Lampedusa - Ulrich Ladurner - E-Book

Lampedusa E-Book

Ulrich Ladurner

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Beschreibung

20 Quadratkilometer Kulturgeschichte Zarin Katharina II. wollte die Insel für ihre Flotte erwerben. William Shakespeare siedelte auf ihr sein Drama "Der Sturm" an. Ariosto ließ seinen Rasenden Roland an ihrem Strand kämpfen. Hunderte Soldaten Mussolinis ergaben sich 1943 widerstandslos einem englisch-jüdischen Piloten, der auf der Insel notgelandet war. Der italienische Romancier Tomasi di Lampedusa verspottete die Insel, deren Namen er trug. Und seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Lampedusa für zehntausende Flüchtlinge zu einer Insel der Hoffnung geworden. Ulrich Ladurner hat sich aufgemacht, diese schroffen Felsen mitten im Meer zu erforschen - er fand Zeugnisse aus dem Herzen europäischer Geschichte und Gegenwart.

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Ulrich Ladurner

LAMPEDUSA

Große Geschichteeiner kleinen Insel

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

www.residenzverlag.at

© 2014 Residenz Verlag

im Niederösterreichischen Pressehaus

Druck- und Verlagsgesellschaft mbH

St. Pölten – Salzburg – Wien

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.

Keine unerlaubte Vervielfältigung!

ISBN ePub:

978-3-7017-4465-7

ISBN Printausgabe:

978-3-7017-3331-6

Inhalt

Widmung

Zu diesem Buch

Prolog

1. Ankunft

2. Piraten

3. Vlora

4. Geiseln

5. Hoffnung

6. Revolution

7. Tote

8. Träume

9. Höhlen

10. Kirchen

11. Mangel

12. Müll

13. Krieg

14. Versprechen

Für Lilli und Julius

ZU DIESEM BUCH

Im Sommer 1992 war ich zum ersten Mal in Lampedusa. Ich wartete gemeinsam mit anderen Journalisten auf ein Flüchtlingsboot, das im Hafen einlaufen sollte. Damals war das noch eine Neuigkeit. Ich ahnte nicht, dass Lampedusa im Laufe der Jahre zu einem Symbol für eines der wichtigsten Phänomene unserer Zeit werden würde: die Migration. Keiner konnte wissen, dass vor der Küste dieser winzigen Insel im Laufe der Jahre Flüchtlinge mit schrecklicher Regelmäßigkeit und in großer Zahl ertrinken würden. Ich konnte nicht erkennen, dass Europa zur Festung und Lampedusa einer ihrer Wachttürme werden würde.

Oder hätte ich es doch sehen können? War ich nur geblendet von den aktuellen Ereignissen? War ich nicht fähig, über den Tag hinaus zu denken?

Von heute aus betrachtet erscheint die »Karriere« Lampedusas ja einer gewissen Zwangsläufigkeit zu unterliegen. Näher an Afrika als an Europa gelegen, ist die Insel für ihre Rolle als Grenzposten vorbestimmt. Die Geografie bestimmt ihr Schicksal. Oder ist auch das falsch? Sind es politische Entscheidungen, die Lampedusa zu dem gemacht haben, was es heute ist?

Wie auch immer die Antworten ausfallen, wann immer ich an meinen ersten Aufenthalt auf Lampedusa dachte, empfand ich einen Mangel an Vorstellungskraft, dem ich meine damalige »Blindheit« zu verdanken hatte. Dieses Defizit war eines der Motive, dieses Buch zu schreiben.

Ich wollte mir Zeit nehmen für Lampedusa. Ich wollte sehen, was hinter der Tagesaktualität verborgen lag. Ich hatte Zweifel, ob es denn viel sein konnte. Lampedusa ist ja eine winzig kleine Insel, und sie wurde sehr spät besiedelt. Was sollte da schon zu finden sein? Doch je mehr ich suchte und sammelte, desto mehr kam ich ins Staunen. Ich entdeckte eine Insel, auf der sich Geschichte und Gegenwart in vielfältiger Weise verschränken. Lampedusa ist kein Grenzposten, es ist ein Spiegel Europas.

Den Lesern wünsche ich, dass sie in der Begegnung mit dieser Insel dasselbe Entdeckergefühl überkommt, wie ich es beim Forschen und Schreiben empfinden durfte. Denn Lampedusa ist ein Abenteuer – und das ist wohl die treffendste Bezeichnung für diese Insel.

Hamburg, im Dezember 2013

PROLOG

Lopadusa, Lapadusa, Lopedosa, Lipadusa, Lipidusa, Lampadosa, Lampidosa, Lanbedusa, Lopadosa – das sind Namen, die es im Laufe der Jahrhunderte für jene Insel gegeben hat, die wir Heutigen als Lampedusa kennen. Historiker sind zu keinem klaren Schluss gekommen, welche Bedeutung das Wort Lampedusa tatsächlich hat. Die einen sagen, das Wort Lampe stecke darin, denn diese weit draußen im Meer gelegene Insel wirke wie ein Lichtpunkt, der den Seefahrern Orientierung bietet und den Schiffbrüchigen Hoffnung gibt. Andere wiederum behaupten, die Insel sei vulkanischen Ursprungs und habe um ihr felsiges Haupt zu jeder Jahreszeit ein schwarzes, ballendes Wolkenband getragen, das von Blitzen durchzuckt wurde. »Blitz« heißt auf Italienisch »Lampo«.

Lampedusa liegt 120 Kilometer von der afrikanischen Küste entfernt und 210 Kilometer von der sizilianischen. Seit rund zwanzig Jahren kommen Migranten aus Afrika in bis zum Bersten voll beladenen Booten hierher. Jeder Europäer kennt inzwischen den Namen dieser Insel. Sie wird mit wechselnden Bezeichnungen belegt, die in unterschiedlichen Nuancierungen alle ein bedrohliches Bild evozieren. Lampedusa ist Sprungbrett, Nadelöhr, Einfallstor nach Europa.

Ob man den vielen Tausenden, die gekommen sind, und den vielen Tausenden, die noch kommen werden, das Ziel ihrer Reise nennt? Sagen die Schlepper ihnen: »Ihr fahrt jetzt nach Lampedusa!«? Oder sagen sie ihnen, wenn sie von der nordafrikanischen Küste ablegen, sie würden bald in Europa ankommen, und verschweigen ihnen, dass sie auf einer kleinen Insel landen werden, die zwar zu Europa gehört, aber von dem gelobten Kontinent noch weiter entfernt ist als von der Küste, von der sie gerade aufbrechen? Vielleicht sagen die Schlepper den Flüchtlingen gar nichts, sondern nehmen ihnen nur das Geld ab, pferchen sie auf diesen Booten ein und schicken sie los. Gewiss fragt keiner der Migranten die Schlepper nach dem Ziel, denn sie sind froh, dass sie nun endlich aufs Meer hinaus können, die letzte Etappe ihrer Reise, die sie mitunter über Tausende Kilometer und durch die Wüste geführt hat, wo sie Gefahr liefen, an Hunger und Durst zu sterben oder überfallen und ausgeraubt zu werden. Sie betreten die Boote als Menschen, die schon Tausende Ängste und Entbehrungen durchlitten haben. Das große, bis zum Horizont reichende Wasser, das sich nun vor ihnen erstreckt, mag ihnen zwar unheimlich und bedrohlich erscheinen, doch nicht schlimmer als alles, was sie schon überstanden haben. Selbst für den Fall, dass sie eine lähmende Angst packt, bevor sie über die Planken in das Boot steigen, weil ihnen plötzlich einfällt, dass sie ja gar nicht schwimmen können, selbst dann werden sie sich nicht zurückziehen, sondern auf das Meer hinausfahren, von dem sie doch denken müssen, dass es ihnen den Tod bringen könnte. Es gibt ja keinen Ausweg für sie, außerdem ist das, was sie hinter sich lassen, oft schlimmer als alles, was sie jetzt noch erwartet. Also, auf nach Lampedusa.

In den schaukelnden Booten geht bald schon der Name der Insel von Mund zu Mund, und er erlebt eine Wiederauferstehung in all seinen Variationen, die er im Laufe der Geschichte angenommen hat. Denn die Menschen in den Booten sprechen viele Sprachen und sie versuchen den Namen der Insel, den sie vielleicht eben von einem ihrer Kameraden vernommen haben, nachzusprechen: Lopadusa, Lapadusa, Lopedosa, Lipadusa, Lipidusa, Lampadosa, Lampidosa, Lanbedusa, Lopadosa. Wie ein lyrisches Gebet klingt das, breitet sich im Inneren des Schiffes aus, hält sich hartnäckig gegen das Schlagen der Wellen und das Pfeifen des Windes. Es kommt aus den durstigen, ausgebrannten Kehlen, wandert von Ohr zu Ohr, spendet Hoffnung, Trost und nährt den Glauben, dass bald das Ende dieser fürchterlichen Odyssee erreicht sein wird.

1. ANKUNFT

Es ist früher Abend, als mein Flugzeug in Lampedusa landet, und es ist bereits stockdunkel. Die wenigen Passagiere haben nur Handgepäck dabei. Es sind Einheimische, die für ein paar Tage der Insel entflohen sind, nach Palermo zum Beispiel oder nach Rom. Der Fahrer, den mir das Hotel schickt, erkennt mich in der Empfangshalle sofort. Er grüßt mich mit einem knappen Handschlag, dann eilen wir hinaus ins Freie. Schweigend fahren wir durch den Ort, der schwach beleuchtet und menschenleer ist. Es ist Februar. Um diese Jahreszeit kommen keine Touristen. Es kommen auch keine Flüchtlinge, denn das Meer ist zu gefährlich in den winterlichen Monaten. Alles steht still auf der Insel.

Der Mann an der Rezeption stellt keine Fragen. Obwohl ich schon vor Tagen mein Kommen angekündigt habe, ist er offensichtlich überrascht, einen Gast zu haben, mitten in der toten Saison. Er gibt mir ein Zimmer im ersten Stock, zu einer Gasse hin. Es ist klamm vor Feuchtigkeit, das Deckenlicht wirkt kalt, vor dem Fenster heult der Wind wie ein hungriges Tier. Er rüttelt an den Jalousien, dringt durch jede Ritze und jeden Spalt. Das Treppenhaus ist erfüllt von einem Fauchen, das gedämpft zu mir ins Zimmer drängt. Mir scheint, als erzittere das ganze Haus unter der Gewalt des Windes. Ich schalte den Fernseher ein, um mich abzulenken. Nachrichten aus Rom, der Hauptstadt. Sie ist von Lampedusa mehr als 700 Kilometer entfernt, nach Tunis und Tripolis sind es im Gegensatz dazu nur 300. Politiker sprechen kurze Sätze in ein Mikrofon, dann tritt ein Journalist auf und redet, im Hintergrund ist das italienische Parlament zu sehen, dann sind wieder die Politiker an der Reihe, dann kommt wieder der Journalist. Es wirkt wie ein Theateraufzug, eine Kostümierung. Vielleicht liegt es an der Entfernung, vielleicht wirken die Nachrichten deswegen so unerheblich. Selbst die Wettervorhersage, die auf die Nachrichten folgt, bekommt eine andere Bedeutung. Während der Meteorologe vor einer Karte Italiens hin und her geht und von Wolken, Sonne, Wind und Regen spricht, suche ich auf dieser Karte Lampedusa. Vergeblich. Die Insel ist zu klein, als dass sie auf der Wetterkarte des Fernsehens verzeichnet wäre, zu unbedeutend, gerade einmal 22 Quadratkilometer groß. Ich kann mir nicht merken, was der Meteorologe sagt, ich sehe nur den blanken Himmel über Italiens Süden, die dichten Wolken im Norden, etwas Regen im Osten und etwas Regen im Westen, und dann höre ich den Satz, der sich mir sofort einprägt: »Mari mossi nel Canale di Sicilia« – die Meere im Kanal von Sizilien sind bewegt, aufgepeitscht von den Winden.

Eine Jalousie öffnet sich mit einem Knall. Ich stehe schnell vom Fernsehsessel auf, öffne das Fenster und beuge mich weit hinaus, um den Haken der Jalousie zu fassen. Draußen herrscht ein Tosen und Brausen. Kaum habe ich die Jalousie wieder eingehakt, ziehe ich mich zurück in das Zimmer und schalte den Fernseher aus.

»Einige des Vertrauens würdige Berichterstatter sagen, dass sich niemand auf dieser Insel aufhalten könne, da sie während der Nacht von Gespenstern, Geistern und grauenvollen Erscheinungen heimgesucht werde; die fürchterlichen Erscheinungen, die schreckliche Träume und Todesangst verbreiten, berauben diejenigen, die sich dort auch nur eine Nacht aufhalten wollten, des Schlafes und der Ruhe.« Das schreibt der französische Geograf Armand d’Avezac in seinem 1849 erschienenen Buch »Îles de l’Afrique« über Lampedusa. Welcher Art mochten diese Gespenster wohl sein? Wer waren diese »des Vertrauens würdigen Berichterstatter«? Und kann sich wirklich niemand auf der Insel aufhalten, ohne gepeinigt zu werden?

2. PIRATEN

Am nächsten Morgen gehe ich zu früher Stunde die Via Roma entlang, die zentrale Straße des Ortes Lampedusa. Es sind kaum Menschen zu sehen. Die Geschäfte sind geschlossen, nur ein Café ist geöffnet. Auf Plastikstühlen sitzen drei Männer und plaudern. Ein vierter hält sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die wärmende Sonne. Er hat den Kragen seines Mantels hochgeschlagen. Ich gehe schnellen Schrittes vorbei, denn ich habe das Gefühl, dass ich von den Männern aus den Augenwinkeln beobachtet werde. Es ist Winter, man muss sich die Zeit totschlagen. Ein Fremder ist da gewiss eine willkommene Abwechslung.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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