Stress, Streit, Gefühlschaos - Simone Stojan - E-Book

Stress, Streit, Gefühlschaos E-Book

Simone Stojan

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Beschreibung

»Gefühle sind wie Songs, die im Hintergrund mitlaufen. Du kannst lernen, ihnen zuzuhören, sie lauter oder leiser zu stellen.« Intensive Gefühle zu haben ist normal. Auch wenn es oft nicht einfach ist zu sagen, um welche Gefühle es dabei genau geht. Gefühle können sich auf die unterschiedlichste Weise zeigen! Sie können manchmal überwältigen oder sind nur schwer zu kontrollieren. Wenn Gefühle aber kaum mehr zu ertragen sind oder sie sogar zu Selbstverletzungen oder Suizidgedanken führen, dann ist Hilfe gefragt! Dieses Buch informiert Jugendliche, junge Erwachsene und all jene, die mit ihnen zu tun haben, über Emotionen und dient als Wegbeleiter für eine (zukünftige) Therapie. Man kann lernen, mit seinen Gefühlen umzugehen! Die Autorinnen geben dafür konkrete Möglichkeiten an die Hand, um Gefühle besser kennenzulernen, Emotionen besser zu regulieren und Bedürfnisse angemessen auszudrücken.

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Seitenzahl: 187

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Wissen, was man fühlt

»Gefühle sind wie Songs, die im Hintergrund mitlaufen. Du kannst lernen, ihnen zuzuhören, sie lauter oder leiser zu stellen. Abstellen auf Dauer ist nicht sinnvoll und auch selten möglich. Manchmal drücken wir Gefühle weg, dass sie fast verstummen, aber eigentlich sind sie Begleiter und Wegweiser, die uns aufgrund der aktuellen Situation zu bestimmten Dingen raten. […] Diese zu kennen ist deshalb wichtig, weil nicht alle Menschen immer in der Lage sind zu erkennen, welches Gefühl sie gerade haben. Es ist dann ein bisschen wie ein Song in einer fremden Sprache. Ich höre ihn, aber ich verstehe nicht, was los ist.«

STRESS, STREIT,GEFÜHLSCHAOS

EIN RATGEBER FÜR JUNGE MENSCHEN MIT STARKEN EMOTIONEN

SIMONE STOJAN NARONA THORDSEN

BALANCE RATGEBER

Simone Stojan, Narona Thordsen

Stress, Streit, Gefühlschaos

Ein Ratgeber für junge Menschen mit starken Emotionen

ISBN: 978-3-86739-254-9

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86739-257-0

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-86739-258-7

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© BALANCE buch + medien verlag, Köln 2022

Der BALANCE buch + medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.

Lektorat: Silke Reutler, Köln

Umschlagkonzeption und -gestaltung: GRAFIKSCHMITZ, Köln, unter Verwendung eines Bildes von Addictive Stock / photocase.de

Typografiekonzeption, Satz und Grafiken: Alexander Klar, Wettringen

Illustrationen: Rosa Linke, Weimar

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

INHALT

EIN PAAR WORTE VORAB

EMOTIONEN UND GEFÜHLSCHAOS

DU UND DEINE EMOTIONEN

Ablenken statt Lernen

Einbrecher!

Das gönn ich dir nicht! Oder doch?

EMOTIONEN

Warum wir Emotionen haben

Was genau ist eine Emotion?

MIT EMOTIONEN UMGEHEN KÖNNEN

Probleme im Umgang mit Gefühlschaos

Die Emotionsregulationsstörung und ihre Begleiter

Was ist noch normal, was nicht?

DEN UMGANG MIT GEFÜHLEN LERNEN

EIN PAAR WORTE ZU DEN GRUNDANNAHMEN

DIE GRUNDGEFÜHLE

Freude

Wut

Angst

Trauer

Ekel

Liebe

Scham

Schuld

HÄUFIGE MISCHGEFÜHLE

Eifersucht

Einsamkeit

Hilflosigkeit und Ohnmacht

GEFÜHLE AUSHALTEN, LEISER ODER LAUTER STELLEN

Gefühle erkennen

Der richtige Umgang mit dem Wegweiser

Gefühle leiser stellen

Gefühle lauter stellen

Gefühle aushalten

Was zusätzlich helfen kann

Umgang mit Anspannung

NOCH MAL DAS WICHTIGSTE

WIE SICH FAMILIEN, ANGEHÖRIGE UND JUGENDLICHE UNTERSTÜTZEN KÖNNEN

PROBLEME VERSTEHEN UND EINORDNEN

ES KNALLT

Regeln

Unabhängigkeit

Typisch Pubertät oder Problemverhalten?

Miteinander klarkommen

Im Gespräch bleiben

Pause machen

AUF SICH SELBST ACHTEN

Eine Auszeit nehmen

Positive Gefühle sammeln

Achtsamkeit

UMGANG MIT STARKER EMOTIONALER INSTABILITÄT UND SYMPTOMEN

Akzeptanz

Veränderung

Nicht mehr in Watte packen

Schuld und Wut

NOCH MAL DAS WICHTIGSTE

HÄUFIGE FRAGEN ZUR EMOTIONSREGULATIONSSTÖRUNG

FRAGEN VON JUGENDLICHEN

FRAGEN VON ELTERN UND ANGEHÖRIGEN

HILFE SUCHEN UND FINDEN

HILFE SUCHEN

UNTERSTÜTZUNGSMÖGLICHKEITEN

PSYCHOTHERAPIE UND WEITERFÜHRENDE BEHANDLUNGSANGEBOTE

EIN PAAR INFOS ZU MEDIKAMENTEN

HILFE IN KRISEN

EIN PAAR WORTE ZUM SCHLUSS

LITERATUR

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

VERWENDETE LITERATUR

DOWNLOAD-MATERIALIEN

Im Text werden einige Arbeitsblätter erwähnt, die du dir im Internet herunterladen kannst: https://balance-verlag.de/product/stress-streit-gefuehlschaos/

Den Code findest du auf Seite 32.

Arbeitsblatt 1: Impulsives Verhalten

Arbeitsblatt 2: Basisemotionen erkennen

Arbeitsblatt 3: Dem Handlungsimpuls folgen oder nicht?

Arbeitsblatt 4: Basisemotionen leiser stellen

Arbeitsblatt 5: Basisemotionen lauter stellen

Arbeitsblatt 6: Was ist noch normal und was nicht?

Arbeitsblatt 7: Hilfe bei hoher Anspannung – einfache Dinge tun!

EIN PAAR WORTE VORAB

ETWAS ZU FÜHLEN von Trine

Etwas zu fühlen ist menschlich. Doch was für ein Mensch bin dann bloß ich? Wenn ich mal fühle, ist es, als hätte irgendjemand in mir einen Schalter umgelegt. Eben war ich noch euphorisch und nun total depressiv. Ansonsten fühle ich mich leer und leider nicht neutral. Ist das etwa normal?

Bei mir ist es Dauerzustand. Anders habe ich es nie gekannt. Dabei strengt es so unglaublich an. Ich fühle etwas und werde dabei innerlich zerrissen. Am schlimmsten ist es, zu vermissen. Einfacher wäre es, nichts zu fühlen, doch dann würde man sich selbst betrügen. Dabei wäre es einfacher, sich anzulügen, als diesen schlimmen Emotionen nachzugeben. Was ist das für ein Leben?

Außenstehende verstehen es nicht. Die denken, ich sei nicht ganz dicht. Es ist für mich selbst doch unerklärlich und absolut anstrengend und nervig. Ständig sorgt es für Verwirrung durch die sich rasch ändernde Stimmung. Für mich ist das die reinste Zumutung. Eine komplette Reizüberflutung.

Dies Buch ist für alle, die Gefühle haben – so starke Gefühle, dass sie diese wie Trine kaum aushalten können. Es ist ein Buch für all diejenigen, die unter ihren Gefühlen leiden und mit ihnen oft so überfordert sind, dass sie sich selbst oder anderen schaden.

Gefühle machen unser Leben bunt und aufregend, aber manchmal auch sehr anstrengend oder sogar beängstigend. Wir alle haben sie, wir alle sind von ihnen manchmal einfach nur überwältigt, können sie nicht einordnen, nicht kontrollieren, wissen nicht, wie wir mit ihnen umgehen sollen, und wollen sie am liebsten einfach nur loswerden. Aber so einfach ist das eben nicht. Woher kommen Gefühle eigentlich, wofür brauchen wir sie und was können wir tun, wenn sie zum Problem werden?

Gefühle oder Emotionen, wie wir sie auch nennen, sind grundsätzlich etwas ganz Normales. Wenn sie allerdings so stark sind, dass wir sie als Bedrohung empfinden, wird es schwierig. Doch ganz gleich, wie sie sich zeigen und wie stark sie sind – wir können üben, mit ihnen umzugehen. Sie anzuschauen, sich ihnen zu stellen, kann sehr anstrengend und schmerzhaft sein, aber auf jeden Fall eine Chance, sich von ihnen nicht mitreißen zu lassen. Es kann sein, dass wir uns möglichst wenig mit unseren Gefühlen beschäftigen wollen, sie lästig, unangenehm oder sogar beängstigend finden. Manchmal scheinen unsere Gefühle im falschen Moment zu kommen oder so stark zu werden, dass wir die Kontrolle verlieren. Unsere Emotionen können sich unerträglich oder auch großartig anfühlen. Genauso kann es sein, dass wir manchmal gar nichts mehr fühlen. Und in all diesem Gefühlschaos können sich ernsthafte Probleme entwickeln, wenn wir nicht gelernt haben, unsere Gefühle zu erkennen, zuzulassen und dann mit ihnen umzugehen und sie zu zeigen. Wenn wir es lernen, unsere Gefühle angemessen zu regulieren, beugt das der Entwicklung von psychischen Problemen vor.

Dadurch, dass du dieses Buch in die Hand genommen hast, bist du schon einen ersten Schritt im Umgang mit deinen Gefühlen gegangen. Du bist offen dafür, deine Gefühle kennenzulernen und dich mit ihnen auseinanderzusetzen.

In diesem Buch erklären wir, wie es zu starken und schmerzhaften Gefühlen kommt und welche schwerwiegenden Probleme entstehen können – zum Beispiel in der Familie oder mit Freundinnen und Freunden. Wir zeigen auf, welche Möglichkeiten wir haben, mit unseren Gefühlen umzugehen, und wir machen konkrete Lösungsvorschläge für schwierige Situationen. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema starke Gefühle und damit verknüpfte Symptomatik, denen wir in unserem klinischen Alltag bei der Arbeit mit Jugendlichen und ihren Familien oft begegnen. Dabei wenden wir uns gegen Ende des Buches auch einmal direkt an deine Eltern und Freunde, damit auch sie sich diesem Thema stellen und dich auf deinem Weg besser unterstützen können.

Das Buch ist in verschiedene Bereiche gegliedert. In hervorgehobenen Abschnitten findest du folgende Informationen:

Noch mal in kurz Hier sind die wichtigsten Infos aus dem vorherigen Abschnitt zusammengefasst. So kannst du später schneller Dinge wiederfinden, die du gelesen hast oder noch mal nachschauen möchtest.

Jetzt du! Hier findest du Anregungen und Aufgaben, mit denen du mehr über dich und deine Art zu fühlen herausfinden kannst.

Trine ist eine junge Frau Anfang zwanzig, die wegen ihrer sehr starken Gefühle immer wieder in Krisen geraten ist und sich als Jugendliche selbst verletzt hat. Wir lassen sie in diesem Buch zu Wort kommen, weil sie aus eigener Erfahrung sehr gut beschreiben kann, wie es ist, mit schmerzhaften Gefühlen zu kämpfen.

Wir hoffen, dass du in diesem Buch die Antworten und Anregungen findest, die dir weiterhelfen.

Simone Stojan und Narona Thordsen

Noch zwei Hinweise: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir, wann immer möglich, neutrale Formen gewählt, ab und zu auch männliche und weibliche Formen kombiniert, es sind aber ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten gemeint.

Und mit unserem Buch erheben wir keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Uns geht es darum, unsere Erfahrungen aus der Praxis gut verständlich und hilfreich weiterzugeben. Natürlich fußen alle Aussagen und Festlegungen auf fundiertem theoretischem Wissen; die Quellen, auf die wir uns beziehen, finden sich im Literaturverzeichnis. Wir verzichten aus Lesbarkeitsgründen bewusst darauf, zugrunde liegende Theorien und Annahmen im Fließtext zu kennzeichnen und fachlich zu belegen. Viele Inhalte und Strategien knüpfen an die Dialektisch-Behaviorale Therapie an, wurden aber zum Teil erweitert oder für den Alltagsgebrauch runtergebrochen.

EMOTIONEN UND GEFÜHLSCHAOS

In diesem Kapitel geht es um unsere Emotionen und die Probleme, die sie uns machen können. Wir erklären die Herausforderungen im Umgang mit Gefühlen und die Symptome, die entstehen können, wenn wir nicht oder nicht ausreichend lernen, mit unseren Gefühlen umzugehen. Außerdem erklären wir, warum es manchen Menschen schwerer fällt und manchen leichter, mit ihren Gefühlen klarzukommen. Und wir zeigen auch, dass Gefühle sehr sinnvoll sind und manchmal auch einfach nur schön.

DU UND DEINE EMOTIONEN

Als Erstes wollen wir ein paar Situationen beschreiben, in denen Gefühle ernsthafte Spielverderber sein können. Vielleicht erkennst du dich darin wieder.

ABLENKEN STATT LERNEN

Vielleicht hast du schon mal von Prokrastination gehört. Damit ist gemeint, dass wir eine Aufgabe, also etwas eigentlich Wichtiges, aufschieben: Du musst lernen, lenkst dich aber mit anderen Dingen ab.

Dein Gefühl sagt: »Mich stresst allein der Gedanke ans Lernen, ich will nicht!« Dein Verstand sagt: »Fang endlich an! Wenn du jetzt loslegst, kommst du noch gut hin mit der Zeit.«

Und was machen wir? Serien gucken, zocken, rumhängen, aufräumen, telefonieren …

Das Gefühl gewinnt! Dann kommst du irgendwann unter Zeitdruck und erledigst die Aufgabe gehetzt, mit schlechten Gefühlen und dem Gedanken: »Hätte ich doch nur früher angefangen!«

Gefühle leben im Moment und denken nicht an morgen.

EINBRECHER!

Du bist allein zu Hause und genießt die Ruhe und die Zeit für dich. Du entspannst dich, hängst rum, fühlst dich wohl. Dann wird es irgendwann dunkel und je später es wird, umso mulmiger wird dir.

»War da ein Geräusch? … Ich mache einfach überall Licht an und die Vorhänge zu, dann denkt der Einbrecher, es sind alle da … Wie oft passieren eigentlich Einbrüche? … Da war ein Schatten!«

Deine Gedanken rasen, dir wird warm, du wirst hektisch, bist jetzt alles andere als entspannt. Du kriegst richtig Panik und traust dich nicht mal mehr ins Bad, in das du sonst ganz selbstverständlich gehst. Du legst dich in dein Bett, lässt aber das Licht an und kannst dein Herz klopfen hören … Irgendwann schläfst du ein.

Am Morgen ist das Gefühl verschwunden, alles ist ruhig. Du schüttelst den Kopf und wunderst dich, wieso und wovor du dich am Abend zuvor so gefürchtet hast.

Schon verrückt, wie uns ein und derselbe Ort in einer Situation Angst machen und in der nächsten wieder Sicherheit geben kann.

Gefühle können uns also einen gewaltigen Streich spielen.

DAS GÖNN ICH DIR NICHT! ODER DOCH?

Du sitzt zu Hause am Laptop, es läuft gute Musik im Hintergrund und du willst deine Hausaufgaben erledigen. »Pling.« Dein Handy ist eine willkommene Abwechslung. Du schaust nach, was gerade neu hochgeladen wurde, und siehst ein Foto deines besten Freundes. Innerlich wird dir mit einem Mal ganz kalt. Das Bild hat nach einer Minute schon mehr Likes als deins von gestern. Du denkst: »Warum bin ich nicht so beliebt?« und bekommst einen Kloß im Hals. Plötzlich wirst du wütend: »Immer drängt er sich in den Vordergrund! Und die anderen fallen auch noch drauf rein!« Dein Gesicht verspannt sich, du kannst gar nicht weggucken.

Schnell kommt dann das schlechte Gewissen: »Was bin ich für ein schlechter Mensch, der so über seinen besten Freund denkt? Sollte ich mich nicht für ihn freuen?« Du bist hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen, und auf die Hausaufgaben konzentrieren kannst du dich überhaupt nicht mehr.

Gefühle können sehr schnell hin- und herspringen, uns verwirren und dabei ziemliches Chaos anrichten.

Was haben diese drei Beispiele gemeinsam?

Unsere Gefühle machen uns oft mehr Ärger als dass sie uns helfen – jedenfalls kommt uns das häufig so vor. Nur mit dem Verstand betrachtet wissen wir, dass wir rechtzeitig mit der Arbeit anfangen sollten, dass kein Einbrecher da ist und dass wir unseren besten Freund mögen, auch wenn wir mal neidisch auf ihn sind. Und doch können wir uns nicht gegen diese Gefühle wehren und sind häufig überfordert mit dem Mix an unterschiedlichen Gefühlen. Aber warum ist das so?

Das hat damit zu tun, dass unser Verhalten nicht nur vom Verstand, also mit Logik, entschieden wird, sondern auch von unseren Gefühlen geprägt ist. Und die sind sich nun mal nicht immer einig. Und das macht es schwierig.

Wozu also überhaupt Emotionen, könnte man sich fragen. Logik allein reicht doch und macht es zudem einfacher! Das könnte man so denken. Aber dass wir Gefühle haben, ergibt Sinn, wenn wir uns anschauen, wie wir uns als Menschen entwickelt haben.

EMOTIONEN

Emotionen sind Teil eines jeden Menschen, und das schon immer. Menschen gibt es seit mehreren Millionen Jahren, und wir gehen davon aus, dass es in etwa so lange auch Gefühle gibt. Unsere Emotionen sind als Teil des Instinkts entstanden und somit wirklich sehr alt. Instinkte sind durch spezifische Gefühle und Handlungsimpulse gekennzeichnet. Sie sind wie eine Art sehr schnelle Einschätzung einer Situation.

Daraus ergibt sich, dass durch den Instinkt manchmal Gefühle ausgelöst werden, die beim genaueren Hinsehen nicht passend zu sein scheinen. Unsere Gefühle sind entstanden und haben sich zu einer Zeit entwickelt, als die Welt und das Leben ganz anders waren als heute. Der Mensch in der Urzeit war völlig anderen Gefahren und Herausforderungen ausgesetzt als wir jetzt. Er wird sehr oft Angst vor wilden Tieren gehabt haben, aber bestimmt nicht vor der nächsten Deutschklausur. Du hingegen wirst vermutlich häufiger Angst vor Klausuren gehabt haben als vor wilden Tieren in deiner Umgebung. Trotzdem sind die Gefühle des Urzeitmenschen und deine Gefühle grundsätzlich die gleichen.

Alle Menschen haben die gleichen Gefühle und unterscheiden sich eigentlich nur darin, wie stark sie diese empfinden und wie sie mit ihnen umgehen. Jede Kultur hat ihre Regeln im Umgang mit Gefühlen, die sehr unterschiedlich sein können. Selbst in ein und demselben Kulturraum können diese Regeln von Familie zu Familie ganz anders sein. In der einen Familie zieht man sich zurück, wenn man traurig oder wütend ist, in der anderen zeigt man das offen und geht in die Auseinandersetzung.

JETZT DU

Wie ist das bei dir? Gibt es Gefühle, mit denen dir der Umgang leichter oder schwerer fällt? Nimm dir ein paar Minuten Zeit, um darüber nachzudenken, warum das so sein könnte. Vielleicht sprichst du auch mal mit deiner Familie oder Freunden darüber. Wie ist es bei ihnen?

NOCH MAL IN KURZ

Gefühle sind zwar grundsätzlich bei allen Menschen gleich, aber wir lernen je nachdem, wo und wie wir aufwachsen, unterschiedlich, mit ihnen umzugehen. Auch kann ein und dasselbe Gefühl bei verschiedenen Personen durch ganz unterschiedliche Dinge ausgelöst werden. Es kann sich in der Stärke unterscheiden und in dem Verhalten, das wir als Reaktion auf ein Gefühl zeigen.

WARUM WIR EMOTIONEN HABEN

Gefühle haben sich entwickelt, damit uns nicht alles egal ist. Wir können sie uns wie eine Art Ratgeber vorstellen. Sie sind Motor für unser Verhalten und helfen uns, unsere Ziele zu erreichen. Wenn du dich zum Beispiel mit deinem besten Freund treffen willst, es aber draußen regnet und du gar keine Lust aufs Fahrradfahren hast, dann ist vermutlich die Vorfreude dein Motor. Du denkst an den Film, den ihr gucken wollt, und an das gemeinsame Lachen. Und schon bringst du die nervige Fahrradtour im Regen hinter dich, weil du dich dann auf einen schönen Abend mit deinem Freund freuen kannst.

Freude fühlt sich wie eine Belohnung an. Sie belohnt uns mit einem Wohlgefühl, mit Lächeln, mit Glückshormonen, mit schönen Erinnerungen und positiven Gedanken. Gefühle sorgen also dafür, dass wir manche Dinge lieber tun und andere lieber lassen.

Unsere Gefühle können uns aber nicht nur belohnen – sie können auch dafür sorgen, dass wir auf uns aufpassen. Wenn etwas neu, unbekannt oder auf eine andere Art und Weise möglicherweise bedrohlich ist, sind wir meistens erst mal vorsichtig. Manchmal sind wir auch etwas verunsichert oder ängstlich. Wir beobachten genau, ob alles in Ordnung ist oder ob irgendwo eine Gefahr lauert.

Die Angst lässt uns besonders aufmerksam sein und hilft uns, alles abzuchecken und einzuschätzen. Alle Sinne werden durch die Angst geschärft, sodass wir schnell alle Informationen unserer Umgebung aufnehmen und analysieren können. Wenn es dann nach Auswertung aller Infos keinen Hinweis auf Gefahr gibt, zieht sich die Angst wieder zurück. Aber wie gut, dass sie uns erst mal vorsichtig sein lässt! Wenn die Angst so stark wird, dass sie in Panik übergeht, dann funktioniert dieses bewusste Gegenregulieren allerdings nicht mehr.

Wenn Gefühle zu stark werden, kann niemand mehr mit dem Verstand gegenhalten. Dann braucht es starke Reize von außen, um sich abzulenken, oder bestimmte Atemübungen (siehe z.B. Seite 73 und Seite 83). Mit dem Kopf geht dann nichts mehr so richtig.

Und es gibt noch etwas, was uns unsere Gefühle ermöglichen: Egal, aus welchem Kulturraum wir kommen – wir können bei allen Menschen erkennen, welches Gefühl sie haben. Ganz ohne Worte! Das ist auch ein Grund, warum wir überhaupt Gefühle haben: Sie sagen vermittelt durch den Gesichtsausdruck oder die Körperhaltung, was gerade los ist. Zum Beispiel löst ein weinendes Kind bei vielen Menschen automatisch den Wunsch aus, zu trösten. Wir erkennen allein am Gesichtsausdruck, welches Gefühl das Kind hat – in diesem Fall Traurigkeit –, und verhalten uns dementsprechend. Ganz ohne dass eine Erklärung notwendig ist. Das ist schon sehr praktisch.

NOCH MAL IN KURZ

Wir haben Gefühle, damit sie uns motivieren, uns schützen und uns befähigen, mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Weil alle Menschen Emotionen haben, ist dazu viel geforscht worden. Die meisten Experten gehen davon aus, dass es eigentlich nur sieben Emotionen gibt. Zu diesen Grundgefühlen – oder auch Basisemotionen genannt – zählen Freude, Wut, Angst, Trauer, Ekel, Liebe und Scham.

Diese Grundgefühle sind auf der ganzen Welt gleich. Wenn jemand am anderen Ende der Welt Wut erlebt, dann passiert im Körper, im Kopf und vor allem in Gesichtsausdruck und Körperhaltung genau das Gleiche wie bei dir, wenn du wütend bist.

Wenn wir nur kurz überlegen, fallen uns neben den Basisemotionen noch mindestens zehn weitere Gefühle ein. Das liegt daran, dass wir Grundgefühle gleichzeitig empfinden können und sie sich zu sogenannten Mischgefühlen verbinden. So ähnlich, wie man mit den drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb sehr viele verschiedene Farbtöne mischen kann. Diese Vielfalt macht einerseits die Lebendigkeit und Abwechslung unseres Alltags aus, kann andererseits aber auch das auslösen, was wir als Gefühlschaos kennen. Bei den Farben ist das ebenfalls ähnlich: Werden zu viele zusammengemischt, ergibt das einfach nur noch ein dunkles Gemisch.

Im zweiten Kapitel gehen wir die Grundgefühle einzeln durch und erklären den Umgang damit. Und ein paar der häufigsten Mischgefühle schauen wir uns auch an.

JETZT DU

Versuch mal, alle Gefühle, die du kennst, aufzuschreiben, um dir selbst einen Überblick über die Vielfalt deines Gefühlslebens zu verschaffen. Kannst du erkennen, welche Gefühle Mischungen aus den Grundgefühlen sein könnten? Und welche Grundgefühle da zusammengekommen sind?

WAS GENAU IST EINE EMOTION?

Genau zu beschreiben, was eine Emotion ist, ist nicht ganz leicht. Aber auch damit haben sich zum Glück schon kluge Köpfe beschäftigt und folgende Beschreibung bzw. Definition geliefert. Demnach setzt sich jedes Gefühl aus drei Dingen zusammen:

–typischen Gedanken (»Kopf« ),

–typischen Veränderungen in deiner Wahrnehmung und deinem Körper (»Herz« ),

–mindestens einem typischen Vorschlag, was du am besten jetzt tun solltest. Das nennt man auch Handlungsimpuls (»Wegweiser« ).

Die drei sind nicht voneinander zu trennen und treten immer gemeinsam auf. Wenn ein Gefühl ein Gefäß wäre, dann wären darin immer diese drei Komponenten zu finden: Gedanke, Körperreaktion und Handlungsimpuls. Je nach Gefühl in ganz eigener Mischung. Der Handlungsimpuls ist so ähnlich wie ein Navigationsprogramm oder ein Wegweiser. Er ist Teil der Emotion und unserer Instinkte und wirklich sehr simpel gestrickt. Er schlägt dir nur die Richtung für dein Verhalten vor, die aus Sicht des Gefühls am meisten Sinn macht. Dein Körper und Kopf helfen durch entsprechende Veränderungen mit, diesen Handlungsimpuls gut umzusetzen. Ein Beispiel: Du bist total verliebt. Also hast du das Gefühl »Liebe«.

Kopf: Typische Gedanken bei diesem Gefühl: »Ich will immer bei ihm sein!« oder »Diese Augen! Dieses Lächeln! Ich kann an nichts anderes denken!«.

Herz: Typische Veränderungen in deinem Körper können sein: Herzklopfen, Kribbeln im Bauch, kaum Appetit, ständiges Lächeln, Wohlgefühl im Bauch, Schlaflosigkeit, Unruhe.

Wegweiser: Der Handlungsimpuls ist eindeutig: »Geh zu ihm! Alles andere ist egal! Sei bei ihm!«

Das alles führt dazu, dass du den Kontakt suchst, dich bemühst und von deiner besten Seite zeigst. Dein Gefühl »Liebe« lässt dich überzeugt sein: Diese Person ist was Besonderes und du möchtest sie an deiner Seite haben. Also streng dich an!

Jede Emotion beeinflusst die Gedanken und die Körperreaktionen so, dass alles für die ihr entsprechende Handlung vorbereitet ist. Man könnte also auch sagen: Die Liebe färbt die Brillengläser rosarot und lässt uns Dinge tun, die nicht vom Verstand gesteuert sind.

Wir alle haben schon mal etwas Verrücktes oder Unvernünftiges gemacht, als wir verliebt waren. Denn der Handlungsimpuls ist Teil des Gefühls und verhält sich in diesem Sinne. Er ist nicht immer automatisch vernünftig oder sinnvoll. Er ist halt Teil des Gefühls, und ein Gefühl ist letztendlich immer das Ergebnis der subjektiven Einschätzung der Situation. Das muss nicht der Realität entsprechen.

NOCH MAL IN KURZ

Ein Gefühl setzt sich zusammen aus Kopf, Herz und einem Wegweiser, der eine bestimmte Richtung vorschlägt. Und auch wenn es sich manchmal so anfühlt – du bist deinem Gefühl nicht hilflos ausgeliefert. Du kannst letztendlich immer noch entscheiden, ob du etwas anderes machst, als dem vorgeschlagenen Weg zu folgen. Du entscheidest!

Kopf: Zu jedem Gefühl gibt es passende Gedanken. Wenn wir uns freuen, gehen uns andere Dinge durch den Kopf als wenn wir traurig sind. Und Gefühls-Gedanken können sich potenzieren. So kann der erste Freude-Gedanke den nächsten FreudeGedanken anstoßen. Das funktioniert leider auch bei weniger angenehmen Emotionen. Unser Kopf füttert das Gefühl immer weiter.

Dadurch kann ein Gefühl sehr stark werden, wir steigern uns sozusagen richtig ins Gefühl rein. Vielleicht kennst du das vom Wütendsein: Du ärgerst dich über irgendwas, dann kommt noch etwas dazu, und auf einmal fallen dir all die Dinge ein, die dich auch schon länger stören. So füttert sich die Wut selbst!