Sturm über Mogul City - Frank Wells - E-Book

Sturm über Mogul City E-Book

Frank Wells

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Die Stadt lag plötzlich und unvermittelt vor Linc Redmain, als er um die scharfe Nase einer Klippe bog. Er hielt überrascht und beugte sich im Sattel vor. Der staubige mausgraue Wallach unter ihm stellte die Ohren auf und schnaubte leise. Eine Stadt mitten im wilden Gebirge! Es konnte nicht Tularosa sein. Für eine County-Hauptstadt war diese regellose Anhäufung von Bretterhäusern zu klein und zu schmutzig. Linc Redmain fasste in leichtem Unbehagen hinter den Hemdkragen und die Bandanna. Er verstand sich auf Städte dieser Art. Er hatte genug raue Camps gesehen – und nur ein blühender Optimist hätte die Stadt dort unten für zahm angesehen. Er sah ein paar träge Gestalten vor einem etwas größeren Haus inmitten der Town. Das konnte eine Bar sein. In einem Korral am Rande des Ortes standen mindestens dreißig Mustangs. Sonst regte sich nichts Lebendiges. Zwei Minuten lang saß der Mann still im Sattel. Er war lang aufgeschossen, beinahe hager. Das scharfgemeißelte Raubvogelgesicht hatte die Sonne rotgebrannt. Er trug ein verschossenes Hemd und darüber eine ärmellose Lederjacke. Die Lederhose war abgeschabt und blank – besonders da, wo die beiden Halfter mit den schweren Navy-Colts über sie hinscheuerten. Jetzt hatte er seinen Entschluss gefasst. Er streifte die dünnen Wildlederhandschuhe ab und öffnete die Gürtelschnallen der Waffengurte, die er überkreuz trug.

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die großen Western – 413 –Sturm über Mogul City

Frank Wells

Die Stadt lag plötzlich und unvermittelt vor Linc Redmain, als er um die scharfe Nase einer Klippe bog. Er hielt überrascht und beugte sich im Sattel vor. Der staubige mausgraue Wallach unter ihm stellte die Ohren auf und schnaubte leise.

Eine Stadt mitten im wilden Gebirge! Es konnte nicht Tularosa sein. Für eine County-Hauptstadt war diese regellose Anhäufung von Bretterhäusern zu klein und zu schmutzig.

Linc Redmain fasste in leichtem Unbehagen hinter den Hemdkragen und die Bandanna. Er verstand sich auf Städte dieser Art. Er hatte genug raue Camps gesehen – und nur ein blühender Optimist hätte die Stadt dort unten für zahm angesehen.

Er sah ein paar träge Gestalten vor einem etwas größeren Haus inmitten der Town. Das konnte eine Bar sein. In einem Korral am Rande des Ortes standen mindestens dreißig Mustangs. Sonst regte sich nichts Lebendiges.

Zwei Minuten lang saß der Mann still im Sattel. Er war lang aufgeschossen, beinahe hager. Das scharfgemeißelte Raubvogelgesicht hatte die Sonne rotgebrannt. Er trug ein verschossenes Hemd und darüber eine ärmellose Lederjacke. Die Lederhose war abgeschabt und blank – besonders da, wo die beiden Halfter mit den schweren Navy-Colts über sie hinscheuerten.

Jetzt hatte er seinen Entschluss gefasst. Er streifte die dünnen Wildlederhandschuhe ab und öffnete die Gürtelschnallen der Waffengurte, die er überkreuz trug. Er rollte sie zusammen und schob sie in die Satteltaschen. Er nahm einen flachen kleinen Derringer aus der linken Satteltasche, prüfte ihn kurz und steckte ihn innen in den linken Stiefel. Er zupfte die Lederhose so zurecht, dass sie leicht über die Stiefel fiel und die Waffe verbarg. Dann trabte er aus der Deckung der Felsnase und auf das letzte Stück des Weges zur Stadt.

*

Sie hieß Mogul City … so wie der Berg über ihr. Redmain sah es auf einem ausgebleichten Schild. Als er jetzt die schwarzen Maulwurfslöcher in der Flanke des Berges sah, wusste er auch, welche Bedeutung die Stadt früher gehabt hatte. Es waren die typischen Narben, die Goldgräber hinterlassen. Vielleicht war es auch nicht Gold gewesen, sondern Silber, denn ein paar verfallene Hüttenöfen standen noch in einer Bodenfalte. Zweifellos waren sie seit langen Jahren außer Betrieb – zum Tode verurteilt wie die ganze Stadt.

Linc Redmain ritt gleichgültig daran vorbei. Aber ganz so gleichgültig war er nicht, wie er aussah. In bitteren Jahren hatte er es gelernt, jede Art von Kummer im Voraus zu riechen. Hier roch es mächtig. Er las es in den hartäugigen Gesichtern der Männer vor der Bar, die viel zu faul und träge in der Sonne hockten, als dass das echt sein konnte.

Und dann gab es ihm einen Riss. Unwillkürlich wollte er die Rechte zur Hüfte fallen lassen, dorthin, wo sonst die Waffe hing. Ein untersetzter breitschädeliger Mann war wie ein Schatten auf die Veranda der Bar getreten. Er schaute scharf und angespannt zu Linc herüber. Mitten im Schritt verhielt er – dann ging ein Ruck durch seine klobige Gestalt, und er glitt schattengleich wieder in die Bar zurück.

Nur zwei oder drei Sekunden hatten die beiden Männer sich sehen können, und zwischen ihnen lag eine Distanz von hundert Schritten. Aber Linc Redmain hatte den Mann erkannt. Diese Gestalt gab es nur einmal. Er hatte sogar das matte Blinken auf der linken Brust des Mannes gesehen, ehe er wieder in die Bar zurücktrat.

»Foley Bronc!«, murmelte Redmain. »Und ich Narr habe geglaubt, er wäre tot!«

Er verwünschte seinen Leichtsinn, mit dem er die Waffen abgelegt hatte. Plötzlich waren ganz andere Voraussetzungen gegeben. Plötzlich war er nicht mehr ein x-beliebiger Fremder für diese Town, sondern Linc Redmain, der Buscadero. Linc Redmain aus Texas …

Er ritt weiter im gleichen sanften Trab, in der gleichen lässigen und scheinbar gleichgültigen Haltung.

Die Männer vor der Bar starrten Löcher in die Luft. Sie sahen ihn gar nicht. Er war Luft für sie. Immer das alte Spiel, wenn ein Fremder eine Stadt betrat.

Er hielt vor ihnen, saß ab und sagte: »Noch weit bis Tularosa, Gents?«

Ein schieläugiger Bursche mit desperatem Gesicht spie aus, genau vor Lincs Füße. Sein linkes Auge fiel voll auf Lincs Gesicht, während das rechte irgendeinen Punkt jenseits der Straße anpeilte. Plötzlich grinste er: »Sehr weit, Mister. Manche kommen nie dort an.«

Redmain lächelte sanft: »Mächtig witzig, Amigo. Welche Richtung?«

»Immer der Nase nach – solange du noch eine hast!«

Linc zuckte die Achseln: »Ich habe sie schon fünfundzwanzig Jahre. Wüsste nicht, wer sonst Verwendung dafür haben sollte. Gibts hier ’nen Drink?«

»Yeah – für gut zahlende Gäste. Für wen reitest du?«

Redmain seufzte. Er hasste dumme Fragen. Dies war eine. Dennoch antwortete er genauso sanft wie zuvor: »Für mich, Amigo. Nur für mich.«

Er spähte scharf zu den blinden Fenstern der Bar, doch dahinter rührte sich nichts. Nun, Foley Broncs Haupttrumpf war immer seine unendliche Geduld gewesen. Der Mann überstürzte nichts. Er schlug erst zu, wenn er seiner Sache absolut sicher war.

Die Männer neben dem Schieläugigen – es waren drei hartgesichtige Gestalten – rührten sich nicht. Sie sahen aus, als säßen sie schon seit Wochen hier, ohne zu wissen warum.

Plötzlich hing Hufschlag in der Luft. Ein Rudel von Reitern kam aus dem dunklen Loch eines Canons am anderen Ende der Stadt gestürmt. Fünf Reiter in vollem Galopp.

Durch die vier Männer vor der Bar ging ein Ruck. Sie schienen elektrisiert zu sein und Linc völlig vergessen zu haben.

Ein wilder Schrei stieg plötzlich aus der Kehle des vordersten Reiters. Ein Schrei, der Linc Redmain herumriss. Er starrte in das grinsende Gesicht des Reiters, der wie ein Tornado herangewirbelt kam. Ein stoppeliger Dreitagebart bedeckte die Backen des Mannes. Schwarzes Haar kam ungebändigt unter der Hutkrempe hervor. Er zeigte lachend alle Zähne und sah in diesem Moment beinahe hübsch aus.

»Redmain!«, schrie er. »Ich will geradewegs zur Hölle fahren, wenn du uns nicht wie gerufen kommst!«

Der Mann sprang im Galopp ab und mit langem Satz auf Linc Redmain zu. Er streckte beide Hände aus, und Redmain ergriff sie.

»Hallo, Lou!«, murmelte er. »Es ist lange her, seit wir uns gesehen haben!«

»Verdammt lange, Sohn! Komm rein in die gute Stube. Wir werden ein paar Pullen den Hals brechen! Was, zur Hölle, bringt dich her? Woher weißt du, dass ich hier bin?«

»Ich hab’s nicht gewusst, Lou. Ich suche jemanden – eine Frau. Meinen Informationen nach müsste sie in Tularosa sein.«

»Eine Frau? Teufel, Teufel! Mit Frauen sollte sich unsereiner gar nicht einlassen. Kenne ich sie?«

»Kaum.«

»Natürlich muss ich sie kennen, wenn sie in Tularosa sein soll! Komme just daher! Der Name?«

»Lou, ich weiß nicht …«

»Nonsens! Wie heißt das hübsche Kind?«

»Doris. Doris Doreen.«

Der schwarzhaarige Mann stieß einen leisen anerkennenden Pfiff aus. »Hui! Das ändert die Sache. Doris Doreen, die berühmte Sängerin. Ihr beide habt was miteinander?«

»Nein, Lou. Es ist … ich habe etwas mit ihr klarzustellen.«

»So so. Sie ist dir durchgebrannt, was? Na, mich gehts nichts an. Komm, Bruderherz, die Flasche wartet! Wetten, dass wir ein paar lustige Wochen vor uns haben?«

*

Die vier Männer vor der Bar betrachteten Linc Redmain mit ganz anderen Augen. Der Schieläugige grinste verlegen und legte Linc die Hand auf die Schulter. »Hättest wahrhaftig gleich sagen können, dass Lou dein Freund ist! Ich dachte, du wärst ein Spitzel!«

Linc zuckte die Achseln. »Gewöhn dir das Denken ab, Amigo. Bei deinem Kopf wird nie was draus.«

Dann schaute er wieder zum Fenster des Saloons. Well – wenn Foley Bronc dort drinnen steckte, konnte er jeden Spaß haben, den er sich wünschte. Jetzt sah das Ding schon anders aus.

Er ließ Lou Haskell den Vortritt. In der Tür bückte er sich und tat, als müsse er etwas an seiner Hose richten. Er hatte die Finger am Kolben des Derringers – aber in dem dämmerigen Raum der Bar war niemand außer einem lehmgesichtigen Mulatten hinter der Theke. Foley Bronc hatte wohl das Lokal geräumt.

Aufatmend richtete er sich auf und setzte sich zu Lou Haskell an den Tisch. Noch zwei Männer kamen herein und nahmen am Nebentisch Platz. Ihnen stand das Gewerbe deutlicher als jedem anderen auf dem Gesicht geschrieben. Sie trugen alle Merkmale schneller und rücksichtsloser Schießer.

Lou Haskell beugte sich jäh vor und fragte lauernd: »Warum hast du dich eben gebückt, Linc? Hier gibts keinen Kummer für dich!«

»Ich habe auch keinen erwartet, Lou. Ist nur ’ne dumme Angewohnheit von mir.«

Haskell lächelte und warf sich in die Brust. »Hast du von mir gelernt, den Trick! Weißt du noch? Kann dir genau sagen, was in deinem Schädel vorgegangen ist, als du meine Stadt gesehen hast. Du hast gedacht: Das ist ein raues Camp. Wenn du umgeschnallt einreitest, wirst du den einen oder anderen harten Boy damit reizen. Also schnallst du ab und steckst den Derringer in den Stiefelschaft – so wie es dir der große alte Häuptling Lou Haskell früher mal beigebracht hat. – Stimmt’s, Sonny?«

»Du bist immer noch so klug wie damals, Lou«, nickte Redmain.

»Und trotzdem bist du mir weggelaufen! Warum, damned?«

Redmain schüttelte den Kopf. »Irrtum, Lou. Du hattest es so eilig, dass ich dir nicht folgen konnte – mit einem Loch im Bauch.«

Haskell sprang hoch wie ein Gummiball. Ehrliches Staunen lag auf seiner Miene. »Mit ’nem Loch im Bauch? Du bist verrückt!«

Redmain zuckte die Achseln, zog das Hemd aus der Hose und deutete auf eine zackige flammende Narbe, die fast wie ein Stern aussah. Er sagte sehr ruhig: »Das ist es, Lou. Ich war ein blutiger Anfänger. Sonst wär’s wohl nicht passiert. Mein Pech war, dass ich dem Marshal von Tilbury genau in die Flinte gelaufen bin, als ich just im Sattel saß.«

»Pobre pendejo – armer Kerl«, seufzte Lou Haskell. »Ich habe den Schuss gehört – aber dann hats ja von allen Ecken und Enden geknallt. Well, ich hatte das Geld und konnte nicht zurück. Du verstehst?«

»Schon gut, Lou. Ich hab’s längst vergessen.«

»Yeah, du bist smart. Hast du den Marshal wenigstens umlegen können?«

»Nein, Lou. Ich brauchte beide Hände, um das Loch in meinem Bauch zuzuhalten. Mein Gaul ist mit mir durchgegangen – zu unserer Hütte.«

»Und just dahin wollten wir nicht zurück!«, seufzte Lou Haskell. »Hat das Aufgebot dich erwischt?«

»Nein. Acht Tage lang habe ich keinen Menschen gesehen. Ich war die halbe Zeit bewusstlos. Aber weil ich nichts zu essen und zu trinken hatte, ist mein Bauch von selbst wieder zugeheilt. Stimmt es, dass du nur fünftausend Dollar erwischt hast in der Bank?«

»Yeah. Woher weißt du das?«

»Aus der Zeitung.«

Haskell grinste und klopfte väterlich auf Linc Redmains Hände. »War Pech, Bruderherz. Nächstes Mal machen wir es besser. Trinken wir auf die Zukunft des Aurora-Countys!«

Er füllte die Gläser aus der Flasche, die der Mulatte inzwischen gebracht hatte. Mit harten prüfenden Augen schaute er in Redmains undurchdringliches Gesicht. Wieder schoss er eine Frage hervor: »Was hast du später begonnen, als du wieder gesund warst?«

»War immer unterwegs, Lou. Yeah – ohne Ruh und Rast. Hab einige raue Camps gesehen.«

»Aber nicht hier im Süden! Dein Name ist mir nie wieder begegnet!«

»Ich war auch nicht im Süden – bis auf das letzte Jahr. Ich bin damals gleich nach Wyoming und Oregon hinaufgegangen.«

»Und plötzlich zieht’s dich nach Arizona? Nur wegen dieser Frau?«

»Ich schulde ihr etwas, Lou. Und ich habe nicht gern Schulden.«

Haskell füllte sein Glas und schüttete es hastig in die Kehle. »Gut. Deine Sache«, sagte er. »Nun zum Thema! Ich brauche dich, Linc. Ich suche verlässliche Leute – solche wie Whisper Toledo und Lover Hart da drüben. Schon gehört die Namen?«

Ja, Linc Redmain hatte sie gehört. Es flogen ziemlich viele Steckbriefe auf diese Namen durch die Südstaaten. Zumindest in Texas und New-Mexiko wurden die beiden gesucht. Wegen Mordes und Raubes und Bandenvergehens. Dennoch antwortete er vorsichtig: »Kann mich nicht entsinnen, Lou. So lange bin ich ja auch noch nicht im Süden.«

»Dann lass dir von mir sagen, dass sie erste Klasse sind – fast so gut wie ich. Du weißt doch noch, wie gut ich bin?«

»Ich weiß, Lou.«

»Well – ich kann jeden Mann zu jeder Zeit schlagen. Auch dich, Linc. Ich kenne mindestens hundert Tricks, von denen du nicht einmal träumen würdest.«

»Ich weiß, Lou.«

»Aber du glaubst es nicht, eh? Well ich, werd es dir beweisen! Schnall deine Kanonen um! Wir vier werden draußen ein Wettschießen veranstalten! Whisper Toledo, Lover Hart, Linc Redmain und ich! Ist das ein Wort?«

»Von mir aus – aber warum?«

»Weil ich dir zeigen will, dass du hier bei uns genau richtig bist – falls du nämlich mit einem Schlage alle Sorgen los sein und ein reicher Mann werden willst!«

»Hm. Wieder ein Banküberfall?«

»Nonsens. Mit solchen Lappalien geben wir uns nicht mehr ab. Wir werden ein ganzes County in die Tasche stecken, capisto? Es wird ein netter fröhlicher Schießkrieg mit allen Schikanen!«

»Und was versprichst du dir davon?«

»Alles, Amigo! Oder fast alles. Ich tu’s nämlich nicht auf eigene Kappe. Wir arbeiten für Mister Lee Kelly. Und wir werden …«

Eine sanfte Stimme kam von der Tür her – so sanft wie die eines schnurrenden Kätzchens: »Sie reden zu viel, Lou! Und sie trinken zu viel. Das eine wie das andere reitet einen Menschen ins Verderben. Stellen Sie mir den Mister an Ihrem Tisch vor – und halten Sie in Zukunft den Mund, ehe ich ihn gewaltsam schließen muss!«

*

Der Mann in der Tür war schlank und biegsam wie eine stählerne Klinge. Sein glattes ebenmäßiges Gesicht mit dem kleinen schwarzen Bärtchen auf der Oberlippe war so weich und hübsch wie das einer Frau. Nur die breiten Backenknochen störten das Bild – und die Augen. Sie standen zu eng beieinander, und sie waren von einer Kälte, die das Lächeln um den weichen Mund Lügen strafte.

Lou Haskell sprang auf und begann zu stottern wie ein gescholtener Schuljunge. Er nannte Lincs Namen, während Lee Kelly mit den gleitenden und federnden Schritten eines Raubtiers nähertrat und eine Zigarette anzündete.

Kelly war elegant gekleidet – eine Spur zu elegant. Er duftete nach Parfüm. Aber diese weibischen Schwächen konnten Linc Redmain nicht täuschen: Dieser Mann war gefährlich wie ein Nest von Klapperschlangen.

Er musterte Linc wie einen Stier, der zum Kauf angeboten wird. Er sagte: »Sie könnten ein paar Pfund mehr auf den Rippen tragen, Redmain. Und für einen schnellen Schützen sind Ihre Arme zu lang. Well – ich biete Ihnen hundert Dollar, da Haskell für Sie gutsagt.«

Linc erhob sich und schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir leid, Mister. Ich kann keine Zusage geben – noch nicht. Ich bin nur auf der Durchreise. Wenn ich in Tularosa nicht das finde, was ich suche, muss ich weiter. Und zwar schnellstens.«

Lee Kelly schloss die Augen ein wenig. »Sie haben einen Blick in meine Karten getan, Redmain. Dank der Schwatzhaftigkeit Haskells sind Sie über Dinge informiert, die Sie nicht wissen dürfen. Sie werden also hier bleiben und für mich arbeiten.«

Linc blieb still stehen. Seine Stimme klang gleichgültig und verriet nichts von der inneren Anspannung. »Ich muss nach Tularosa, Mister. Was Lou mir vorgeschwatzt hat, habe ich schon wieder vergessen. Ich kenne keinen Menschen hier im Land – und was hier oder dort geschieht, interessiert mich nicht soviel!«

Kelly lächelte sanft. »Dass Sie nach Tularosa müssen, interessiert nun wieder mich nicht. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder arbeiten Sie für mich, oder …« Er stieß einen kurzen spitzen Pfiff aus. Der war noch nicht ganz verklungen, als ein riesiger Schatten die Tür ausfüllte – der Schatten eines Mannes, der eher einem Berg glich.

»Das ist Stinger Uliah«, sagte Mister Lee Kelly freundlich. »Stinger ist ein Mann meines Vertrauens, Redmain. Schauen Sie ihn an. Muss ich noch betonen, dass Stinger mit der bloßen Faust einen ausgewachsenen Ochsen umschlägt?«

»Und was hat das mit mir zu tun?«, fragte Redmain.

»Oh – Stinger versteht sich glänzend darauf, störrische Esel zu dressieren. Wollen Sie die Probe aufs Exempel machen?«

Linc schwieg, während der riesige Berg von einem Mann gemächlich auf ihn zugestampft kam.

Link Redmain bedachte seine Chancen. Er stand zwei Schritte von Lee Kelly entfernt – schräg links von Kelly. Jetzt war der riesige Menschenaffe neben seinem Boss. Er hob langsam die gewaltigen Fäuste.

Alles wäre einfacher und leichter gewesen, wenn die Colts an seinen Hüften gehangen hätten. Es gab nur einen Weg: den Angriff. Und zwar den Angriff auf einen Mann, der ihn nicht erwartete.

Alle Augen hingen an Linc Redmain, aber keins erkannte die Konzentration, mit der er sich zum Sprung vorbereitete. Der Riese war noch einen Schritt entfernt – oder eine Armlänge. Er nahm die rechte Faust langsam ein wenig zurück, doch Linc Redmain ließ sich auch dadurch nicht täuschen, denn nicht die Rechte, sondern die linke Faust kam blitzschnell, mit ganz kurzem Ansatz geflogen.

Link sprang nach rechts beiseite. Der Schlag ging rauschend ins Leere, und der Riese wurde von der Wucht nach vorn gerissen. Er taumelte, und an ihm vorbei sprang Linc zu Lee Kelly, peitschte dem völlig überraschten feinen Mister eine brechende Rechte ans Kinn und fing den Zurücktorkelnden auf. Er wirbelte herum, als just Stinger Uliah wieder kampfbereit war. Er riss Lee Kelly hoch über den Kopf und schleuderte ihn wie eine gewichtslose Puppe gegen den anstürmenden Riesen. Die Körper knallten aufeinander – und Linc riss blitzschnell einen Stuhl hoch und zerschmetterte ihn auf dem Schädel Stinger Uliahs.

Es war erst der Anfang, und niemand wusste das besser als er. Über das Knäuel der beiden übereinanderstürzenden Leiber sprang er auf den Tisch mit den beiden Revolvermännern Whisper Toledo und Lover Hart zu. Sie waren sprachlos, völlig überrascht. Ehe sie wieder denken konnten, kippte ihnen Linc den Tisch vor die Leiber, sprang darüber hinweg und zog den Derringer, als er flach auf dem Bauch landete. Er wirbelte wieder empor, die Waffe auf Lou Haskell gerichtet, der im gleichen Augenblick zwei Colts zog … nein, ziehen wollte.

»Wirf sie weg, Lou!«, sagte Linc hart. »Tut mir leid, dass ich zu dir rau sein muss – aber ich lasse mich nicht zum Affen machen.«

Haskell versuchte ein Grinsen, aber es misslang kläglich. Er warf mit spitzen Fingern die Revolver hinter sich, ohne einen Trick zu versuchen.

»Du bist verdammt gut, Sohn«, murmelte er. »Aber ich habe noch nie einen größeren Narren gesehen als dich!«

Linc Redmain schwieg. Er ließ kein Auge von Haskell, während er sich über die stöhnenden Revolvermänner beugte, den Tisch zurückkippte und ihnen die Waffen abnahm. Er schob den Derringer in den Stiefel zurück, stopfte die beiden Colts Whisper Toledos in die Tasche und einen Revolver Lover Harts in den Hosenbund. Rückwärts ging er zur Tür, die zweite Kanone Lover Harts in der Faust. Er sagte leise: »Ich lasse mich nicht gern aufhalten, Lou. Du hast mich einmal im Stich gelassen – ganz zu schweigen von dem anderen, was du mir angetan hast. Wenn du mich verfolgst – nun, ich werde auf dich schießen, als wärst du mein grimmigster Feind. Du kannst wählen!«