das Stillen und die Vorteile einer Ernährung mit Muttermilch informieren.

Auch wenn du als Mutter – egal aus welchem Grund – nicht stillen möchtest oder kannst und euer Baby künstliche Nahrung aus der Flasche bekommen soll, bekommt ihr als Eltern Informationen für den Aufbau einer guten Fläschchen-Beziehung. Denn an erster Stelle, noch vor der Art der Ernährung, steht die Bindung zum Kind!

Ich wünsche euch, eurem kranken Kind und eurer ganzen Familie viel Kraft und Zuversicht auf dem gemeinsamen Weg. Möge euer Kind gesund werden, und wenn dies nicht möglich ist und seine Lebenszeit begrenzt scheint, diese erfüllt sein mit viel Liebe und unzähligen glücklichen Momenten!

Herzlichst,

Julia Berg

*Bei bestimmten angeborenen Stoffwechselerkrankungen ist eine Ernährung mit Muttermilch ausgeschlossen (Galaktosämie) oder nur ein Teilstillen möglich (Phenylketonurie).

Über dieses Buch

Dieses Buch möchte euch werdenden und gewordenen Eltern mit Informationen zum Stillen von der Geburt des Kindes bis zum Abstillen versorgen. Aber es ersetzt nicht die Begleitung und Unterstützung durch eine erfahrene Hebamme oder Stillberaterin, vor allem wenn dies euer erstes Kind ist. Haltet ihr schon einige Monate vor dem geplanten Entbindungstermin nach einer Hebamme Ausschau, ist das optimal. So könnt ihr euch eine Betreuung für die Zeit nach der Geburt sichern und die Hebamme noch in der Schwangerschaft kennenlernen. Bei diesem Treffen kann die Hebamme euch unter anderem verschiedene Stillpositionen zeigen. Auch wenn dies nicht euer erstes Kind ist und du in der Vergangenheit größere Schwierigkeiten beim Stillen hattest, kann ein Beratungsgespräch in der Schwangerschaft helfen; ebenso, wenn du zum ersten Mal schwanger bist und Zweifel an deiner Stillfähigkeit hast. Plant ihr die Geburt in einer Kinderklinik, die weit von eurem Wohnort entfernt liegt, ist es sinnvoll, auch Kontakt zu einer Hebamme vor Ort aufzunehmen – denn es kann gut sein, dass ihr die ersten Wochen nach der Geburt mit dem Baby dort verbringen werdet. Diese Hebamme kann dich nach der Geburt in einem sogenannten Elternhaus der Klinik oder auf Station besuchen und euch gerade in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt mit Rat und Tat zur Seite stehen – auch über Stillthemen hinaus. Hebammen arbeiten ganzheitlich und kümmern sich um das körperliche und seelische Wohlbefinden der Mutter.

Wie wichtig die Ernährung mit Muttermilch vor allem für kranke Neugeborene und Säuglinge ist, ist in der Regel bei Ärztinnen und Pflegepersonal bekannt. Aber oft es fehlt am Wissen über das Stillen und richtige Anlegen des Neugeborenen. Dies ist auch nicht verwunderlich, gehört Stillberatung ja nicht zu den Kernkompetenzen einer Kinderkrankenschwester oder eines Pflegers. Dieses Pflegepersonal leistet eine anspruchsvolle Arbeit – gerade auf den Intensivstationen – und ist zudem oft belastet durch ein hohes Arbeitsaufkommen bei gleichzeitigem Personalmangel. Da erscheint es manchen vielleicht einfacher, wenn eine Mutter Milch abpumpt und diese mit der Flasche füttert, anstatt sie am Bett des Kindes beim Stillen zu unterstützen. Auch lässt sich dann besser dokumentieren, wie viel das Kind getrunken hat.

Manche Stationen verfügen über eine eigene Stillberaterin. Die Regel ist dies leider nicht. Deshalb ist es so wichtig, eine Hebamme gerade für die erste Zeit mit dem Neugeborenen zu haben, sowohl für die Zeit des stationären Aufenthalts in der Kinderklinik als auch für die erste Zeit nach der Klinikentlassung zu Hause.

In Deutschland übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für tägliche (Haus-)Besuche oder telefonische Beratungen durch eine Hebamme in den ersten zehn Tagen nach der Geburt und weitere 16 Besuche im Zeitraum bis acht Wochen nach der Geburt. Darüber hinaus werden weitere acht Hausbesuche oder Beratungen bei Stillschwierigkeiten oder Ernährungsproblemen des Säuglings übernommen, bei nichtgestillten Kindern bis zu einem Alter von neun Monaten und bei gestillten Kindern bis zum Ende der Stillzeit – egal wie lange die Mutter stillt. Hat die Mutter darüber hinaus noch Betreuungsbedarf (zum Beispiel, wenn ihr Kind erst mehrere Wochen oder sogar Monate nach der Geburt mit den Eltern nach Hause entlassen wird), kann eine Kinderärztin ein Rezept für weitere Besuche ausstellen. Bist du privat krankenversichert, informierst du dich am besten schon während der Schwangerschaft darüber, welche Leistungen von deiner Kasse übernommen werden.

Leider besteht in Deutschland aktuell (Stand Frühjahr 2021) ein Mangel an Hebammen. Für viele junge Frauen (und Männer) scheint der Hebammenberuf nicht mehr so attraktiv wie noch vor einigen Jahren, gleichzeitig sind die Geburtenraten in den letzten Jahren gestiegen. Deshalb haben immer mehr junge Eltern Schwierigkeiten, eine Hebamme für die Betreuung zu finden. Falls es euch genauso geht, rate ich euch, Kontakt zu einer Stillberaterin aufzunehmen und/oder euch einer Stillgruppe anzuschließen. Vielleicht findet ihr eine Hebamme, die zwar keine freien Kapazitäten für Hausbesuche mehr hat, euch aber für telefonische Beratungen zur Verfügung steht. In Kapitel 8 findet ihr hilfreiche Adressen.

Wegen der besseren Lesbarkeit habe ich mich entschieden, bei der Nennung von Berufsgruppen jeweils nur eine Bezeichnung zu nehmen. Das ist überwiegend die weibliche. Gemeint sind jeweils alle Geschlechter, wenn ich von „dem Partner“ spreche, meine ich die Partnerin ebenso, denn „Familie“ ist neben Vater-Mutter-Kind auch eine Regenbogen- oder Patchworkfamilie und alles, was sich selbst als solche bezeichnet.

Am Ende des Buches findet ihr ein Register mit einer Übersicht der erwähnten (Fach-)Begriffe. Dies soll euch erleichtern, direkt nachzuschlagen, falls ihr Informationen zu einem bestimmten Thema sucht.

1. Allgemeine Informationen

1.1 Warum Muttermilch so wichtig ist – gerade für kranke Säuglinge

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jungen Müttern ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes** und ein Weiterstillen nach Einführung der Beikost bis zu einem Alter von zwei Jahren oder länger1.

1.1.1 Muttermilch: Ein Wunder der Natur …

Weshalb die Empfehlung der WHO so lautet, ist schnell erklärt: Muttermilch ist das natürliche, artgerechte und gesunde Nahrungsmittel für Neugeborene und Säuglinge. Sie enthält neben Wasser über 100 verschiedene andere Stoffe, genau genommen sogar über 1000, wenn man bedenkt, dass in Muttermilch allein mehr als 200 verschiedene Arten Mehrfachzucker und über 700 verschiedene Arten Bakterien zu finden sind. Künstliche Säuglingsnahrung (Formula) hingegen enthält neben Wasser nur etwa 50 verschiedene Inhaltsstoffe. Eine schöne Übersicht über die Inhaltsstoffe von Muttermilch im Vergleich zu Formula findet ihr unter www.hebammenverband.de → Hebammenforum → Materialien zum Herunterladen → „Was ist eigentlich in Muttermilch und in Formula?“

Muttermilch ist in ihrer Zusammensetzung variabel und immer genau auf die Bedürfnisse des wachsenden Kindes abgestimmt. Die Milch für ein Neugeborenes unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung von der für einen älteren Säugling. Jede Mutter bildet die für ihr eigenes Baby passende Milch. Neben einem für den kindlichen Stoffwechsel optimalen Nährstoffangebot enthält Muttermilch eine Vielzahl lebender Zellen (rund 4000 allein in einem Tropfen!), unter anderem Stammzellen mit ähnlichen Eigenschaften wie embryonale Stammzellen sowie spezifische, immunologisch wirksame Substanzen und Mikroorganismen, darunter eine Vielzahl von Bakterien wie Milchsäure- und Bifidobakterien, Staphylokokken, Streptokokken und Pseudomonas. Etliche von denen tragen zur Entwicklung eines kompetenten, kindlichen Immunsystems bei.

Wissenschaftler, die sich mit der Zusammensetzung der Muttermilch beschäftigen, finden immer neue Bestandteile – die meisten haben mehrere Funktionen für den kindlichen Organismus, kooperieren miteinander und ergänzen einander in ihren Wirkmechanismen. Für seine Entwicklung braucht das kindliche Immunsystem mindestens zwei Jahre. Muttermilch enthält viele Stoffe, die das Kind während dieser Zeit vor schweren Infektionen schützen und gleichzeitig helfen, sein Immunsystem aufzubauen. Bereits während der Schwangerschaft wird das Kind passiv immunisiert, und zwar durch den Transfer von Immunglobulin-G-Zellen (IgG) aus dem mütterlichen Blut ins kindliche über die Plazenta. Nach der Geburt übernimmt die Brust diese Aufgabe zum Teil.

Kolostrum, die Muttermilch der ersten Stunden und Tage, hat beispielsweise großen Einfluss auf die Besiedelung des kindlichen Magen-Darm-Traktes mit gesunden Mikroorganismen. Dadurch haben es krankmachende Erreger schwer, sich im Darm zu vermehren. Zudem legen sich bestimmte Stoffe in der Muttermilch wie ein Schutzfilm auf die noch unreife und durchlässige Darmschleimhaut des Neugeborenen. So verhindern sie, dass potenziell schädliche Zellen eindringen. Studien zeigen: Je länger die Mutter ausschließlich stillt, desto umfassender ist der Schutz vor Infektionen2.

Die Ernährung mit Muttermilch von Anfang an stellt wichtige Weichen für die Zukunft des Immunsystems – also auch für die spätere Gesundheit des kleinen Menschen. Warum das so ist, das können Wissenschaftlerinnen noch immer nicht genau sagen. Jedoch haben zahlreiche Studien gezeigt, dass gestillte Kinder (im Vergleich zu nicht gestillten) ein geringeres Risiko für Infektionskrankheiten, plötzlichen Kindstod, Allergien und die Entwicklung von Übergewicht, Diabetes Typ-1 und Typ-2 haben3. Zudem erfolgt die Immunisierung des Kindes durch die Milch seiner Mutter dynamisch: Die Mutter hat über die Brustwarze Kontakt zum Keimspektrum im Gesicht und Mund ihres Kindes. Ihr Immunsystem erkennt potenziell schädliche Bakterien und Viren und reagiert sofort mit der Bildung von Immunstoffen, die diese bekämpfen. Diese Abwehrstoffe werden über den Darm der Mutter (wie genau dies funktioniert, ist noch nicht vollständig geklärt) oder deren Blut in die Muttermilch geschleust. Somit schützt die Mutter mit ihrer Milch das eigene Kind vor genau den Keimen, die in seiner direkten Umgebung vorhanden sind4. Dieser Mechanismus ist vor allem für Kinder wichtig, die im Krankenhaus betreut werden. Genauso erhöht sich bei einer Infektion der Mutter die Zahl der Immunzellen und anderer Abwehrstoffe in ihrer Milch, um das Kind vor einer Ansteckung zu schützen. Damit der Keimaustausch zwischen Mutter und Kind möglich ist, bedarf es des direkten Körperkontakts zwischen beiden. Stillhütchen oder ausschließliches Pumpen oder Ausstreichen von Milch verhindern dies. Deshalb sollten auch sehr kranke Neugeborene und Säuglinge, die vielleicht zu schwach zum Trinken an der Brust sind, immer mal wieder die Möglichkeit bekommen, an der mütterlichen Brust zu lecken oder zu saugen5.

Seit langem ist in der Medizin bekannt, dass Frühgeborene in besonderem Maße von einer Ernährung mit Muttermilch profitieren. Muttermilch hat für sie – zusätzlich zur nährenden – eine besonders schützende Funktion. Sie schützt vor lebensbedrohlichen Komplikationen wie der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC, das ist eine schwere Entzündung des Dickdarms), die bei mit Muttermilch ernährten Frühgeborenen viel seltener vorkommt als bei mit künstlicher Säuglingsnahrung (Formula) ernährten. Zudem hilft Muttermilch, diese Kinder vor einer Frühgeborenen-Retinopathie (einer Schädigung der Netzhaut des Auges) sowie der Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie (einer Schädigung der Lunge) zu schützen und sie fördert die strukturelle Vernetzung verschiedener Regionen im Gehirn des zu früh geborenen Kindes6.

Die Konzentration an Immunzellen ist im Kolostrum am höchsten, sinkt in den folgenden Wochen und Monaten, um ab dem sechsten Lebensmonat des Kindes wieder anzusteigen – eben zu einer Zeit, in der das Kind aktiver wird, Dinge greift und mit dem Mund erforscht. In der es seine Umgebung robbend und krabbelnd erkundet. Viele Abwehrstoffe erreichen sogar bis zum Ende des zweiten Lebensjahres des Kindes Werte ähnlich dem Kolostrum7. Noch ein Argument für eine lange Stillzeit.

1.1.2 … unterstützt die Entwicklung des kindlichen Nervensystems …

Die Inhaltsstoffe der Milch und die sensomotorische Stimulation beim Stillen fördern die Entwicklung des unreifen kindlichen Nervensystems. Bioaktive Substanzen in der Muttermilch beeinflussen – neben Immunsystem und Stoffwechsel – auch die körperliche Entwicklung, IQ, Temperament und Sozialisierung des heranwachsenden Menschen8. Denn sie unterstützen die gesunde Entwicklung des Gehirns.

Essgewohnheiten der Mutter und ihr Ernährungszustand beeinflussen den Vitamin- und Mineralstoffgehalt der Milch. Studien haben aber gezeigt, dass selbst Mütter, die in ressourcenarmen Gegenden der Welt mit knappem Nahrungsangebot leben, Milch guter Qualität bilden. Also erfolgreich stillen können9.

1.1.3 … stärkt Kinder mit Herzfehler …

Kinder mit angeborenem Herzfehler und teilweise auch welche mit anderen Grunderkrankungen leiden oft unter einer reduzierten Spannung der Muskulatur. Das Stillen trainiert wichtige Muskeln im Mund und Gesicht. Das hat Einfluss auf die gesamte Körperspannung, Haltung und Atmung. Die Zunge Neugeborener liegt beim Schlucken weit vorne im Mund. Durch das Saugen an der mütterlichen Brust lernt das Kind, die Zunge von vorne im Mund nach hinten gaumenwärts zu bringen. Diese Umbahnung des Schluckens benötigt etwa sechs Monate, und erst das macht es dem Baby später möglich, breiige Nahrung zu schlucken und aus einem Glas zu trinken. Zudem wird die Entwicklung des Gaumens und des Kiefers günstig beeinflusst: Zungen- und Lippenmuskulatur werden trainiert, was für das spätere Sprechenlernen von Bedeutung ist. Der Mundschluss und damit eine regelmäßige Nasenatmung werden angeregt, wodurch seltener Infekte und Mittelohrentzündungen auftreten. Dieser Übungseffekt für die Mundmuskulatur ist bei einer Flaschenfütterung im ersten Lebenshalbjahr kaum gegeben, vor allem dann nicht, wenn mit einem ungünstigen Sauger gefüttert wird10.

1.1.4 … und fördert die Gesundheit und das Selbstbewusstsein der Mutter

Für die Gesundheit der Mutter hat Stillen ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden, positiven Effekt: Nach der Geburt wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das sorgt für Nachwehen, eine rasche Rückbildung der Gebärmutter und eine Reduzierung des mütterlichen Blutverlustes. Die an der Produktion und Freisetzung von Muttermilch beteiligten Hormone regulieren darüber hinaus den Stoffwechsel der Mutter (siehe auch Kapitel 6.1). Die Stillhormone unterstützen zudem die Mutter-Kind-Bindung. Sie werden beim Stillen und engem Körperkontakt ausgeschüttet und wirken zudem entspannend und psychisch ausgleichend. Das reduziert das Risiko für eine Depression nach der Geburt.

Nach meiner Erfahrung ist auch der Aspekt der Selbstwirksamkeit durch gelingendes Stillen nicht zu unterschätzen. Gerade wenn das Kind schwerkrank zur Welt gekommen ist und sein (Über-)Leben zunächst von einer hochtechnisierten Medizin abhängt, kann es das Selbstwert- und Körpergefühl der Mutter entschieden stärken. Denn sie erlebt, dass sie ihr Kind mit ihrem Körper ernähren kann und damit einen wichtigen Beitrag für dessen Gesundheit und Wohlbefinden leistet11.

Und zum Trost, falls du dein (herz-)krankes Kind (noch) nicht stillen kannst: Viele dieser Stilleffekte lassen sich auch bei einer Fütterung mit der Flasche oder per Sonde erreichen. In diesem Ratgeber erfährst du, wie du die Beziehung zu deinem Kind beim Füttern von Muttermilch oder Ersatzmilch mit der Flasche gestalten kannst12. Muttermilch an sich ist in ihrer Zusammensetzung und Wirkung auf den kindlichen Organismus unnachahmlich.

Ein krank geborenes Kind profitiert in besonderem Maße von der Milch seiner Mutter. Sie schont dessen geschwächten Körper und kann ihn vor gefährlichen Infektionen mit Erregern im Klinik- und häuslichen Umfeld schützen.

Muttermilch kommt immer in der richtigen Temperatur und hygienisch einwandfreiem Zustand aus der mütterlichen Brust und sie kostet nichts. Hat sich das Stillen (nach vielleicht anfänglichen Schwierigkeiten) erst einmal eingespielt, ist es überall und ohne großen Aufwand möglich.

1.2 Besonderheiten bei (herz-)kranken Babys

Die Variation angeborener Herzfehler ist groß. Sie geht von kleineren Löchern in der Herzscheidewand (deren spontaner Verschluss ohne medizinischen Eingriff abgewartet werden kann und die kaum Auswirkungen auf das Trinkverhalten und Allgemeinbefinden des Neugeborenen und Säuglings haben) bis hin zu komplexen Herzfehlern, welche schon in den ersten Lebenstagen oder -wochen einer operativen und/oder einer Behandlung mittels Herzkatheter bedürfen. Manche Herzfehler sind medizinisch korrigierbar. Dies Kind gilt also nach einem oder mehreren Eingriffen am Herzen als herzgesund und muss mit nur wenigen bis gar keinen Einschränkungen im Alltag rechnen. Andere wiederum können (derzeit) nur palliativ behandelt werden. Palliativ bedeutet hier, dass der Herzfehler nicht anatomisch korrigiert, also nicht geheilt werden kann. Dann ermöglichen Operationen dem Kind ein möglichst langes Leben mit möglichst wenig Beschwerden.

Je nach Herzfehler können die kindlichen Organe schon in der Schwangerschaft schlechter mit Blut und Sauerstoff versorgt gewesen sein. Dann ist das Baby zum Zeitpunkt der Geburt vielleicht schon schwer krank. Oder aber das Kind kommt äußerlich scheinbar gesund und fit auf die Welt und es treten erst im Laufe der ersten Lebensstunden, -tage oder -wochen Symptome auf. Manche herzkranken Kinder kommen zu früh auf die Welt. Andere bringen vielleicht zusätzlich zum Herzfehler ein angeborenes Syndrom mit und/oder Erkrankungen anderer lebenswichtiger Organe. All das hat Einfluss auf den Allgemeinzustand eines Neugeborenen und Säuglings und auf dessen Trink- und Essverhalten.

Neugeborene und Säuglinge mit angeborenem Herzfehler können folgende Besonderheiten beim Stillen oder Trinken aus der Flasche zeigen:

•Es kann länger dauern, bis die Verdauung normal funktioniert, weil sich der Magen-Darm-Trakt langsamer entwickelt. Oft verbleibt die Nahrung länger im Magen und Wassereinlagerungen im Verdauungstrakt können zusätzlich störend wirken13.

•Das Baby hat beim Trinken wenig Ausdauer, wird schnell müde und bricht die Mahlzeit aus Erschöpfung ab, bevor es satt ist.

•Es trinkt kürzer, aber meldet sich dafür häufiger.

•Die Stillmahlzeiten dauern länger, weil es beim Trinken häufige Pausen braucht.

•Es hat infolge schwächerer Muskulatur im Gesicht Probleme, die Brustwarze richtig zu fassen und saugt schwächer an der Brust. Infolgedessen wird es nicht satt und die Milchbildung wird unzureichend angeregt.

•Es erbricht sich häufiger nach der Mahlzeit.

•Weil das Kind sich beim Trinken so anstrengen muss, und/oder weil es aufgrund seiner (Herz-)Erkrankung einen erhöhten Energiegrundumsatz hat, nimmt es langsamer an Gewicht zu als ein gleichaltriges gesundes Baby.

•Schwer kranke, intensivmedizinisch betreute Neugeborene müssen häufig wiederholt unangenehme Eingriffe vor allem im Gesichtsund Mundbereich über sich ergehen lassen, wie zum Beispiel das Legen von Magensonden, Intubation und Absaugungen. Dies kann das Risiko für eine posttraumatische Fütterstörung erhöhen. Die lässt sich oft nur durch therapeutische Begleitung wieder auflösen. Mehr dazu findest du im Kapitel 5.214.

Manchmal können herzkranke Babys über einen gewissen Zeitraum nur teil- oder gar nicht gestillt werden werden – Gründe dafür können sein:

•Ist der Herzfehler vor der Geburt bekannt und eine intensive Überwachung des Neugeborenen nötig, wird es meist unmittelbar nach der Geburt aus dem Kreißsaal zur Überwachung, weiteren Diagnostik und Behandlung auf eine Neugeborenen- oder kinderkardiologische Intensivstation verlegt. Dies bedeutet eine zumindest zeitweise Trennung von Mutter und Kind, denn oft ist es nicht möglich, dass die Mutter auf die Intensivstation mit aufgenommen wird. Dies erschwert das Stillen nach Bedarf. Auch gibt es auf vielen Intensivstationen feste Besuchszeiten für Eltern und Angehörige. Diese dienen der Ruhe und Erholung der schwerkranken Kinder. Sie werden nur in Ausnahmefällen aufgehoben, beispielsweise in den ersten Tagen nach der Geburt und wenn es einem Kind sehr schlecht geht. Auf der Normalstation hingegen kann in der Regel ein Elternteil rund um die Uhr bei dem Baby bleiben und auch im Zimmer übernachten. Alternativ können die Eltern vielerorts in einem Elternwohnhaus auf dem Klinikgelände unterkommen.

•Es gibt eine Reihe angeborener Herzfehler, bei denen direkt nach der Geburt eine Behandlung mit Minprog® über die Vene eingeleitet werden muss – ein Medikament das den Ductus arteriosus Botalli (ein Blutgefäß zwischen Lungenarterie und Körperschlagader (Aorta), welches sich normalerweise während der ersten Lebensstunden und Tage des Kindes verschließt) offen halten soll. Dieses Medikament sichert das Überleben des kranken Kindes in den ersten Lebenstagen bis zur Operation. Leider kann es auch Nebenwirkungen haben, darunter Unruhe, Zittrigkeit sowie krampfartiges Muskelzucken15. Dies kann das Stillen erschweren.

•Manchmal können herzkranke Babys durch einen verminderten Muskeltonus im Gesicht (in besonderem Maße gilt dies für Kinder mit Down-Syndrom) keinen ausreichenden Saugdruck aufbauen, um die Brust oder Flasche gut zu entleeren.

•Und/oder sie erschöpfen aufgrund der verstärkten Atemarbeit und einer Herzschwäche, noch bevor sie satt sind.

Anzeichen für eine körperliche Überforderung können sein: starke Erhöhung der Herzfrequenz, Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut mit oder ohne einem Blasser- oder Bläulich-Werden der Haut sowie vermehrtes Schwitzen.

In den beiden oben genannten Fällen entschließen sich Ärztinnen und Pflegepersonen meist, dem Baby eine Sonde über die Nase in den Magen zu legen. Diese wird mit einem Pflaster an der Wange des Babys fixiert. Über diese Magensonde können die Eltern nach ausführlicher Anleitung durch das Pflegepersonal ihrem Kind nicht geschaffte Teilmengen oder ganze Milchmahlzeiten ohne Kraftanstrengung für das Baby zuführen.

•In den ersten Tagen nach einer Herzoperation, vor allem wenn das Kind beatmet wird und/oder sedierende, also beruhigende und schläfrig machende Medikament bekommt, hat das Kind weder die Kraft für das Stillen noch für das Trinken aus der Flasche. Während dieser Zeit bekommt es die Milch ebenfalls routinemäßig über eine Magensonde.

•Manchmal wird bei einer Herz-OP ein großes Lymphgefäß im Brustkorb verletzt und es sammelt sich Lymphflüssigkeit (es kommt zu einem Chylothorax), die auf die Lunge und das Herz drückt und zu einer erhöhten Schlagzahl des Herzens und zu Atemnot führen kann.

Ist dies der Fall, bekommt das Kind eine spezielle Diät, bei der bestimmte Fette in der Nahrung vermieden werden. Für ein gestilltes Baby bedeutet dies, dass die abgepumpte Milch der Mutter in der Milchküche der Kinderklinik in einer Muttermilchzentrifuge entrahmt, also fettfrei gemacht wird. Danach kann die Muttermilch dem Baby problemlos aus der Flasche gefüttert oder sondiert werden.

Wenn du möchtest, dass dein Kind Muttermilch bekommt, ist in all diesen Fällen eine gute elektrische Milchpumpe unverzichtbar. Eine Handpumpe ist keine wirkliche Alternative, da das Pumpen mit ihr sehr aufwendig ist und die Milchbildung nicht so gut angeregt wird.

Steht dir mal keine Pumpe zur Verfügung, kannst du die Milch auch per Hand ausstreichen. Das Handentleeren der Brust regt die Milchbildung ebenso gut an wie das Pumpen mit einer elektrischen Pumpe. Manch eine geübte Mutter ist damit sogar schneller und effektiver als mit Pumpe. Außerdem verbessert das Handausstreichen dein Körpergefühl für die eigenen Brüste. Du lernst deine Brust genau kennen und erspürst damit schneller Veränderungen wie beispielsweise Knoten. Ein regelmäßiges Abtasten der Brust auch nach der Stillzeit stellt die sinnvollste Art der Krebsfrüherkennung dar.

Eine ausführliche Anleitung findest du in Kapitel 2.2.

Tipp für zu Hause oder wenn die Klinik keine Muttermilchzentrifuge besitzt

Hat dein Kind einen Chylothorax und deine Klinik keine Muttermilchzentrifuge bzw. steht die Entlassung nach Hause an, so kannst du die Muttermilch fettarm machen, indem du sie abpumpst und im Kühlschrank bei 4 °C drei Tage aufbewahrst. In dieser Zeit setzt sich das Fett aus der Milch als Rahm oben ab. Du kannst dann den wässrigen Teil der Milch mit einer Spritze und aufgesetzter Magensonde absaugen und diesen wie gewohnt erwärmen und verfüttern bzw. sondieren. Bitte besprich dieses Vorgehen zunächst mit der behandelnden Ärztin16! Die Ärztin wird deinem Kind mittelkettige und essenzielle Fettsäuren sowie fettlösliche Vitamine als Nahrungsergänzung verschreiben.

Je nach Gesundheitszustand deines Kindes kann es sein, dass sich das Pumpen der Muttermilch auf wenige Tage beschränkt. Leidet es aber an einem komplexen Herzfehler und/oder ist ein langwieriger stationärer Aufenthalt nötig, kann die Milchpumpe über einige Monate dein ständiger Begleiter werden. Bitte gib den Mut nicht auf! Auch ein Kind, das seit der Geburt über Monate vorwiegend abgepumpte Muttermilch aus der Flasche getrunken hat oder teilweise sondiert wurde, kann mit etwas Glück zum Vollstillen kommen – zum Beispiel, wenn es ihm nach einer Herzoperation wieder besser geht.

Besprich dich mit der Kinderärztin und dem Pflegepersonal, such‘ dir fachliche Unterstützung durch eine Hebamme oder Stillberaterin und versuche, wann immer es geht, dein Baby anzulegen. Ist dies nicht möglich, dann weißt du dennoch, dass jeder Tag, den dein Baby Muttermilch bekommt, für seine Entwicklung wertvoll ist. Du kannst stolz auf dich sein!

Hier erfährst du mehr über den richtigen Umgang mit einer elektrischen Milchpumpe, der Lagerung und Fütterung von Muttermilch sowie über Frauenmilchbanken (mehr dazu in Kapitel 4).

1.3 Der Partner als wichtiger Unterstützer

Bevor es mit dem Stillen losgeht, möchte ich dich als Vater direkt ansprechen: Stillen ist naturgemäß die Aufgabe der Mutter. Genauso wie nur eine Frau schwanger werden, ein Kind austragen und gebären kann, ist es auch die Frau, welche mit ihrer Brust das Kind in dessen ersten Lebensmonaten ernährt. Dennoch spielst du als Vater eine wichtige Rolle und musst dich nicht ausgeschlossen fühlen!

Damit eine Mutter die Ruhe und Kraft findet, um sich ihrem Baby liebevoll zuzuwenden und es zu stillen, braucht sie ein unterstützendes Umfeld. Indem du deiner Partnerin hilfst und sie bestärkst, indem du ihr Mut machst, leistest du einen wichtigen Beitrag zum Stillerfolg, sodass es Mutter und Kind gut geht. Gerade in den oft besonders anstrengenden ersten Tagen und Wochen entlastest du deine Partnerin, wenn du in den Stillpausen mit dem Baby schmust, es herumträgst oder mit ihm im Kinderwagen oder Tragetuch spazieren gehst. Du kannst für Ruhe sorgen, wenn allzu viele neugierige Besucher kommen, um das Neugeborene zu bestaunen, und die Mutter mit Essen und Getränken versorgen, wenn sie lange stillend auf dem Sofa sitzt. Du kannst ihr helfen, eine bequeme Stillposition zu finden und ihr in stressigen Phasen liebevollen den Nacken oder Rücken massieren. Wertvoller Nebeneffekt: Eure Paarbeziehung wird gestärkt – und ich bin mir sicher, deine Partnerin wird es dir nicht vergessen!

In Phasen, da euer krankes Baby vielleicht nicht gestillt werden kann und abgepumpte Muttermilch vom Löffel, aus dem Becher, der Flasche oder über eine Magensonde erhält, kannst du als Vater da sein und in Absprache mit deiner Partnerin das Füttern übernehmen. Und auch wenn dies nicht der Fall ist, da euer Kind von Anfang an voll gestillt wird, verlierst du als Vater nichts. Denn die Vater-Kind-Beziehung ist ein Bündnis fürs Leben. Die Stillzeit, während der die mütterliche Aufmerksamkeit oft und intensiv auf das Kind gerichtet ist und beide auf eine sehr intime Art körperlich verbunden sind, ist zwar eine wichtige, in ihrer Zeitspanne aber überschaubare Phase. Und selbst während dieser Zeit gibt es viele Möglichkeiten, wie du die Beziehung zu eurem Baby vertiefen und so eine ebenso tiefe Bindung zu ihm aufbauen kannst wie deine Partnerin.

Möglich machen dies unter anderem die Hormone. Hältst du dein Baby im Arm und kuschelst mit ihm, dann wird in deinem Blut und in dem deines Babys Oxytocin freigesetzt. Dieses Hormon sorgt dafür, dass du dich entspannst, aufmerksam und feinfühlig für die Bedürfnisse deines Babys bist; also dafür, dass ein festes Band zwischen euch beiden entsteht. Regelmäßige, gemeinsame Zeiten und Rituale können dich dabei unterstützen, wie regelmäßiges Wickeln, gemeinsames Baden oder feste Zeiten, die du allein mit dem Baby verbringst17. Habt ihr bereits größere Kinder, und euer krankes Baby muss eine Weile stationär behandelt werden, könnt ihr beispielsweise Zeiten vereinbaren, zu denen deine Partnerin bei den Geschwisterkindern ist und mit ihnen spielt, während du Zeit mit eurem Baby in der Klinik verbringst: mit ihm schmust, es herumträgst, ihm vorsingst oder Geschichten vorliest. Was immer dir in den Sinn kommt. Dein Baby wird diese bewusste Zeit mit seinem Papa lieben!

Lass dir von den Pflegepersonen in der Klinik alle nötigen Verrichtungen am Kind genau erklären, wie beispielsweise das Sondieren von Muttermilch oder das Richten und Verabreichen von Medikamenten. Hab keine Scheu, dich als Vater bei der Pflege gleichberechtigt einzubringen. Wenn du als Vater von Beginn an in die Versorgung eures Kindes eingebunden bist, entlastest du deine Partnerin im Alltag. So ist das Gefühl der Verantwortung nicht allein bei ihr und es wird ihr leichter fallen, sich die gerade für die Mutter eines kranken Kindes so wichtigen kleinen Auszeiten zu nehmen, wie ein Mittagsschlaf, Spaziergang im Grünen, der Besuch eines Rückbildungs- oder Yogakurses oder die Tasse Kaffee mit der besten Freundin.