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Strand Thriller Trio Band 3 – Drei Krimis in einem Band (399) von Uwe Erichsen & Alfred Bekker & Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 400 Taschenbuchseiten. Dieses Buch enthält folgende Krimis: Pete Hackett: Trvelllian und das tödliche Puzzle Uwe Erichsen: Ein Mann kommt raus Alfred Bekker (Henry Rohmer): Grausame Rache Alle Vorhaben des Drogenhändlers Goldoni werden verraten, ein Penner meldet sich regelmäßig mit Details bei der Polizei und auch bei dem Gangster. Doch der scheinbar Obdachlose ist auf eine perfide Art von Rache aus – bis Goldoni den Spieß umdreht. Die FBI-Agents Trevellian und Tucker bekommen es mit unversöhnlichen Gangstern zu tun. Henry Rohmer ist das Pseudonym des bekannten Fantasy- und Jugendbuchautors Alfred Bekker, der darüber hinaus an zahlreichen Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X mitschrieb.
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Seitenzahl: 540
Veröffentlichungsjahr: 2021
Strand Thriller Trio Band 3 – Drei Krimis in einem Band
Alfred Bekker et al.
Published by Alfred Bekker präsentiert, 2021.
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Strand Thriller Trio Band 3 – Drei Krimis in einem Band
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Trevellian und das tödliche Puzzle
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Ein Mann kommt raus
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Grausame Rache
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About the Author
About the Publisher
von Uwe Erichsen & Alfred Bekker & Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 400 Taschenbuchseiten.
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Pete Hackett: Trvelllian und das tödliche Puzzle
Uwe Erichsen: Ein Mann kommt raus
Alfred Bekker (Henry Rohmer): Grausame Rache
––––––––
Alle Vorhaben des Drogenhändlers Goldoni werden verraten, ein Penner meldet sich regelmäßig mit Details bei der Polizei und auch bei dem Gangster. Doch der scheinbar Obdachlose ist auf eine perfide Art von Rache aus – bis Goldoni den Spieß umdreht. Die FBI-Agents Trevellian und Tucker bekommen es mit unversöhnlichen Gangstern zu tun.
Henry Rohmer ist das Pseudonym des bekannten Fantasy- und Jugendbuchautors Alfred Bekker, der darüber hinaus an zahlreichen Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X mitschrieb.
Ein CassiopeiaPress Buch: Alfredbooks, CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Authors
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
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Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.
Alle Vorhaben des Drogenhändlers Goldoni werden verraten, ein Penner meldet sich regelmäßig mit Details bei der Polizei und auch bei dem Gangster. Doch der scheinbar Obdachlose ist auf eine perfide Art von Rache aus – bis Goldoni den Spieß umdreht. Die FBI-Agents Trevellian und Tucker bekommen es mit unversöhnlichen Gangstern zu tun.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
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© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Kawabata Saikaku wartete hinter der Bürobaracke des Autofriedhofs. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Die Umgebung mutete ihn bedrohlich an. Manchmal huschten Ratten zwischen den übereinander gestapelten Autowracks dahin. Sie verursachten Geräusche, die den Japaner erschauern ließen. Er spürte Gänsehaut.
Saikaku setzte sich wieder in den Wagen, den er bei einem Autoverleih gechartert hatte. Er konnte jetzt zwar die gespenstischen Geräusche nicht mehr vernehmen, aber sein Unbehagen blieb. Er schaute auf die Armbanduhr. Noch fünf Minuten, sagte er sich.
Plötzlich fiel ihm ein kleiner, roter Lichtpunkt durch die Windschutzscheibe ins rechte Auge. Das Blut drohte ihm in den Adern zu gefrieren. Ein Laserpointer. Mit dem nächsten Lidschlag schien sein Kopf zu explodieren ...
Die Detonation hörte der Japaner schon nicht mehr. Die Windschutzscheibe wies ein kleines, rundes Loch auf, von dem einige Sprünge nach allen Seiten auseinanderliefen. Die Kugel hatte seinem Leben innerhalb eines Sekundenbruchteils ein Ende gesetzt.
Aus dem dichten Schatten zwischen den Wracks löste sich ein Schemen. Vorsichtig pirschte er an den VW Golf heran, an dessen Türen die Reklame des Pkw-Verleihs aufgeklebt war.
Bei dem Golf angelangt knipste er eine Taschenlampe an und leuchtete in das Innere. An der Seitenscheibe lief Blut hinunter. Das linke Auge des Japaners war im letzten Entsetzen seines Lebens weit aufgerissen. Das rechte war nur noch eine blutende Masse rohen Fleisches.
Der Mörder hielt den Strahl der Stablampe auf den Rücksitz. Da lag eine dünne, schwarze Aktenmappe. Er öffnete die Fondtür und griff sie sich. Dann ging er zur Rückseite des Wagens und öffnete die Heckklappe. Da lag ein Karton. Er war verschnürt. Der Mörder legte die Taschenlampe zur Seite und riss eine Ecke vom Deckel des Kartons ab. Er leuchtete in die entstandene Öffnung.
Ein zufriedenes Knurren entstieg seiner Kehle. Er klemmte sich den Karton und die Aktenmappe unter den Arm, knipste die Lampe aus und entfernte sich schnell. Wie ein Spuk verschwand er zwischen den rostigen, ausgeschlachteten Wracks.
Drei Minuten später näherten sich zwei Pkws dem Autofriedhof. Der Lichtkegel der Scheinwerfer des vorderen Fahrzeugs erfasste den VW Golf, dessen Heckklappe geöffnet war. Die Fahrzeuge hielten an. Das Brummen der Motoren endete. Die Scheinwerfer gingen aus.
„Ich sehe nichts von dem Japaner“, murmelte Mario Goldoni. Er saß auf dem Beifahrersitz des vorderen Fahrzeugs, eines Chevrolets. „Irgendetwas stimmt da nicht.“
Der Fahrer schwieg. Er starrte durch das Seitenfenster auf den Golf.
Aus dem hinteren Fahrzeug stieg ein Mann. Er kam nach vorn und öffnete die Beifahrertür. „Seltsam, nicht wahr? Wo ist der Japaner? Hast du ihn irgendwo sehen können, Mario?“
„Nein.“ Mario Goldoni holte seine Beretta unter der Jacke hervor und entsicherte sie. Er stieg aus. „Komm.“
Auch Silvio Pirandello zog seine Waffe.
Vorsichtig näherten sie sich dem VW Golf.
Hinter dem Lenkrad saß der Japaner. Er war auf dem Sitz nach unten gerutscht und seitlich gegen die Tür gekippt. Der Fenster war blutverschmiert.
Pirandello wollte zum Türgriff langen.
„Finger weg!“, keuchte Goldoni. „Willst du, dass die Bullen deine Prints feststellen?“
Schnell zog Pirandello die Hand zurück.
Mario Goldoni ging um den Golf herum. Ihm entging nicht das Loch in der Windschutzscheibe. Er schaute durch das hintere Seitenfenster. Dann stand er vor der offenen Heckklappe.
„Gott verdammt!“, stieß er schließlich hervor. „Wer wusste davon, dass wir uns mit dem Japaner um Mitternacht hier verabredet hatten?“
„Niemand außer uns“, knurrte Pirandello. „Selbst Luigi, Bob und Walter erfuhren erst davon, als wir schon auf dem Weg hierher waren.“
„Der Turbo-Lader und die Baupläne sind jedenfalls fort“, presste Goldoni zwischen den Zähnen hervor.
„Sieht aus, als hätte jemand auf irgendeine Weise Wind von dem Geschäft bekommen, und er war vor uns hier.“ Silvio Pirandello massierte mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken.
„Das verdammte Schwein soll der Blitz treffen!“, fauchte Goldoni. „Verschwinden wir. Das Geschäft können wir abschreiben.“
Sie rannten zu ihren Autos und warfen sich hinein. Die Kerle hinter den Lenkrädern starteten, fuhren an und wendeten. Die beiden Fahrzeuge rollten zurück nach Manhattan.
Wir hatten einen Tipp erhalten. In der Lower Eastside, vor einer Kneipe mit dem Namen „Petite Fleur“, sollte ein Schwarzer Crack an interessierte Kunden verkaufen.
Der Name des Schwarzen sei Richie Grinnell, er arbeite für einen gewissen Toby Baxter, und der wiederum sei ein Mann Mario Goldonis und zuständig für die Koordination des Straßenverkaufs.
Ein Anrufer, der seinen Namen unter keinen Umständen verraten wollte, hatte uns mit diesem Hinweis versorgt. Mit uns meine ich das FBI, Field Office New York. Der Special Agent in Charge, also der Chef des Field Office, Mr. Jonathan D. McKee, betraute Milo und mich mit dem Fall des Dealers.
Über Richie Grinnell gelang es uns vielleicht, Mario Goldoni endlich einen Strick zu drehen. Der italienische Gangster führte uns seit Langem an der Nase herum. Nicht nur uns. Den gesamten Polizeiapparat New Yorks. Die Mordkommission rechnete ihm einige Morde zu, die als „ungeklärte Fälle“ beim Department lagerten. Mit Hilfe seiner Anwälte war es Goldoni jedes Mal gelungen, sich wie ein Aal herauszuwinden. Das Gebäude aus Indizien, das die Kollegen in den einzelnen Fällen aufgebaut hatten, hielt niemals stand. Er fiel immer in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
In Polizeikreisen nannte man Goldoni nur noch „Slippery Eel“, also „schlüpfriger Aal“.
Doch jetzt schien es jemanden zu geben, der Goldoni in den Rücken fiel. Der anonyme Anruf konnte nur aus seinem unmittelbaren Umfeld kommen.
Also fuhren Milo und ich gegen zehn Uhr in die Lower Eastside. Wir postierten uns beim „Petite Fleur“‘. Ausgerüstet mit Walkie-Talkies konnten mein Partner und ich jederzeit Funkkontakt aufnehmen.
Ich hatte mich in dem Club postiert.
Milo observierte den Bau, in dessen Erdgeschoss das Etablissement untergebracht war, von der Straße aus.
Die Bar war gerammelt voll. Die Musik dröhnte in den Gehörgängen. Ich trug Freizeit-Look, um nicht aufzufallen. Hier gab man sich locker und lässig. Mit Anzug und Krawatte hätte ich hier Aufsehen erregt. Also trug ich Jeans und Turnschuhe, ein offenes Hemd und einen Parka – wie eben fast alle in dem Schuppen.
Von Zeit zu ging ich in die Toilette, um mit Milo Kontakt aufzunehmen.
Als ich meine dritte Nachfrage gestartet hatte, es ging schon auf 23 Uhr 30 zu, antwortete mein Freund und Partner: „Zielobjekt eingetroffen, Jesse. Trägt Armee-Kampfjacke und eine mehrfarbige Wollmütze. Steht wenige Schritte rechter Hand vom Eingang und wartet. Wahrscheinlich auf Kunden.“
„Wir müssen ihn in flagranti erwischen, Milo“, knurrte ich ins Walkie-Talkie.
„Natürlich. Darum wäre es vielleicht ganz gut, wenn du unauffällig auf die Straße kommen würdest.“
„Roger“, sagte ich und beendete den Kontakt.
Nachdem ich meine Zeche bezahlt hatte, die sich auf zwei Bitter Lemon beschränkte, verließ ich die Bar.
Tief sog ich die frische Luft in meine Lungen. Ich stand vor der Tür auf dem Gehsteig und schaute mich unauffällig um.
Links von mir sah ich den Schwarzen an der Wand lehnen. Dass Milo mir erklärte, Richie Grinnell stehe rechter Hand, war darauf zurückzuführen, dass Milo sich auf der anderen Straßenseite postiert hatte und sich unsere Blickrichtungen sozusagen kreuzten.
Richie hatte beide Hände in den Taschen seines Parkas versenkt. Er hielt das linke Bein abgewinkelt, den Absatz hatte er gegen die Hauswand gestemmt. Das rote Licht der Neonleuchtschrift fiel auf ihn. Mir entging nicht, dass er mich verstohlen beobachtete.
Ich wandte mich nach links und ging an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Er summte leise vor sich hin. Das hörte ich, als ich ihn passierte. Den Blick, mit dem er mich maß, spürte ich nahezu körperlich.
Ich lief vor bis zur nächsten Seitenstraße und verschwand um die Ecke.
Dort zückte ich das Walkie-Talkie. Milo meldete sich. „Ich habe dich herauskommen sehen, Jesse. Bist du in Stellung?“
„Gewiss doch. Jetzt braucht nur noch der schwarze Mann aktiv zu werden.“
„Das wird er. Wahrscheinlich hat er hier schon seinen Kundenstamm. Wir bleiben in Verbindung, Bruderherz. Over – heh, vier Kerle verlassen die Bar und nähern sich ihm. – Sie reden. Richie steht zwischen den Vieren. Ich denke ... Jesse, sie gehen zur Einfahrt in den Hof. – Jetzt sind sie in der Dunkelheit verschwunden. – Partner, es ist an der Zeit, zuzuschlagen.“
„All right, Milo“, stieß ich in die Sprechmuschel. „Zugriff!“
Ich wechselte das Walkie-Talkie in meiner Rechten gegen die SIG aus und lief los.
Aus einer Einfahrt auf der anderen Straßenseite kam Milo. In seiner rechten Faust sah ich die SIG Sauer liegen, in der Linken hielt er eine Stablampe.
Wir trafen uns vor dem „Petite Fleur“‘, liefen in die Durchfahrt und sahen die Schemen bei einigen Mülltonnen stehen. Der Deal wurde im vagen Licht, für das die Flamme eines Feuerzeuges sorgte, durchgeführt.
Milo knipste die Stablampe an. Der Lichtkegel traf die fünf Gestalten. Das Feuerzeug verlosch. Ich konnte einen Zischlaut vernehmen, der sich anhörte wie eine lästerliche Verwünschung oder ein Befehl, dann rief ich: „Rührt euch nicht! FBI! Lasst eure Hände, wo sie sind.“
Für die Spanne zweier Lidschläge standen die Kerle steif wie Pfähle, dann aber kam Leben in sie.
Richie mit der bunten Wollmütze auf dem Kopf spurtete los, als wäre eine Treibladung in ihm gezündet worden. Er verschwand zwischen zwei parkenden Autos. Die anderen vier Burschen kamen auf uns zu. Es hatte den Anschein, als wollten sie uns einfach überrennen.
Das taten sie aber nicht. Sie fielen über uns her. Auf sie feuern konnten wir schlecht, denn sie waren waffenlos und es hätte gewiss nicht der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprochen, wenn wir sie mit heißem Blei kampfunfähig geschossen hätten.
Wir schlugen also mit den Pistolen nach ihnen, Milo obendrein mit der Taschenlampe. Einer versetzte mir einen Tritt gegen den Oberschenkel. Mein Bein knickte weg, als sei plötzlich sämtliche Kraft daraus entwichen. Eine Faust landete auf meinem Ohr. Ich sah Sterne. Blindlings schlug ich um mich. Und ich traf einen der Schufte mit dem Pistolenlauf am Kinn. Der Schlag schickte ihn zu Boden. Im letzten Moment sah ich wieder klar genug, um eine gerade Rechte meines anderen Gegners zu unterlaufen. Ich wuchtete ihm den Kopf in den Magen und führte einen Schlag gegen seinen Kopf. Wie vom Blitz getroffen sackte er zusammen.
Milo hatte die Situation ebenso im Griff. Einer seiner Kontrahenten hockte auf der Erde, der andere ließ sein Bein fliegen, um Milo mit einem hinterhältigen Tritt in den empfindlichsten Bereich außer Gefecht zu setzen. Doch mein Kollege wich geschmeidig aus und drosch dem Knaben den Pistolenlauf derart aufs Schienbein, dass dieser mit lautem Gebrüll auf dem anderen Bein im Kreis herum hüpfte und mit beiden Händen die schmerzlich getroffene Stelle umklammerte.
„Schluss der Vorstellung!“, peitschte Milos Organ. „Habt ihr vielleicht was an den Ohren? Wir sind vom FBI! Ihr habt wohl keine Ahnung, was euch ein tätlicher Angriff gegen uns einbringt?“
Sie keuchten und stöhnten und rieben sich die Stellen, an denen sie Bekanntschaft mit dem Stahl unserer Pistolen oder mit Milos Taschenlampe gemacht hatten.
„Halt die vier Dummköpfe in Schach“, gebot ich Milo. Mir dröhnte noch der Schädel von dem Schlag aufs Ohr. Nur langsam löste sich die Verspannung in der Muskulatur meines Oberschenkels. Meine Stimme hob sich: „Komm schon heraus, Richie. Vorwärts, mein Freund. Ich habe dich zwischen den beiden Fahrzeugen verschwinden sehen.“
Richie Grinnell aber rührte sich nicht.
Also setzte ich mich in Bewegung.
Dort, wo ich den Dealer abtauchen sah, war niemand. Aber das Rätsel war schnell gelöst. Die Hintertür zum „Petite Fleur“‘ stand einen Spalt breit offen. Und während Milo und ich uns mit den vier Junkies prügelten, hatte der Schwarze die Gelegenheit genutzt, um in das Lokal zu fliehen.
Ich rannte in das Haus und befand mich in dem Flur mit den Toiletten. Im nächsten Moment stieß ich die Tür zur Bar auf. Die laute Musik, der Tabakqualm, das Geschrei und Gelächter der Gäste – das alles kam mir entgegen und traf mich wie ein unsichtbarer Hammer. Sekundenlang hielt ich die Luft an. Dann ließ ich meinen Blick springen. Ich sah zwar einige Schwarze, aber keinen mit der bunten Mütze Richies. Ich drängte mich durch das Gewühl. An einem Tisch in der Nähe der Vordertür erkundigte ich mich, ob ein Schwarzer ziemlich eilig das Lokal verlassen habe.
„Ja“, meinte einer der Kerle. „Richie ist hinaus, als säße ihm der Leibhaftige im Nacken. Du siehst aber gar nicht aus wie der Leibhaftige.“
„Kennst du Richie?“, fragte ich.
„Wer kennt den hier nicht?“, lachte mich der Bursche an.
„Dann weißt du sicher auch, dass er mit Crack handelt.“
Der Mister schaute mir verblüfft ins Gesicht. Auch seine Tischgenossen starrten mich überrascht an. Dann sagte der Bursche, der bisher schon mit mir gesprochen hatte: „Keine Ahnung. Von uns hier braucht keiner Crack oder einen anderen Glückseligmacher. Ein Glas Bier mehr tut‘s auch.“
„Weißt du, wo Richie wohnt?“
„Nein.“
Ich verließ das Etablissement durch die Vordertür. Von Richie war weit und breit nichts mehr zu sehen. Wie zu erwarten ...
Ich kehrte in den Hof zurück.
Die vier Burschen waren jetzt ganz handzahm. Sie gaben sogar zu, dass sie von Richie Grinnell den Crack für den Eigenverbrauch kaufen wollten. Ich rief das nächste Polizeirevier an, damit die Cops die Kerle abholten und das Nötige veranlassten.
Zwanzig Minuten später waren wir die Junkies los. Die Jungs von der City Police transportierten sie ab. Milo versprach ihnen einen ausführlichen Bericht zu der Sache.
Richie war uns durch die Lappen gegangen. Und damit war auch die Chance dahin, Mario Goldoni endlich etwas am Zeug zu flicken.
Milo äußerte seine Enttäuschung mit herben Worten.
„Noch ist nicht aller Tage Abend“, murmelte ich. „Fahren wir nach Hause.“
Am folgenden Tag, Milo und ich waren gerade in unserem gemeinsamen Büro angelangt und hatten die Jacken in den Schrank gehängt, läutete des Telefon auf meinem Schreibtisch.
Ich war dabei, mein Kennwort in den Computer zu hacken und ließ den Apparat zweimal schellen.
„Dein Telefon läutet“, knurrte Milo.
„Könnte ein Gespräch sein, wie?“, versetzte ich und verzog den Mund, weil ich mich bei der Kennworteingabe vertippt hatte.
Ich griff zum Hörer. Es war Mandy, die sexy Sekretärin Mr. Jonathan D. McKees, der Ikone des FBI in New York. Mandy war nicht nur sexy, sie kochte auch den besten Kaffee der Welt.
„Hi, Jesse“, flötete sie in die Leitung. „Dich und Milo möchte der Chef sprechen.“
„Jetzt gleich, oder ...“
„Wenn euch der Chef sprechen möchte, dann ist das immer gleich“, erwiderte sie lachend. „Denn dann brennt es meistens irgendwo lichterloh.“
„Wie wahr“, murmelte ich. „Wir kommen.“
Ich legte auf. „Audienz beim Chef“, sagte ich zu Milo.
Wir schlüpften in unsere Jacketts und machten uns auf den Weg.
Minuten später saßen wir dem Spezial Agent in Charge gegenüber. „Schlechte Nachricht, Jesse, Milo“, sagte er und musterte uns abschätzend.
Milo, der den Chef missverstand, nickte und erwiderte: „Kann man wohl sagen, Sir. Richie Grinnell ist uns davongelaufen. Er hat die Chance genutzt, als vier Junkies, die von ihm Stoff kaufen wollten, über uns herfielen. Die vier Narren sind in Polizeigewahrsam. Richie allerdings ...“
Milo zuckte ergeben mit den Schultern.
„Davon spreche ich nicht“, erklärte der Chef. „Heute morgen, gegen sechs Uhr, wurde bei dem Schrottplatz an der fünfundfünfzigsten Avenue in Elmhurst die Leiche eines Japaners gefunden. Ihm fehlte der halbe Kopf. Weggeschossen ...“
„Das hört sich nach Mord an“, gab Milo zum Besten. „Zuständigkeitsbereich der Mordkommission.“
„Grundsätzlich richtig“, bestätigte Mr. McKee. „Aber bei dem Ermordeten handelt es sich um Kawabata Saikaku. Er war Ingenieur bei Toyota. Saikaku hat seinem Arbeitgeber einen neu entwickelten Super Turbo-Lader samt Bauplänen entwendet und beides – wie auch immer – in die USA eingeschleust. Eine bahnbrechende Erfindung für die Automobilindustrie. Die Spur Saikakus verlor sich in den Staaten. Interpol wurde eingeschaltet. Man vermutete, dass Saikaku die Neuentwicklung irgendeinem namhaften Automobilhersteller anbieten würde. Fehlanzeige. Und nun wurde seine Leiche gefunden. Nach ersten Feststellungen der Gerichtsmedizin ist der Tod gegen Mitternacht eingetreten.“
„Werkspionage“, murmelte ich. „Vielleicht haben ihm die Japaner einige Spürhunde hinterhergeschickt“, fügte ich hinzu.
Der Chef schüttelte den Kopf. „Die Manager von Toyota schicken keine Killer, Jesse. Wenn jemand Saikaku auf der Spur war, dann nur, um zu verhindern, dass der Turbo-Lader und die Baupläne in die falschen Hände geraten und wieder zu seinem Entwickler gelangen. Aber nicht, um Saikaku zu ermorden.“
„Wahrscheinlich hat der Japaner das Zeug jemandem angeboten, und als der Deal über die Bühne gehen sollte, wurde er ermordet“, meinte Milo. „Auf diese Weise hat sich der Interessent eine Menge Geld gespart.“
„Von dem Turbo-Lader und den Plänen hat man natürlich nichts bei der Leiche gefunden.“ Es war keine Frage, die ich stellte, es war eine Feststellung.
„Richtig.“
„Weiß man, wo der Japaner wohnte?“
„Ja. Das ging aus der Durchschrift des Vertrages mit dem Autoverleiher hervor, die er mit sich trug. Er hatte unter dem Namen Mishima Kenzaburo in Yorkville, fünfundachtzigste Straße, ein Apartment angemietet. Es wurde sofort von den Kollegen des Police Department durchsucht.“ Mr. McKee zuckte mit den Achseln. „Kein Turbo-Lader – keine Pläne – nichts.“
„Wurden seine Telefonate schon überprüft? Sein Computer? Das elektronische Postfach?“, erkundigte ich mich.
„Die Kollegen von der Spurensicherung sind noch dabei“, erwiderte der Chef. „Immerhin wurde der Leichnam erst vor gut zwei Stunden gefunden. Ein Obdachloser fand ihn. Sein Name ist Will Winslow.“
„Sicher“, murmelte ich. „Hexen können die auch nicht.“ Ich meinte damit die Kollegen vom NYPD und von der Scientific Research Division, kurz SRD, den zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeidienststellen.
„Da außeramerikanische Belange berührt sind, fällt der Fall in die Zuständigkeit des FBI“, gab der Chef zu verstehen. „Ich will, dass Sie sich darum kümmern, Jesse, Milo. Am Besten, Sie nehmen mit Harry Easton Kontakt auf. Er selbst leitet die Ermittlungen in dieser hochbrisanten Angelegenheit. Er wird Ihnen sagen können, was die Kollegen von der SRD an Hinweisen gefunden haben.“
Harry Easton war Chef der Mordkommission von Manhattan. Wir hatten ihm den Spitznamen Cleary gegeben, weil er immer tönte, dass es nahezu keinen Mordfall gab, den seine Jungs nicht aufklärten. Das war natürlich übertrieben, denn im Big Apple wurden immer wieder Menschen aufgefunden, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind und deren Mörder niemals entlarvt wurde. Wir arbeiteten oft und gerne mit Cleary zusammen.
„Na schön, Sir“, sagte ich, indes ich mich von meinem Stuhl in die Höhe stemmte. „Wir nehmen mit Harry Kontakt auf. Ich denke aber, dass wir ziemlich im Dunkeln tappen werden. Der Japaner war höllisch vorsichtig. Das beweist schon die Tatsache, dass es ihm gelang, wochenlang hier in New York in der Versenkung zu verschwinden, obwohl er auf den Fahndungslisten steht und sogar Interpol eingeschaltet war. Also wird er auch nicht von seinem Telefon oder seinem Computer aus die Kontakte zu irgendwelchen Leuten geknüpft haben, die auf seiner Interessentenliste standen.“
„Weil das so ist, betraue ich Sie beide mit der Sache“, lächelte der Chef nachsichtig. „Und wie ich Sie kenne, werden Sie alles daran setzen, um den Fall aufzuklären.“
Er verstand es eben immer wieder, uns zu motivieren. Ja, wir würden alles tun, um die Erwartungen, die er in uns setzte, zu erfüllen.
Auch Milo erhob sich. „Natürlich, Sir. Darum sind wir auch G-men geworden und keine Staubsaugervertreter. Ich hoffe, dass wir dem Vertrauen, das Sie in uns entgegenbringen, gerecht werden können.“
„Davon bin ich überzeugt.“
„Sollen wir die Sache mit Richie Grinnell zurückstellen, Sir?“, fragte ich.
„Der Knabe wird nach unserem verpatzten Einsatz heute Nacht sicherlich in der nächsten Zeit ganz kleine Brötchen backen“, knurrte Milo.
„Ich denke, dass Baxter ihn vor einem anderen Lokal einsetzt“, meinte Mr. McKee. „Und wenn wir mit unserer Vermutung richtig liegen, dass es jemand aus Goldonis Umgebung ist, der uns plötzlich mit Tipps versorgt, dann erfahren wir sicher auch, wo Grinnell die Drogen an den Mann bringt.“
Damit waren wir entlassen. Was es zu sagen gab, war gesagt. Alles andere wäre nur Zeitverschwendung gewesen.
Wir schritten nebeneinander in unser Büro zurück. „Ich glaube, wir sind zu gut, Partner“, knurrte Milo. „Darum gibt er uns die Fälle, deren Aufklärung schon dem ersten Augenschein nach hoffnungslos erscheinen.“
„Dass das so ist, befriedigt doch dein krankhaftes Ego, Milo“, gab ich grinsend zurück. „Würde uns der Chef nur auf die Eierdiebe ansetzen, wärst du sicher todunglücklich und bekämst Zweifel an deinen Fähigkeiten. Und du würdest dich um einen Fall wie dem des Japaners reißen.“
„Da du recht hast, geh‘n wir die Sache also an. Telefonieren wir mit Cleary.“
„Am besten, wir fahren zum Department und sprechen persönlich mit ihm“, schlug ich vor.
„Von mir aus. Also statten wir Cleary einen Besuch ab.“
Wir holten unsere Jacken. Ich schaltete den PC wieder aus. Dann fuhren wir mit dem Lift in die Tiefgarage.
„Es gibt nicht viel zu berichten“, knurrte Cleary. „Einem international gesuchten Gangster hat jemand eine Kugel in den Kopf geballert und ist mit dem Turbo-Lader und den dazugehörenden Bauplänen auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Das Geschoss durchschlug den Kopf und steckte im Türholm. Der Golf wird von den Jungs der SRD unter die Lupe genommen. In der Wohnung des Japaners wurde ein Laptop sichergestellt. Wir haben eine Liste seiner Telefonate angefordert. Und der Stadtstreicher, der die Leiche gefunden hat, wusste von nichts.“
Richtig, Mr. McKee hatte von dem Obdachlosen gesprochen. Ich kramte in meinem Gedächtnis nach dem Namen. Will ... Wie war doch gleich der Familienname? Winslow! Will Winslow!
„Was hatte Winslow bei dem Autofriedhof verloren?“, fragte ich. „Hat er in einem der alten Wracks vielleicht seinen Unterschlupf? Wem gehört der Schrottplatz?“
„Besitzer des Grundstücks ist ein gewisser Hank Jenkins. Gepachtet hat es ein Mann namens Arthur Haney. Winslow hat seinen Angaben gemäß tatsächlich die Nacht in einem der Wracks verbracht. Aber er sah und hörte nichts – sagt er.“
„Das heißt also“, murrte Milo ohne Begeisterung, „wir haben außer einer Leiche so gut wir gar nichts.“
„Sehr scharfsinnig, Special Agent“, nickte Cleary humorlos. „Und das bedeutet im Klartext, dass es gilt, jeden auch noch so kleinen Hinweis zusammenzutragen, auszuwerten und zusammenzufügen wie ein Puzzle.“
„In diesem Fall ein blutiges Puzzle“, sagte ich abschließend. „Wir werden uns selbst mal ein Bild vom Tatort machen, Cleary. Wenn neue Erkenntnisse auf deinen Schreibtisch flattern, dann sei so gut, und lass uns daran teilhaben.“
„Du meinst, ich soll euch auf dem Laufenden halten“, knurrte Cleary. „Immer dieses gestelzte Gerede.“
„Aber, bitte ...“, grinste ich ihn an.
„Ja, ja, ich weiß schon. Ich verfüge über ein etwas einfacheres Gemüt.“ Cleary erwiderte mein Grinsen.
Milo und ich verabschiedeten uns.
Und dann waren wir in der Blechlawine gefangen, die sich durch die Straßen Manhattans schob. Einer, der es hier besonders eilig hatte, musste glatt verzweifeln. Stockend ging es voran. Immer wieder leuchteten die Bremslichter des Wagens vor mir auf. Ich hämmerte nervös mit der flachen Hand auf das Lenkrad, wenn wir wieder mal standen. Es war einfach nervenzermürbend.
Schließlich aber rollten wir auf die Brooklyn Bridge und befanden uns im weitaus verkehrsberuhigteren Queens.
Der Autofriedhof nahm ein großes Areal zwischen Wohnblöcken ein. Zur 55. Avenue gab es keinen Zaun. Den Schrottplatz konnte also jeder betreten. Auf einer Tafel an einem Holzpfahl, der in die Erde gerammt war, stand zwar geschrieben, dass man dieses Grundstück auf eigene Gefahr betrat und dass Eltern für ihre Kinder hafteten, aber das hatte zumindest Kawabata Saikaku, seinen Mörder und den Obdachlosen Will Winslow nicht vom Betreten des Geländes abhalten können.
Es ging bereits auf Mittag zu. Der Himmel war wolkenverhangen und grau. Es war nasskalt. Die Bäume, die verstreut herumstanden, waren kahl. Einige Kerle – wohl Bastler – strichen zwischen den Wracks herum auf der Suche nach brauchbaren Teilen, die bei ihren eigenen Autos den Geist aufgegeben hatten. Diese Autofriedhöfe waren billige Ersatzteillager.
Hunderte von Autoleichen stapelten sich hier. Zwischen den Schrottbergen hindurch führte eine ungeteerte Zufahrt zu einer Baracke, in der das Büro des Schrotthändlers untergebracht war. Ich stellte den Wagen davor ab.
Ein Mann in einem grünen Parka kam ins Freie. Er war um die 40. Als wir ausstiegen, deutete er auf den Sportwagen und meinte grinsend: „Ist der nicht noch ein wenig zu neu, um bei mir den Weg alles Vergänglichen anzutreten?“
„Das ist er wohl“, versetzte ich. „Aber deswegen sind wir auch gar nicht hier.“ Ich zückte meine ID-Card und hielt sie hoch. „Special Agent Trevellian, FBI“, gab ich zu verstehen und wies auf Milo. „Special Agent Tucker. Wir ermitteln in dem Mordfall Kawabata Saikaku ...“
Das Grinsen im Gesicht des Burschen war erloschen. „Ja, verdammt! Den ganzen Morgen hat es hier schon von Cops nur so gewimmelt. Warum hat man das Schlitzauge ausgerechnet auf meinem Grund und Boden umgelegt?“
„Diese Frage können wir Ihnen auch nicht beantworten“, kam es von Milo. „Sind Sie der Pächter des Grundstücks?“
„Ja. Mein Name ist Arthur Haney. Nach dem Vorfall von vergangener Nacht werde ich wohl doch einen Zaun zur Straße hin ziehen. Ich hatte ja nicht den Schimmer einer Ahnung, dass sich hier Obdachlose herumtreiben. Wenn mal so ein Schrottberg einstürzt und einen unter sich begräbt, bin ich ganz schön in den Arsch gekniffen.“
„Das wird so sein“, bestätigte Milo lakonisch. Dann kam er auf den Punkt: „Wo stand der Wagen mit der Leiche?“
Zufällig schwenkte ich den Blick in Richtung 55. Avenue, als mir ein mittelgroßer, älterer Mann auffiel, der halb verborgen hinter einem Lieferwagen stand und zu uns her starrte. Er war mit einem zerschlissenen Mantel bekleidet und trug eine Plastiktüte in der Hand. Auf seinem Kopf saß eine gelbe Baseballmütze. Darunter fielen graue Haare auf seine Schultern. Ein ebenfalls grauer Bart wucherte im hageren, faltigen Gesicht des Burschen.
„Hinter dem Büro“, hörte ich Haney sagen. „Von der Straße aus war der Golf nicht zu sehen.“
Es erreichte nur den Rand meines Unterbewusstseins.
Der heruntergekommen anmutende Mister, an dem sich mein Blick verkrallt hatte, machte jetzt nämlich die Fliege. Er hatte wohl bemerkt, dass ich ihn beobachtete, gab sich einen Ruck und schritt schnell – um nicht zu sagen hastig – weiter.
Will Winslow!, klingelte es in meinem Verstand.
„Einen Moment, Milo“, stieß ich hervor, dann spurtete ich los. Der Untergrund war feucht und glitschig und ich musste darauf achten, mit den glatten Sohlen meiner Schuhe nicht auszurutschen. Also bewegte ich mich wohl ziemlich steifbeinig und ungelenk.
Als ich die 55. Avenue erreichte und den Blick nach rechts schwenkte, in die Richtung also, in der der Obdachlose verschwunden war, konnte ich nichts mehr von ihm entdecken.
Warum floh er vor mir?
Ich lief ein Stück die Straße entlang und bohrte meinen Blick immer wieder in die engen Gassen und Lücken zwischen den Schrotthaufen. Will Winslow aber war verschwunden, als hätte ihn die Erde geschluckt.
„Kennen Sie Will Winslow?“, fragte ich den Schrotthändler, als ich wieder bei der Bürobaracke angelangt war.
Haney schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn vorher nie hier gesehen. Als ich heute morgen ankam, hatten ihn die Leute von der Mordkommission in der Mangel. Dann verschwand er. Keine Ahnung, weshalb er noch einmal aufgekreuzt ist.“
Wir begaben uns hinter die Baracke.
Der Golf war bereits abgeholt worden. Ich ließ mir von Haney erklären, wo er genau gestanden hatte. Von Cleary wussten wir, dass die Kugel die Windschutzscheibe durchschlagen hatte und in das linke Auge des Japaners eingedrungen war. Da sie im Türholm steckenblieb, musste sie von rechts vorne gekommen sein.
Milo und ich marschierten in die vermutete Schussrichtung. Auch hier türmten sich die verbeulten Karossen. Enge Gänge führten dazwischen. In einem dieser schmalen Durchlässe musste der Schütze gelauert haben. Es gab allerdings eine Reihe von Spuren in dem aufgeweichten Untergrund. Ich hielt nach der eventuell ausgeworfenen Patronenhülse Ausschau, doch das war vergebens.
„Mit diesem Will Winslow würde ich mich gerne mal unterhalten“, wandte ich mich an Milo, der seinen Blick schweifen ließ. „Ich frage mich, was er zu verbergen hat.“
„Auf Kerle seiner Spezies wirkt ein Polizist wie ein rotes Tuch für einen mexikanischen Kampfstier“, meinte Milo. „Wahrscheinlich hat er beobachtet, als du Haney deine ID-Card hingehalten hast. Darum zog er es vor, sich dünn zu machen, als er merkte, dass er deine Aufmerksamkeit erregte.“
„Trotzdem würde ich gerne mit ihm sprechen. Von Cleary wissen wir, dass er in einem der Wracks geschlafen hat. Er wurde vernommen. Seinen Angaben zufolge sah und hörte er nichts. Umso mehr wundert es mich, dass er sich hier herumtreibt und uns scheinbar beobachtet. Womöglich hat er den Kollegen vom Police Department etwas verschwiegen.“
Wir kehrten zu der Baracke zurück. Haney kassierte gerade drei Dollar für eine ausgebaute Wasserpumpe. „Ihre Kollegen haben schon jeden Quadratzoll des Bodens nach Spuren abgesucht“, empfing er uns. „Gefunden haben sie nichts.“
Wir bedankten uns bei ihm dafür, dass er uns seine Zeit geschenkt hatte, dann saßen wir wieder im Sportwagen. Ich wendete und fuhr zurück zur Straße. Langsam ließ ich den Wagen am Schrottplatz entlang rollen. Milo schaute sich die Augen aus, von Will Winslow war aber nichts zu sehen.
Wir fuhren zurück nach Manhattan und quälten uns wieder durch den Verkehr bis zur Federal Plaza.
Mario Goldoni bewohnte in Little Italy, genau gesagt in der Hester Street, eine luxuriöse Penthouse-Wohnung. Er war war der Mächtige in diesem Teil New Yorks. Goldoni kontrollierte den Drogenhandel und die illegale Prostitution.
Goldoni war der Boss. Ein Mafioso, dem bisher nichts am Zeug zu flicken war. Nach außen war er ein nicht gerade armer Geschäftsmann, der als Produzent mehr oder weniger erfolgreicher Musicals und Theaterstücke sein Geld verdiente.
Es war am späten Nachmittag, als bei ihm das Telefon schellte. Goldoni war gerade auf dem Sprung, um die Wohnung zu verlassen. Bei ihm befanden sich eine aufgestylte, gewiss sehr schöne Frau Ende der 20, seine rechte Hand Silvio Pirandello sowie sein Chauffeur Bob Ferguson.
„Nimm ab, Bob!“, kommandierte Goldoni und knöpfte seinen Trenchcoat zu.
Bob Ferguson nahm den Hörer in die Hand. „Bei Goldoni.“
„Ich weiß“, kam es durch die Leitung. „Pass, auf, Goldoni ...“
„Ich bin nicht Goldoni“, unterbrach Ferguson den Anrufer.
„Dann gib mir den dreckigen Hurensohn!“
„Du bist wohl bescheuert!“, erregte sich Ferguson. Seine Miene hatte sich düster verschlossen. „Wie redest du ...“
„Ach, halt die Klappe und gib mir Goldoni!“
Ferguson schnappte nach Luft wie ein Fisch im Trockenen. Er warf im Anflug eines überwältigenden Zorns den Hörer auf den Apparat. „Ein Verrückter“, kommentierte er den Anruf. „Er nannte dich einen dreckigen Hurensohn, Mario.“
Goldoni runzelte die Stirn. Aber schnell hellte sich sein Gesicht wieder auf. „Wirklich ein Verrückter“, winkte er schließlich ab. „Wahrscheinlich ein wütender Zeitgenosse, der keine Statistenrolle in einer meiner Inszenierungen bekam. – Gehen wir.“
Sie verließen das noble Appartement. Die rothaarige Schöne hängte sich bei Goldoni ein. Bob Ferguson und Silvio Pirandello schritten vor dem Paar her. Sie fuhren mit dem Aufzug nach unten. Als sie in einem nagelneuen Cadillac die Auffahrt aus der Tiefgarage hinaufrollten, stand an der Ecke zur Hester Street ein Mann in einem verschlissenen Mantel mit einer Kaufhaustüte aus Plastik in der Hand.
Niemand in dem Cadillac beachtete ihn.
Er aber starrte die Insassen des Cadillac durchdringend an.
Der Wagen musste anhalten. Silvio Pirandello wurde auf den heruntergekommenen Burschen aufmerksam.
„Was starrt dieser Penner uns so an?“, entfuhr es ihm.
„Wahrscheinlich träumt er davon, auch in einem solchen Wagen zu fahren“, lachte Mario Goldoni.
Bob Ferguson fuhr an, als es der Verkehr zuließ, bog in die Hester Street ein und gab etwas mehr Gas.
„Mörder“, knirschte der alte Stadtstreicher und verließ den Platz an der Ausfahrt der Tiefgarage.
Er steuerte auf die viereckige Leichtmetallsäule beim Harry Howard Square zu, die seit einiger Zeit das Telefonhäuschen ersetzte, das vorher hier stand, nahm den Hörer ab und warf eine Münze in den Geldschlitz. Dann tippte er eine Nummer, die er von einem zerknitterten und schmutzigen Zettel herunterlas.
Als sich eine rauchige Frauenstimme meldete, sagte er: „Nur zu eurer Orientierung, Leute. Mario Goldoni und seine Bodyguards waren in der Nacht zwei oder drei Minuten nach dem Mord an dem Japaner auf dem Schrottplatz in der fünfundfünfzigsten Avenue. Sie kamen mit zwei Autos. Als sie nur noch die Leiche fanden, verschwanden sie wieder.“
Ehe seine Gesprächspartnerin etwas erwidern konnte, hängte Will Winslow den Hörer ein.
Er war es. Der Mann, der am Morgen den Leichenfund der Polizei meldete und die G-men Trevellian und Tucker beobachtete, als sie den Tatort besichtigten.
Die Gesprächspartnerin war Linda gewesen, die Telefonistin im FBI Field Office New York.
Mario Goldoni, Mord, Japaner, Schrottplatz in der 55. Avenue ...
Es klang in Linda nach. Sie wusste nichts damit anzufangen.
Also rief sie mich an. Ihre sexy Stimme löste ein seltsames Kribbeln zwischen meinen Schulterblättern aus. Linda sagte: „Hello, Jesse. Soeben hat an anonymer Anrufer etwas vom Mord an einem Japaner gefaselt, von einem Schrottplatz in der fünfundfünfzigsten Avenue und von einem Mario Goldoni, der zwei oder drei Minuten nach dem Mord auf dem Schrottplatz mit mehreren Leuten erschienen sein soll.“
Die Mitteilung durchfuhr mich wie ein Stromstoß. Sie riss mir regelrecht von meinem Stuhl in die Höhe.
„Hat er sonst noch was gesprochen?“, fragte ich.
„Nein. Er legte sofort wieder auf.“
„Danke, Linda“, stieß ich hervor.
Ich beendete das Gespräch, wandte mich an Milo und erzählte ihm, was ich soeben vernommen hatte.
Mein Freund und Kollege nagte an seiner Unterlippe. „Goldoni“, murmelte er. „Der Name wird langsam zum Alptraum.“
„Und wie schon im Zusammenhang mit Richie Grinnell macht uns ein anonymer Anrufer auf Goldoni aufmerksam. Da scheint jemand ziemlich intensiv an seinem Stuhl zu sägen.“
„Der Anrufer war niemand anderes als Will Winslow“, gab Milo plötzlich mit Entschiedenheit im Tonfall zu verstehen. Er dachte kurz nach. „Bedeutet das, dass der Japaner den Turbo-Lader-Deal mit Goldoni machen wollte? Wenn ja, dann hat dem guten Mario die lukrative Beute wohl jemand vor der Nase weggeschnappt.“
„Wenn der Alte unseren Freund Goldoni und seine Helfershelfer zwei oder drei Minuten nach dem Mord an dem Japaner auf dem Schrottplatz beobachtet hat, dann hat er mit Sicherheit auch den Mörder gesehen“, gab ich versonnen zu verstehen.
„Aber warum hat er das der Polizei nicht erzählt?“
„Vielleicht hatte er zunächst vor, Kapital aus seinem Wissen zu schlagen. Dann wurde ihm die Sache zu heiß, und er verständigte uns.“
„Das ist gut möglich“, meinte Milo.
„Der zweite anonyme Anrufer, der Negatives über Goldoni zu berichten weiß“, knurrte ich.
„Sicherlich Zufall. Aber auch ein Wink des Schicksals“, meinte Milo sarkastisch. „Über Goldonis Haupt beginnen sich schwarze Gewitterwolken zusammenzuballen ...“
„Wir müssen versuchen, Winslow zu schnappen und ihn auszuquetschen“, erklärte ich.
„Dazu müssten wir wissen, wo sich der alte Knabe herumtreibt“, erwiderte Milo.
„Und das können wir nicht einmal erahnen.“ Ich setzte mich wieder und stützte beide Ellenbogen auf den Schreibtisch. „Eines jedenfalls werden wir uns nicht nehmen lassen, nämlich Mario Goldoni mit unserem Wissen zu konfrontieren. Bin gespannt, wie er reagiert.“
„Stinksauer, nehme ich an.“
Mein Computer gab eine Maschinengewehrsalve von sich. Zeichen dafür, dass eine Email eingegangen war. Ich klickte meinen elektronischen Postkasten her. Die Nachricht kam von Cleary.
Ich öffnete sie und las laut: „Die Kugel, die Saikaku tötete, ist vom Kaliber .300 Winchester Magnum. Keine brauchbaren ballistischen Spuren. Der Tod ist zwischen Mitternacht und zwei Uhr eingetreten. Am VW Golf waren einige Fingerabdrücke festzustellen, allerdings keine registrierten. Die von Saikaku geführten Telefongespräche beschränken sich hauptsächlich auf den Pizzadienst und den Dönerservice. Der Check des Computers ergab keine Hinweise auf irgendwelche Kontakte. Gruß, Harry.“
„Und damit sollen wir einen Täter finden?“, murrte Milo.
Ich druckte die Nachricht aus. Dann suchte ich mir die Telefonnummer Mario Goldonis her. Als ich die Nummer gewählt hatte, meldete sich nur der automatische Anrufbeantworter. Die Tonbandstimme erklärte mir, dass Goldoni nicht zu Hause sei und ich nach dem Pfeifton eine Nachricht hinterlassen könne.
Ich sagte nichts, als besagter Ton erklang, sondern klatschte den Hörer auf den Apparat.
„Was hat es überhaupt mit diesem Turbo-Lader auf sich?“, fragte Milo. „Sicher, im Augenblick noch eine angeblich bahnbrechende Entwicklung. Früher oder später aber wird er im freien Handel erhältlich sein. Und jeder Automobilhersteller wird Zugriff drauf haben. Was ist daran so Besonderes, dass man einen Mord dafür begeht?“
„Ich denke, es geht um das Patent“, gab ich zurück. „Soviel ich weiß, arbeitet man daran, die gebräuchliche Gleitlagerung bei den Turbo-Ladern durch Kugel- und Luftlagerung zu ersetzen. Es sind aber auch schon Bestrebungen im Gange, Turbo-Lader in Verbindung mit Brennstoffzellen herzustellen. Aber frag mich nicht näher zu diesem Thema. Turbo-Lader sind im Endeffekt auch für mich spanische Dörfer. Wahrscheinlich hat Toyota ein System entwickelt, das kostengünstig und umweltfreundlich ist und präzise arbeitet – das einfach um einiges effizienter ist als die bisherigen Systeme.“
„Man merkt, dass du Sportwagenfahrer bist“, grinste Milo lahm. „Wer sonst außer eurer Spezies interessiert sich für Turbo-Lader?“
„Nun, ein gewisses Maß an Allgemeinbildung sollten auch Fußgänger besitzen“, versetzte ich.
Milo seufzte. „Was jetzt?“
„Feierabend“, grinste ich. „Geben wir uns den wahren Freuden des Lebens hin. Und morgen treten wir bei Mario Goldoni an. Er wird nicht umhin können, uns zu erklären, was er um Mitternacht oder kurz danach auf dem Schrottplatz in Queens zu suchen hatte.“
„Was sind für dich die wahren Freuden des Lebens?“
„Essen, trinken, fernsehen, schlafen.“
„Du bist aber genügsam geworden. Früher waren deine Elixiere Wein, Weib und Gesang.“
„Ha, ha“, machte ich gutgelaunt, weil endlich wieder mal ein paar Stunden Freizeit winkten.
Da schellte mein Telefon. Ich merkte selbst, wie mein Grinsen einfror. Fast zögerlich griff ich nach dem Hörer.
Der Anrufer sagte: „Heute steht Richie Grinnell vor dem Moulin Rouge in der Upper Eastside. Solltet ihr diesmal wieder versagen, dürfte das so etwas wie das Todesurteil für Richie sein. Baxter und Goldoni können sich keinen Streetworker leisten, hinter dem ihr Feds her seid.“
Es knackte in der Leitung. Sie war tot.
„Nix Wein, Weib und Gesang“, knurrte ich mürrisch. „Auf uns wartet Richie Grinnell vor dem Moulin Rouge in der Upper Eastside.“
„Dann sollten wir den schwarzen Boy nicht vergeblich warten lassen, Partner“, stieß Milo entschlossen hervor.
„Du trauerst dem verlorenen Feierabend nicht nach?“, fragte ich verdutzt.
„Richie hat meinen persönlichen Stolz angekratzt, als er uns vor dem Petite Fleur entfleuchte. Und da ich in diesen Dingen sehr nachtragend bin, muss er heute büßen.“
Das meinte Milo natürlich scherzhaft – wenn auch ein gewisser Ernst und der unumstößliche Entschluss, die Scharte vom letzten Mal auszuwetzen, in seinen Worten steckten.
Das „Moulin Rouge“ war ein ähnlicher Schuppen wie das „Petite Fleur“. Diesmal hatten wir uns nicht verkleidet. Wir waren bis gegen 22 Uhr im Federal Building geblieben und hatten Schreibtischkram erledigt, dann waren wir zu der Kneipe gefahren.
Wir stellten natürlich Vermutungen an, wer uns zum zweiten Mal den Dealer präsentiert hatte. Die Antwort darauf mussten wir uns allerdings schuldig bleiben.
Vor allen Dingen Will Winslow, der Stadtstreicher, kam für uns als Anrufer nicht in Frage. Wir kannten zwar einige Namen aus dem Dunstkreis Mario Goldonis, und jeder von ihnen konnte es sein, der an seine Stelle treten wollte. Genauso gut aber konnte jeder von ihnen im Fahrwasser Mario Goldonis auffliegen. Wenn also einer seinem Boss in den Rücken fallen wollte, indem er uns auf ihn hetzte, dann spielte er mit dem Feuer ...
Richie Grinnell erschien kurz vor Mitternacht.
Ich war im Wagen sitzen geblieben, den ich ein wenig abseits geparkt hatte, jedoch so, dass ich die Fassade des „Moulin Rouge“ im Auge behalten konnte.
Milo hatte sich wieder irgendwo zwischen den Häusern unsichtbar gemacht.
Richie stand keine zehn Minuten, als zwei Kerle die Straße heraufkamen und sich zu ihm gesellten. Hier gab es keine Hofeinfahrt. Also entfernten sich die drei etwas von der Nachtbar, um nicht voll im Licht zu stehen.
Richie griff in die Tasche seines Parkas ...
„All right, Milo“, sprach ich in das Walkie-Talkie. „Schnappen wir ihn uns.“
Ich stieg aus dem Sportwagen. Wie jemand, der alle Zeit der Welt hatte, schlenderte ich ein Stück auf dem Gehsteig entlang. Die Bar befand sich auf der anderen Straßenseite. Als ich auf einer Höhe mit den drei Kerlen war, löste sich Milos Gestalt ein Stück von mir entfernt aus dem Schatten einer Haustürnische. Milo überquerte die Straße und näherte sich dem Dealer und seinen Kunden von hinten.
„FBI!“, hörte ich Milo rufen. „Bleib jetzt bloß still stehen, Richie. Und ihr zwei Figuren auch.“
Richie riss einem der anderen Kerle etwas aus der Hand. Wahrscheinlich war es das Geld für die Drogen, das ihm dieser hin hielt, und mit dem nächsten Atemzug machte er die Flitze.
Er rannte den Gehsteig hinunter, also weg von Milo.
Ich hetzte über die Straße, um ihm den Weg abzuschneiden.
Richie sah mich und schlug einen Haken, rannte auf die Straßenseite, von der ich kam, flankte über das Heck eines geparkten Wagens und wandte sich auf dem Gehsteig nach rechts.
Aber ich hatte früh genug die Bremse gezogen und kehrt gemacht. Mit einem Satz war ich auf der Kühlerhaube eines Ford. Mit ausgebreiteten Armen warf ich mich auf den Dealer, der dieses Mal nicht rechtzeitig schaltete.
Wir gingen beide zu Boden. Und wir kamen fast gleichzeitig wieder hoch. Meine Hände schossen vor und packten Richie bei der Jacke. Ich zerrte ihn dicht an mich heran. „Es ist aus, Richie!“, herrschte ich ihn an. „Wenn du jetzt nicht Vernunft annimmst, dann ...“
„Schon gut, schon gut“, keuchte er. „Ich will nicht ...“
Es war eine niederträchtige Finte. Richie riss das Knie in die Höhe, um es mir in den Leib zu rammen. Doch ich nahm seine Bewegung im Ansatz wahr und stieß ihn zurück. Sein Kniestoß ging ins Leere.
Ich schlug ihm mit dem Fuß das andere Bein vom Boden weg. Einen Moment hing Richie mit allen Vieren zappelnd in der Luft, dann krachte er auf den steinharten Gehsteigbelag. Er japste nach Luft, röchelte und schaute mit herausquellenden Augen zu mir in die Höhe.
Ich packte ihn vorne an der Jacke, zog seinen Oberkörper hoch und versetzte ihm einen satten Schlag auf den Rücken. Das machte seine Atemwege frei. Er hustete beängstigend. Dann begann er keuchend zu fluchen.
Ich hatte schon seine Arme auf den Rücken gezerrt. Die Handschellen klickten. „Hoch mit dir, mein Freund“, knurrte ich mitleidlos und zerrte ihn auf die Beine.
Richie Grinnell stand zähneknirschend da. Ich langte in die Taschen seines Parka und förderte nach und nach einige kleine Beutel mit Crack zutage. Auch die Geldscheine, die er lose in der Hosentasche stecken hatte, nahm ich ihm ab.
Er ließ es über sich ergehen. Aber wenn die Blicke des Schwarzen Messerklingen gewesen wären, dann hätte er mir ansatzlos die Kehle durchgeschnitten.
Ich schaute in Milos Richtung.
Die beiden Kerle, um die er sich kümmerte, schienen keine Probleme zu bereiten.
„Schwing die Hufe, Richie“, sagte ich und versetzte dem Dealer einen sanften Stoß in den Rücken.
Er ging mit gesenktem Kopf vor mir her.
„Diesmal warst du wohl nicht schnell genug, Richie“, empfing uns Milo. Er schenkte dem Dealer ein triumphierendes Grinsen. Dann wandte er sich an mich. „Die beiden sind Endverbraucher, Jesse. Ich habe ihre Ausweise. Ich denke, wir benötigen die Kerle im Moment nicht.“
Die beiden standen da wie begossene Pudel.
„Ihr könnt verschwinden“, erklärte ich und fixierte sie abwechselnd. „Aber haltet euch zur Verfügung. Wir werden euch als Zeugen benötigen. Falls ihr unter der uns angegebenen Anschrift nicht mehr auffindbar seid, werdet ihr sehr schnell auf der Fahndungsliste stehen. Also überlegt es euch, ob es sich lohnt, sich dünn zu machen.“
„Wir werden zur Verfügung stehen“, murmelte der eine von ihnen, dann trotteten sie zerknirscht von dannen.
Wir quetschten Richie Grinnell auf den Rücksitz des Wagen, dann chauffierte ich ihn zum City Prison. Dort gaben wir ihn ab. Das beschlagnahmte Rauschgift und das Geld, das ich Richie Grinnell abgenommen hatte, fuhren wir zur Einsatzbereitschaft des Narcotic Squad und ließen uns die Übernahme bestätigen.
Dann brachte ich Milo nach Hause, wünschte ihm angenehme Ruhe, und fuhr schließlich weiter zu meiner Wohnung.
Es war Mitternacht vorbei, als Mario Goldoni und Jennifer O'Hara die Wohnung in der Hester Street betraten.
„Wie war ich, Darling?“, fragte die rothaarige Schönheit und ließ sich von Mario aus dem leichten Mantel helfen.
„Spitze, Sugar, du warst einsame Spitze. Nur an deiner Stimme müssen wir noch ein wenig arbeiten.“ Goldoni hängte den Mantel an die Garderobe, zog seinen Trenchcoat aus, hängte ihn ebenfalls an den Haken, ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Weit streckte er die Beine von sich. „Schenk uns mal ‘nen Drink ein, Sugar. Einen großen.“
„Was ist mit meiner Stimme?“
„Sie ist – hm, ich will mal sagen, einige Töne zu schrill. Du musst versuchen, sie ...“
„Du bist nicht zufrieden mit mir. Ich habe dich mit dem Regisseur flüstern sehen. Das war während des langen Monologs im dritten Akt. Was gefällt dir nicht? Sag es mir.“
Goldoni verdrehte die Augen. „Ich sagte ihm, dass du ‘ne Wucht bist in der Rolle der Agatha. Vielleicht aber sollten wir ...“
Da dudelte das Telefon.
Mario Goldoni schien dankbar zu sein, das Gespräch mit Jennifer unterbrechen zu dürfen. Schnell nahm er den Hörer ab. „Goldoni.“
„Sind Sie‘s diesmal selbst, Goldoni, oder ist wieder einer Ihrer Halbaffen am Apparat?“
Hart traten Goldonis Backenknochen hervor, als er die Zähne zusammenpresste. Dann schnappte er: „Ich bin es selbst. Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?“
„Ich hab dem FBI gesteckt, dass Sie kurz nach dem Mord an dem Japaner mit Ihrer Leibgarde auf dem Schrottplatz in Elmhurst erschienen sind. Ich schätze mal, dass Sie morgen wenig erfreulichen Besuch erhalten, Goldoni.“
Goldoni hatte die Gesichtsfarbe gewechselt. Er sah plötzlich krankhaft bleich aus. „Wer sind sie?“, würgte er hervor. „Und warum haben Sie das FBI informiert?“
„Sie wollten ja nicht mit mir reden, als ich Sie heute Nachmittag anrief. Ich war sauer.“
„Sie wollten Geld, nicht wahr?“
Jennifer O'Hara beobachtete ihren Lover, der ihr eine kometenhafte Karriere als Musical- und Theaterstar verheißen hatte, aufmerksam.
Er winkte gebieterisch. Und als sie nicht sogleich reagierte, legte er die flache Hand auf die Sprechmuschel und zischte: „Verschwinde!“
Sie warf den Kopf in den Nacken und verzog sich schmollend in einen angrenzenden Raum.
„Also, Mister, raus mit der Sprache“, tönte Goldoni, als Jennifer die Tür hinter sich zugezogen hatte. Er achtete nicht darauf, dass das Schloss nicht schnappte. „Was wollen Sie?“
„Ich hab auch den Mörder gesehen“, sagte Will Winslow am anderen Ende. „Sie haben doch sicher Interesse an ihm.“
„Wie kommen Sie darauf? Woher kennen Sie mich überhaupt? Wie können Sie sagen, dass Sie mich auf dem Schrottplatz gesehen haben? Sie ...“
„Ich habe auch Pirandello gesehen. Am Steuer Ihres Fahrzeuges saß Bob Ferguson. Im anderen Fahrzeug glaube ich Walter Mossman gesehen zu haben. Sie kamen mit einem Chevy älterer Bauart. Wahrscheinlich Fergusons Kiste. Das andere Auto war ein Ford.“
„Verdammt! Wer sind Sie?“
„Das tut nichts zur Sache, Goldoni. Okay. Ich kann das FBI noch einmal anrufen und erklären, dass ich mir heute einen Witz erlaubt habe. Ihnen wird es doch nicht schwer fallen, den Agenten mit einem hieb- und stichfesten Alibi aufzuwarten. Und schon sind Sie aus dem Schneider. Es wird ganz an Ihnen liegen.“
„Was hatten Sie auf dem Schrottplatz zu suchen?“, schnappte Goldoni, um überhaupt etwas zu sagen. Plötzlich begriff er. „O verdammt!“ Mario Goldoni ging ein ganzer Kronleuchter auf. „Sie sind der grauhaarige Penner, der heute Nachmittag an der Auffahrt der Tiefgarage stand und uns anstarrte.“
Winslow ging nicht auf diese Frage ein. „Das kostet natürlich ein paar Dollar, Goldoni, wenn ich das FBI noch einmal anrufe. Und wenn Sie möchten, dass ich Ihnen den Mörder des Japaners präsentiere, dann müssen Sie noch was drauflegen. Was halten Sie von zunächst mal zehntausend Bucks?“
Irgendwie wollte Goldoni ihm nicht in den Kopf, dass der alte Penner, dessen Aussehen er nur noch vage in Erinnerung hatte, über derart gute Insiderkenntnisse verfügte. „Kennen Sie den Mörder etwa?“
„Kennen – nein. Aber ich habe mir die Zulassungsnummer seines Wagens notiert. Ein Anruf bei der Zulassungsstelle genügte, um zu erfahren, wie er heißt.“
„Wir müssen miteinander reden. Zehntausend Dollar sind in Ordnung. Werde ich dann Ruhe haben vor Ihnen?“
Darauf erhielt Goldoni keine Antwort. Als sein Gesprächspartner erneut anhob, klang seine Stimme hart und abgehackt.
„Kommen Sie morgen um Mitternacht zur Fire Boat Station, Greenwich Village, Pier dreiundfünfzig. Aber alleine, Goldoni. Und vergessen Sie das Geld nicht. Am besten, Sie beschaffen es in kleinen Scheinen.“
„Geht in Ordnung. Morgen um Mitternacht auf Pier dreiundfünfzig.“
„Was hatten Sie eigentlich mit dem Super Turbo-Lader vor, Goldoni? Wollten Sie selbst das weltweite Patent darauf anmelden? Oder wollten Sie es an einen der namhaften Automobilhersteller oben in Detroit verhökern?“
„Ich hätte ihn Toyota zurückgegeben“, knurrte Goldoni.
„Aber doch nicht umsonst, wie ich Sie kenne. Sie hätten doch kräftig abgesahnt, nicht wahr?“
Darauf ging Goldoni nicht ein. „Also morgen Nacht, am Pier dreiundfünfzig. Ich komme alleine und bringe das Geld mit. Sie werden doch auch alleine sein?“
„Sicher.“
„Und vergessen Sie nicht, das FBI anzurufen.“
„Ganz gewiss nicht, Goldoni.“ Der Sprecher betonte diese vier Wörter auf besondere Art. „Und nun gesegnete Nachtruhe. – Heh, Goldoni, was ich noch sagen wollte: Aus der rothaarigen Schönen wird sicher eine hervorragende Schauspielerin. Sie hat das Zeug zum Weltstar.“
„Zum Satan mit Ihnen, Mister! Woher sind Sie so gut informiert? Sie sind doch kein Penner. Was soll diese Maskerade?“
„Ach ja, noch etwas, Goldoni, ehe ich‘s vergesse. Den Bimbo, den Baxter heute zum Moulin Rouge schickte, damit er Ihre Drogen verkauft, hat das FBI hops genommen. Es war ein Fehler, ihn nicht aus dem Verkehr zu ziehen, nachdem er schon beim Petite Fleur unangenehm auffiel. Wenn ihn die Feds gehörig weichklopfen, wird er seinen Lieferanten verraten. Und Toby Baxter nennt den Bullen sicherlich Ihren Namen. Ich glaube, Goldoni, die Schlinge um Ihren Hals zieht sich mehr und mehr zusammen.“
„Wer sind Sie?“, keuchte Goldoni regelrecht verzweifelt in den Hörer. Er war wie vor den Kopf geschlagen.
Der andere legte auf.
Hinter der Stirn des Mafiosos rotierten die Gedanken. Sie jagten sich geradezu. Er ließ die Hand mit dem Hörer sinken. Welche Laus hatte sich ihm in den Pelz gesetzt? Dieser Kerl in seinem verschlissenen Mantel und der Baseballmütze auf den grauen, strähnigen Haaren wusste über Dinge Bescheid, die nur jemand aus seinem, Goldonis, unmittelbaren Dunstkreis kennen konnte.
Will man mich fertig machen?, fragte er sich. Will sich jemand in meine Geschäfte drängen? Hast du einen Verräter unter deinen Leuten? O verdammt! Ich drehe durch.
Sein Gesicht hatte sich finster verkniffen.
„Bist du fertig? Kann ich wieder in den Livingroom kommen?“, erklang Jennifers Organ.
Sie wartete keine Antwort ab, sondern setzte sich in einen Sessel. „Wer hat angerufen?“, kam es über ihre Lippen.
Er fauchte: „Das geht dich einen Dreck an. Jetzt verschwinde ins Bett. Ich muss nachdenken und einige Gespräche führen. Verzieh dich, Honey. Du gehst mir nämlich ausgesprochen auf die Nerven.“
Jennifer O'Hara erhob sich abrupt. Ihre Züge muteten an wie versteinert. Sie ging ins Schlafzimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Goldoni legte jetzt erst den Hörer auf den Apparat. Sogleich aber nahm er ihn wieder und tippte eine Nummer. „Silvio“, stieß er dann hervor, „es gibt Probleme. Gewaltige Probleme!“
Als wir am nächsten Tag, die Mitte des Vormittags war längst überschritten, an Mario Goldonis Wohnungstür läuteten, dauerte es ziemlich lange, bis uns geöffnet wurde.
Es war eine rothaarige Lady, von deren Gesicht wir nur die Hälfte sehen konnten, denn die andere Hälfte war vom Türblatt verdeckt.
Sie musterte uns prüfend, kritisch und vielleicht auch ein wenig ärgerlich.
Ich wünschte ihr einen guten Morgen, allerdings wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht ohne einen spöttisch angehauchten Unterton, dann stellte ich uns vor. „Special Agent Trevellian, FBI.“ Ich wies auf Milo und nannte dessen Dienstgrad und Namen.
„Und was kann ich für Sie tun, Gentleman?“, fragte sie leicht gereizt.
„Wir möchten mit Mr. Goldoni sprechen.“
„Er schläft noch. Kommen Sie in zwei oder drei Stunden wieder.“
„Nein“, erwiderte ich. „Wir werden nicht wiederkommen. Wir lassen eine förmliche Vorladung für Mr. Goldoni bei Ihnen zurück. Bestellen Sie ihm, dass er um fünfzehn Uhr im Federal Building zu erscheinen hat. Unser Büro hat die Zimmernummer ...“
„Nun lass die Gentleman schon herein, Jenny!“, erklang es in der Wohnung. „Es kann ja nichts Weltbewegendes sein, das das FBI veranlasst, mir zwei seiner Agenten zu schicken. Ich bin ein seriöser Geschäftsmann und zahle pünktlich meine Steuern.“
„Woher weiß er denn, dass wir zu zweit sind?“, fragte Milo. „Hat er Röntgenaugen? Kann er durch die Tür schau‘n?“
„Ihr Kollege nannte zwei Namen“, versetzte die Rothaarige spitz.
„Also schläft Goldoni gar nicht“, stellte Milo fest. „Sie haben uns abzuwimmeln versucht.“
Die Lady starrte meinen Freund und Partner einen Augenblick lang feindselig an, dann hakte sie die Sicherungskette aus und zog die Tür auf.
Wir standen in einem teuer, um nicht zu sagen luxuriös eingerichteten Wohnraum. An der Wand hingen keine Kunstdrucke, sondern Originale. Die Teppiche waren keine Serienproduktion, sondern echte Orientalen, und was sonst noch herumstand, war vom Feinsten. Handverlesen, möchte ich sagen ...
Die Lady trug ein dünnes Nachthemd mit einem tief ausgeschnittenen Dekolleté – ein hauchdünnes Etwas, das mich schlucken ließ. Die Konturen ihres Körpers, die sich darunter abzeichneten, waren atemberaubend.
Ich schaute Milo an und mir entging nicht, dass sich dessen Blick nach innen gekehrt zu haben schien.
Aber dann wurden wir abgelenkt, denn von einer der Türen her erklang die Stimme Goldonis. „Was führt Sie zu mir, Agents?“
Er stand im Türrahmen, lässig mit der Schulter gegen einen der Türstöcke gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, ein hämisches Grinsen um die Lippen. Goldoni trug einen Bademantel. Unten schauten seine nackten Waden hervor. Seine Füße steckten in braunen Pantoffeln.
Die graziös gewachsene Rothaarige verschwand in einem anderen Raum. Es war was Badezimmer, denn schon Sekunden später hörte ich, wie die Dusche rauschte.
„Wir erhielten gestern einen Anruf, Goldoni“, begann ich. „Danach wurden Sie kurz nach dem Mord an einem Japaner auf dem Autofriedhof in Elmhurst gesehen.“
Goldoni löste die Arme aus der Verschränkung, tippte sich mit dem Daumen gegen die Brust und dehnte: „Ich! Auf einem Autofriedhof? Nach dem Mord an einem Japaner?“ Er lachte geringschätzig auf. „Also, bitte, Gentleman. Was hätte ich wohl auf einem Autofriedhof zu suchen? Wenn ich ein Auto brauche, dann ...“
Milo schnitt ihm das Wort ab. „Es geht nicht um ein Auto, Goldoni. Haben Sie nicht zugehört? Es geht um den Mord an dem Japaner, mit dem Sie eine Verabredung auf dem Schrottplatz hatten. Kawabata Saikaku ist sein Name. In New York lebte er unter dem Namen Mishima Kenzaburo. Er hat seinem Arbeitgeber in Japan etwas gestohlen, was die Autoindustrie möglicherweise revolutioniert und das er Ihnen verkaufen wollte.“
„Ich bin Produzent von Musicals und Theaterstücken, vielleicht mache ich irgendwann mal sogar einen Film. Was interessiert mich die Autoindustrie, außer dass sie mir von Zeit zu Zeit einen neuen Wagen liefert.“
„Der Japaner wurde erschossen“, gab ich zu verstehen. „Zwei Minuten danach erschienen Sie und Ihre Leibgarde mit zwei Fahrzeugen. Sie wurden deutlich erkannt, Goldoni. Also raus mit der Sprache. Erzählen Sie uns von Ihrer Geschäftsverbindung mit dem Japaner.“
Goldoni überkreuzte seine Arme wieder vor der Brust. In seinem glatten Gesicht zuckte kein Muskel. Er gab sich ganz wie ein Mann, den nichts zu erschüttern vermochte. „Da will mir sicher jemand eins auswischen, G-men. Tja, wahrscheinlich irgendein missgünstiger Zeitgenosse. Oder einer“, Goldoni lachte belustigt auf, „dem ich die Freundin ausgespannt habe. Und Sie sind drauf reingefallen, Special Agents. Stellen Sie mich dem Anrufer gegenüber. Ich möchte doch sehen, ob er dann immer noch behauptet, dass ich in der Nacht auf dem Autofriedhof war.“
Milo schnaubte durch die Nase. „Woher wissen Sie denn, dass es in der Nacht war, Goldoni?“, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Goldoni spitzte die Unterlippe. „Ich schaue Nachrichten. Und es gab wohl keinen Sender, der nicht von dem Mord auf dem Autofriedhof berichtete. Schließlich war der Japaner nicht irgendwer, sondern ein mit internationalem Haftbefehl gesuchter Ganove.“
Der Italiener grinste herablassend. Seine linke Braue hatte sich gehoben. Er strotzte vor Arroganz.
Sein niederträchtiges Grinsen brachte mein Blut in Wallung. Dieser Bursche hatte wahrscheinlich mehr Dreck am Stecken, als wir erahnen konnten, und gab sich dermaßen überheblich, dass er schon fast wie ein Brechmittel auf mich wirkte.
Ich mahnte mich zur Ruhe. „Ich denke, Goldoni“, knurrte ich, „Sie haben einen Feind. Sie waren auf dem Autofriedhof, weil Sie mit Saikaku einen Deal vereinbart hatten. Möglicherweise wurde Saikaku erschossen, um Sie in eine Zwickmühle zu manövrieren. Ihr Feind – wenn ich so sagen darf – weiß über jeden Ihrer Schritte genauestens Bescheid. Also war er an Ort und Stelle, als der Deal über die Bühne gehen sollte, und gestern rief er beim FBI an, um Sie in die Pfanne zu hau‘n.“
„Sie sagen es selbst, Special Agent. Jemand will mir eins auswischen.“
„Das Dumme dabei ist nur, dass Sie auf dem Schrottplatz waren, Goldoni. Das wirft Fragen auf.“
„Sie sagen das im Brustton der festen Überzeugung, G-man. Einen Haken hat Ihre Behauptung allerdings. Sie können mir nichts beweisen – gar nichts. Sie verlassen sich auf die Behauptung eines anonymen Anrufers. Ist das nicht sehr vage?“
„Was sagt Ihnen der Name Will Winslow?“, fragte ich.
„Nichts. Sollte ich diesen Namen kennen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Es wird sich herausstellen, Goldoni. Na schön. Eigentlich war es uns von vornherein klar, dass Sie alles abstreiten. Wir sind trotzdem zu Ihnen gefahren, damit Sie wissen, dass wir an der Sache arbeiten und wir den Anruf nicht einfach so abtun. Der Anruf war das erste Teil zu dem Puzzle, das wir nach und nach zusammenfügen werden. Und wenn es komplett ist, Goldoni, dann stehen wir wieder vor Ihrer Tür.“