Südtiroler Zeitreisen - Ulrich Ladurner - E-Book

Südtiroler Zeitreisen E-Book

Ulrich Ladurner

4,9

Beschreibung

Wo liegt Südtirol? Geographisch gesehen lässt sich diese Frage leicht beantworten. Vom Weltall aus ein kleiner Punkt, verlaufen die Grenzen im Norden entlang des Alpenhauptkamms, im Süden grenzt es an das Trentino. Aber wo sind die wahren Grenzen zu ziehen? Vielleicht gar im Inneren, entlang der Sprachgruppen? In einer geistreichen Auseinandersetzung mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft Südtirols geht der ZEIT-Journalist Ulrich Ladurner diesen Fragen nach. Aus acht unterhaltsamen Episoden fügt er ein vielschichtiges, aufschlussreiches und oft auch provokantes Bild des Lebens in Südtirol zusammen.

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Titel

Ulrich Ladurner

Südtiroler

Zeitreisen

Erzählungen

Widmung

für meine Eltern Peter und Elisabeth

für meine Kinder Lilli und Julius

Vorwort

Noch ein Buch über Südtirol? Gibt es denn nicht schon genug davon?! Ja, es gibt mehr als genug. Die Regale in den Buchhandlungen biegen sich unter dem Gewicht südtirolerischer Nabelschau. Jeder Autor sollte deshalb ein Gelübde ablegen: Für die nächsten zehn Jahre wird er keine Buchzeile mehr über Südtirol schreiben. Denn die Welt ist groß, sehr groß. Sie braucht Südtirol nicht. Und sie braucht schon gar nicht noch ein Buch über Südtirol.

Ich weiß das alles. Und ich stimme dem zu. Darum habe ich kein Buch über Südtirol geschrieben, auch wenn es der Titel behauptet. Es ist dies ein Buch über einen kleinen, paradiesisch schönen Landstrich, der seinen aktuellen Namen aufgrund verschiedener historischer Zufälligkeiten verpasst bekommen hat. Obwohl Süd­tirol die korrekte Bezeichnung ist, lenkt sie vom Eigentlichen ab: Wenn von Südtirol die Rede ist, dann sprechen wir von der Welt als Ganzer.

Die Südtiroler verstehen das auf Anhieb. Sie sind von der weltgeschichtlichen Bedeutung ihrer Heimat ohnehin überzeugt. Man bringt ihnen von Kindesbeinen an bei, sich wichtig zu nehmen. Darüber lässt sich leicht spotten. Denn ein Blick in den Atlas genügt. Ein winziger Fleck ist dieses Südtirol, mehr nicht. Doch entgegen aller Gewissheit halten die Südtiroler an ihrem Glauben fest, dass sich zwischen Brenner und Salurn alles Wesentliche abspielt. Hier also soll sich die ganze Welt spiegeln?!

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, habe ich eine Reise durch Raum und Zeit unternommen. Sie führte mich von Toblach im Jahre 1905 über Graun nach Kiens und in das Städtchen Meran des Jahres 1985. Ich flog weiter durch die Zeit, der Zukunft entgegen. Bis ins Jahr 2025 begab ich mich, um zu verstehen, was es mit der Welthaltigkeit Südtirols auf sich hat.

Das Ergebnis, zu dem ich gekommen bin, ist so einfach wie verblüffend: Die Südtiroler haben Recht! Ihre Heimat ist eine Kapsel für alles. Sozialismus, Christen­tum, Faschismus, Demokratie, Monarchie, Turbokapi­talismus – nennen Sie, was Sie wollen. Südtirol kennt alle vormodernen, modernen und postmodernen Erscheinungen. Es ist darum, ganz zu Recht, zu einem Lebensprojekt geworden. Selbst ich, der glaubte, es zu kennen, war überrascht von dem vorgefundenen Reichtum.

Von Südtirol lernen heißt also über die Welt lernen – wie sie war, wie sie ist und wie sie sein wird. Darum ist dieses Buch erschienen.

Toblach, 1905

Franz Hanuschek hätte nie geglaubt, dass es ihn, der 1860 im fernen galizischen Lemberg geboren wurde, eines Tages nach Toblach ins Tiroler Pustertal verschlagen würde. Dabei hatte es doch eine gewisse Logik, dass es so kam. Hanuschek war nämlich Eisenbahner aus Leidenschaft und Überzeugung. Eisenbahner, so glaubte er, sind die Pioniere des Fortschritts. Wenn es darum ging, auf bisher unerschlossenes Gelände vorzudringen, war Hanuschek immer dabei. Gelegenheiten dazu hatte er reichlich, denn gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts entstanden viele neue Bahnlinien. Die kaiserliche Regierung war damit beschäftigt, das bröckelnde Riesenreich zusammenzuhalten, und die Eisenbahnlinien waren die Nähte, die ein Auseinanderbrechen verhindern sollten. Eröffnete die k. u. k. Bahn in einem fernen Winkel des Reiches einen neuen Bahnhof, bewarb Hanuschek sich sofort. Er konnte es gar nicht erwarten, in der Einöde seinen Dienst zu tun. Er wollte, wie er seiner Frau sagte, mit der Fackel der Aufklärung die Dunkelheit ausleuchten. Sie konnte darüber nur bitter lächeln, denn die Arbeit mit dem Umzug blieb meist an ihr hängen, während er vorausfuhr, um die Lage zu erkunden. Das Kriterium bestand dabei nicht darin, ob die neue Destination für die Familie ein geeigneter Ort zum Leben war, sondern ob sie einer war, an dem sich sozialdemokratisches Gedankengut verbreiten ließe. Die Bahndirektion gab Hanuscheks Ansuchen ohne Umschweife statt. Sie schickte ihn sogar mit Freude in gottverlassene Gegenden, denn sie wusste um seine politischen Überzeugungen. Hanuschek war Sozialdemokrat. Das hinderte ihn freilich nicht, an den Geburtstagen des Kaisers seine beste Uniform anzuziehen. Aus Respekt, wie er zu Genossen sagte, die sich über dieses Ritual mokierten. Mochte Hanuschek auch von einer anderen, einer gerechteren Gesellschaft träumen, so war er im Innersten seines Herzens kaisertreu. Zugegeben hätte er das freilich nie.

Die kaiserliche Polizei hatte keinen Sinn für solche Feinheiten und ließ Hanuschek observieren. Wann immer er eine neue Stelle antrat, informierte man auch die lokalen Behörden, dass an dem betreffenden Bahnhof ein Sozialdemokrat mit umstürzlerischen Neigungen seinen Dienst antrat. Man bat, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Von dieser Nachricht aufgeschreckt stellten die Behörden meist einen Polizisten ab, um Hanuschek zu überwachen.

In Toblach fiel diese Aufgabe dem verdienten Wachtmeister Franz Kastlhuber zu. Kastlhuber war ein jovialer Mensch, der es mit dem Gesetz nicht sehr genau nahm und daher bei den Bewohnern von Toblach sehr beliebt war. Denn im Dorf widmeten sich viele ab und zu der einen oder anderen Tätigkeit, die man mit strengen Augen durchaus als gesetzesbrecherisch hätte bezeichnen können, mal war es der Schmuggel, mal die Wilderei, mal der Ehebruch. Doch Kastlhuber sah die Welt nicht mit Strenge, sondern mit einer ihm angeborenen Nachsicht. Man müsse, sagte er immer, dankbar dafür sein, auf dieser wunderbaren Welt leben zu können. Wenn Gott streng wäre, fuhr er fort, hätte er den meisten von uns das Geschenk des Lebens erst gar nicht gemacht. Wir wären nicht geboren worden. Warum sollte Kastlhuber strenger sein als Gott? Das war ihm nicht beizubringen. Seinen Beruf hat er trotzdem ernst genommen. Er sah sich als Hüter des Gesetzes, wobei seine Vorstellung von Recht und Ordnung weniger von den Paragraphen als von den unerwarteten Wechselfällen des Lebens geprägt war, die jeden treffen konnten, auch den Unschuldigsten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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