Storys, Interviews, Gespräche - Phil Humor - E-Book

Storys, Interviews, Gespräche E-Book

Phil Humor

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

26 Storys, Interviews, Gespräche: Gná * Wald grübelt * Jack Oldfield und Fee Fanferlüsch * Satz kommt zu Wort * Der Turm der blauen Pferde * Der Herbst zieht in den Park ein * Interview mit dem Internet * Rotkäppchen und die Bots * Interview mit Schreckgespenst Scheuchi * Mein Mutproben-Coach * Interview mit Albrecht Dürer * Frau Holles Lokal * Urlaub auf der Erde * Gespräch mit den Wolken * Von Schnäppchen gejagt - Wie errichte ich dem Mammon einen Altar? * Interview mit Ernte * Die Bauernhochzeit * Lifehacks im Märchenwald * Himmelsstürmer * Der Haus-Arzt, dem die Häuser vertrauen * Rückkehr der alten Gewohnheiten * Omma-App * Verdreht * Katalogisch * Interview mit dem Planeten Mars * Frühstück, Brunch und Brinner

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Phil Humor

Storys, Interviews, Gespräche

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Inhalt

 

26 Storys, Interviews, Gespräche:

Gná * Wald grübelt * Jack Oldfield und Fee Fanferlüsch * Satz kommt zu Wort * Der Turm der blauen Pferde * Der Herbst zieht in den Park ein * Interview mit dem Internet * Rotkäppchen und die Bots * Interview mit Schreckgespenst Scheuchi * Mein Mutproben-Coach * Interview mit Albrecht Dürer * Frau Holles Lokal * Urlaub auf der Erde * Gespräch mit den Wolken * Von Schnäppchen gejagt - Wie errichte ich dem Mammon einen Altar? * Interview mit Ernte * Die Bauernhochzeit * Lifehacks im Märchenwald * Himmelsstürmer * Der Haus-Arzt, dem die Häuser vertrauen * Rückkehr der alten Gewohnheiten * Omma-App * Verdreht * Katalogisch * Interview mit dem Planeten Mars * Frühstück, Brunch und Brinner

 

Gná

Ich hatte mir das Handbuch 'Beschwörungs-Zauber für Unerschrockene' gekauft; mal sehen, welcher der hiesigen Dämonen oder wer vom Mythenpersonal Zeit und Lust hatte, zu erscheinen. Quasi eine Einladung ins Ungefähre. Ich hatte den Ventilator laufen dabei – war vielleicht ein Fehler, denn jemand, den man als Windgöttin bezeichnen könnte, fühlte sich anscheinend angesprochen: Gná wirbelte herbei – offensichtlich froh, dass sich jemand für sie interessierte. Das war verdächtig. Hatte sie nichts anderes zu tun? Immerhin galt sie als Sonderbeauftragte der Göttin Frigg – ihr Laufbursche sozusagen bzw. ihre Lauflady. Schick sah sie aus. Eine waschechte Walküre.

"Was liegt an?", wollte sie wissen. Ich hatte Glück, dass mein Wohnzimmer groß genug war, denn sie brachte ihr Pferd mit: Hófvarpnir. "Kann problemlos übers Wasser reiten und auch in der Luft hält er sich ganz gut", pries sie ihn an, wie es wohl ein Gebrauchtwagen-Händler machen würde. Wollte sie ihn loswerden? "Macht achtzig Sachen in der Stunde – und im Warp-Modus dreifache Lichtgeschwindigkeit", prahlte sie.

Ich legte das Handbuch beiseite, gab Hófvarpnir eine Möhre – wobei er neben mir am Kühlschrank stehenblieb. Der Inhalt schien ihn zu faszinieren. Er zog das Gemüsefach auf. Ich schob es wieder zu. "Erst wird geliefert: Ich brauche gute Storys. Ich bin Schriftsteller, und in letzter Zeit sind meine Interviewpartner doch recht zurückhaltend. Was macht Thor?"

"Odin geht es nicht so gut. Er fühlt sich vernachlässigt. Auch meine Chefin, Frigg, vernachlässigt ihren Palast Fensal – wir haben keine Reinigungskräfte in Asgard – nur Krieger. Von denen rührt keiner einen Besen an. Völlig nutzloses Gesindel. Hängen den ganzen Tag in Met-Kneipen rum. Soll ich Dir eine magische Rune schnitzen?"

Ich zog meine Hand zurück. "Später vielleicht."

"Magische Runen sind toll – nimm zwei, dann kriegst Du 15 % Rabatt", ließ sich Hófvarpnir vernehmen. Ein sehr geschäftstüchtiges Pferd. Der könnte auch außerhalb Asgards Karriere machen.

Gná stand vor dem Ventilator. Ihr Kleid umspielte ihren Körper. "Wäre ein Gedicht für mich drin, wenn ich Deine Avancen nicht unerwidert lasse?"

"Ich habe mit dem Avancen-Machen doch noch gar nicht angefangen."

"Ein Gedicht käme mir aber sehr zupass, das könnte ich in Asgard vortragen, etwas mehr Bedeutung erlangen. Ich will keine B- oder gar C-Göttin sein." Auch sie bediente sich aus meinem Kühlschrank – 'ne Cola-Dose. "Wir haben nicht einmal eine Mini-Bar in Asgard. Ist's zu glauben? Völlig rückschrittlicher Verein. Die Schriften, die unsere Existenz belegen, wurden fast alle aus dem Historien-Archiv vernichtet. Skandal. Wir wollen wieder ins kollektive Gedächtnis. Bring uns da rein!" Klare Ansage. Sie gab mir einen Zauberapfel. "Die Kiste Zauberäpfel jetzt nur 5000 EUR." Es artete aus in Geschäftemacherei. "Ich wünschte, ich könnte mich beklagen, über Burn-out-Symptome klagen; aber Frigg hat kaum noch Aufträge für mich; es dümpelt alles so dahin. Schrecklich langweilig. Sei mein Skalde. Bedichte mich, schreib mir schöne Gedichte auf den Leib!"

Sie war eindeutig Gedicht-süchtig. Auch das Pferd wollte Gedichte – möglichst 13 großformatige Balladen; wann könnte ich liefern?

Gná sagte: "Die Lieder-Edda und die Snorra-Edda brauchen dringend Updates. Völlig überholt. Außerdem könntest Du mich etwas vorteilhafter schildern: Dem Status einer reinen Botschafterin bin ich entwachsen, ich bin multifunktional."

"Das sind doch alles unbewiesene Behauptungen." Ich sagte Alexa, dass sie Richard Wagners Götterdämmerung spielen sollte. Das Pferd rastete aus, völlig überdrehte Tanz-Moves, völlig unpassend. Gná wurde zum Wirbelwind. Es hätte erotisch ausgesehen, wenn das nicht von seltsamen Zuckungen begleitet wäre. "Entschuldigung, ich bin aus der Übung."

"Das sieht voll schräg aus." Ich tanzte mit ihr Walzer, Alexa suchte uns netterweise was Passendes heraus.

"Ich bin sonst gar nicht so hyperaktiv, aber die Aussicht auf ein Gedicht lässt mich erzittern."

Wow, ein Gedicht-Junkie. "Hätte ich das gewusst, dann hätte ich was vorbereitet." Darauf bereiten einen die Handbücher nicht vor; da ist nur die Rede von Ouija-Boards.

Mein Unterbewusstsein meldete sich: "Küss die Walküre!" Kein dummer Vorschlag, dumm nur, dass in dem Moment mein Nachbar durchs Fenster schaute und wie am Spieß schrie. Er war schon immer recht schreckhaft – ein schwebendes Pferd gab ihm für diesen Nachtmittag wohl den Rest. Ich versuchte, Hófvarpnir herunterzuziehen, als sei er ein zur Decke gestiegener Luftballon.

"Lass das", sagte er unwillig und trat mit den Hufen nach mir. Die Leichtigkeit des Seins – sind wir alle mit geistigem Helium gefüllt, seltsam unberührt von Notwendigkeiten, frei schwebend ...?

Das Pferd machte mit meinem Nachbarn Mund-zu-Mund-Beatmung. "Ich habe Karotten im Mund!" Mein Nachbar schüttele sich angewidert und spuckte irgendwas ins Gras.

"Gern geschehen", sagte Hófvarpnir und verfiel wieder in seine alte Gewohnheit, einige Meter oder Zentimeter über dem Boden zu schweben. Hatte was.

"Kann ich das auch?"

"Aber sicher doch. Was meinst Du, wofür der Zauberapfel ist? Von Iduna. Schöne Grüße von ihr." Ich biss hinein. Der Effekt blieb aus. "Wir drehen erst mal 'ne Runde, wir müssen den Skeptiker in Dir besiegen", erklärte mir Hófvarpnir.

Die Welt von einem fliegenden Pferd erklärt zu bekommen – in anderen Berufen wäre das ein Problem, aber als Schriftsteller kann man sich auf Pegasus berufen, da ist so etwas erlaubt und sogar erwünscht. Mein Nachbar sah das anders, er befahl dem Pferd, auf der Stelle zu landen. Er ist Polizist – und bildete sich wohl ein, dass er im Kommandoton die Magie problemlos aus der Realität verbannen konnte. Sie einsperren in den Bereich der Fiktion.

Gná widersprach ihm. "Wir sind hier wegen eines Gedichts – oder mehrerer – mal sehen, wie motivierbar der Skalde ist, wenn ich mich als Muse so richtig ins Zeug lege." Sie legte einiges von ihrem Zeug beiseite. Sie raubte mir den Verstand – kein guter Einstieg für den Skalden. Auch mein Nachbar war baff. Strip-Show der Asinnen – keine schlechte Idee mit dem Handbuch.

"Klappt immer", meinte sie triumphierend.

"Was sind das denn für Flittchen", dachte ich. Womit vertrieben die sich in Asgard bloß die Zeit? Ein Besuch wäre durchaus lohnenswert. "Musen-Status bei 80 Prozent", sagte ich und signalisierte mit beiden Daumen ein Like. Mein Nachbar schloss sich mir an – und auch ein weiterer Nachbar. Gná nutzte die Eiche als Stange und performte einen Table-Dance bzw. Gras-Tanz. Mein Nachbar riss mir mein Handbuch aus der Hand. Keine Ahnung, wen er beschwören wollte, was ihm so vorschwebte. Zumindest schwebte Hófvarpnir vor seiner Nase. Nachbar 2 wurde in die Performance von Gná miteinbezogen. Sie füllte ihn mit Met ab; sie selber ließ sich den Honigwein über ihren Körper laufen. Machte optisch einiges her. Ich wieherte. Ungeahnte Fähigkeiten. Musste mich bei Hófvarpnir angesteckt haben. Der Zauberapfel fing an zu wirken: Ich merkte, dass ich einige Zentimeter über dem Boden schwebte; nicht schlecht; ich bemühte mich, höher zu steigen; dachte an Peter Pans Anweisung 'Denke an was Gutes und zucke leicht mit den Schultern'. Klappte schon ganz gut – bis ich merkte, dass Hófvarpnir mich am Kragen gepackt hatte und dass er es war, der mir diesen Flug-Modus ermöglichte.

"Du musst erst mal an Dich glauben; und wenn es mit Hilfe von Betrug ist; ist doch egal." Er machte eine wegwerfende Hufbewegung. Sie wollten mich offensichtlich zu etwas drängen, wozu ich innerlich noch nicht bereit war.

Gná presste sich an mich, da sie voller Met war, eine klebrige Angelegenheit. "Spürst Du auch diese Verbindung? Die Welten vereinen. Man sollte im Leben viel mehr kleben." Was sie sagte, machte durchaus Sinn, konnte ich aber nicht beurteilen, da ich von ihr irgendwie berauscht war. Mein Nachbar wollte sich unserer Umarmung anschließen. Aber Nachbar 2 drängelte sich vor. Gná musste über magnetische Anziehungskräfte verfügen – denn es zog immer mehr Männer aus der Umgebung herbei, mein Garten war voll.

"Lapdance für alle!", rief Gná. Ich hatte so eine Ahnung, warum Frigg sie beurlaubt hatte. Ihr moralischer Kompass zeigte stur gen Sünde. Sollte mir recht sein. Ich würde nicht den ersten Stein werfen – allerhöchstens Edelsteine. Seltsamerweise war mein Garten auch voller Raben: Die Anwesenheit einer Walküre hatte sich wohl herumgesprochen; sie hielten wohl Ausschau nach Kriegern.

"Sie kommt direkt aus Asgard", warum musste ich immer so ein Angeber sein? Aber es schien Gná nichts auszumachen, sie war in Feierlaune.

"Ich bin grimmgemut", meinte sie – aber beschrieb das auch nur annähernd ihre derzeitige Verfassung? Ich sollte Asgard benachrichtigen. Frigg sollte jemanden schicken, der sie abholte; so konnte man sie doch nicht der Meute überlassen. Oder doch? Hier war nicht Fensal. "Ich habe Friggs Spindel mitgebacht", sagte Gná übermütig. "Wie spinnen uns unsere eigenen Fäden des Schicksals." Guter Vorschlag. Sie hatte kaum noch etwas an. "Heute ist Freitag – das ist ihr Tag, Friggs Tag – machen wir es zu unserem!" Sie zog sich ein Falkengewand an. "Friggs Falkengewand – passt fast perfekt. Hier und da ein paar Abnäher." Sie sah aus wie ein gebeutelter Falke. Die Verwandlung ließ einiges zu wünschen übrig. Aber ich sagte nichts. Dementsprechend unbeholfen waren auch ihre Flugversuche. Sie stieß wiederholt gegen meine Dachrinne. "So wird das nichts. Verwandlung in einen Falken – ich wollte Dich begeistern; hab alles eingepackt, mitgehen lassen. Frigg wird mich umbringen. Hat sie schon 30-mal gemacht." Schlimme Zustände. "Alles, was ich wollte, war ein Gedicht. Etwas, das mich verherrlicht, mir sagt, dass ich mehr sein kann als eine nicht mehr benötigte Botschafterin. Dass ich immer noch der Wirbelwind von einst sein kann. Dass ich an mehreren Orten scheinbar zugleich bin – so wie Odins Raben Hugin und Munin – aber Ihr habt Satelliten, Ihr habt Funk … Ihr braucht mich nicht, keiner braucht mich."

"Du könntest beim Arbeitsamt nachfragen ..." Falsche Antwort. Sie sah mich noch trauriger an.

"Ich bin gerne in Midgard. Aber eigentlich soll ich mich bedeckt halten." Sie sah verdammt unbedeckt aus. Ich blätterte im Handbuch, da fand ich nichts. Ich zog mein Grimoire zu Rate, das Zauberbuch meines Großvaters. Wie schickte man Nachbarn zur Hölle? Ich wollte mit ihr allein sein. Ich blätterte wie wild.

Hófvarpnir half mir beim Blättern. "Wonach suchen wir?" Ein sehr freundliches Pferd.

"Hokuspokus, um Nachbarn und Anwohner aus meinem Garten verschwinden zu lassen." Er verwandelte sie in Gartenzwerge. Das ging ja schnell. Man braucht nur zu fragen – die Welt ist so einfach. Mir fiel auf, dass man mit den Gartenzwergen Schach spielen könnte – er hatte ihnen entsprechendes Outfit gegeben. "Praktisch", lobte ich ihn. Wir spielten eine Partie Garten-Schach und waren guter Dinge. Ich hatte noch nie gegen ein Pferd gespielt. Jeden Tag eine neue Erfahrung – das machte ich mir zur Devise.

"Dame schlägt Springer", sagte Gná und gab Hófvarpnir einen Klaps. Sie wollte das Feld für sich.

"Für Euch Götter sind wir doch bestenfalls Bauern." Ich gab mich reserviert, was mir durchaus schwerfiel.

"Sei mein Turm!" Das klang nach Beförderung. "Mein hoher, mächtiger, gewaltiger Turm!" Das hatte was Anspornendes. Man sollte öfters mit Göttern oder Walküren Schach spielen. Allerdings hatte ich ein schlechtes Gewissen in Bezug auf die Gartenzwerge; sollte man die nicht zurückverwandeln? Davon wollte Gná nichts wissen. "Die stören doch bloß. Ich habe keinerlei Erfahrung damit, wie es ist, eine Muse zu sein. Sitze ich so richtig?" Sie saß auf meinem Schoß.

Hófvarpnir schwebte über unseren Köpfen. War nicht so gut. Denn er ließ was fallen: einige Pferdeäpfel.

"Du bist doch keine Möwe!", sagte ich.

"Ich kann alles sein", sagte er trotzig – womit er vermutlich Recht hatte. Ich musste mich erst an die Asgard-typischen Gepflogenheiten herantasten. Zunächst einmal tastete ich mich an Gná heran. Ich machte meine Sache gut, jedenfalls kamen ihrerseits keinerlei Beschwerden.

"Ist die Muse gut in Form, ist das nicht nur gut für geistige Beweglichkeit. Sei außerhalb der Norm – bist Du bereit?" Keine Ahnung, was sie vorhatte, aber es hörte sich gut an. "Damit der Dichter dichten kann, lass doch mal die Muse ran", dichtete sie wie eine Werbetexterin.

"Kein Einspruch", sagte ich förmlich, als ob wir hier einen Prozess verhandelten. "Du bist ja eigentlich so etwas wie ein Engel – ein Bote. Wie ist Dein Verhältnis zu Hermes?"

"Kenne ich nicht, will ich nicht kennen. Ganz andere Baustelle. Wir sollen in unserem Bereich bleiben. Mythen-Überkreuzungen seien nicht gut für die Stabilität von Asgard. Eure Welt, Midgard, wird nicht so sehr vom Glauben gestützt – Asgard hingegen lebt davon; es würde keiner zugeben, aber da ist heftige Konkurrenz; wer bekommt welchen Anteil des Glaubens-Kuchens? Da wird mitunter mit unschönen Mittel gefightet. Das geht oft unter die Gürtellinie. So auch hier." Sie hatte recht, sie war eindeutig unterhalb meiner Gürtellinie zugange, machte ihre Sache auch gar nicht schlecht. Ich lobte sie dafür.

"Wart's mal ab. Das wird noch besser. Und du zahlst garantiert mit Gedichten?" Gedichte als Währung. Ganz neue Aussichten. Bisher wollte die keiner haben. Da musste man ganz bis nach Asgard gehen, um Fans zu finden. "Skalde, ich brauche Hymnen!" Sie spornte mich durchaus an, ich war voll motiviert, aber sowas von. "Lyrische Ergüsse sind was Tolles", sagte sie. Ich ließ das mal so dahingestellt, denn es fiel mir schwer, meine Aufmerksamkeit von ihr abzuziehen.

Wieder fielen Pferdeäpfel von oben herab. Ich hatte das dumme Gefühl, Hófvarpnir machte das mit Absicht. "Such Dir eine Stute!", rief ich ihm zu. Er machte sich an meinem Computer zu schaffen. Googelte nach Stuten. Flinkes Pferd.

"Machen Euch die Riesen und Ungeheuer noch zu schaffen? Es heißt ja, dass sie an der Ragnarök schuld seien – Götterdämmerung, Weltuntergang. Nicht schön das Ganze."

Sie zauberte einen Jötunn herbei, den hatte ich gar nicht bestellt. "Ich komme aus Jötunheim", sagte der Riese und ging schnurstracks zu meinem Kühlschrank. Was hatten die bloß alle mit meinem Kühlschrank? Zum Glück war der gut gefüllt, er sah hungrig aus, überaus hungrig. "Jötunn hat Hunger." Er stopfte sich eine ganze Melone rein. Wow. Die haben ja nun nicht so einen Nährwert. Ich versuchte, möglichst unappetitlich auszusehen. Zwecklos. "Gut siehst Du aus", meinte er zu mir. Er sah mich an, als ob ich ein Waffeleis wäre. Nicht gut. Wieso musste ich auch das Gespräch auf die Riesen und Ungeheuer bringen? Ich hatte doch einen an der Waffel.

Gná fuhr unterdessen fort, sich als Schlangenbeschwörerin zu betätigen. "Lass mich Deine Schlange sehen", hauchte sie mir ins Ohr.

"Groß wie die Midgardschlange soll sie sein", sagte ich unüberlegterweise. Ich war ein furchtbarerer Angeber – und außerdem hatte die Erwähnung der Midgardschlange zur Folge, dass sich die echte Midgardschlange irgendwie angesprochen fühlte und durch eines dieser Portale tunnelte, von denen es wohl mehr zu geben schien als Maulwurfslöcher in meinem Garten. "Wie löchrig ist diese Welt denn eigentlich?! Was taucht noch auf? Thors Hammer?" Ich hatte das bewusst gesagt, in der Hoffnung, dass mir ein solcher Hammer zur Verfügung stehen würde, um den Jötunn und die Midgardschlange gleichermaßen zu beeindrucken. So blieb mir nur das Grillbesteck. Es sah nicht gut aus.

"Dichtest Du jetzt was für mich?", bedrängte mich Gná.

"Wenn das so ist, ich hätte auch gern ein Gedicht. Wo muss man sich anstellen?", zischelte die Midgardschlange.

"Du lispelst", sagte ich zu ihr. War ich denn verrückt? Ich wies sie auf Sprachfehler hin, verärgerte sie womöglich.

"Hast recht", pflichtete mir der Jötunn bei, "diese Zischelei raubt einem den letzten Nerv." Noch schlimmer als ein hungriger Jötunn ist ein genervter Jötunn. Ich hielt der Midgardschlange das Maul zu. Sehr beherzt. Sehr dumm. Ich hielt ihr das Ouija-Board hin. Ich fragte sie: "Möchtest Du mir was Wichtiges mitteilen?"

"Ragnarök!" Es klang furchtbar.

"Sag doch nicht sowas. Hast Du es schon mal mit Lächeln versucht?"

Die Midgardschlange schien nachzudenken. "Eigentlich nicht. Wie geht das?" Ich zeigte es ihr.

Gná beschwerte sich, dass sie zu kurz käme. Ich gelobte Besserung und versprach, mich um ihre Bedürfnisse zu kümmern.

"Kennst Du ein Dating-Portal für Riesinnen", wollte der Riese wissen. "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Ungeheuer bei Ungeheuer.eu", log ich. Mal sehen, wie lange ich damit durchkommen würde.

"Stimmt nicht", ließ sich Hófvarpnir vernehmen.

Ich brauchte einen größeren Garten – die Größe Englands wäre gut – die Midgardschlange schien sekündlich an Größe zu gewinnen. "Ich muss mich in Eure Dimensionen erst hineinfinden."

"Es sind überhaupt keine Erklärungen nötig", sagte ich zu ihr und legte ihr beruhigend meine Hand auf die riesige Stirn.

"Dann ist ja gut. Ich gelte nicht als schicklich, und ich habe den schrecklichen Verdacht, dass die in Asgard beabsichtigen, Handtaschen aus mir zu machen. Das ist widerwärtig." Die Schlange schluchzte.

Ich wollte endlich mit Gná alleine sein. Aber da verwandelten sich die Schach-Gartenzwerge zurück – und mein Garten war voller Anwohner und Mitbürger. Scheußlich. Jeder wollte Erklärungen haben, als wenn ich die so aus dem Hut zaubern könnte. Außerdem konnte ich jetzt nicht mehr Garten-Schach spielen. Mit dem Grillbesteck attackierte ich Jötunn. Ich wollte Gná unbedingt beweisen, was für ein toller Ritter ich wäre. Außerdem steckte ich Jötunn Essensgutscheine zu – in der Hoffnung, dass er mir ein klein wenig entgegenkäme.

Er schauspielerte gut, tat, als ob er verwundet sei. "Und nachher gehen wir tatsächlich zu McDonald's?", fragte er mich hinter vorgehaltener Hand bzw. Pranke. Gebt den Leuten, was sie wollen. Ich fühlte mich als Diplomat, als Asgard-Kenner ... Bis Thor aufkreuzte und wissen wollte, ob das hier eine Garten-Party wäre. Mein Zaun war längst im Eimer, dann goss es wie aus Eimern.

"Ich hab den Regenbogen wohl falsch eingestellt", entschuldigte sich Thor. "Bifröst – die Regenbogenbrücke." Er deutete zum Himmel. Ein prächtiger Regenbogen auf dem einige Figuren unterwegs waren. Die wollten doch nicht alle zu mir? Doch, der Regenbogen endete genau in meinem Garten. Verdammt. Ich klappte das Zauberbuch und das Handbuch zu, band eine Schnur darum. Zwecklos, der einmal entfesselte Zauber ließ sich nicht mehr aufhalten. Na toll, Asgard-Tourismus. Und ich war nicht mal versichert. Schlimmer als 'ne Facebook-Geburtstagsparty. "Bist Du bei Facebook?", wollte Thor wissen. "Zeigst Du mir, wie ich mich bei Instagram anmelde?" Ich versprach es ihm.

Wir machten haufenweise Selfies. Jötunn und die Midgardschlange wollten mit aufs Bild. Das wurde eng. Mein Nachbar fühlte sich als Polizist genötigt, etwas von 'Unerlaubter Veranstaltung' zu sagen, wurde aber ausgebuht. Man wollte Autogramme von der Midgardschlange. Mich beschlich das Gefühl, dass ich Ragnarök um einiges beschleunigt hatte. Alexa spielte aus irgendeinem Grund wieder Götterdämmerung von Wagner.

Gná und ich gingen ins Haus. "Jetzt machen wir's uns gemütlich." Da sie ohnehin nichts mehr anhatte, fiel der Übergang zum erotischen Teil des Abends sehr leicht. "Hättest Du Lust, zuweilen als Skalde in Friggs Palast in Asgard tätig zu sein? Sie webt da Wolken – eine unglaublich langweilige Beschäftigung – und ich sitz dann dabei und soll das Ganze begutachten. Wie öde ist das denn? Komm doch bitte mit!" Sie sagte das so flehentlich – das konnte ich ihr unmöglich abschlagen, zumal sie mich wirklich gut bei unserer Nummer anfeuerte. Sie sprach von einem Quickie – aber als ich nach einer Weile auf meine Uhr schaute, waren sieben Stunden vergangen. "Die Magie von Asgard – unermessliche Freuden – aber auch stete Wiederholung. Das machen wir morgen noch mal." Ich war mir nicht sicher, ob ich ihren Wünschen gerecht werden konnte, das bekam etwas Olympia-Haftes. Völlig ausgelaugt. Und im Kühlschrank war nix mehr. Ich bekam einen Eindruck davon, was sie den Kriegern in Asgard abverlangte. Walkürenritt bekam eine ganz neue, zutiefst anstrengende Bedeutung. Wie erwartet spielte Alexa das sofort. Sie schien mittlerweile meine Gedanken vorauszuahnen, wusste längst vor mir, welche Musik ich brauchte bzw. was passend wäre. Dabei hatte sie ihre eigene Definition von 'passend'.

"Bring Alexa doch mit nach Asgard", schlug Gná vor, "wir sind in der Hinsicht etwas rückständig. Liefert Amazon überhaupt nach Asgard? Hugin und Munin könnten neue Sitzstangen gebrauchen." Sie machte sich eine Liste mit all den Sachen, die ich bei Amazon für sie bestellen sollte. Eine seltsame Liste.

Hófvarpnir erkundigte sich, ob wir denn mal in die Hufe kämen. Er hatte die Zeit in meinem Swimming-Pool verbracht, das Wasser sah aus … Ich war grimmgemut. Einen Asgard-Urlaub hatte ich mir verdient, aber wenn ich Gná so ansah, sie war ein Wirbelwind, ich bestenfalls 'ne Brise.

"Sex-Marathon!", verkündete sie. Sie hegte keinerlei Befürchtungen, dass ich bei diesem Marathon nach den ersten Metern einen Rückzieher machen könnte. "Walkürenritt ist das höchste Glück!" Wieder einer ihrer Werbesprüche.

Ich sagte: "Gná hängt doch mit Gnade zusammen – Gnade, echt jetzt, wir sollten das viel langsamer angehen."

Sie hörte gar nicht hin, meinte nur, dass sie wie ein Theaterstück sei: "Fünf Akte dauert das Theaterstück. Dann gibt es eventuell Applaus." Ich war geliefert. Andererseits war das eine echte Herausforderung. Oder war das ein Musen-Exzess, ein Musen-Overkill? Zum Glück waren die anderen schon über die Regenbogenbrücke verschwunden.

Hófvarpnir gestand mir, dass es sich bei dem Zauberapfel eigentlich um einen verzauberten Pferdeapfel von ihm handeln würde. Mir war schlecht. Gná versprach mir echte Zauberäpfel. Ich dachte daran, dass der Menschheit einiges erspart geblieben wäre, wenn es sich bei Evas Apfel auch um einen verzauberten Pferdeapfel gehandelt hätte. Super Prank.

In meiner Garage parkte ein Einhorn. "Bin falsch abgebogen auf der Regenbogenbrücke."

"Macht ja nichts." Ich war selber erstaunt von mir, ich hatte einen Grad an Stoizismus erreicht – unglaublich. Oder war meine Psyche nur unfähig, sich zu wundern, hatte sie's verlernt? Garten als Midgard – ich sann darüber nach. Das Einhorn wollte wissen, wie es in die Innenstadt käme. Ich lieh ihm mein Motorrad.

Eine Liebesnacht mit einer Walküre kann ich jedem nur empfehlen – falls sich die Gelegenheit ergeben sollte – aber bloß keine Zauberäpfel essen. Hófvarpnir wieherte.