Suizid ist nicht das Ende - Hannah Semper - E-Book

Suizid ist nicht das Ende E-Book

Hannah Semper

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Beschreibung

Warum? Diese Frage steht oftmals nach dem Suizid eines Angehörigen, Arbeitskollegen oder Freundes im Raum. Der Gedanke an das unwiderrufliche Ende bedrückt die Hinterbliebenen und viele Menschen empfinden diesem Thema gegenüber Angst und Fassungslosigkeit. Nach dem Tod eines Kollegen beschließt Hannah Semper, Verbindung zu seiner Seele aufzunehmen. Damit dringt sie in ihr bisher ungekannte Sphären vor und sucht zu weiteren Seelen Kontakt. In dem Buch "Suizid ist nicht das Ende" kommen Verstorbene, die sich das Leben genommen haben, zu Wort. Mithilfe des automatischen Schreibens führt die Autorin Interviews mit mehr als 60 Seelen. Die einfühlsamen Gespräche geben tiefe Einblicke in die Geisteshaltung der Verstorbenen, zeigen Gründe für Suizid auf und beschreiben den weiteren Weg eines Geistes nach seinem Freitod. Hannah Sempers Buch spendet dem Leser Trost und verdeutlicht, dass nach dem Tod nicht alles vorbei ist, sondern dass sich einer Seele eine neue, friedliche Welt eröffnet.

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Vorwort

1. Das automatische Schreiben

2. Über alle Sprachen hinweg

3. Eintreten in die geistige Welt

4. Weiterführende Kraftwesen

5. Selbstwahrnehmung

6. Dasein zwischen Himmel und Erde

7. Gottesvorstellung davor und danach

8. Zeitbegriff

9. Gemeinsames Sterben?

10. Von der Drogenscheinwelt in den menschlichen Tod

11. Meinungsverschiedenheiten zwischen Seele und Schreibenden

12. Selbsttötung aus Sicht der Seelen

13. Das Weitergehen

14. Grenzen des Arbeitens und Beweisführung

15. Aussagen von meinem geistigen Helfer über den Freitod und den freien Willen des Menschen

Die Autorin

Hannah Sempers Hinwendung und Begabung, mit freiwillig in den Tod gegangenen Seelen Kontakt aufzunehmen und auf ihren Weg zu begleiten, zeigt sich in diesen beeindruckenden Berichten aus einer Welt zwischen Himmel und Erde.

Hannah Semper, 1970 in Wien geboren, Mutter von zwei Kindern, studierte Ethnologie, Medizingeschichte und Humanbiologie. Sie arbeitet als diplomierte Krankenschwester in Wien.

Bei Interesse an einem Kontakt mit der Autorin:

www.suizid-ist-nicht-das-ende.jimdo.com

»Wenn du mich fragst, ob ich euch allen einen weisen Rat erteilen kann von dort, wo ich bin, dann, dass ihr euch bitte, bitte nicht das Leben nehmen dürft. Habt Achtung vor allem, was lebt, und freut euch, solange ihr Mensch sein dürft. Ich glaube zwar nicht, dass alle das erleiden müssen, was ich da durchmache, aber die Freiheit auf der Erde ist größer, als ihr glaubt. Auch wenn ihr irgendwo festgefahren seid im Beruf oder in der Familie, ihr könnt ja trotzdem vieles entscheiden und tun. Das kann ich hier nicht mehr. Meine Entscheidungsfähigkeit ist mir genommen worden.«

(Thomas, 82 Tage nach seinem Freitod)

Vorwort

Sehr viele Menschen gehen davon aus, dass nach dem Tod »alles vorbei« ist. Entschließt sich jemand für den Freitod, so hat er zumindest die Hoffnung, von seinen Sorgen und Problemen, die er auf der Erde hatte, erlöst zu werden. Was »danach« kommt, weiß niemand wirklich, und die Glaubensvorstellungen gehen auseinander.

Ich möchte mit diesem Buch darlegen, dass dem nicht so ist. Eingehende Befragungen von Menschen, die sich das Leben genommen hatten und mit denen ich nach ihrem Freitod als Seele kommunizieren konnte, ließen mich zu diesem Schluss kommen. Das Leben nach einem Suizid ist nicht »aus«. Die Seele nimmt ihre gelebten Erfahrungen, Gedanken und Gefühle mit in den Tod.

Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit »automatischem Schreiben«, einer Kommunikationstechnik zwischen geistiger und hiesiger Welt. Ich habe dem »automatischen Schreiben« ein eigenes Kapitel in diesem Buch gewidmet, worin ich über die Voraussetzungen und Vorgangsweise dieser Technik, die ich auch bei der Befragung der Seelen nach einem Suizid anwende, berichten werde.

Ich begann mich mit dem Thema Suizid näher zu befassen, nachdem sich ein Arbeitskollege, ein Arzt, den ich hier Thomas nennen werde, im Jahr 2012 das Leben genommen hatte. Ich beschloss, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ich wollte von Thomas erfahren, warum er sein Leben beendet hatte, und ihn fragen, ob er sich jetzt an einem Ort befindet, der ihm mehr Zufriedenheit geben kann, als er auf Erden finden konnte. Es ging nicht um persönliche Neugierde. Ich fühlte mich ab dem Zeitpunkt seines plötzlichen Verschwindens belastet und traurig. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass er Hilfe benötigte.

Da ich bisher nur sehr schöne und aufbauende Nachrichten durch das Schreiben mit der geistigen Welt erfahren durfte, wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Ich war bald in Thomas’ Welt, ich nenne sie jetzt »Zwischenwelt«, gefangen. Ich ließ mir von Thomas eine genaue Beschreibung seines Zustands geben, ich litt mit ihm und vergoss so manche Träne währenddessen. Nach einer Woche wurde mir klar, dass es nicht darum ging, ihm die nicht existierende Zeit in diesem Zustand zu vertreiben, sondern dass ich ihn wegschicken, ihn weiterschicken musste. Da ich anfangs nicht wusste, wie ich handeln sollte, agierte ich ganz instinktiv. Ich »rang« mit seiner Seele, mit seinem Glauben und spürte, wie wichtig dieses Gespräch für Thomas war. Ich musste Thomas dazu bringen, selbst zu reflektieren und ihn selbst darum bitten zu lassen, weitergehen zu können. Plötzlich stand der Stift, mit dem ich schrieb, felsenfest. Die Atmosphäre um mich hatte sich geändert. Ich spürte nicht mehr seine Anwesenheit. Es lag tiefer Frieden im Raum. Thomas’ Seele war weitergezogen.

Ich brauchte einige Zeit, um dieses Erlebnis verarbeiten zu können. Doch nur wenige Monate später war ich wieder mit einer Todesanzeige durch Suizid konfrontiert. Ich überlegte mehrere Tage, ob ich mit der zu Lebzeiten mir nur sehr fern bekannten Frau auch Kontakt aufnehmen sollte. Letztendlich tat ich es und war wie bei Thomas mit ihr in Diskussionen verstrickt, die ihren jetzigen Zustand betrafen. Ich wusste nun, dass es auch bei ihr wichtig war, sie weiter »in Richtung Himmel« zu begleiten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemanden gab, der ihr helfen würde. Doch als sie anfing zu glauben, schaffte sie es, sich selbst zu befreien.

Ab diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass ich mich mit Seelen nach einem Suizid austauschen kann und ich sie nicht zu fürchten brauche. Sie waren in keiner »Hölle« verdammt, sondern ganz klar in ihrem Sein. »Selbstmord«, »Freitod«, Begriffe, die versuchen, diese traurige Tat zu benennen, waren kein Tabu-Thema mehr für mich. Ich erzählte und wurde dadurch an viele Seelen herangeführt, mit denen ich nach ihrem freiwilligen Tod kommunizierte. Mit der Zeit wurde ich mutiger und kam auch mit Seelen in Kontakt, die auf Erden eine andere Konfession hatten oder die nie an einen »Himmel« oder Ähnliches glaubten. Die Aussagen tibetischer Mönche, die ihr Leben durch Selbstverbrennung für ihr Land Tibet hingaben, unterschieden sich grundsätzlich durch ihre Geisteshaltung und ihren mitgenommenen Glauben. Sie hatten ihr Leben in Gebet und in ständiger Vorbereitung auf ihre kommende Wiedergeburt verbracht.

Ich habe bis zum heutigen Tag mehr als 60 Beschreibungen von Seelen, die sich das menschliche Leben genommen hatten und mir über ihr Sein danach berichteten.

Es waren Menschen, die aus verschiedensten Gründen den Suizid wählten. Verzweifelte, depressive Menschen, Drogenabhängige, Schwerkranke, Alte, Jugendliche, Märtyrer, Gläubige und Nichtgläubige, Buddhisten, Muslime und Juden sowie Seelen, die den Tod durch Euthanasie erfuhren.

Jede Seele beschreibt ihr neues Dasein auf die ihr eigene Weise, und doch gibt es sehr viele Parallelen. Zusammenfassend kann ich aus meinen Recherchen sagen, dass die Geisteshaltung, in der sich der Mensch zuletzt befand, nach dem Tod bestehen bleibt.

Ungelöste Probleme werden mitgenommen, können aber nicht mehr bearbeitet und gelöst werden.

Alle Seelen dürfen das Leben auf der Erde weiter beobachten und mit ihren Angehörigen (zutiefst!) mitfühlen. Es ist ihnen aber nur gestattet, den irdischen Bereich zu sehen, der sie selbst einmal betraf. Den Menschen können sie sich nicht mehr mitteilen.

Die Seelen haben außer der Begegnung mit einem Geist, Wächter oder einer Energieform (jeder nennt ihn/sie anders), der die Seele von ihrem Körper abholt, keinen weiteren Kontakt mit anderen Seelen oder höheren Wesen. Viele fühlen sich einsam, bekommen aber das Gefühl vermittelt, dass es noch etwas Weiteres gibt als die Welt, in der sie sich nun befinden, und dass sie einmal weitergehen können.

Sie befinden sich in einer Art »Nichts« oder grauen Nebelsuppe.

Manche Seelen bereuen ihren Schritt, die meisten nehmen ihren »Zustand des Wartens« jedoch mit Gleichmut hin. Die Zeit spielt keine Rolle mehr.

Es gibt niemanden, der richtet. Die Seelen sind von ihren irdischen Schmerzen erlöst und frei von Angst.

Die Geisteshaltung der tibetischen Mönche, mit denen ich Kontakt hatte, blieb auch nach dem Tod bestehen – der Glaube, durch ihren Tod etwas Gutes bewirkt zu haben.

Die Seelen sind alle willkommen, in eine neue Form des Daseins weiterzugehen. Bis dorthin durfte ich sie begleiten. Die Momente des Weggehens waren oft überraschend und mit Stille und einem friedvollen Gefühl verbunden.

Seelen, die noch nicht weitergegangen und noch sehr erdverbunden sind – es ist möglich, mit ihnen zu kommunizieren. Ich habe durch das Schreiben die Erfahrung gemacht, dass es den Menschen möglicherweise sogar eher gelingt, diese Seelen zu erreichen als himmlischen Helfern. Ich glaube sogar, dass »der Himmel« Menschen benötigt, erdverbundene Seelen weiterzuschicken, damit sie ihr eigentliches Ziel nach dem Tod erreichen können.

Da das Thema Suizid für alle Betroffenen sehr belastend ist und viele Menschen dieser Tat hilflos und fassungslos gegenüberstehen, war es mir wichtig, mit diesem Buch vorhandene Trauer nicht noch mehr zu verstärken, sondern dem Leser letztendlich ein tröstendes Gefühl zu vermitteln. Es ist für mich von großer Bedeutung, mit diesem Buch aufzuzeigen, dass jeder Seele geholfen werden kann. Es gibt kein AUS und keine Bestrafung nach diesem Tod. Die Seelen befinden sich nach dem Suizid noch nahe der Erde, aber können in ein glücklicheres Sein weitergehen, wenn sie verstanden haben, sich selbst zu befreien.

Worte und Ausdrucksweise der Seelen sind so, wie ich sie empfangen habe. Alle erwähnten Namen der Verstorbenen, die in den letzten Jahren Suizid begangen haben, wurden aus Diskretion von mir geändert. Sind seit dem Freitod mehr als 70 Jahre vergangen, nenne ich den richtigen Namen des Betroffenen. Es waren Menschen, die uns aus der Zeitgeschichte bekannt sind und über deren Freitod berichtet wurde.

Ich werde in den nun folgenden Kapiteln meinen Arbeitskollegen Thomas immer zuerst erzählen lassen. Er war derjenige, den ich am intensivsten befragte und in dessen Gefühlswelt ich am meisten verstrickt war. Er wird in meiner Arbeit mit den Seelen, die sich selbst das Leben nahmen, immer einen besonderen Stellenwert einnehmen.

Ich habe Teile der Gespräche den nun folgenden Kapiteln zugeordnet, und hoffe dem Leser durch diese Botschaften ein abgerundetes Bild von dem Leben nach einem Suizid vermitteln zu können.

1. Das automatische Schreiben

Seit einigen Jahren praktiziere ich das »automatische Schreiben«, indem mir Aussagen verstorbener Seelen oder geistiger Helfer in unglaublicher Geschwindigkeit diktiert werden. Es ist eine Kommunikation zwischen geistiger und hiesiger Welt, die mir schon viel Freude bereiten konnte. Ich schreibe in absoluter Ruhe und Konzentration mit einer Seele oder einem geistigen Helfer, kann meinerseits Fragen stellen und bekomme die erstaunlichsten Antworten auf sehr schnelle Weise präsentiert. Die Worte kommen ohne Absetzen des Stiftes in ununterbrochener Schreibweise. Es wird kein Abstand zwischen einzelnen Begriffen oder Sätzen gemacht. Groß-, Kleinschreibung und Satzzeichen spielen keine Rolle. Der Stift gleitet leicht über das Blatt Papier. Das Handgelenk bleibt locker und unverkrampft. Das Schriftbild ist harmonisch. Die Antworten und Gespräche sind generell sehr liebevoll und hinterlassen ein sehr friedliches Gefühl.

Absolute Ruhe und Konzentration bedeutet, dass ich mit meinen Gedanken und Gefühlen ganz bei der jeweiligen Seele oder dem geistigen Helfer sein muss. Werde ich abgelenkt, funktioniert das Schreiben nicht. Umso wichtiger ist es daher, beim Schreiben alleine zu sein und alle möglichen Störfaktoren wie etwa Telefon oder Radio auszuschalten. Der eigene Alltag, die eigenen Gedanken und eventuellen Sorgen haben während eines solchen Gesprächs nichts verloren. Die ganze Konzentration ruht auf der Seele. Der Stift folgt der Information, die durchgegeben wird.

Die Seele reagiert auf meine Gedanken und Gefühle unmittelbar. Es ist daher immer ein ehrliches, offenes und direktes Gespräch, das gegenseitiges Vertrauen voraussetzt. Es gibt keine Lügen. Kommuniziert man mit einer Seele, ist es nicht möglich, etwas zu sagen und gleichzeitig etwas anderes zu denken, so wie es bei uns Menschen manchmal der Fall ist. Habe ich Zweifel an den Worten der Seele, so spürt sie das und antwortet dementsprechend und umgekehrt. Höflichkeitsphrasen, ja »Geschwafel« möchte ich sogar sagen, gibt es in der geistigen Welt nicht. Daher ist der eigene Gemütszustand beim Schreiben sehr wichtig. Gibt es Tage, an denen man mit eigenen Problemen belastet ist und den Kopf nicht für ein geistiges Gespräch frei machen kann, ist es auch besser, ein solches zu unterlassen.

Sowohl die Seele als auch ich kann das Gespräch jederzeit unterbrechen. Es kommt vor, dass der Kontakt von der Seele unterbrochen wird. Bei Seelen, die ihren Tod selbst herbeiführten, geht es hierbei meist um traurige Gefühle, die sie mit Worten nicht ausdrücken können. Ich fühle dann mit der Seele und spüre Bedrückung.

Wenn es die Seele geschafft hat, ihre Ebene zu verlassen und weiterzugehen, so wird der Kontakt zu ihr ganz plötzlich unterbunden und kann so auch nicht mehr wiederhergestellt werden.

Es ist für mich jederzeit möglich, das Gespräch abzubrechen. Setze ich den Stift ab, bin ich wieder »ganz bei mir« und in »meinem Leben«. Ich mache das in der Regel nicht, ohne mich vorher von der Seele zu verabschieden. Es wäre sonst vergleichsweise so, als würde ich während eines Telefongesprächs plötzlich den Hörer wortlos auflegen.

Nach einem längeren Gespräch mit einer Seele gehe ich gerne spazieren oder unter Menschen, »um auf der Erde wieder anzukommen«. Pausen zwischen verschiedenen geistigen Gesprächen sind unerlässlich.

Beim Schreiben mit Thomas merkte ich erstmals, dass es ein sehr großer Unterschied ist, mit einer Seele, die sich das Leben genommen hat, oder mit einem geistigen Helfer zu schreiben. Während ein geistiger Helfer immer freudige und positive Worte, manchmal auch des Spaßes, für mich hat, mich bei Bedarf tröstet, mir bei Fragen helfend beiseitesteht und mich unsere Konversation immer mit einem Lächeln beenden lässt, war zu Beginn des Schreibens mit Thomas nur Schwere und Traurigkeit zu verspüren.

Ich ließ ihn erzählen und in Folge auch viele andere Seelen, die mir von ihrer Welt zwischen Himmel und Erde berichteten.

2. Über alle Sprachen hinweg

Herbert: »Du kannst tatsächlich mit mir sprechen, grandios.«

Es war für mich leicht, mit meinem ehemaligen Arbeitskollegen Thomas in ein geistiges Gespräch zu kommen. Er hatte das Bedürfnis sich mitzuteilen. Da wir doch viele Jahre beruflich immer wieder miteinander zu tun hatten, war ein gegenseitiges Erkennen von Anfang an da.

»Liebe Hannah! Vertraue auf deine Fähigkeiten. Wir können miteinander reden. Vertraue auf meine Worte. Ich sage dir, dass du nicht traurig sein sollst um meinetwegen. Es ist doch nicht notwendig, dir solche Gedanken um mich zu machen. Es ist jetzt nun mal so, wie es ist. Dort, wo ich bin …«

Der Stift blieb stehen. Ich machte eine kurze Pause und versuchte dann wieder weiterzuschreiben.

»Ich muss das erst üben. Ich bin nicht ein Engerl geworden, aber du kannst wissen, dass mein jetziger Aufenthaltsort nicht so zermürbend ist, wie du denkst. Ich will dir vieles erklären, und ich bin froh, dass ich die Möglichkeit bekomme, mit dir darüber reden zu können.«

Der Einstieg in ein geistiges Gespräch ist immer mit Spannung verbunden. Wird der Kontakt zustande kommen? Wie wird die Seele reagieren? Wer ist diese Seele »am anderen Ende der Leitung«? Ich sitze über dem Foto des Verstorbenen, konzentriere mich auf ihn und setze den Stift auf das Blatt Papier. Der Einstieg muss geübt sein! Ich schmunzle heute über meinen ersten Versuch, mit Seelen, die sich das Leben genommen haben, zu schreiben. Woher soll die Seele, wenn sie mich nicht gekannt hat, wissen, wer ich bin? Ich stellte mich nicht vor, sondern wartete, bis der Stift zu schreiben begann. Das dauerte manchmal doch etwas länger und die gegenseitige »Öffnung« ebenso. Ich möchte folgendes Beispiel anführen:

Martin war schwerkrank, als er sich aus dem Fenster stürzte, weil er nicht auf seinen »langsamen Tod« warten wollte. Ich saß vor seinem Foto, es entstand eine fast peinliche Stille, bis folgende nüchterne Worte kamen:

»Wer bist du?«

Mein Name ist Hannah. Ich kann mit Verstorbenen durch Schreiben Kontakt aufnehmen.

»Aha.«

Kann ich überhaupt »du« zu dir/Ihnen sagen?

»Ja natürlich.«

Die erste Frage der Seele »Wer bist du?« zog sich über Wochen des Arbeitens mit den Seelen fort. Die höflichste Begrüßung einer Seele war noch die von Mohammad, der sich selbst vorstellte:

»Du kannst mit Seelen schreiben. Ich bin Mohammad. Wer bist du?«

Freudiger begrüßt wurde ich von Doris, einer Frau, der ich einmal kurz begegnet bin.

»Wer bist du? Kennen wir uns?«

Ich erzählte ihr, wo wir uns kennengelernt hatten und dass wir uns durch das Schreiben austauschen können.

»Du kannst mit Seelen schreiben? Das ist ja wunderbar. Du kannst mit mir reden, wie telefonieren. Ja, ich kann mich mit dir wirklich unterhalten. Das ist ja toll. Wie darf ich dich anreden?«

Sag einfach Hannah zu mir.

»Hannah. Danke, dass du das Gespräch mit mir führen willst.«

Die erste Seele, die auf Erden nicht deutsch gesprochen hatte und mit der ich trotzdem problemlos schreiben konnte, war Peter aus Ungarn. Als ich ihn um seine Meinung fragte, warum wir jetzt so gut miteinander kommunizieren konnten, obwohl wir auf Erden Sprachschwierigkeiten gehabt hätten, gab er mir folgende Antwort:

»Ich habe keinen Mund mehr, um eine Sprache zu sprechen. Es geht so mit meinen Gedanken.«

Mohamed hatte folgende Erklärung zu dieser Frage:

Konntest du eigentlich deutsch sprechen? Ich meine, weil unsere Unterhaltung sprachlich so problemlos funktioniert.

»Die Sprache Deutsch? Etwas, ein wenig. Aber ich kann hier alle Sprachen der Welt sprechen, weil ich keinen Mund mehr habe. Ich denke, du schreibst.«

Ich änderte den Einstieg in ein geistiges Gespräch mit diesen Seelen erst, als ich meine erste Erfahrung mit einem tibetischen Mönch machte, der sich aus Protest vor der chinesischen Unterdrückung das Leben durch Selbstverbrennung nahm. Lobsang war der erste Tibeter, mit dem ich als Seele sprach.

Ich hatte während einiger Reisen nach Tibet und Nepal Bekanntschaft mit tibetischen Mönchen und Nonnen gemacht, an die ich mich gerne zurückerinnere und deren Scharfsinn ich stets bewunderte. Ich konnte so manches Leid der Tibeter sehen, und es war mir nicht nur damals ein Anliegen zu helfen, wenn es möglich war. Würde aber ein Kontakt mit einer vom Buddhismus geprägten Seele überhaupt zustande kommen? Immerhin hat der tibetische Buddhismus ja ganz andere Vorstellungen von den Vorgängen nach dem Tod. Ich bin sehr naiv in dieses Gespräch mit Lobsang gegangen und war daher über seine Reaktion ausgesprochen überrascht:

»Du kannst mit mir sprechen? Du bist ein …«

Ich spürte blankes Entsetzen in diesen Worten. Ich ließ den Stift sinken. Ich erschrak über diese Reaktion. Wieso hatte diese Seele Angst vor mir?

Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ich bin eine ganz normale Frau, die …

Lobsang unterbrach mich:

»Wer bist du?«

Noch immer spürte ich sein Unbehagen.

Mein Name ist Hannah. Ich kann Seelen, die sich das Leben nahmen, weiterhelfen …

»Du kannst Seelen weiterhelfen? Wer bist du?«

Das Unbehagen wechselte in eine spürbare Angriffslust.

Hör mir bitte zu. Ich lebe in Europa, habe Kinder und arbeite in einem Spital. Ich konnte dein Land Tibet bereits zwei Mal besuchen. Ich kenne dein Land daher ein wenig und schätze seine Bevölkerung und Eure Heiligkeit, den Dalai Lama, sehr. Aber ich kann auch mit Seelen Kontakt aufnehmen. Wir müssen jedoch nicht miteinander reden, wenn du nicht willst …

»Du kannst nicht Mensch sein und etwas tun, was dir nicht anberaumt ist.«

Aber du siehst doch, dass ich Mensch bin und mit dir reden kann.

»Du kannst mit mir reden. Ja, ich sehe, dass es geht. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

Vielleicht kann ich dir weiterhelfen. Erzähle mir einfach, wie es dir geht und wo du jetzt bist.

»Wie es mir geht? Du willst wissen, wie es mir geht und wo ich bin? Ich bin da, wo ich hingehöre. Hier bin ich und warte.«

Wartest du auf deine Wiedergeburt oder auf den Bardo 1?

»Ja. Du hast davon gehört. Bardo, die Schritte bis zu meiner Wiedergeburt.«

Das Eis war gebrochen. Lobsang redete mit mir.

Ich hatte aus diesem Gespräch gelernt, mich der Seele einmal vorzustellen, die ersten Worte zu sagen und nicht hoffnungsfroh abzuwarten, ob sie vielleicht mit mir sprechen möchte. Die Kontaktaufnahme ging dadurch wesentlich schneller und einfacher.

Vielleicht schoss ich aber manchmal über das Ziel hinaus, wie man den nächsten Aussagen entnehmen kann. Ich möchte erst einmal bei den buddhistischen Mönchen bleiben, welche mich nach meiner mehr oder weniger langen Vorstellung folgendermaßen begrüßten:

Tenzin

»Du brauchst nicht so viel zu reden. Ich verstehe dich, und ich sehe deine Absicht. Ich spüre das. Du kannst mit mir reden. Ich erlaube es.«

Gyatso

»Du kannst tatsächlich mit mir reden, Frau.«

Ja, es geht. Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten. Ich bin eine Frau mit Familie, Beruf. Aber ich kann mit Seelen, die sich als Mensch das Leben nahmen, Kontakt aufnehmen.

»Ich kenne keine Furcht. Ich sehe, dass ich mit dir reden kann und du vieles von mir wissen willst.«

Bist du bereit, mit mir zu reden?

»Ja, ich bin bereit mit dir zu reden, in Kontakt zu treten.«

Norbu

»Du bist eine Frau? Du weißt, dass unsere Religion das nicht erlaubt. Wir glauben nicht an eine Kommunikation zwischen Seelen und Menschen.«

Du siehst aber, dass es funktioniert?!

»Ja, ich bin verwundert, dass es so ist.«

Warum funktioniert es, deiner Meinung nach?

»Warum es funktioniert? Ich weiß nicht. Ich bin überhaupt in einem eigenartigen Zustand, seitdem ich tot bin.«

Kannst du jetzt beten, Mantras rezitieren?

»Ob ich beten kann? Mantras? Nun, das geht nicht. Ich habe ja keine Stimme mehr, um Gebete zu rezitieren.«

Aber wie äußerst du dich dann? Ich meine, ich verstehe dich ja auch sehr gut.

»Wie ich mich äußern kann? Ich bin so, wie ich als Mönch war. Nur kann ich nicht reden, mich verständlich machen. Mit dir ist es anders. Du kannst reden, und ich kann seltsamerweise auch mit dir irgendwie reden. Es ist nicht glaubwürdig für mich, aber es geht.«

Sangpo

Wie darf ich dich anreden? Du warst Rinpoche 2auf Erden.

»Liebes Kind, ich möchte lachen. Wir sind hier doch jeder Sprache enthoben, daher brauchst du mich mit keinem Titel der Welt mehr anzureden. Ich bin kein Mensch mehr in Würdengewändern. Ich bin Seele Sangpo und so kannst du ganz natürlich mit mir sprechen.«

Doch zurück zu den Seelen, die als Mensch in der westlichen Welt lebten.

Gerhard

»Du hast viel gesagt. Ja, ich bin natürlich bereit, mit dir zu sprechen und freue mich auch darüber. Ich bin erstaunt, dass es geht und möglich ist. Ich habe seit meinem Tod mit niemandem wirklich reden können. Reden, was sage ich, das ist ja nicht mehr möglich, aber ich kann denken, so wie ich immer gedacht habe, und fühlen. Ja, das geht alles noch, und es scheint, als wenn ich meine Gedanken dir mitteilen kann. Das tut mir gut, und ich danke dir für diese Kontaktaufnahme.«

Robert