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Südtiroler Almen hautnah erleben! Eine Großfamilie, die sich den Traum vom Landleben erfüllt, ein etwas anderer "Rustikal-Golfplatz", Hausbesuche des Käse-Doktors - der Südtiroler Almalltag hat viele Gesichter. Irene Prugger machte sich auf, um diese zu porträtieren. Entstanden sind 28 unterhaltsame und informative Almporträts, die von Almen erzählen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten - von beeindruckenden Hochgebirgsalmen im Norden und in den Dolomiten bis zu Almen mit südlich-exotischem Flair. Zusätzlich lässt sie in einfühlsamen Interviews Menschen zu Wort kommen, die eine besondere Verbindung zum Almleben haben - vom Journalisten Florian Kronbichler, der als Kind Hüterbub war, über die Politikerin Martha Stocker, die als Zehnjährige allein mit dem Pferdefuhrwerk auf die Alm fuhr, bis hin zu Reinhold Messner, der darüber Auskunft gibt, warum ihn als Extrembergsteiger auch die Almlandschaft fasziniert. - 28 Almporträts, mit Charme und Gefühl erzählt - ein Lesebuch, das in die Welt der Almen eintauchen lässt - faszinierende Einblicke in den echten Alltag auf Südtiroler Almen - spannende Interviews - viele wissenswerte Hintergrundinformationen - stimmungsvolle Farbfotos
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Seitenzahl: 309
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Löwenzahn
Ungekürzte E-Book-Ausgabe 2014
© 2012 by Löwenzahn in der Studienverlag Ges.m.b.H.
Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
E-Mail: [email protected]
Internet: www.loewenzahn.at
ISBN 978-3-7066-2713-9
Cover: hoeretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol
Satz Innenteil (nach Entwürfen von Manuela Weiß): Judith Eberharter, Eine Augenweide, www.eine-augenweide.com
Fotografien: Irene Prugger, wenn nicht anders angegeben.
Porträtfotos bei den Interviews: Gabriel Tschöll, www.gommafoto.it.
Foto „Siegfried und Burgl im Sommer 1951 auf der Bachleralm.“: Privatbesitz Siegfried Steger
Foto „Rosegger und Defregger im Sommer 1900 auf der Spinges Alm.“: Privatbesitz Familie Defregger
Foto „Heumahd auf der Kreuzwiesenalm.“: Privatbesitz Familie Hinteregger, Lüsen
Fotos „Der grenzenlose Raum der Freiheit“: Privatbesitz Egon Moroder Rusina
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen
Textes kommen.
Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.loewenzahn.at.
Löwenzahn
Melchermuas und Macchiato – Vorwort
Almporträts
Castelfeder, Montan
Tschaufen am Tschögglberg, Mölten
Petersberger Leger Alm, Petersberg/Deutschnofen
Timmelsalm, Moos im Passeier
Aglsalm, Ratschings
Madritsch Alm, Sulden am Ortler
Seiser Alm, Kastelruth
St. Anna Alm/Pfistrad, St. Leonhard im Passeier
Zunderspitz Alm, Ratschings
Bachleralm, Mühlwald
Lafetz Alm, Unser Frau im Schnalstal
Tschenglser Alm, Tschengls
Schwarzbachalm, St. Johann im Tauferer Ahrntal
Spinges Alm, Mühlbach
Pragser Rossalm, Prags
Lüsner Almen, Lüsen
Tuferalm, St. Gertraud im Ultental
Höfer Alm, Schleiser Alm, Oberdörfer Alm, Brugger Alm
Freundalm, Ratschings
Öttenbacher Alm, Sarnthein
Medalgesalm, St. Martin in Thurn
De Fojedoera, St. Vigil in Enneberg
Fane Alm, Vals
Rittner Almen, Ritten
Valsalm und Weitenbergalm, Pfunders
Matscher Kuhalm und Upi Alm, Mals/Schluderns
Krabesalm, Altrei
Cuecenes-Raschötzalm, Gröden
Interviews
Emilio Dallagiacoma – Die Rückeroberung der Weideflächen
Reinhold Messner – Die Alm erzählt viel über den Menschen
Alexandra von Hellberg – Im Reich der Naturwesen
Martha Stocker – Mit dem Pferdefuhrwerk über die Grenze
Gianni Bodini – Das Multi-Kulti hat mir immer gefallen
Renate Telser – Grüße von der Weiberalm
Florian Kronbichler – Vom Heimweh eines Hüterbuben
Joseph Zoderer – Auf den Wegen der Selbstfindung
Peter Zangerl – Eine feine Sensorik für Käse
Maria Profanter – Früher war Zusammenhalt lebensnotwendig
Melchermuas und Macchiato
Foto: Gabriel Tschöll
E s ist so weit, es gibt wieder Almgeschichten zu lesen! Weil das Echo auf mein Nordtiroler Almbuch* so überaus erfreulich war, habe ich meine Recherchen ausgedehnt und war zwei Jahre lang in Südtirol unterwegs.
Auch in diesem Buch werden wieder ganz unterschiedliche Almen vorgestellt: kleine und große, touristische und verborgene, Genossenschafts- und private Almen, Almen mit Milchviehhaltung und Sennerei, Galtviehalmen oder Almen, auf denen hauptsächlich Pferde, Ziegen, Schafe oder gar Yaks gehalten werden. Aus Platzgründen können nicht alle „wichtigen“ Südtiroler Almen vorkommen, auch nicht jedes Tal, aber die Auswahl reicht von beeindruckenden Hochgebirgsalmen im Norden und in den Dolomiten bis zu Almen mit südlich-exotischem Flair. Sie zeigen die ganze reiche Vielfalt, die ich – auch kulinarisch – bei meinen Ausflügen genießen durfte: Melchermuas und Macchiato eben.
Wie schon bei meinen Nordtiroler Reportagen haben mich auch in Südtirol viele Menschen unterstützt, ihnen allen möchte ich herzlich danken. Sie haben mir ihr Wissen und ihre Erfahrungen mitgeteilt, wie z. B. Bertram Stecher vom Sennereiverband Südtirol oder Luise Gafriller von Pro Vita Alpina. Andere haben mir mit Empfehlungen weitergeholfen, wie die Journalistin Evi Keifl, auf die ich durch das informative Reise- und Lesebuch „Südtirol der Frauen“ aufmerksam wurde. Viele weitere haben sich für Interviews oder als kompetente Almbegleiter zur Verfügung gestellt, davon ist ohnedies im Buch zu lesen.
Die Almfotos habe ich auch diesmal wieder selber gemacht, aber bei den Porträtfotos zu den Interviews hatte ich kompetente Unterstützung von Gabriel Tschöll aus Auer. Er ist nicht nur ein hervorragender Fotograf, er hat auch viele Kontakte hergestellt und unsere Arbeitsausflüge waren immer sehr vergnüglich.
Auch wäre es nicht ohne die freundliche Zuvorkommenheit der Menschen auf den Almen gegangen. Sie haben mir viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft entgegengebracht. Fast immer verlief die Kommunikation ohne Probleme, denn wir sprachen (meistens) die gleiche Sprache und einen ähnlichen Dialekt. Mitunter war mein Gegenüber almerisch schweigsam und ein bisschen misstrauisch, dann brauchte es Geduld auf beiden Seiten, aber es entwickelte sich schließlich doch immer ein anregendes Gespräch. Auf der Alm finden bekanntlich die Leute zusammen.
Schwieriger waren manchmal die allerersten Kontaktaufnahmen, bei denen ich telefonisch versuchte, einen Termin für ein Gespräch zu vereinbaren. Da war es dann mit dem einen oder anderen Südtiroler Urgestein nicht ganz so einfach, auf einen grünen Zweig zu kommen.
Über welche Umwege wir zum Ziel gelangt sind, ist hier zu lesen:
Grüßgott, ich heiße Irene Prugger und schreibe gerade ein Buch über Südtiroler Almen und deshalb …
Wos?
Ich schreibe gerade ein Buch über Südtiroler Almen.
Jo und?
Und da wollte ich Sie fragen, ob wir uns einmal zusammensetzen könnten, weil Sie sich ja mit Almen gut auskennen und Sie mir vielleicht etwas erzählen könnten über …
I? Wieso i?
Ja, Sie haben doch mit Almen zu tun …
Wer sog des?
Stimmt das nicht?
I hon damit nix z’tian.
Aber Sie wurden mir empfohlen. Ich soll Ihnen übrigens schöne Grüße ausrichten von …
A bissl wos halt. A bissl wos hon i schun damit z’tian.
Eben deshalb wollte ich Sie fragen, ob ich Sie einmal besuchen dürfte und wir darüber reden könnten …
Wann soll des sein?
Ja, da müssten wir einen Termin ausmachen.
I hon oba nit viel Zeit.
Deshalb wär ein Termin ganz günstig.
Jo kimmsch halt amol eini.
Wann genau?
Jo, des konn i iatz no nit sogn.
Vielleicht übernächste Woche? Da ginge es mir gut aus. Wir müssten halt einen Tag vereinbaren.
Der Tog isch mir gleich.
Ich wohne in der Nähe von Innsbruck und muss extra nach Südtirol fahren, deshalb wärs mir lieber, wenn wir uns auf einen Tag einigen könnten.
Ich bin eh olm do.
Aber Sie haben doch gesagt, Sie haben nicht viel Zeit.
Zeit hon i nit viel, oba i bin olm do.
Wie wärs übernächsten Mittwoch?
Bin i do.
Den ganzen Tag?
Konn sein, dass i amol kurz weg muaß. Ruafsch holt vorher on, bevor kimmsch.
Aber auf übernächsten Mittwoch können wir uns einigen? So gegen Mittag?
Mittog isch schlecht.
Vormittag? Nachmittag?
Des isch mir gleich, oba Mittog isch schlecht.
Dann komme ich am Vormittag. Übernächsten Mittwoch am Vormittag. So gegen zehn. Passt das?
Von mir aus.
Vielleicht können Sie mir noch ganz kurz den Weg beschr…
I muaß iatz orbatn. Konn nit in gonzn Tog telefoniern.
Macht nichts, ich finde schon irgendwie hin. Soll ich Ihnen noch meine Telefonnummer geben, für den Fall, dass etwas dazwischenkommt?
Kimmp nix dazwischen.
Ich rufe vielleicht am besten vorher noch einmal kurz an.
Sog i jo die gonze Zeit: vorher onruafn.
Gut, bis dann. Danke!
Wos fir a Buach isch des?
Ein Buch über Almen in Südtirol. Es heißt „Südtiroler Almgeschichten“. Ich schreibe Porträts über Almen und Menschen, die auf der Alm leben und arbeiten.
Aha.
Ja, da können wir dann am übernächsten Mittwoch näher drüber …
Auf der Olm gleb hon i nia.
Das ist auch nicht nötig. Sie erzählen mir einfach von Ihren Erlebnissen auf der Alm.
Und des kimmp ins Buach?
Jetzt reden wir zuerst einmal miteinander und schauen, was dabei herauskommt.
Und wieso kimmsch do auf mi?
Über Empfehlungen. Ich soll Ihnen übrigens schöne Grüße ausrichten von …
Erlebnisse? Wos moansch mit Erlebnisse?
Was Sie so auf der Alm alles erlebt haben.
I hon lei gorbeitet.
Wir reden hauptsächlich über Ihre Arbeit auf der Alm. Ein paar Erlebnisse werden da sicher auch dabei sein.
Wenn kimmsch, hosch gsogt?
Übernächsten Mittwoch.
Bin i do.
Ja fein, prima. Ich freu mich.
Wenn i nit do bin, redesch mit da Frau.
Ja, aber ich wollte schon hauptsächlich mit Ihnen reden, weil …
Lei fürn Foll, dass wos dazwischenkimmp.
Soll ich Ihnen vielleicht doch noch meine Telefonnummer …
Hon i gschpeichert!
Gut, fein, dann bis übernächsten Mittwoch!
Der Weg isch a bissl kompliziert, wenn ma sich nit auskennt.
Danke, ich find das schon. Ich hab ja die Adresse. Ansonsten frag ich mich durch. Kein Problem!
Sunsch ruafsch holt vorher on!
Ja danke, mach ich. Aufwiederh…
A poar Erlebnisse hon i schon ghobt auf da Olm.
Das denke ich mir, aber darüber können wir dann ja am Mittwoch, am übernächsten Mittwoch …
Vielleicht kimmsch besser am Donnerstog, do hon i mehr Zeit zum Redn.
Donnerstag in vierzehn Tagen?
Welcher Donnerstog isch mir gleich.
Gut, abgemacht, übernächsten Donnerstag vormittags gegen zehn.
Oba ruaf vorher on!
Gut, mach ich. So gegen Mittag erreiche ich Sie am besten, oder?
I bin olm do.
Fein, dann sind wir uns einig?
(Stille in der Leitung, am anderen Ende wurde aufgelegt).
Auch dieses Zusammentreffen hat dann wunderbar geklappt und wir führten eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung über die „poar Erlebnisse auf da Olm“.
Er hat nicht mit mir telefoniert, ihn habe ich beim Rittner Almfest mit der Kamera eingefangen.
* Irene Prugger: Almgeschichten. Vom Leben nah am Himmel; Löwenzahn Verlag 2010.
Mein Südtiroler Almsommer beginnt mit einer kleinen Herde Ziegen. Ein bescheidener Anfang, wenn ich an jenes Jahr zurückdenke, als ich zum Auftakt meiner Nordtiroler Almgeschichten den Übertrieb von 1500 Schafen vom Schnalstal auf die Niedertalalm von Vent im Ötztal begleitet habe. Damals ging’s auf über 3000 Meter, heute gerade einmal auf 350 Meter Seehöhe. Dafür befinde ich mich an diesem 1. April aber zwischen blühenden Wildkirschenbäumen und uralten Eichen auf einer der schönsten Almen Südtirols, auf Castelfeder bei Montan, oberhalb von Auer.
Nein, kein Aprilscherz! Castelfeder ist tatsächlich eine Alm, und zwar die niederste Alm Südtirols. Auch gute Südtirolkenner sind überrascht, wenn sie das hören, denn ein almerisches oder gar älplerisches Wesen hat sie ja wirklich nicht, diese 110 Hektar große parkähnliche Naturoase, die eines der beliebtesten Ausflugsgebiete im südlichen Teil des Alto Adige ist und ein geschütztes Biotop. Für die höher gelegenen Almen gibt es allerdings keinen Grund, geringschätzig auf die etwas extravagante Kollegin herabzuschauen, denn sie erfüllt ihre Aufgabe als sommerliches Weidegebiet für landwirtschaftliche Nutztiere hervorragend, und eine Alm- bzw. Hirtenhütte gibt es auch.
Diese steht etwas versteckt im Weidegebiet unter alten Eichenbäumen und sieht ein bisschen, nun ja, vergessen aus. Aber das ist kein Wunder, weil sie ja kaum gebraucht wird. Castelfeder ist so gut zugänglich und liegt so nahe an den umliegenden Ortschaften, dass es nicht nötig ist, die Hirten hier nächtigen zu lassen. Sie kommen tagsüber nachsehen, ob alles in Ordnung ist, und fahren dann wieder nach Hause. Und da hier nur Galtvieh weidet, wird auch keine Sennerei betrieben.
Mich interessiert der Hirtenunterstand deshalb, weil ich auf meinen Fotos immer die Almhütten zeigen will, obwohl die Burgruine hier bei Weitem repräsentativer wäre. Denn wenn von Castelfeder die Rede ist und damit vom Arkadien Südtirols, denkt man sofort an die pittoresken Überreste der prähistorischen und römischen Siedlungen. Auf der strategisch günstig gelegenen Porphyr-Hügelkuppe mitten in fruchtbarem Gebiet siedelten Volksstämme aus der Steinund Bronzezeit, Räter, Römer, Rätoromanen, Ostgoten, Langobarden, Franken, Bajuwaren und mittelalterliche Adelsgeschlechter. Die Ruine der Barbarakapelle sowie die Steinbögen bzw. Kuchelen – das sind übrig gebliebene Bestandteile einer fast 600 Meter langen Mauer einer byzantinischen Festung – wurden schon unzählige Male auch für Tourismusprospekte fotografiert, ebenso die Überreste des alten Römerweges. Über 160 Häusergrundrisse einer vermutlich frühmittelalterlichen Siedlung wurden ebenfalls hier gefunden, deren Ursprünge von einigen Forschern sogar für das legendäre vorrömische Endidae gehalten werden.
Idyllische Ausblicke auf das „Arkadien Südtirols“.
Außerdem gibt es auf Castelfeder auch Schalensteine, Felszeichnungen und natürliche Steinwannen zu sehen – eine davon ist die Fruchtbarkeitsrutsche, über die offenbar schon viele Frauen und wahrscheinlich auch Männer gerutscht sind, so blank geschliffen wie der Stein aussieht. In manchen Fällen wird es wohl geholfen haben, falls sie wussten, dass man das bäuchlings tun muss, um Erfolg zu erzielen. Etwas weniger weit, aber auch in eine geschichtsträchtige Vergangenheit zurück weisen die Dämme der alten Fleimstalbahn, die sich früher in einer abenteuerlichen Trassenführung um den Hügel schlängelte. Sie wurde im Ersten Weltkrieg, als 1916 der Kampf in den Dolomiten gegen Italien begann, von Kriegsgefangenen und der einheimischen Bevölkerung für die Waffen-Nachlieferung gebaut. Die Bahnstrecke führte von Auer bis Predazzo, wurde bis 1963 genutzt und dann stillgelegt. Heute verläuft auf einigen Wegstrecken der Bahn ein Radweg.
Emilio und Robert bei einem Kontrollspaziergang auf Castelfeder.
Ein historisch überaus bemerkenswerter Boden ist dieses Castelfeder, aber so eine alte, halb verfallene Hirtenhütte hat auch ihren Charme. Mir gefällt besonders gut das „Hirschgeweih“ aus knorrigem Geäst und der alte steinerne Ofen, der allerdings fast schon wie die Vorbilder auf der Hügelkuppe Ruinencharakter hat. Hirte ist heute keiner in der Nähe, dafür habe ich zwei sehr sympathische und kompetente Begleiter mit, die mir viel über Castelfeder erzählen: Forstrat Dr. Emilio Dallagiacoma vom Amt für Bergwirtschaft der Südtiroler Landesregierung und Robert Franzelin von der Forststation Neumarkt.
Von den beiden Experten erfahre ich, dass sich zur Ziegenherde, die jetzt in genüsslicher Abgeschiedenheit hier weidet, schon bald Schafe, Rinder, Pferde und voraussichtlich auch ein Esel gesellen werden. Insgesamt sind 60 Großvieheinheiten von Bauern aus der Umgebung den Sommer über auf Castelfeder untergebracht. Bei den Rindern ist es hauptsächlich Grauvieh, also eine widerstandsfähige Rasse, die hier nicht wie andernorts auf Almen oft gegen Kälte und überraschende Schneefälle zu kämpfen hat, sondern gegen die Hitze, die durchaus sizilianisch sein kann. Eine der dringlichsten Aufgaben des jeweiligen Hirten ist es deshalb zu prüfen, ob die Wasserzuleitungen in Ordnung sind und die Tiere ausreichend zu trinken haben.
Bis vor ungefähr 40 Jahren hielt noch nahezu jeder Bauer in Südtirol Vieh, aber dann stellten viele auf Obstbau um. In Montan und Umgebung gibt es noch einige Mischbetriebe und Bauern, die sich weiterhin der Viehhaltung verschreiben. Solche Idealisten sind für ein Gebiet wie Castelfeder besonders wichtig, denn ohne die Sommerweide würden die Flächen sehr rasch verbuschen.
Damit sind wir beim Thema, bei dem sich Emilio und Robert besonders gut auskennen: die Vegetation auf Castelfeder. Sie können hier jedes noch so unspektakuläre Pflänzlein bestimmen und nicht alle machen ihnen Freude. Denn auf dem flachgründigen Boden inmitten der Gletscherschliffe wachsen zwar viele saftige Futtergräser wie die Wiesenrispe – „Man erkennt sie an der feinen Linie in der Blattmitte, die wie eine Skispur oder Langlaufloipe aussieht“, erklärt Emilio –, aber es gibt auch eine Menge hartnäckiger Unkräuter. Diese werden zwar vom Vieh gemieden, doch deshalb vermehren sie sich nur umso schneller. Außerdem zertreten die Kühe die Samen und so kommen diese in den Genuss einer schönen Umarmung durch die Erde und finden optimale Bedingungen für ihre Ausbreitung vor.
Auch Königskerzen, Brombeersträucher, Stinkbäume, Schlehdorn und Konsorten lauern überall auf feindliche Eroberung des Gebietes. Zwar sind sie für die Überwinterung der reichhaltigen Vogelwelt wichtig, geböte man ihnen aber nicht Einhalt, wäre der Strauchdruck innerhalb von Jahren so groß, dass aus dem herrlichen Naherholungs gebiet ein unzugängliches Dickicht würde. Deshalb kümmert sich die Forstbehörde um die notwendigen Maßnahmen, wie zum Beispiel um Einhaltung der Schutzbestimmungen, Bodenanalysen, Mulcharbeiten und Teilrodungen.
Noch gehört die Alm den Ziegen allein.
Es bleibt trotzdem noch genügend Natur in dieser uralten Kulturlandschaft übrig und Besucher können sich im submediterranen Mischwald an Flaumeichen, Manna-Eschen, Hopfenbuchen, Perückensträuchern, Felsenbirnen, Kornelkirschen, Steinweichseln und Heckenrosen erfreuen. In den Trockenrasen wiederum finden sich Walliser Schwingel, Knabenkraut, Schafgarbe und Sonnenröschen. Und dort, wo die eiszeitlichen Gletscher Mulden hinterlassen und sie mit wasserundurchlässigem Ton abgedichtet haben, gedeihen in den Mooren und Feuchtgebieten Seerosen, Seggen, Binsen, Schilf, Mooskolben, Weiden und Erlen. Die Tierwelt ist ebenso vielfältig, auch wenn keine landwirtschaftlichen Nutztiere weiden. Allein die Hecken im Naturparadies bieten Unterschlupf für über 1000 Tierarten.
Die Ziegen, die auf der Weide grasen und ihr beschauliches Leben sichtlich genießen, kümmern sich nicht um botanische Kategorien, sie fressen einfach die Gräser, die ihnen am besten schmecken. Davon gibt es hier genug, da gibt es nichts zu meckern. Für Besucher wie mich ist aber auch dieser landwirtschaftlich genutzte Teil von Castelfeder in seiner bukolischen Anmutung nicht nur eine Viehweide, sondern vor allem eine Augenweide. Danke Emilio und Robert, das war ein Ausflug, der noch lange in Erinnerung bleibt, und ein wunderbarer Auftakt für einen vielversprechenden Almsommer!
Lage: Das zu Montan gehörende Weidegebiet von Castelfeder liegt auf 350 m, die Hügelkuppe auf 450 m Seehöhe; 190 m über der Talsohle, Größe ca. 110 ha. Man kann von Auer hinauf wandern oder einige Kehren auf der Straße nach Cavalese zurücklegen und das Auto am Sportplatz von Montan abstellen. Radweg auf der alten Bahntrasse.
Besonderheiten: Niederste Alm Südtirols, auch Arkadien Südtirols genannt, Überreste prähistorischer Siedlungen wie z. B. die Ruine der Barbarakapelle und die „Kuchelen“; bedeutender Ausgrabungsort, geschütztes Biotop, herrliches Ausflugs- und Naherholungsgebiet mit genutzter Alm- und Weidefläche für 60 Großvieheinheiten.
Verpflegung: Das Jugendhaus Castelfeder wird für Seminare und Projekt-wochen genützt. Ansonsten gibt es auf Castelfeder keinen Ausschank, aber in den hübschen Dörfern ringsum finden sich viele Einkehrmöglichkeiten mit hervorragender Küche.
Wer in Südtirol etwas über Almen wissen will, muss mit den Beamten vom Forst reden. Nachdem Emilio Dallagiacoma mir so ausführlich und kompetent Castelfeder gezeigt hatte, nahm er sich auch Zeit für ein Gespräch zur Gesamtsituation der Südtiroler Almen. Emilio Dallagiacoma wurde 1968 in Bozen geboren, studierte in Padua Forstwirtschaft und war anschließend an der Universität Padua bei der Abteilung Viehwirtschaft, bei der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Gumpenstein in Österreich in der Abteilung Grünland und im Südtiroler Versuchszentrum Laimburg in den Bereichen Grünland, Viehwirtschaft und Almwirtschaft tätig. Seit 1996 ist er Forstrat beim Landesforstkorps Südtirol und in dieser Funktion auch zuständig für die Almen.
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