Aus dem Sattel geschossen - Frank Wells - E-Book

Aus dem Sattel geschossen E-Book

Frank Wells

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Beschreibung

Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Sie waren vier Partner, als sie in Greely am Powder-River zur Jagd aufbrachen. Mit zwölf Pferden, davon drei mit Paketen beladen, die Mundvorrat, Stricke für Seilkorrals und alles das enthielten, was eine Expedition in die Wind-River-Mounts benötigte. Roy Maxim kannte nur einen der drei Sattelgefährten: Henessy Murdock. Die beiden anderen Partner auf dem Ritt in die Berge hatte Murdock in einer Bar in Greely aufgetrieben. Raue Burschen mit den verwegenen Raubvogelgesichtern ewig trailender Satteltramps. Vielleicht waren sie auf der Flucht vor irgendetwas – wer wollte das ergründen? Aber Rap Reilly und Jock Pock fügten sich willig dem Befehl Roy Maxims. Vorerst. Es war wie verhext. Vierzehn Tage lang ließ sich kein lausiger Pferdeschwanz blicken. Spuren gab es genug – manche alt wie Methusalem, manche aber auch so frisch, dass die Pferdeäpfel noch dampften. Und dann gabs noch Spuren beschlagener Pferde, und das war auch die Erklärung dafür, warum die raffinierten Wildmustangs sich tiefer in die Schluchten und Canons und steilen Felswände verzogen hatten. »Hier ist eine Bande von Idioten am Werk!«, wetterte Henessy. »Die halbe Welt ist in diesen verdammten Bergen und will sich ein Vermögen an Pferdeschwänzen verdienen. Als wenn man Wildpferde mit Zuckerstückchen fangen könnte!« Tatsächlich hatten die fremden Fangmannschaften durch ihr unvorsichtiges Verhalten die Broncos verscheucht. Am Ende der zweiten Woche traf Roy bei einem weiten Streifritt durch das Massiv des Castle Dome ganz unvermittelt auf das Lager eines Jagdtrupps, dem er nicht mehr ausweichen konnte. Fünf wenig freundliche Männer schauten ihm in abwartender Haltung entgegen. Es war gewiss kein Zufall, dass sie alle die Gewehre in den Händen hielten.

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Western Helden – 34 –Aus dem Sattel geschossen

Frank Wells

Sie waren vier Partner, als sie in Greely am Powder-River zur Jagd aufbrachen. Mit zwölf Pferden, davon drei mit Paketen beladen, die Mundvorrat, Stricke für Seilkorrals und alles das enthielten, was eine Expedition in die Wind-River-Mounts benötigte.

Roy Maxim kannte nur einen der drei Sattelgefährten: Henessy Murdock. Die beiden anderen Partner auf dem Ritt in die Berge hatte Murdock in einer Bar in Greely aufgetrieben. Raue Burschen mit den verwegenen Raubvogelgesichtern ewig trailender Satteltramps. Vielleicht waren sie auf der Flucht vor irgendetwas – wer wollte das ergründen? Aber Rap Reilly und Jock Pock fügten sich willig dem Befehl Roy Maxims. Vorerst.

Es war wie verhext. Vierzehn Tage lang ließ sich kein lausiger Pferdeschwanz blicken. Spuren gab es genug – manche alt wie Methusalem, manche aber auch so frisch, dass die Pferdeäpfel noch dampften. Und dann gabs noch Spuren beschlagener Pferde, und das war auch die Erklärung dafür, warum die raffinierten Wildmustangs sich tiefer in die Schluchten und Canons und steilen Felswände verzogen hatten.

»Hier ist eine Bande von Idioten am Werk!«, wetterte Henessy. »Die halbe Welt ist in diesen verdammten Bergen und will sich ein Vermögen an Pferdeschwänzen verdienen. Als wenn man Wildpferde mit Zuckerstückchen fangen könnte!«

Tatsächlich hatten die fremden Fangmannschaften durch ihr unvorsichtiges Verhalten die Broncos verscheucht.

Am Ende der zweiten Woche traf Roy bei einem weiten Streifritt durch das Massiv des Castle Dome ganz unvermittelt auf das Lager eines Jagdtrupps, dem er nicht mehr ausweichen konnte.

Fünf wenig freundliche Männer schauten ihm in abwartender Haltung entgegen. Es war gewiss kein Zufall, dass sie alle die Gewehre in den Händen hielten. Roy tat, als sehe er es nicht, ritt bis an den Seilkorral heran, in dem die Reservepferde der Mannschaft standen, und tippte lässig an den Hut. Ein grauhaariger, klobiger Mann trat einen Schritt vor und knurrte unwirsch: »Wenn Sie auch zu denen gehören, die uns hier nachschnüffeln, dann verschwinden Sie – aber schnell!«

»Leider konnte ich nicht über Ihr Lager hinwegfliegen, Mister. Sie können aber darauf wetten, dass ich an Ihrer Stelle lieber eine kleine Herde von Wildbroncos gefunden hätte. Nichts für ungut. Nur eins noch: Wenn sich zufällig einer von Ihnen in mein Lager verlaufen sollte, so ist er herzlich willkommen. So long, Gentlemen!«

Er trabte an, doch plötzlich grinste der grobgesichtige Mann und ließ die Winchester sinken. Er wechselte einen schnellen Blick mit einem der anderen Boys, ehe er brummte: »Scheint so, als wären Sie okay. Steigen Sie ab. Der Kaffee wird in einer Viertelstunde fertig sein.«

Lächelnd glitt Roy aus dem Sattel. Der grauhaarige, klobige Mann stellte sich als Bent Harley vor. Er hatte eine kleine Ranch im Washakie-County, genauso wie zwei seiner Freunde.

»Seit Wochen suchen wir nach diesen verdammten Besenschwänzen!«, brummte der Alte. »Es ist wie verhext. Und dabei hats hier immer große Herden von Wildpferden gegeben.«

»Ich weiß«, nickte Roy. »Deshalb bin ich ja auch hier. Vor einem halben Jahr noch habe ich auf einem Streifzug durch die Wind-River-Mounts genug Broncos gesehen, um die ganze Armee damit beritten zu machen.«

»Sind Sie Wildpferdfänger von Beruf?«

»Wie man’s nimmt. Ich habe schon so ziemlich alles gemacht, was ein Mann im Sattel tun kann. Und nicht immer verdient man so viel, wie jetzt die Armee bietet.«

»Das ist wahr! Deshalb haben wir uns ja auch auf die Socken gemacht. Kennen Sie das Washakie-County?«

»Nein. Ich war noch nie dort. Liegt es nicht am Sweetwater-River?«

»Richtig. Es ist ein gutes Land – oder vielmehr war es ein gutes Land. Wir sind immer gut und in Frieden zurechtgekommen, aber seit einigen Jahren ist das vorbei.«

»Warum? Finden Ihre Rinder nicht genug Nahrung?«

»Doch. Mehr als genug. Aber sie finden zu viel Liebhaber. Ich habe in drei Jahren etwa tausend Rinder verloren, und meinen Partnern geht es nicht anders. Wir stecken bis zum Hals in Schulden, verstehen Sie! Sonst wäre ich nie auf die verrückte Idee gekommen, in diesen verdammten Bergen nach Herden zu suchen!«

»Manchmal habe ich fast das Gefühl, als wenn hier eine Mannschaft unterwegs ist, die keine Ahnung von der Jagd hat und alle Herden verscheucht. Haben Sie hier in den letzten Tagen öfter geschossen?«

»Nein. So gut wie gar nicht. Ich war nur zweimal unterwegs und habe einen Braten erlegt. Aber das mit dem Geschieße stimmt. Wir haben es auch häufiger gehört.«

Roy nickte. »Das könnte die Mustangs vertrieben haben. Meine Mannschaft hat noch nicht einen Schuss abgegeben.«

»Irgendetwas stimmt hier nicht. Darum war ich auch vorhin so wild, als Sie in unser Lager geritten sind. Ich habe das verdammte Gefühl, dass wir beobachtet werden – seit Tagen schon. Und dabei haben wir noch nicht den Schatten eines Menschen in unserer Nähe gesehen. Verstehen Sie das?«

»Nein.« Roy schüttelte den Kopf. »Ich glaube das auch nicht. Vielleicht haben Sie zu viel mit Rinderdieben zu tun gehabt, sodass Sie jetzt immer noch unter diesem Albdruck leiden. Wer sollte Sie hier beobachten – und warum?«

»Das frage ich mich ja auch dauernd.

Aber wenn Sie unsere Feinde kennen würden …«

Er brach ab und sprang jäh von seinem Sitz am Rande des Feuers auf. Roy Maxim sah, wie der alte Mann unter der ledernen Bräune förmlich grau wurde. Ein leichter Windstoß trieb den Rauchschleier über dem Feuer auseinander – und nun sah auch Roy den Mustang, der den Canon heraufgetrabt kam. Er schien ledig zu gehen – aber es schien nur so.

Quer über dem Sattel lag bäuchlings ein Mann. Seine Arme hingen schlaff auf der linken Seite des Pferdes herab, seine Beine auf der rechten.

»Clark!«, schrie Bent Harley. Und dann noch einmal, dumpf stöhnend: »Clark – mein Junge!«

*

Roy Maxim war als einer der Ersten neben dem Pferd und dem Mann darauf. Er sah das tropfende Blut und hob den Jungen behutsam aus dem Sattel. Er legte ihn flach auf den Rücken, zog das Messer und schnitt Lederjacke und Hemd auf, bis die Kugelwunde Beilag.

»Verbandszeug – schnell!«, rief er. »Er lebt noch! Verdammt, beeilt euch!«

Einer der Männer hinter ihm rannte davon. Dann knackte in Roys Rücken der Hahn eines Gewehres – und Bent Harley sagte knirschend, mit einer völlig unkenntlichen Stimme: »Stehen Sie auf – und nehmen Sie die Hände hoch! Schnell – oder ich jage Ihnen das Blei in den Rücken!«

Roy wandte langsam den Kopf. Er schaute genau in die drohende Mündung der Winchester. Er blieb ganz kalt, obwohl er in den Augen des alten Mannes den wahnsinnigen Entschluss las. Er sagte: »Mr. Harley, nehmen Sie sich zusammen! Wenn einer von Ihnen es besser versteht, mit Wunden umzugehen, mache ich ihm gerne Platz. Aber ich habe schon schlimmere Löcher zugeflickt als dies hier.«

»Noch ein Wort!«, fauchte Harley. »Noch ein Wort – und ich vergesse mich. Ich habe dir Hundesohn gleich nicht getraut! Steh auf! Weg von meinem Sohn!«

Roy erhob sich langsam. Seine Stimme klang immer noch glatt und fast gleichgültig, als er sagte: »Sie leiden an Verfolgungswahn, Mister. Glauben Sie, dass Sie Ihrem Sohn so helfen können?«

Und dann, ganz unvermittelt, machte Roy einen mächtigen Satz zur Seite. Er hatte gesehen, wie die Backenmuskeln Harleys weiß hervorsprangen. Das zeigte ihm mehr als alle Worte, in welcher Verfassung der alte Mann war.

Den Bruchteil einer Sekunde zu spät ließ Bent Harley die Kugel fliegen. Sie schlug in die Felsen, während Roy Maxim auf dem Boden landete und gedankenschnell den Colt zog. Er sah, wie Harley durchlud und das Gewehr herumschwenkte. Er schoss und schmetterte dem wahnsinnigen Alten mit dem Blei das Gewehr aus der Hand. Dann stand er auf und sagte scharf: »Schnallt ab – ihr alle! Ich lasse mich nicht von euch umlegen!«

Sie gehorchten ohne den Versuch einer Gegenwehr.

Vom Feuer herüber kam der Mann mit dem Verbandszeug gelaufen. Es war ein krummbeiniger, alter Cowboy, der im Laufen seinen Gurt abschnallte und fallen ließ. Er rief: »Wollt ihr Narren Clark verbluten lassen? Schnallt ab und helft ihm!«

Der Rancher Curly Purvin zischte einen Fluch und warf das Halfter weit hinter sich. Die übrigen drei Männer folgten seinem Beispiel. Roy schob den Colt zurück und pfiff nach seinem Pferd, das sofort mit schleifenden Zügeln herbeigetrabt kam. Er sagte leise: »Es tut mir leid, dass ich Sie so hart anfassen musste, Gentlemen. Ich kann es verstehen, dass Mr. Harley die Nerven durchgegangen sind. Aber Sie müssen auch Verständnis dafür haben, dass ich mich nicht einfach abschießen lassen kann. Wir können auch jetzt noch das Kriegsbeil begraben, Mr. Harley. Ich möchte Ihnen gern helfen.«

»Verschwinde, du Satan!«, schrie der alte Rancher. »Und komm mir nie wieder unter die Augen!«

Purvin legte dem Alten die Hand auf die Schulter. »Hör auf, Bent! Noch ist dein Junge zu retten. Lass es den Boy tun!«

Harley stieß Purvin wild weg.

Da trat Roy schnell vor, zog den Colt und schlug dem Alten den Kolben nicht allzu hart über den Kopf. Er fing den Zusammenbrechenden am Kragen auf, zerrte ihn hoch und legte ihn in Curly Purvins Arme. Dann krempelte er die Ärmel auf und begann mit der Arbeit. Mit einer in Jod getauchten scharfen Klinge tastete er vorsichtig in die Wunde und stieß tatsächlich auf eine Kugel, die vor der Rippe festsaß. Dann warf er mit einem Schwung der Klinge die Kugel aus, behandelte die Wundränder mit Jod und drückte einen dicken Wattebausch in das Kugelloch. Er legte kunstgerecht einen Verband an, erhob sich langsam und wischte die Hände an der Hose ab.

Bent Harley war inzwischen wieder zu sich gekommen. Benommen starrte er auf den weißen Verband über der nackten Brust seines Sohnes. Er stöhnte leise, ohne Roy anzusehen.

Roy Maxim stieg in den Sattel und sagte abschiednehmend: »Wenn ihr ihn auf einer Schleppbahre so schnell wie möglich und so sanft wie möglich zu einem Arzt bringt, müsste er es überleben. Aber haltet seinen Vater von ihm fern.«

Im Galopp stob er davon, den langen, gewundenen Schlauch des Canons entlang.

*

Für die zehn Meilen bis zum Standlager brauchte Roy fast zwei Stunden, obwohl er ziemlich bequeme Pfade reiten konnte. Er sah das kleine, fast rauchlose Indianerfeuer, das seine Boys angezündet hatten, erst auf den letzten hundert Schritten. Er rief schon von Weitem: »Ich bin’s, Jungens, Roy.«

Plötzlich erstarrte er förmlich im Sattel. Jenseits des Feuers standen zwei gesattelte Pferde. Roy hielt den Atem an und senkte vorsichtig die Hand zum Colt. Er schwenkte langsam den Kopf und atmete auf, als er in Rap Reillys grinsendes Gesicht starrte.

»Besuch?«, fragte er knapp, ohne den Sattel zu verlassen.

»Ja, Boss«, nickte Reilly. Und nun lösten sich die Schatten der beiden Fremden zusammen mit Jock Pock von einem Felsblock, der in tiefer Finsternis am Rande des Talkessels lag. Weiter hinten im Tal meldete sich Henessy Murdock mit seiner rauen Krähenstimme. »Roy – bist du das?«

»Natürlich, Henessy«, rief Roy schnell. »Oder glaubst du, mein Geist reitet hier spazieren?«

Er ließ sich zu Boden gleiten, und Rap Reilly führte den Wallach zum Absatteln in den Seilkorral. Jock Pock tippte an den Hut, deutete auf die beiden in schwarzes Leder gekleideten Fremden an seiner Seite und brummte: »Sie kamen vorhin ins Lager und meinten, bei uns gäbe es einen Gratis-Kaffee. Ich habe ihnen gesagt, wir wären verdammt arme Satteltramps …«

»Natürlich gibts Kaffee für jeden Gast«, unterbrach ihn Roy. »Hast du den Wasserkessel noch nicht auf dem Feuer?«

»Nein, Boss. Ich wusste ja nicht, wann du kommen würdest. Henessy ist auch erst aus dem Sattel gekrochen. Jetzt sucht er das Gebüsch nach Klapperschlangen ab.«

»Wonach?«, fragte Roy verdutzt.

»Nach Klapperschlangen. Er sagte, ihm wäre eine begegnet.«

Roy wandte sich kopfschüttelnd den beiden Fremden zu. Sie waren beide etwa gleich groß und sahen sich in dem schwarzen Leder zum Verwechseln ähnlich. Zweifellos waren sie Brüder. Sie sahen gut aus, beinahe hübsch – lederne, verwegene Gesichter, wie sie das Leben im Sattel prägt. Jeder trug auf der rechten Hüfte einen Colt.

»Gäste sind uns immer willkommen«, sagte Roy. »Nehmen Sie Platz, Gentlemen. Mein Name ist Roy Maxim.«

Der mit dem Schnurrbart zeigte lachend die Perlenketten weißer Zähne. »Okay, Roy. Ich bin Rhee Gum, und das ist mein Bruder Snake.«

Sie setzten sich. Jock Pock bemühte sich um den Wasserkessel, während Rap Reilly noch Holz herbeischaffte. Nur Henessy Murdock ließ sich immer noch nicht blicken. Auch auf Roys lautes Rufen antwortete er nicht. Manchmal hatte er schon seinen eigenen Kopf.

»Suchen Sie nach Mustangs?«, fragte Roy.

Rhee Gum nickte.

»Seit acht Tagen. Wir haben die Nase voll. Wenn unsere Partner heute und morgen wieder nichts finden, reiten wir zurück.«

»Ah – Ihr Partner ist wohl Wildpferdjäger?«

»Ja. Haben Sie schon mal von Tempe Coton gehört? Er versteht so viel von Gäulen, als wäre er selbst mal Leithengst gewesen!«

Roy Maxim blieb der Bissen fast im Hals stecken, als er den Namen Tempe Coton hörte. Er kannte ihn.

Dass Tempe Coton ein Wildpferdjäger sein sollte, war ihm neu. Damals war er ein Revolverschwinger gewesen, einer von der üblen Sorte. Roy hatte allerdings nichts mit ihm zu tun gehabt, sondern ihn nur einige Male gesehen.

Roy blieb auf der Hut.

Ganz unvermittelt brachen die Brüder Gum auf, nachdem das Gespräch sowieso eingeschlafen war. Sie bedankten sich mit betonter Herzlichkeit für den Kaffee, schwangen sich gewandt in die Sättel und stoben davon.

Zehn Minuten später kam Henessy Murdock pfeifend aus dem oberen Teil des Tales und tat ganz erstaunt, dass die Besucher schon weg waren.

»Hast du deine Klapperschlange gefangen?«, fragte Roy.

»Blödsinn«, brummte Henessy. »War bloß ’ne Blindschleiche. Aber was wichtiger ist: Ich weiß, wo die Herde wilder Broncos steht!«

»Wo?«, schrien Roy, Rap Reilly und Joch Pock wie aus einem Mund.

»Weit, Boys. Sehr weit. Ich war oben auf dem Mount Lady. Nicht ganz oben natürlich, aber doch so weit, dass ich ungefähr hundert Meilen weit gucken konnte.«

»Sagen wir fünfzig!«, grinste Roy.

»Halt den Mund!«, fauchte Henessy. »Habe ich die Herde gesehen oder du? Wenn ich sage hundert Meilen, dann waren es eher zweihundert – aber keine fünfzig.«

»Okay, alter Junge. Also reiten wir!«

»Was denn – jetzt? Mitten in der Nacht? Dich hat wohl was gebissen! Ich will meinen ehrlich verdienten Schlaf haben, verstanden!«

»Nicht in dieser Nacht, Henessy. Hier ganz in der Nähe ist eine Treibmannschaft. Man hat einen Boy davon abgeschossen – und mich haben sie in Verdacht.«

Henessy Murdock spie aus, nahm seinen Sattel und stampfte auf den Korral zu.

»Wenn man dich schon allein laufen lässt, gibts nichts als Scherereien.«

*

Es waren eher vierzig als dreißig Meilen, die sie reiten mussten. Und es waren nicht dreihundert Mustangs, wie Henessy zuerst behauptet hatte, sondern rund zweihundert. Und sie brauchten fast die ganze dritte Woche dazu, bis sie nach unendlicher Vorsicht und unendlichen Strapazen auch die letzte Falle hinter der wilden Meute schließen konnten.

Ihre kleinen harten Hufe glitten über riffeligen Fels zu Tal. Roy Maxim kletterte hinter den letzten Tieren der Herde einen Felskamin hinauf, der ihn zu einem Pfad brachte. Er sperrte ihn an der engsten Stelle mit kreuz und quer gespannten Stricken. Von hier bis zur Talsohle mochten es dreihundert Fuß sein. Roy kletterte diese Steilstrecke des Pfades erst hinunter, als die obere Absperrung fertig war. Und dann, auf einem Felsabsatz zehn Fuß über einem großen Wasserbecken, gab er den Schuss ab – das Zeichen für seine Partner, die den Canon zum Haupttal hin sperren sollten.

Dort arbeitete Henessy Murdock mit der Geschicklichkeit eines erfahrenen Jägers.

Sie hatten von weit her Stangen angeschleppt, aber ehe sie aus ihnen den Korralzaun fertigten, zündeten sie den großen Holzstoß inmitten des Canon an.

Ein Zittern ging durch die undeutlich auf dem Talgrund schwankende Masse der Pferdeleiber. Der Leithengst stieß ein schrilles Wiehern aus und galoppierte geradeswegs auf Roys Standpunkt los. Roy war bereit, den wilden Hengst zu erschießen, wenn es nicht anders ging.

Er riss ein Streichholz an und schoss gleichzeitig drei Kugeln über den anstürmenden Hengst hinweg. Er bäumte sich wild auf, und Roy sah deutlich die funkelnden Augen des Tieres. Sah dahinter die wogende Masse verängstigter Tiere, die blindlings dem Leithengst folgen wollten. Er hielt den Daumen auf dem Hammer, bereit zum tödlichen Schuss – aber es war nicht nötig. Der Hengst drehte ab, umkreiste die Herde und versuchte keinen zweiten Durchbruch.

Jetzt spannte Roy auch hier unten am Eingang des Pfades seine Lassos, während seine Partner weiter unten im Canon die Pfähle in die Erde schlugen und den Stangenkorral anfertigten. Als der Morgen graute, war diese Arbeit getan – und die schwerste Arbeit konnte beginnen: das Zureiten und Einbrechen der Broncos.

*

Zwei lange Tage quälten sie sich vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl. Es war eine höllische Arbeit, und wie es aussah, würden sie noch drei weitere Tage brauchen, bis auch der letzte Mustang sich halbwegs an den Sattel gewöhnt hatte.

Am Nachmittag dieses zweiten Tages passierte das kleine Malheur, das unabsehbare Folgen haben sollte. Jock Pock hatte den Küchendienst zu versehen, und er stieß ungeschickt die Vorratsbeutel mit Salz, Zucker, Gewürzen und Kaffee in das Feuer.

»’ne Maschine muss geölt werden, sonst läuft sie nicht«, erklärte Henessy Murdock. »Mit ’nem Menschen ist das nicht anders. Wenn ich mal einen Tag hungern soll, tut mir das nicht weh. Aber wir brauchen mindestens noch zehn Tage für den Rest der Arbeit und den Trail. Zehn Tage Kohldampf schieben? No, Gentlemen! Das sind mir alle verdammten Mustangs der ganzen Welt nicht wert!«

»Okay«, murmelte Roy. »Also wird einer von uns reiten und Vorräte besorgen. Ungefähr einen Tagesritt von hier ist eine Handelsniederlassung. Wer reitet?«

»Du!«, sagt Henessy. »Du hast in diesen beiden Tagen mehr gearbeitet als wir andern zusammen. Außerdem ist es dein Geld, mit dem dies ganze Unternehmen bis jetzt finanziert wird.«

»Nein«, schüttelte Roy den Kopf. »Ich bleibe. Ihr beide lost es aus.«

Reilly und Pock schlossen sich Henessys Meinung an. Also war Roy überstimmt. Er gab nach. Vor dem ersten Sonnenstrahl am nächsten Morgen saß er im Sattel und verließ den Canon. Als er zurückschaute, stocherte Henessy Murdock gerade das Feuer in Gang.

*

Geier sind nicht nur die Totengräber, sondern gewöhnlich auch die Unglücksboten der Wildnis. Wenn sich so viele an einem Platz trafen, wie das vor ihm der Fall war, musste es etwas auf sich haben. Roy zog vorsichtshalber die Winchester aus dem Scabbard und hielt sie schussbereit. Langsam ging er die Serpentinen des Saumpfades an – und dann hörte er ein tiefes Grunzen und Stöhnen und ein zunächst undeutbares Rumoren in der Schlucht zur Rechten des Pfades.

Er saß ab und schaute in die Tiefe. Was er dort sah, war erstaunlich genug, war ein mehr als seltsames Wiedersehen mit seinem Leithengst, den er gerade erst hatte laufen lassen.

Das Tier befand sich in einer trostlosen Lage. Es war zweifellos vom Saumpfad abgestürzt und lag gut zwanzig Fuß tief in der engen Schlucht.