Sulzbach-Rosenberg - Kleine Stadtgeschichte - Patrizia Zimmermann - E-Book

Sulzbach-Rosenberg - Kleine Stadtgeschichte E-Book

Patrizia Zimmermann

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Beschreibung

In den Straßen, Plätzen und Gebäuden Sulzbach-Rosenbergs schlummert eine reiche Vergangenheit: Sulzbach war im frühen Mittelalter ein bedeutender Burgort, im Hochmittelalter Zentrum des adeligen Netzwerks der Grafen von Sulzbach und im Spätmittelalter Hauptstadt "Neuböhmens". Später avancierte es zur barocken Residenzstadt und war lange vor dem Zeitalter der Aufklärung ein Hort der Toleranz und Gelehrsamkeit. Als bedeutsamer Ort des Buchdrucks war es ebenso bekannt. Zusammen mit dem kleineren "Arbeiterdorf" Rosenberg – das ebenfalls auf eine reiche, wenn auch nicht ganz so illustre Vergangenheit zurückblicken kann – wurde es zum Mittelpunkt der Oberpfälzer Bergbau- und Stahlindustrie, bevor die beiden Orte in den 1930er-Jahren zu einer Stadt zusammengefügt wurden. Dieses Buch lädt ein zu einer Entdeckungsreise durch die Geschichte Sulzbach-Rosenbergs von den Anfängen bis in die Gegenwart.

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Patrizia Zimmermann

Sulzbach-Rosenberg

Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTETREGENSBURG

BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3384-5

Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: www.martinveicht.de

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2023

eISBN 978-3-7917-6234-0 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter

www.verlag-pustet.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung: Bayern und der Nordgau

Frühes Mittelalter: Wasserquellen und Adelsgräber

Anfänge der Burg / Ein wasserreicher Ort / Sitz des Nordgaugrafen / Archäologische Befunde

Hohes Mittelalter: Lilien und Rosen

Schweinfurter Fehde / Die Grafen von Sulzbach / Die Kastler Reimchronik / Bertha von Sulzbach – Kaiserin von Byzanz / Die Erben der Sulzbacher Grafen / Von der Burgsiedlung zur Stadt / Die Rosenburg

Spätes Mittelalter: Goldene Straße und Hammerwerk

Wittelsbacher Pfandschaftsgebiet / Böhmische Zeit / Wirtschaftsfaktor Bergbau / Bautätigkeit / »Comeback« / Oberbayerisches Zwischenspiel

Zeitenwende: Zwischen Pfalz und Bayern

Wittelsbacher Hausverträge / Belagerung im Landshuter Erbfolgekrieg / Sulzbacher Landrichter und Rosenberger Burgherren / Kölner Spruch

Frühe Neuzeit: Halsgericht und Hofmark

Reformation und Glaubenswirren / Ottheinrichs Reisealbum / Wirtschaftlicher Niedergang / Verwaltung und Gerichtsbarkeit / Landesherrliche Behörden / Hohe Gerichtsbarkeit / Peinlicher Prozess / Niedere Gerichtsbarkeit / Städtische Behörden / Rosenberg als Hofmark

Fürstenzeit: Residenzschloss und Hammerschloss

Barocke Hofhaltung / Gegenreformation und Kriegswirren / Hofprediger, Professor und Chronist / Toleranz und Gelehrtenhof / Wallfahrt zur Heiligen Anna / Morgenglanz der Ewigkeit / Schulden und Exil / Das Sulzbacher »ß« / Hammerphilippsburg / Fayencen aus Rosenberg / Tod und Erbfolge / Machtspiele und Favoritinnen / Fürstliche Wasserkunst / Skandal und Verbannung / Die Pfalzgräfin und der Wunderarzt

19. Jahrhundert: Pantheon und Hüttenwerk

Im Schatten des modernen Bayern / Bevölkerung und Wirtschaft / Städtische Verwaltung / Leben im Simultaneum / Säkularisation mit Spätfolgen / Jüdische Kultur / Toleranz und Gelehrtenhof 2.0 / Stadtbrand mit Spätfolgen / Seidels Pantheon / Ansiedlung der Maxhütte

Zwischen den Kriegen: Hakenkreuz und Doppelstadt

Maxhütte unterm Hakenkreuz / Gleichschaltung in Rosenberg und Sulzbach / Zwangsehe Sulzbach-Rosenberg / Auflösung der jüdischen Gemeinde / Erinnern und Begegnen

Heute: Provinzstadt oder Mittelpunkt der Welt?

Nachkriegszeit / Niedergang der Maxhütte / Stadtentwicklung / Ökumene / Profilsuche / Max und Moritz’ Vorgänger / Weltei-Erkundungen

Anhang

Zeittafel / Bildnachweis / Genealogie: Pfalz-Neuburg und Pfalz Sulzbach 1550–1800 / Literaturverzeichnis / Register / Karte von Sulzbach-Rosenberg

Vorwort

Als Sulzbach-Rosenberg im Zuge der Gebietsreform im Jahr 1972 seine Stellung als Landkreissitz verlor, empfand man dies als große Niederlage für die ehemalige glanzvolle Residenzstadt. Auch der stetige Niedergang der Maxhütte, des ehemals größten Arbeitgebers vor Ort, seit den 1970er-Jahren war ein erheblicher Verlust. Man könnte den Eindruck gewinnen, als hätten diese Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit so am Selbstbewusstsein genagt, dass die Stadtbewohnerinnen und -bewohner es nicht mehr wagen, stolz auf die spannende und große Geschichte zu sein, die in den Straßen, Plätzen und Gebäuden schlummert.

Deshalb möchte dieses Buch mit großen und kleinen Episoden zu einer entdeckungsreichen Reise durch die Vergangenheit Sulzbach-Rosenbergs einladen: Bereits im frühen Mittelalter ein bedeutender Burgort, wurde es im Hochmittelalter Zentrum des adeligen Netzwerks der Grafen von Sulzbach und im Spätmittelalter Hauptstadt »Neuböhmens«. Später avancierte es zur barocken Residenzstadt und war lange vor dem Zeitalter der Aufklärung ein Hort der Toleranz und Gelehrsamkeit. Als bedeutsamer Ort des Buchdrucks war es ebenso bekannt. Zusammen mit dem kleineren Rosenberg – das ebenfalls auf eine reiche, wenn auch nicht ganz so illustre Vergangenheit zurückblicken kann – wurde es ab der zweiten Hälfte des 19. Jhs. zum Mittelpunkt der Oberpfälzer Bergbau- und Stahlindustrie, bevor die beiden Orte 1934 zu einer Stadt zusammengefügt wurden.

Den Werdegang von zwei ursprünglich eigenständigen Orten zu beleuchten und zu einer Geschichte zu vereinen, ist sicherlich die Besonderheit im Vergleich zu anderen Stadtgeschichten. Der unterschiedliche Charakter der »Bürgerstadt« Sulzbach und des »Arbeiterdorfs« Rosenberg wird bereits in den Überschriften der (meisten) Kapitel aufgegriffen.

Panoramablick über Rosenberg.

Sulzbach-Rosenbergs Geschichte ist geprägt von zahlreichen, immer wieder wechselnden Regentschaften. Im Rahmen dieser Kleinen Stadtgeschichte können jedoch nur die wesentlichsten Entwicklungslinien aufgezeigt werden. Zur besseren Übersicht, auch der Verwandtschaftsverhältnisse, dient die Genealogie der Häuser Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach im Anhang. Auf Lebens- und Regierungsdaten wurde im Text weitgehend verzichtet; sie können in Personenregister und Genealogie nachgeschlagen werden.

Die Autorin, aufgewachsen in unmittelbarer Nähe von Hammerphilippsburg und Maxhütte, zur Schule gegangen im Schatten von Rosenburg und Sulzbacher Schloss, wünscht sich, dass sie viele Leserinnen und Leser mit ihrer Begeisterung für die Geschichte der Stadt im Besonderen und für Geschichte im Allgemeinen anstecken kann.

Einleitung: Bayern und der Nordgau

Die Anfänge Sulzbachs sind mangels ausreichender schriftlicher Quellen schwierig zu fassen. Manches muss daher im Dunkeln bleiben, doch geht die frühe Geschichte vermutlich mit der des Herzogtums Bayern und des Nordgaus einher.

Um 470 n. Chr. zogen die letzten römischen Soldaten aus ihrem Lager Castra Regina an der Donau, dem heutigen Regensburg, ab. Jahrzehnte später, um 550, übernahmen die »Männer aus Böhmen« (viri Baia; die Bajuwaren) das in seiner Infrastruktur noch intakte Lager. Wahrscheinlich mischten sich dabei Angehörige verschiedener Volksgruppen: Franken, Alamannen, Böhmen oder auch Langobarden, wie archäologische Funde in diesem Raum zutage brachten. Mit Sicherheit kamen die neuen Bewohner auch mit der noch vorhandenen romanischen Kultur in Kontakt, denn nicht alle Römer hatten die Gegend verlassen. Inwieweit slawische Einflüsse bei der Stammesbildung eine Rolle spielten, ist nicht gesichert, wenngleich einzelne zeitgenössische Quellen von bajuwarisch-slawischen Zusammenstößen berichten.

Ebenfalls um die Mitte des 6. Jhs. wird erstmals ein Stammesherzog der Bajuwaren genannt. Die Herkunft des Agilofingers Garibald ist nicht ganz geklärt, vermutet wird eine Nähe zu den Merowingern. Das ehemalige Castra Regina wurde zu Residenzstadt und Herrschaftszentrum, um das sich sogenannte Gaue als Verwaltungseinheiten gruppierten. Der Gaugraf eines solchen Amtsbezirks, wie der Nordgau nördlich der Donau, war als Statthalter mit umfangreichen Verwaltungsund Gerichtsbefugnissen ausgestattet

Vom Begriff Nordgau ausgehend, könnte man vermuten, dass es auch einen Süd-, West- und Ostgau gab, dafür gibt es jedoch keine Belege. Vielmehr könnte es sein, dass »Nordgau« sich ableitet von »Norka«. Mit diesem Begriff bezieht sich Johannes Aventinus (eigentlich: Johann Georg Turmair) in seiner im 16. Jh. verfassten Baierischen Chronik auf Berichte antiker Autoren über den Volksstamm der »Narisken« im Gebiet der heutigen Oberpfalz. Erstmals urkundlich belegt ist der Begriff Nordgau in der Divisio Regnorum von 806, einer geplanten, aber nicht verwirklichten Neuordnung des Frankenreichs unter den Nachfolgern Kaiser Karls des Großen. Einigermaßen gesichert dagegen scheinen die geografischen Grenzen des Nordgaus: Im Süden bildete die Donau die Grenze zum Donaugau. Die Marken Nabburg und Cham grenzten im Osten an den Böhmerwald. Im Raum Nürnberg verlief im Nordwesten die Grenze zum fränkischen Radenzgau. Im Südwesten reichte das Gebiet bis zum schwäbischen Sualafeldgau.

Gesichert ist auch die ursprünglich bajuwarische Besiedlung des Urnordgaus innerhalb des bayerischen Herzogtums der Agilolfinger. Niederlagen gegen die fränkischen Hausmeier, die späteren Karolinger, führten im 8. Jh. zur Abtretung des Urnordgaus an die neuen Machthaber. Als fränkischer Reichsgau erfolgte die Verwaltung durch einen königlichen Statthalter von Regensburg aus.

Die Herrscher des frühen Mittelalters kannten keine festen Residenzen. Vielmehr legten sie überall im Land ein Netz von Pfalzen und Königshöfen an. Von hier aus übernahmen Stellvertreter bei Abwesenheit des Königs die Verwaltung und hier logierte der König bei seinen regelmäßigen Besuchen. Auf dem Nordgau bildete der Königshof Lauterhofen, unweit von Sulzbach, seit dem 7. Jh. ein Herrschaftszentrum der Agilolfinger. Als dieser Raum nach dem Ende des agilolfingischen Stammesherzogtums unter fränkischen Einfluss gelangte, entstand hier ein karolingisches Machtzentrum. Wahrscheinlich, wiederum spätestens unter den Agilolfingern, gab es in der Umgebung weitere frühe herrschaftliche Befestigungen, unter anderem als Grenzposten. Aufgrund neuerer archäologischer Grabungen wird dies auch für die Burg Sulzbach angenommen.

Frühes Mittelalter: Wasserquellen und Adelsgräber

Anfänge der Burg

Für den Sulzbacher Raum gibt es einige Funde, die eine frühe Besiedlung in der Bronzezeit, genauer in der Hallstatt- und Latène-Zeit zwischen 750 und 400 v. Chr., erkennen lassen. Für die nachfolgenden Perioden bis ungefähr 900 n. Chr. belegen archäologische Grabungen eine insgesamt eher dünne Besiedlung. Die untersuchten Gräberfelder, Ortschaften und Burgen weisen fränkische und bajuwarische, aber auch slawische Merkmale auf. Geprägt war die Landschaft aber hauptsächlich vom »großen Nordwald«. Größere Rodungsaktivitäten sind erst nach 1000 belegt.

Lange Zeit nahmen die Forscher an, dass die Anfänge Sulzbachs ungefähr in der Mitte des 11. Jhs. anzusetzen sind. Man konnte sich jedoch nicht auf aussagekräftige Quellen stützen. Das vermutete Gründungsjahr um 1024 war eher willkürlich gewählt. Im Burgareal wurde angeblich einmal ein Holzbalken mit dieser Jahreszahl gefunden. Eine erste sicher belegte Nennung des Ortsnamens in Urkunden taucht erst zu Beginn des 12. Jhs. auf: Während in früheren Urkunden lediglich ein »comes Gebhardus« oder »comes Berengerus« ohne Ortsbezeichnung genannt wurde, kann man ab jetzt den Zusatz »de Sulcpah« (von Sulzbach) finden.

Umfangreiche archäologische Grabungen in den Jahren 1992 bis 2001 auf dem Gelände der ehemaligen Burg markieren einen Wendepunkt in der lokalen Geschichtsdarstellung. Erstaunliche Befunde von überregionaler Relevanz brachten Licht ins frühmittelalterliche Dunkel und machten Sulzbach quasi über Nacht um mindestens 200 Jahre älter.

HINTERGRUNDEIN WASSERREICHER ORT

»Gebhard, Graf zu Kastl ritt eines Morgens […] auf die Eberjagd. Da traf er ein gewaltiges Tier mit seinem Pfeil. Das Wild aber eilte […] davon. Gebhard verfolgte lange die Spur […] bis er sich selbst verirrte […]. Auch befiel ihn brennender Durst […]. Da hörte er auf einmal das Rauschen eines Wassers. Es war eine Quelle […]. Der Graf trank in vollen Zügen […] und gründete in dankbarer Gesinnung Sulzbach an derselbigen Stelle«, so erzählt eine Sage. Die Fürstenquelle im südwestlichen Altstadtbereich markiert noch heute den legendären Ort, an dem Graf Gebhard seinen Durst gelöscht haben soll.

Eine weitere Gründungssage Sulzbachs berichtet, dass Gebhards Jagd in sumpfigem Gelände stattfand. Das althochdeutsche Wort »sulza«, von dem sich der Name der Stadt möglicherweise ableitet, bedeutet neben Sülze und Salzwasser auch Schlamm, Morast oder versumpfter Bach.

Archäologische Funde deuten auf eine frühe Ansiedlung im Bereich der Bachniederung unterhalb des Burgfelsens hin, und zwar noch vor der Gründung der Burg. Diese frühe Siedlung hieß zu dieser Zeit wohl genauso wie der Bach an dieser Stelle, nämlich Sulzbach.

Heute ist das kleine Gewässer im westlichen Teil der Stadt unter dem Namen Erlbach bekannt. Im weiteren Verlauf nach Osten vereinigt sich der Bach mit dem Wasser der Fürstenquelle und anderer Quellen aus dem Bachviertel. Erst danach fließt er unter dem Namen Rosenbach weiter in Richtung Vils.

Sitz des Nordgaugrafen

Die Burg Sulzbach, auf einem Terrassensporn am östlichen Rand der Fränkischen Alb gelegen, zeichnete sich schon früh durch eine besonders verkehrsgünstige Lage aus: Die wichtigsten Verbindungswege kreuzten hier zu einem Verkehrsknotenpunkt, der die Entwicklung der Burg Sulzbach zu einem Herrschaftszentrum spätestens im 9. Jh. begünstigte.

Bereits ab dem frühen 8. Jh. begegneten sich hier Herrschaftsbestrebungen sowohl der Agilolfinger-Herzöge als auch der merowingischen und karolingischen Könige. Bodenschätze, vor allem in Form von hochwertigem Eisenerz, bildeten die Grundlage für wirtschaftliches Interesse an diesem Raum. Und auch böhmische Machtbestrebungen dürften eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls gehen die Archäologen davon aus, dass hier der Amtssitz des sogenannten Nordgaugrafen lag. Namentliche Hinweise, wer sich in dieser frühen Zeit dahinter verborgen haben könnte, gibt es aufgrund der spärlichen Quellenlage nicht. Vielleicht handelte es sich hierbei um den 865 verstorbenen Grafen Ernst auf dem Nordgau. Von ihm ist bekannt, dass er ein Vertrauter Kaiser Ludwigs des Deutschen und mit dem Konradiner Gebhard im Lahngau verschwägert war. Eine seiner Töchter war verheiratet mit Karlmann, dem Sohn des Kaisers. Graf Ernst wurde 861 wegen Beteiligung an einer Verschwörung gegen den Kaiser abgesetzt. Nach einem Prozess wurden ihm seine Lehen entzogen. Bis zu seinem Tod lebte er zurückgezogen auf seinen Gütern, vermutlich in Sulzbach.

Die Fürstenquelle ist nur eine von zahlreichen Karstquellen im Bachviertel der Stadt.

HINTERGRUNDARCHÄOLOGISCHE BEFUNDE

Seit den Arbeiten des Archäologenteams in den 1990er-Jahren gilt das Schlossgelände als eines der am besten »ergrabenen« Areale Bayerns. Diverse Mauerreste und keramisches Fundmaterial lassen sich den verschiedenen Siedlungsperioden der Burg genau zuordnen, deren älteste bis ins 8. Jh.zurück reicht. Erste Holzgebäude und eine aus Stein errichtete Burgkapelle bildeten den Anfang. Weitere Überreste aus dem 9. und 10. Jh., darunter ein repräsentativer Saalbau sowie Gebäude mit Unterbodenheizungen, lassen zusammen mit Funden von Fensterglas-Bruchstücken auf Bewohner mit gehobenen Ansprüchen schließen. Die bemalten Fragmente gehören zu den ganz wenigen Belegen vorromanischer Glasmalerei in Mitteleuropa. Fundstücke wie der Messingring eines Kettenhemds zeugen von Metallverarbeitung auf der Burg bereits zu dieser frühen Zeit. Aus dem gleichen Zeitraum stammt auch die älteste feststellbare Umwehrung.

Zusammen mit der Gesamtanlage der Gebäude sprechen all diese Funde für Burgherren aus dem karolingischen oder ottonischen Reichsadel, die als königsnah angesehen werden können. 1999 ergab sich der wohl spektakulärste Fund: An der Außenwand der Burgkapelle wurden mehrere Adelsgräber entdeckt, darunter jene eines etwa 61 Jahre alten Mannes und einer etwa 73-jährigen Frau, beide über die weibliche Linie miteinander verwandt. Die Art der Anlage der Gräber und ihre Überbauung mit einer Memorialkapelle im 11. Jh. scheinen Hinweise auf hohe Adelige mit gewichtiger Stellung zu sein. Der Mann könnte jener mächtige Nordgaugraf Ernst gewesen sein, die Frau eventuell die Gemahlin Heinrichs von Schweinfurt, die Konradinerin Gerberga.

Weitere Grabungen im Zuge einer Oberflächensanierung im Neustadtviertel 2008/09 brachten die Überreste der ältesten Stadtbefestigung zutage: eine ungewöhnlich starke Mauer, ebenfalls aus dem 9./10. Jh. Damit bestätigten sich die Erkenntnisse der früheren Grabungen. Vermutlich befand sich auf der Burg Sulzbach bereits zur Zeit Kaiser Karls des Großen ein karolingisches Verwaltungszentrum, eventuell mit Verbindung zum bereits erwähnten Königshof Lauterhofen.

Sicher ist, dass der Nordgaugraf als ein vom König eingesetzter Verwalter eine herausragende Stellung unter den Adeligen im bayerisch-böhmischen Grenzraum einnahm.

Mittlerweile hatte sich unter den Luitpoldingern erneut ein bayerisches Herzogtum etablieren können. 938/39 verlieh Kaiser Otto I. den Nordgau für besondere Treue an Graf Berthold von Schweinfurt. Ziel war es, ein politisches Gegengewicht herzustellen zum Bayernherzog, dessen Machtbereich jetzt auf die Gebiete südlich der Donau begrenzt worden war. Etwas später ging das Herzogtum auf den Bruder des Kaisers über.

Die genaue Herkunft Bertholds von Schweinfurt ist umstritten. Es bestand wohl eine Verwandtschaft zu den Luitpoldingern und/oder den Babenbergern. Es wird angenommen, dass die Sulzbacher Burg nun zum Hauptsitz dieser königsnahen Grafenfamilie wurde. Der Nordgau machte dabei aber nur einen Teil ihres umfangreichen Machtkomplexes zwischen Donau und Frankenwald aus. Die Verwaltung der Burgen Cham und Nabburg gehörte dazu, ebenso wie ererbter oder erheirateter Familienbesitz. Regionen mit größerem Eisenerzvorkommen schienen dabei ein Schwerpunkt gewesen zu sein, wie die Burg Ammerthal zeigt.

Freigelegte Adelsgräber des 9. Bis frühen 11. Jhs. Im oberen Schlosshof: links das Skelett eines Mannes, rechts das Grab einer Frau. Daneben fanden sich hier fünf Kindergräber (am oberen Bildrand).

Belege von buntem Fensterglas des 9. bis 12. Jhs.: Bei den Grabungen im Schlossareal entdeckte Fragmente, darunter ein sehr seltener Nachweis von beschriebenem Fensterglas aus dem späten 9./10. Jh.

Als Kaiser Otto III. 1002 starb, änderte sich die politische Situation in Bayern und auf dem Nordgau grundlegend. Denn mit der Wahl Heinrichs IV. wurde jetzt ein Bayernherzog zugleich deutscher König. Für die Schweinfurter Grafen und die Burg Sulzbach hatte dies unmittelbare Folgen.

Hohes Mittelalter: Lilien und Rosen

Schweinfurter Fehde

Im Chronicon, seiner zwischen 1012 und 1018 verfassten Geschichte Sachsens und der Ottonen, berichtet der Merseburger Bischof Thietmar unter anderem auch über die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem neuen König Heinrich II. und dem Schweinfurter Grafen Heinrich im August 1003. In diesem Bericht findet sich der wahrscheinlich erste schriftliche Hinweis auf Sulzbach, wenn auch nur indirekt: König Heinrich II. und seine Verbündeten seien im Gebiet des Grafen eingefallen, hätten es verwüstet und den Grafen gezwungen, sich »außerhalb seiner Burgstadt, wo er konnte«, zu verstecken. Man geht davon aus, dass mit dieser nicht namentlich genannten »Burgstadt« Sulzbach gemeint ist. Es kann gut sein, dass der Chronist den Namen des Amtssitzes des Nordgaugrafen als bekannt voraussetzte, weshalb die genaue Nennung unterblieb.

Der Anlass für diese »Schweinfurter Fehde« war ein nicht gehaltenes Versprechen: Für seine Unterstützung der Wahl Herzog Heinrichs IV. zum deutschen König sollte der Schweinfurter Graf Heinrich, Sohn Bertholds, dafür das bayerische Herzogsamt übernehmen. Diese Zusage wurde nicht eingehalten. Graf Heinrich und seine Verbündeten auf dem Nordgau erhoben sich daraufhin gegen den neuen König.

Nach der Niederlage der Aufständischen kam es zur abermaligen Neuordnung im Gebiet nördlich der Donau. Heinrich II. entzog dem Schweinfurter alle Grafschaften, Reichslehen und Reichsämter. Die eingezogenen Güter wurden in mehrere, kleinere Komplexe aufgeteilt und an königstreue Adelige vergeben. Die Forschung ist sich nicht einig, ob dies auch die Burg Sulzbach betraf. Eventuell wurde sie als Allodialgut (Eigengut) der Schweinfurter nicht durch den König eingezogen. Die bereits erwähnten archäologischen Grabungen lassen vermuten, dass es genau zu dieser Zeit – zu Beginn des 11. Jhs. – zu größeren Um- und Ausbauten auf der Sulzbacher Burg kam. Man nimmt nun an, dass diese im Zusammenhang mit der Übernahme durch die Grafen von Sulzbach zu diesem Zeitpunkt stehen. Nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob die neuen Burgherren durch Belehnung Nachfolger der Schweinfurter wurden. Denn aufgrund einer vermuteten Verwandtschaft der beiden Grafenfamilien, wird auch der Erbweg für möglich gehalten.

Die Schweinfurter Grafen, die später zumindest teilweise wieder rehabilitiert wurden, starben Mitte des 11. Jhs. aus. Die Grafen von Sulzbach hingegen wurden zu den großen »Aufsteigern« unter den Dynastien. Zusammen mit den Grafen von Hirschberg wurden sie im westlichen Nordgau zu den einflussreichsten Herrschaftsträgern. Als Markgrafen von Nabburg und Cham nahmen die aus dem Augsburger Raum stammenden Diepoldinger im östlichen Teil eine ähnliche Position ein.

Bayerischer Herzog blieb Heinrich II., der das herzogliche und königliche Amt ab jetzt in Personalunion ausübte. Einen Großteil seiner Königsgüter übertrug er den Hochstiften Freising und Bamberg. Mit der damit verbundenen Gründung des Bistums Bamberg 1007 wollte der Kaiser ein machtpolitisches Gegengewicht zum Nordgau schaffen.

Die Grafen von Sulzbach

Wahrscheinlich schon von Weitem machte der Anblick der imposanten Sulzbacher Burganlage mit den beiden wuchtigen Achtecktürmen großen Eindruck auf die Reisenden der damaligen Zeit. Die mehrfach erwähnten Grabungen lassen erkennen, dass dieses Erscheinungsbild vor allem auf die Ausbaumaßnahmen während der Herrschaft der Grafen von Sulzbach zurückgeht.

Die Anfänge dieser Familie, ihre Herkunft und ihre genauen verwandtschaftlichen Beziehungen sind mangels schriftlicher Quellen nur sehr lückenhaft dokumentiert. Tatsächlich wird ihre Geschichte erst ab der Übernahme der Sulzbacher Burg richtig greifbar. So ist 1043 erstmals ein »comes Gebhardus« sicher belegbar. Doch erst ab der Zeit Berengars I. im 12. Jh. bewegt man sich endgültig auf quellenmäßig gesichertem Terrain.

Alle Vorfahren – wie auch Nachfolger – Berengars werden in den spärlich vorhandenen Quellen als Grafen (»comes«) bezeichnet. Dabei ist die Grafschaft der Sulzbacher weniger durch großen Besitz und zusammenhängenden Güterkomplex begründet als durch die Vogtei über die Bamberger Hochstiftslehen. Als weltliche Verwalter des Hochstiftsbesitzes standen ihnen grafengleiche Rechte zu. Hahnbach, die Vogtei Vilseck, das Schloss Hohenstein, die Vogtei Hersbruck, Auerbach, Pegnitz, Velden und Plech gehörten beispielsweise dazu. Amberg war wohl Teil der Lehensgüter des Bamberger Hochstifts, doch ob es zum Machtbereich der Sulzbacher Grafen gehörte, ist nicht sicher belegbar. Es gibt vereinzelte Hinweise auf Amberger Dienstmannen (Ministeriale) in ihrem Gefolge. Möglich wäre hier aber auch eine rechtliche Sonderstellung in Form eines eigenen bischöflichen Stadtvogts.

Einen weiteren Herrschaftsschwerpunkt bildeten umfangreiche Eigengüter (Allodien), die von Ammerthal, Creußen und Thurndorf im Westen bis Parkstein, Floß und Tirschenreuth im Norden und Osten reichten. Auf welchem Weg diese ehemaligen Eigengüter der Schweinfurter nun an die Sulzbacher Grafen gelangt waren, kann ebenfalls nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden. Neueste Forschungen schließen auch hier den Erbweg über eine Verwandtschaft nicht aus. Durch geschickte Heiratspolitik erwarb man zudem noch reichen Güterbesitz im Passauer und Bad Aiblinger Raum sowie im Salzburger Land. Vor allem die Heirat Berengars I. mit Adelheid von Frontenhausen – zu diesem Zeitpunkt bereits zweifache Witwe – erwies sich dabei als sehr einträglich: Offensichtlich gingen über diese Ehe die Lehensgüter von Adelheids verstorbenen zweiten Ehemann Graf Ulrich von Passau an die Sulzbacher Grafen über.

Als Mittelpunkt einer »adeligen Sippe« auf dem Nordgau scheinen die Grafen von Sulzbach weitreichende verwandtschaftliche Beziehungen gehabt zu haben, u. a. zu den Herren von Kastl-Habsberg. Berengar I. von Sulzbach, Graf Friedrich von Kastl-Habsberg und dessen Sohn Otto gelten zusammen mit Markgräfin Luitgard und deren Sohn Diepold III. von Cham-Vohburg als Stifter des Benediktinerklosters Kastl um 1100. Dieses gemeinsame Hauskloster, süd-westlich von Sulzbach, sollte auf dem Nordgau zum Zentrum der kirchlichen Erneuerungsbewegung im Kontext der Gregorianischen Reform werden, welche sich von den Klöstern Cluny und Hirsau aus verbreitete.

Stifter-Figuren in der Klosterkirche Kastl mit ihrem gemeinsamen Lilien-Wappen, rechts Graf Berengar I. von Sulzbach

Eine verwandtschaftliche Beziehung der Stifter legt auch die Verwendung der sechs weißen Lilien in ihren Wappen nahe, wenn auch jeweils mit anderer Farbe unterlegt. Berengars Lilien auf rotem Grund wurden nach dem Aussterben der Grafen von der Stadt übernommen. Es ist bis heute das Wappen Sulzbach-Rosenbergs.

Darüber hinaus bildeten verschiedene Klostervogteien eine weitere gewichtige Machtsäule der Sulzbacher Grafen. Die Vogtei über ihr Hauskloster Kastl ging wahrscheinlich erst beim Aussterben der Grafen von Habsberg an sie über. Ebenso galten sie als Vögte des Klosters Michelfeld bei Auerbach, etwa eine halbe Stunde nördlich von Sulzbach gelegen. Interessanterweise gibt es – unbelegte – Hinweise auf eine Klostergründung durch die Sulzbacher Grafen in der Nähe der heutigen Stadtpfarrkirche, die aber – wenn überhaupt – offenbar nicht sehr lange Bestand hatte.

Im Raum südlich der Donau gilt Graf Berengar I. zusammen mit seiner Mutter Irmgard von Rott als Stifter des Klosters Berchtesgaden. Dieses Gebiet im äußersten Südosten des heutigen Bayern stammte aus dem Familienbesitz der Gräfin Irmgard von Rott. Sie hatte vor ihrem Tod ein Gelübde zur Stiftung eines Klosters abgelegt, das Berengar dann 1102 erfüllte. Die Vogtei über dieses Kloster übten die Sulzbacher Grafen bis zu ihrem Aussterben 1188 aus. Auch das um 1107 gegründete Stift Baumburg in der Nähe Berchtesgadens geht auf die Sulzbacher beziehungsweise auf ihre Ministerialen zurück, allerdings waren sie hier nie Vögte. Ungesichert ist die Vogtei über das adelige Damenstift Niedermünster in Regensburg. Dagegen gilt Berengar I. ab 1110/11 als Vogt des Benediktinerklosters Niedernburg in Passau, und zwar als Nachfolger des schon genannten Ulrich von Passau. Einen weiteren wesentlichen Machtzuwachs bedeutete etwas später dann die Regensburger Hochstiftsvogtei, die nach dem Tod des Domvogts Friedrich IV. 1148 auf Graf Gebhard II. überging. Wie im Falle Niedernburgs ist diese Vogtei bis zum Ende der Sulzbacher Dynastie belegt.