SUPPENHELDEN - Tanja Kummer - E-Book

SUPPENHELDEN E-Book

Tanja Kummer

0,0

Beschreibung

Dosensuppen Universe präsentiert: SUPPENHELDEN Keine andere Stadt ist wie Minestropolis, wo Suppenzutaten jeglicher Art mit dem Ziel leben, die Stadt zu beschützen oder zu erobern. Wir sind im zweiten Gang und die Suppe wird heiß serviert: Captain Gulasch gegen Fleischklops Junior, der den Tod seines Vaters rächen will. Es wird gewürfelt, geschnitten und gewolft. Maiskolben und Croûtons bekommen eine gebuttert und der Knoblauch kann das Stänkern nicht lassen. Die Nudeln aus Lettertown haben nicht mehr alle Buchstaben im Teller und den Zwiebeln geht es an die Schale. Doch mit einer Prise Carolina Reaper Chili in der Nase läuft alles gleich viel besser. Ein gourmorgastischer Pott Porree voller genüsslicher Geheimzutaten, serviert von den besten Köch*innen der deutschsprachigen Funtastik.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 288

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort von Tanja Kummer
Vorwort von Laurence Horn
Tanja Kummer
Ein Fleischklops kommt selten allein
Wolfgang Schroeder
Suppenhelden tragen keine Karos
C.G. Bittner
Delicious Comics #1: Ein Fall für die Ramen Rangers
Petra Pribitzer
Alte Hasen kocht man nicht
Lorenzo Maxwell
Suppe des Bösen
Cat Stiller
Miso-Man und die zornige Seele
Nicole Höllrigl
Verflixt und ausgekocht: Kleine Helden ganz groß
Kai Braddick
Ypsilon
Dagmar Oberländer
High noon
Thorsten Franck
Die große Erpressung von Minestropolis
Oda Holzknecht
Minestropolis oder Fleischklops City
Laurence Horn
Die ganze Wahrheit

SUPPENHELDEN

ISBN 978-3-945230-65-7

1. Auflage, Allmersbach im Tal 2022

Cover: Christine Schlicht

Satz und Layout: Tanja und Marc Hamacher

Lektorat: Tanja Hamacher & Laurence Horn

Korrektorat: Stephan Wonczak & Marc Hamacher

© 2022, Leseratten Verlag, Allmersbach im Tal

www. leserattenverlag.de

Der Leseratten Verlag ist Fördermitglied beim

PAN Phantastik-Autoren-Netzwerk e.V.

Weitere Infos unter:

www. phantastik-autoren.net

Dosensuppen Universe präsentiert:

Vorwort von Tanja Kummer

Ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch gerade fragt, wie man überhaupt auf so eine abgefahrene Idee kommt, eine Suppenheldenanthologie zu machen. Nun … das war so:

21. Juni 2020

Wir schauen die Serie: Doom Patrol.

Marc: »Die Serie ist schon schräg. Mal total witzig, dann mal sehr traurig.«

Tanja: »Ja... so ist das bei Suppenhelden.«

Marc: »Hast du Suppen gesagt?« *grins*

Tanja: »Ich meinte Super!«

Marc: »Du hast SUPPEN gesagt!«

Tanja: »Args ... ich meine aber Superhelden.«

Marc: »Jaja ... ich seh es schon: ERASCO-MAN!«

Tanja: »Du bist doof.«

Marc: »Wenn du böse bist, dann kotzt er dich mit

Erbsensuppe voll und schießt mit

Wurststückchen!«

Tanja: »DU BIST ECHT DOOF!«

Marc: »Ja ... ab und zu.«

… Pause ...

Tanja: »Wie wär es mit einer Suppenhelden-Antho?«

Marc: »Äh ...  NEINNEINNEINNEINNEIN!!!!«

Tja, so war das.

Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Ergebnis meines freud’schen Versprechers – der heißesten Anthologie des Jahres!

Möge die Suppe mit euch sein!

Herzlichst,

Tanja Kummer

Vorwort von Laurence Horn

Warum eine Suppenheldenanthologie?

Das habe ich gedacht, als ich gefragt wurde, ob ich eine Herausgeberschaft in Zusammenarbeit mit der bezaubernden Autoren-Kollegin Tanja Kummer vom Leseratten Verlag machen will.

Gibt es nicht schon genug Superhelden auf der Welt?

Jeder Vater ist für seinen Sohn ein Superheld. Superhelden helfen uns durch die Pandemie oder stehen im Kaufhaus an der Kasse. Es gibt sie bei Marvel, DC, im Kino und im Fernsehen. Aber Moment mal. Genau das ist es. Wer ist schon ein Suppenheld? Die Welt besteht aus Missverständnissen und gerade diese gilt es, auszulöffeln.

In heutigen Zeiten von Corona, Krieg und Umweltproblemen brauchen wir jemanden, zu dem wir aufschauen können. Keine verstaubten Idole, sondern neue Helden. Wahre Helden aus dem Gewächshaus gegriffen, von der Weide geholt oder einfach vom Garten nebenan. Also machten wir uns auf die Suche und wurden fündig. Wir haben sie in die kalte Suppe geworfen und köchelnd zum Helden geformt. So entstand ein wahrer Gaumenschmaus für die Ohren. Eine Ouvertüre für die Augen. Ein … da wären sie wieder, die Missverständnisse.

Aber nur weil ich mir diese Suppe eingebrockt habe, müssen andere sie auslöffeln? Ganz recht.

Laurence Horn

Tanja Kummer

Im Umgang mit heißen Sachen ist sie geschult, denn die Autorin und Herausgeberin ist gelernte Konditorin. Und es war auch ungefähr zu dieser Zeit ihres Lebensabschnittes, in dem sie mit dem Schreiben anfing. Wer hätte ahnen können, dass sie später einmal einen waschechten Suppenkasper heiraten würde, der nichts Besseres im Topf hat, als humoristische Literatur zu veröffentlichen? Aber sie liebt es/ihn und die Tatsache, dass ihm nichts verrückt genug ist.

Tanja Kummer hat bereits fünf High Fantasy Romane veröffentlicht, und macht die redaktionelle Projektbegleitung der mystischen Hexenmeister Jakob Wolff Novellen-Serie. Daher genießt sie es, dazwischen absurd lustige Kurzgeschichte zu schöpfen … oder demnächst einen Teil Deutschlands zu zerstören. Natürlich in Deutschlands größter Anthologie. Doch jetzt ist sie erst einmal stolz darauf die heißeste Anthologie als Co-Herausgeberin für euch auf den Tisch zu bringen.

www. tanjakummer.de

Ein Fleischklops kommt selten allein

»Schatz!«, rief der Mann, der fast zur Gänze im Kleiderschrank steckte und alles, was er nicht gebrauchen konnte, im hohen Bogen bei seiner Suche aus dem Schrank beförderte. »Schatz! Hast du das du weißt schon was gesehen?«

Eine Frau trat lachend zu ihm heran, ein schlafendes Kleinkind auf dem Arm, in der anderen Hand einen Kochlöffel. »Wirst du das wohl lassen!«, rief sie und schlug ihm verspielt mit dem Löffel auf sein Hinterteil.

Er lachte, drehte sich zu ihr und warf sich in Pose. »Stets zu Diensten, Mrs. Jalapeño!«

Ihre linke Augenbraue hob sich. »Das wäre beeindruckender, wenn du nicht eine meiner Unterhosen anhättest.«

»Was?«, entfuhr es ihm entsetzt und er blickte an sich hinab.

»Reingelegt!«, prustet sie lachend.

»Du bist wahrlich diabolisch, meine scharfe Schote«, grinste er und küsste sie.

»Wozu dieses Chaos?«, fragte sie unwirsch. »Du räumst das alles doch auch auf, oder?«

»Hast du das Kochtopfsignal nicht gesehen? Ich muss dringend los und such mein … du weißt schon was von gestern Abend.«

»Das klar-weiß-ich stand vor Dreck und befindet sich in der Waschmaschine«, sagte sie und verlagerte das Kleinkind auf den anderen Arm. Kurz war ein leises Schmatzen zu hören, dann schlief es weiter. »Du hast doch mehr als ein Suppenheldenkostüm.«

»Ja, schon, aber das eine hat seit Sonntag Löcher – zahlreich und groß genug, um es als ruiniert zu betrachten. Kartoffel Hulk experimentiert gerade mit Säurepatronen. Fieses Zeug. Zwei Kostüme liegen beim Hersteller zur Erneuerung der Imprägnierung.« Er hob die Hand und seine Finger zuckten, als würde er zählen. »Was für ein Tag ist heute?« Bevor sie antworten konnte, fuhr er fort. »Keine Ahnung, wie lange das noch dauert. Und Nummer vier, tja, den Anzug hat unsere süße kleine Tochter gewaschen, als sie dir bei der Hausarbeit helfen wollte. Und jetzt …«

»Siehst du darin aus wie Rainbow Gulasch, schon klar«, beendete sie seinen Satz. Nachdenklich rieb sie sich die Stirn. »Imprägniert gegen Stich- und Schusswaffen – aber keine Kindersicherung.«

Er lachte. »Was hat unsere Tochter noch in die Waschmaschine getan, dass sich die Farben so verändert haben?«

»Frag besser, was nicht drin war«, nuschelte sie. »Ein paar Stofftiere, meine rote Kochschürze, die blauen Kissen und die grüne Decke vom Sofa. Der gesamte Inhalt des Salzstreuers. Wahrscheinlich als Ersatz für das Waschpulver. Voilà!«

»Das nächste Mal soll sie das hässliche, beige Tafelservice von deiner Mutter nehmen. Farblich bräuchte das dringend ein Upgrade.«

»Das hättst du wohl gerne – und wehe, du bringst sie auf Ideen! Jedenfalls wäre dein Suppenheldenkostüm dann sicher nur noch Konfetti«, lachte sie und wurde rasch wieder ernst. »Wolltest du nicht neue bestellen?«

»Stimmt«, brummte er kleinlaut und verlegen. »Hab ich leider vergessen. Aber vielleicht ist die Waschmaschine schon fertig?«

Sie seufzte. »Eher nicht. Die Wäsche mit der Zusatzfunktion gegen Flecken dauert ewig. Die Strampler für meinen kleinen und meinen großen Mann brauchen halt länger.«

»Und was mache ich jetzt?«

»Rainbow Gulasch?« Sie grinste.

»Kann man die Waschmaschine nicht abbrechen?«, fragte er hoffnungsvoll und wollte aus dem Schlafzimmer eilen, doch sie verstellte ihm den Weg.

»Wie du dich um Sachen kümmerst, kann ich sehen, mein Lieber!«, knurrte sie verärgert und fuchtelte mit dem Kochlöffel durch den Raum.

»Das ist kein Zauberstab, mein Schatz«, sagte er und beugte sich zu ihr vor und küsste sie. »Ich räum das später auf.«

»Das hoffe ich für dich! Und meine Waschmaschine ist in Zukunft für den Rest der Familie tabu.« Sie ging an den Schrank, nahm den Kleiderbügel mit dem verfärbten Kostüm und drückte ihm diesen gegen die Brust. »Bitteschön, mein Held. Ich muss jetzt kochen«, sagte sie. »Sei vorsichtig«, bat sie noch, bevor sie in die Küche verschwand.

Er betrachte angewidert das Kostüm – verblasste Neonfarben wie in den 80ern. Batikmuster. Nur widerwillig schlüpfte er in das verwaschene Kleidungsstück, machte ein paar Dehnübungen und eilte dann in sein Arbeitszimmer, um Schuhe, Maske und andere, letzte Ausrüstungsgegenstände zu holen. Anschließend kletterte er durch das offene Fenster auf die Feuertreppe, hetzte die Stufen hinauf und sprang von Dach zu Dach, bis er die Polizeistation erreichte.

Es war ein milder Abend, aber es wurde inzwischen wieder früher dunkel. Das Kochtopfsignal, welches der Flakscheinwerfer an die graue Wolkendecke warf, war deutlich zu erkennen. Eine sanfte Brise wehte durch das schüttere, schnittlauchartige Haar des Polizeicaptains Stangenspargel.

»Wie schlimm ist es?«, knurrte Captain Gulasch kehlig.

Sein langjähriger Freund drehte sich um. »Ich kann ja stehen, wo ich will – du schleichst dich immer von hinten an.« Er lachte. »Neues Outfit? Ist das nicht zu retro?«

»Harter Tag?«, überging Captain Gulasch die Frage.

»Es gab viele harte Tage in meiner Laufbahn. Aber noch keinen wie diesen.«

Er hätte ihn fragen können, was geschehen war. Doch er hatte gelernt, dass sich sein Freund nicht hetzen ließ. Er hatte seine eigene Geschwindigkeit – seine eigene Erzählweise.

»Ich hab den ganzen Nachmittag damit verbracht, Rick Gazpacho zu suchen. Man sollte meinen, dass ein Bürgermeister nicht spurlos verschwinden kann.«

Captain Gulasch räusperte sich und Stangenspargel sah ihn aus müden Augen an.

»Du hast es also gewusst – natürlich hast du das.«

»Wir haben doch alle unsere Geheimnisse«, entgegnete Captain Gulasch lapidar.

»Oh nein, ich nicht!«

»Ich weiß, dass du wieder rauchst und das vor deiner Frau geheim hältst. Das ist per Definition ein Geheimnis.«

»Klar! Aber dass ich dich heute Mittag gebraucht hätte, das wusstest du ausnahmsweise mal nicht, oder? Ich musste warten, bis es dunkel genug ist, um dieses … überdimensionale Teelicht anzuzünden, um das Signal über der Stadt erstrahlen zu lassen! Schon mal was von Smartphones gehört?«

Er nickte. »Siehst du, mein Freund! Du bist total gereizt. Also rauchst du wieder! Dafür muss man kein Hellseher sein.« Captain Gulasch schmunzelte unter der Maske, welche den Mund freiließ, ansonsten aber seine Identität schützte. »Außerdem liegen da drüben deine Räucherstäbchen.« Captain Gulasch trat näher, schnappte sich die Packung und betrachtete sie. »Bacon? Das klingt ja fett!« Er zündete sich ein Stäbchen an und zog kräftig daran. »Lecker«, sagte er zufrieden.

Gleich darauf rauchten sie gemeinschaftlich. Und schweigend.

Kurz bevor er den Filter erreichte, drückte Captain Gulasch das Räucherstäbchen im Aschenbecher aus. »Weiß die Frau des Bürgermeisters jetzt, dass sich Gazpacho woanders pürieren lässt?«

Sein Freund sah ihn strafend an. »Denkst du, ich wäre noch in der Stadt, wenn es so wäre?«

»Nein. Du wärst wohl eher am Grund des Soja River. Keine schönen Aussichten bei der trüben Brühe.«

Der Polizist lachte humorlos, drückte sein Stäbchen ebenfalls im Aschenbecher aus und nickte. »War aber knapp. Wir haben ihr gesagt, dass ein Sekretär ihres Mannes einen Fehler gemacht habe und einen falschen Termin eingetragen hätte. Wird ihm wohl den Job kosten – aber besser ihm als mir.«

»Und wozu hast du den Bürgermeister finden müssen?«

»Wegen dir.«

»Wegen mir?«, fragte Captain Gulasch erstaunt.

Jetzt zog Stangenspargel einen durchsichtigen Beweismittelbeutel aus der Hosentasche, in dem ein weißer Zettel steckte.

Captain Gulasch nahm den Beutel und las die Notiz:

Es muss endlich Frieden geben!

Das ist erst der Anfang.

Captain Gulasch

»Hab ich nicht geschrieben«, knurrte er und reichte den Beweis zurück. »Wo habt ihr das gefunden?«

»An der Leiche von Don Chili Fleischklops.«

Captain Gulasch erstarrte entsetzt. Gestern Abend noch war er bei Don Chili gewesen und sie hatten einen oder zwei getrunken, so wie sie es immer an einem Mittwoch taten, und jetzt war Don Chili tot?

Captain Gulasch dachte an Don Chilis Ur-Großvater Vito Fleischklops. Zusammen mit anderen italienischen Auswanderern war Vito Fleischklops in die USA gekommen, um den amerikanischen Traum zu leben. Der noch sehr junge Mann hatte in der abgehalfterten Kleinstadt Washington in einem Restaurant eine Anstellung als Tellerwäscher gefunden. Kurze Zeit darauf fiel der Küchenchef aus und Vito musste einspringen. Zu seinem Glück erinnert er sich daran, wie er einst mit seiner Nonna gekocht hatte. Also setzte er Minestrone mit Fleischklopsen nach Familienrezept als alleiniges Gericht für den Abend auf die Speisekarte. Der Rest war Geschichte. Denn wie ein Lauffeuer sprach sich die köstliche Suppe des Tellerwäschers herum. Ein Jahr später gehörte Vito das Restaurant – weitere sechs Monate danach besaß er zwei Filialen. Schließlich eine Fabrik, in der seine Minestrone hergestellt und weltweit verschickt wurde. Als Vito vierzig Linsen zählte, arbeitete bereits die halbe Stadt für ihn. Kurz darauf wurde er zum Bürgermeister gewählt und nannte Washington kurzerhand in Minestropolis um. Unter seiner Anleitung, auch noch lange nach seinem Tod, gedieh die Stadt und wurde zu einer Mega-City, in der es einfach alles gab und in der nichts unmöglich war.

Zumindest bis vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Seitdem entwickelte sich einiges nicht mehr so, wie es sollte. Und begonnen hatte es damit, das Don Chili Fleischklops als Suppenheld in Ungnade gefallen war. Hoffnungsträger war dann Don Chilis Neffe Rick Gazpacho gewesen, als er kürzlich ins Amt des Bürgermeisters berufen wurde. Doch die erwarteten, positiven Veränderungen für Minestropolis ließen auf sich warten.

»Denkst du, ich würde einen Mord begehen und dann hier mit dir stehen und rauchen?«, fragte er.

»Darum der Bürgermeister. Er war ziemlich wütend, aber ich habe ihm gesagt, dass das gequirlte Gemüseausscheidungen sind. Und ich habe ihn um Aufschub gebeten, damit wir das klären können.«

»Und der Preis, mein Freund?«

»Mein Rücktritt – sollte ich mich irren. Also sieh zu, dass du diese Sache aus der Welt schaffst.«

Captain Gulasch nickte.

»Und da wäre noch was. Fleischklops Junior hat geschworen, den Tod seines Vaters zu rächen. Seit ein paar Stunden steht das Telefon nicht mehr still und ich wette, ich werde noch vor Mitternacht den Notstand ausrufen müssen.«

»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Er nickte einmal mehr. »Darf ich das … große Teelicht benutzen?«

Sein Freund machte eine auffordernde Geste. »Nur zu.«

Mit ein paar Handgriffen hatte Captain Gulasch das Kochtopfsignal so verändert, dass zusätzlich zwei sich kreuzende Filetiermesser zu sehen waren.

»War dir das alte Symbol zu langweilig?«, fragte der Polizist überrascht und starrte weiter auf den nächtlichen Himmel.

»Natürlich nicht. Das ist das Suppenheldensignal. All die Suppenhelden von Minestropolis wissen jetzt, dass sie mich an einem geheimen Ort treffen sollen. Dort werde ich sie instruieren und sie werden mir helfen, in Minestropolis wieder für Ordnung zu sorgen.«

»Und dich entlasten, damit ich nicht zu früh meine Rente genießen muss«, erinnerte Stangenspargel und drehte sich zu Captain Gulasch. Doch dieser war bereits weg. »Viel Glück«, wünschte er trotzdem, griff nach seiner Schachtel und zündete sich ein weiteres Stäbchen an.

Sein Freund sollte recht behalten. Captain Gulasch blieb kaum genug Zeit, den versammelten Suppenhelden die Sachlage zu erklären – zumindest jenen, die gekommen waren. Einige von ihnen waren bereits zu sehr mit der Verbrechensbekämpfung beschäftigt. Andere hatten schon Details gehört und wollten sich nicht in die Fehde hineinziehen lassen, welche Fleischklops Junior begonnen hatte.

Während sich die Versammlung zerstreute, drückte Backerbsengirl ihn kräftig. Und lang. Ganz lang. Captain Gulasch war sich sicher, dass sie in ihn verliebt war. Danach schenkte sie ihm eine Großpackung ihrer Spezialeffekte – explodierende Backerbsen, die Goldglitzer verteilten, denn das Backerbsengirl machte alles mit Stil und Glitzer. Ihr Kostüm schillerte wie eine goldfarbene Discokugel. Und ihr Cape stand dem in nichts nach.

Captain Gulasch wusste, dass es sich mit ihrem Funkelstaub wie mit Sand verhielt – der kam einfach überall hin. Sie hatten schon Verbrecher überführen können, die Stein und Kern geschworen hatten, nicht am Tatort gewesen zu sein. Doch der Goldglitzer hatte die Lüge aufgedeckt. Jedenfalls wollte er seiner Frau lieber nicht erklären müssen, wo der Glitzer herkam.

»Massenkarambolage im Schnellkochtopfviertel. Dein Einsatz, Glitzerkugel!«, rief Suppenheld Kraftbrühe-Ranger. »Ich komme mit und unterstütze dich.«

»Danke!«, zwitscherte Backerbsengirl und versuchte Kraftbrühe-Ranger ebenfalls zu drücken, doch dieser wich zurück.

»Nicht übertreiben, Knutschkugel. Los jetzt.«

Aber vielleicht ist sie auch nur immer so, dachte Captain Gulasch lächelnd. Sie alle waren eine Art Familie. Kannten einander. Stritten miteinander. Liebten sich. Hassten sich. Doch sie waren füreinander da, wenn es darauf ankam. Normal. Und während die zwei zu der Massenkarambolage unterwegs waren, befand sich ein anderer Teil seiner Familie da draußen und kämpfte gegen die Anarchie. Falls sie verletzt oder gar getötet werden würden, dann traf ihn seit heute Nacht wegen Fleischklops Juniors Fehde eine Mitschuld. Deswegen gab es für ihn nur ein Ziel: Fleischklops Junior aufsuchen und davon zu überzeugen, dass er nicht der Mörder war. Und wenn das nichts brachte, dann würde er ihn aufhalten. Gleich wie.

Rosa Bete fluchte leise. Heute war wieder einer dieser Tage. Es hatte damit begonnen, dass der Minestrone-Cuptrain Verspätung gehabt hatte, mit dem sie jeden Tag zur Arbeit fuhr. Endlich an ihrer Haltestelle angekommen, war sie von einer Grobwurst übersehen werden, die es noch eiliger als sie gehabt hatte. Ein Teil seines Kaffees war auf ihrer neuen, strahlend weißen Bluse gelandet. Es war ihm natürlich unangenehm gewesen, aber nur so lange, wie er benötigt hatte, um ihr eine Entschuldigung zuzurufen. Bis sie letztlich bei ihrem Lieblingsbäcker eingetroffen war, fehlte zwar die morgendliche Kundenschlange, dafür waren aber auch die himmlisch leckeren Pekannuss-Ahornsirup-Plunderteilchen aus. Am liebsten wäre sie da schon wieder nach Hause gefahren. Stattdessen hatte sie sich einen langweiligen Schokomuffin gekauft und war in die Anwaltskanzlei gehetzt. Jetzt saß sie hinter ihrem Schreibtisch – gerade so noch pünktlich.

Rosa hatte eben den Computer gestartet und den Kopfhörer eingesteckt, um die ersten, diktierten Briefe einzugeben, als ihr Chef, Rob Knoblauch, an ihren Tisch trat. Sein scharfer Geruch stieg ihr in die Nase, noch bevor sie ihn sah. Er war der beste Anwalt der Stadt – wenn man das nötige Kleingeld übrig hatte.

»Guten Morgen, Rosa. Wie hübsch Sie heute aussehen«, begrüßte er sie charmant.

»Danke«, sagte sie und strich sich verlegen eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr. Sie hoffte, dass ihrem Chef nicht auffiel, wie knittrig die hellgrüne Ersatzbluse war, die aus ihrer Handtasche stammte.

»Sind Sie fit für heute, Rosa? Das wird ein langer Tag.«

»Ein langer Tag?«, fragte sie verwirrt. Kam ein Termin rein, von dem ich noch nichts weiß?, dachte sie.

»Sagen Sie nicht, Sie haben es vergessen! Heute ist der alljährliche Wir-lernen-uns-besser-kennen-Tag, um das Teamwork zu verbessern. Sie sind neu bei uns und ich verspreche, danach wollen Sie viel öfters einen.«

»Örg«, machte sie nicht gerade begeistert. »Ich glaube, ich habe schon jetzt Kopfschmerzen. Oder Bauchweh?«

Rob Knoblauch lachte scharf und heftig, sodass Rosa die Augen zu Tränen begannen. Doch es war ihr nicht unangenehm. Viel eher war es so, dass sie es liebte. Genau wie die Geschichten, welche man über Rob erzählte. Wie er bei Gericht Zeugen ins Kreuzverhör nahm und die irgendwann so eingestänkert waren, dass sie unter Tränen nur noch die Wahrheit sagen wollten.

»Sie werden sehen, das wird wunderbar! Geben Sie dem Ganzen eine Chance, alleine für das Abendessen lohnt es sich.«

Rosa war sich da nicht so sicher, aber sie nickte und zwang sich zu einem Lächeln, welches ihr Chef erwiderte.

»So ist es gut!«, rief er und schritt davon.

Es wäre besser gewesen, wenn sie sich am Morgen krank gemeldet hätte. Denn der Tag blieb so wurzelgemüsig, wie er angefangen hatte. Jede Menge Arbeit. Kunden, so empfindlich wie Schösslinge und natürlich war auch noch die Klimaanlage kaputtgegangen.

Am Abend traf sich das Team, das aus knapp dreißig Angestellten bestand, im großen Konferenzraum. Ein Catering Service hatte eine Tafel mit Essenshäppchen hergerichtet. Und am anderen Ende des Zimmers hatte man eine improvisierte Bühne aufgebaut. Tatsächlich war die Stimmung heiter und voller Vorfreude.

Junganwalt Zacharias Brechbohne hatte ein Suppenheldenkostüm von Captain Gulasch angezogen und erzählte leidenschaftlich, warum er gerade ihn als sein Vorbild bewunderte. Außerdem vergötterte Zacharias das Backerbsengirl, weswegen er das maskuline Suppenheldenkostüm von Captain Gulasch, mit dem glitzernden Goldumhang vom Backerbsengirl kombiniert hatte.

»Hab ich es nicht gesagt«, säuselte Rob ihr von hinten ins Ohr, kam um sie herum und reichte ihr ein Glas Champagner.

»Danke«, sagte Rosa, nahm es an und streifte dabei wie zufällig seine Hand. Ihre Augen trafen die seinen, hielten ihn gefangen, während sie ein Schlückchen trank. Zufrieden beobachte sie, wie sein Blick zu ihren Lippen wanderte, als ihre Zunge darüber leckte.

»Defekte Klimaanlage«, sagte Rob plötzlich lachend. »Puh! Es ist so heiß, man wünscht sich, trotz des dreißigsten Stocks ein Fenster öffnen zu können.«

Im selben Moment zerbarst eine Fensterscheibe.

Zwei Gestalten kullerten als Knäuel ineinander verkeilt auf die Bühne. Um sie herum waren Schreie und Splitter. Dazwischen das Knurren und Brummen der Kämpfenden, die miteinander rangelten, dann ein Stöhnen und einer der beiden erschlaffte.

Junganwalt Zacharias Brechbohne, der sich weggedreht und ängstlich zusammengekauert hatte, richtete sich jetzt wieder auf. Genau wie der Sieger des Zweikampfes. Und plötzlich standen zwei Captain Gulasch auf der Bühne. Einer, dessen maskulines Kostüm wie Wackelpudding um die dünnen, kraftlosen Ärmchen schlackerte. Der andere … retro.

»Weitermachen«, forderte Captain Gulasch grinsend und zwinkerte Zacharias zu.

»Selber«, stammelte dieser verdattert.

Gerade, als sich Captain Gulasch aus dem zerbrochenen Fenster stürzen wollte, erschien eine andere Gestalt davor. Rosa erkannte Fleischklops Junior sofort. Dieser war mit einem Jetpack ausgerüstet und schwebte draußen in der Luft, die Hände theatralisch in die Hüften gestemmt.

»Ich glaube dir kein Wort. Du bist ein verlogener Lügner!«, rief Fleischklops Junior aufgebracht.

»Wir müssen sofort alle in Sicherheit bringen«, sagte Rosa besorgt und wandte sich ihrem Chef zu. Doch Rob Knoblauch war weg. Suchend sah sie sich um und entdeckte ihn zitternd halb unter dem Büfett, wo er sich versteckt hatte. Ihn so zu sehen, war wie ohne Tequila und Salz in eine Zitrone zu beißen – es schüttelte sie vor Enttäuschung.

Doch dafür war jetzt keine Zeit.

»Alle sofort raus!«, brüllte Rosa und sprang vor, um einer Frau aufzuhelfen. »Und helft denen, die verletzt sind!«

Fleischklops Junior lachte diabolisch und Rosa sah erneut zu der Szene hinüber.

»Für das, was du getan hast, hast du den Tod verdient!«, brüllte Fleischklops Junior und wedelte mit der Hand, als verscheuche er eine Fliege.

»Dein Vater und ich waren Freunde! Du kennst mich doch! Warum hätte ich das tun sollen?«, appellierte Captain Gulasch.

Fleischklops Junior, kurzzeitig abgelenkt von etwas, das ihn zu umschwirren schien, zeigte nun auf Captain Gulasch und rief trotzig: »Darum! Dein Charakter ist genau so schäbig wie dein Kostüm.«

»Wow! Das war wahrhaft böse«, sagte Captain Gulasch sarkastisch. »Gehen dir bereits die Argumente aus? Das liegt daran, dass ich nicht der Mörder …«

»Du wirst es schon sehr bald bereuen, dass du dich über mich lustig machst«, brüllte Fleischklops Junior wutentbrannt.

»Sarkasmus ist mein zweiter Vorname. Der gehört einfach zu mir und das kann ich auch nicht abstellen.«

»Vielleicht kann ich dir dabei helfen. Hehehe. Nenn mich doch ab jetzt Dr. Fleischklops, denn hier kommt deine von mir verschriebene Therapie!«, schrie er, neigte die Steuerung und flog zur Seite. »Ich bin mir sicher, er wird dem Gulasch richtig einheizen. Darf ich vorstellen: Spinatsmasher. Er wird dir jetzt gleich eine extra gesunde Portion Eisen verpassen.« Ein böses Kichern erklang.

»Also, dass in Spinat so viel gesundes Eisen ist, das ist nur ein …«

Fleischklops Juniors Kichern hatte sich zu einem lautstarken, diabolischen Lachen gesteigert, welches nun jäh stoppte. Sein Gesicht lief rot an, dann begann Fleischklops Junior zu husten. »Fliege«, würgte er. »Ich muss … was … trinken«, sagte er und verschwand.

Jetzt konnte Rosa Spinatsmasher sehen. Er war noch ein ziemliches Stück von dem Gebäude entfernt. Trotzdem konnte sie gut erkennen, dass sein komplettes Kostüm grün war. Er surfte auf einem fliegenden Brett, welches wie ein Spinatblatt aussah … ein bis an die Zähne bewaffnetes Spinatblatt.

Ohne viele Worte zu verlieren, feuerte Spinatsmasher eine grün lackierte Rakete ab. Ihnen blieb nicht viel Zeit, ehe sie einschlagen würde.

Rosa beobachte, wie Captain Gulasch den Kopf wendete und sich in den Raum voller Unschuldiger umsah. Abgelenkt durch den Schlagabtausch der beiden hatten sie hier verweilt und würden das nun wohl mit dem Leben bezahlen müssen.

Dann sah er sie an. Rosa wusste, was er sah. Eine Frau, die weder verängstigt noch beunruhigt wirkte. Sie nickte ihm entschlossen zu, sah, wie sein Blick in Verwirrung umschlug und rannte auf ihn zu.

»Weg!«, brüllt Rosa, stieß Captain Gulasch beiseite und sprang todesmutig aus dem zerbrochenen Fenster. Sie sprintete einfach weiter auf die Rakete zu, als hätte sie weiterhin festen Boden unter den Füßen. Kurz bevor sie den Flugkörper erreichte, blieb sie stehen, dehnte ihren Körper wie Gummi aus und umschloss den Sprengkörper.

Rosa schloss die Augen und dachte daran, wie schön ihr Leben an der Seite von Rob Knoblauch hätte werden können, wenn heute nicht der Wir-lernen-uns-besser-kennen-Tag gewesen wäre, der alles verdorben hatte.

Ungläubig hatte er der jungen Frau hinterher gestarrt, als diese sich der Rakete entgegenstellt und ihre Suppenkräfte eingesetzt hatte, um sie alle zu retten. Denn die Rakete war in ihrem Innern explodiert, ohne Schaden anzurichten.

Jetzt stieg schwarzer Rauch um sie herum auf, während die junge Frau, bewusstlos oder tot, zu fallen begann. Er stürzte hinaus, flog zu ihr, nahm sie auf den Arm und brachte sie zurück ins Büro. Dort legte er sie behutsam auf den Boden. Ihre Kleidung war zerrissen oder fast verbrannt, doch ihre Haut hatte keinen Schaden genommen. Er tastete nach ihrem Puls und stellte erleichtert fest, dass sie nur bewusstlos war.

Sein Doppelgänger, im billigen Merch-Kostüm mit Glitzercape, kam langsam näher. »Ist Rosa … tot?«

»Nein.«

»Dem Gemüseschöpfer sei Dank!«, sagte sein Doppelgänger und legte das goldene Glitzercape von Backerbsengirl über Rosa, sodass sie sittsam bedeckt war.

Rosas Augenlider begannen zu flattern, dann sah sie Captain Gulasch aus grünen Augen an. »So ein verdammter Spinat! Jetzt muss ich mir schon wieder einen neuen Job suchen«, sagte sie gereizt.

»Rosa! Rosa!«, rief ein Mann und eilte heran. Neben ihr fiel er auf die Knie. »Du hast mir das Leben gerettet.«

»Sie hat uns allen das Leben gerettet«, korrigierte Captain Gulasch den Fremden.

»Psst«, sagte Rosa, hör- und sichtbar voll schmachtender Sehnsucht. »Ich will hören, was Rob zu sagen hat.«

»Rosa, du hast mir die Augen geöffnet – gerade, als ich dachte, mein ganzes Gemüsedasein vor meinen Augen vorbeisuppen zu sehen. Mein Leben war bisher erfüllt von Erfolg, Glutamat und Dünger. Und trotzdem vollkommen leer und unbedeutend. Aber jetzt …«

»Ja!?« Sie sah Rob erwartungsvoll an.

»Aber jetzt will ich mein Leben füllen mit den Dingen, die mir wichtig sind …«

»Oh Robi Knobi, ich dich doch auch«, schmachtete sie.

»Von jetzt an will ich das Richtige machen und hänge meinen Job an den Nagel …«

»Äh … wie jetzt?«

»Ich werde zu meiner Freundin ziehen, sie heiraten, ihr ein treuer Eheknoblauch sein und viele kleine Zehen mit ihr bekommen!«

»Was?« Die am Boden liegende Frau blinzelte überrascht. Schließlich ohrfeigte sie ihn so heftig, dass Captain Gulasch fast Mitleid mit dem Fremden hatte.

»Spinnst du? Ich hab dein Leben gerettet. Du willst mit mir durchbrennen! Für dich gibt es nur noch Rosa Bete!«

»Lebt wohl, Freunde«, rief Rob, sprang auf und winkte in die Runde. »Es ist vollbracht!« Dann rannte er aus dem Raum.

»Was ist da gerade passiert?«, fragte sie, blinzelte verwirrt und sah Captain Gulasch an.

Er lachte humorlos. »Dieses traumatische Erlebnis lässt ihn denken, er müsse sein Leben irgendwie gesünder und rechtschaffener verbringen. Man nennt diese Belastungsstörung Dumm gelaufen. Denn wenn man dann wieder auf dem Weg der Besserung ist, ist es meist zu spät. Die Suppe steht auf dem Tisch und man muss sie auslöffeln.«

»Aber …«

»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte er.

Rosa nickte.

»Vergiss ihn.«

Sie nickte wieder. »Hast Recht, so ein hohles Gemüse. Ich hätte es besser wissen sollen«, sagte sie, und ihre Stimme bebte vor Zorn.

Captain Gulasch reichte ihr die Hand und zog sie auf die Beine. »Ich denke, wir kennen uns noch nicht.«

Rosa schlang sich das Cape um und steckte es fest. »Ja, und ich denke, das hätte gerne so bleiben können. Ich möchte das nicht«, sagte sie und zeigte auf sein Kostüm. »Normalerweise sage ich immer, ich will keine schillernde Persönlichkeit sein. Aber irgendwas stimmt mit deinem Kostüm nicht.«

Captain Gulasch lachte. »Ich bin es nicht, der glitzert.«

»Hallo?«, rief eine elektronisch verstärkte, ungeduldige Stimme von draußen herein.

»Er ist noch da«, flüsterte sein Doppelgänger ängstlich und stellte sich so, dass er sich hinter ihm, dem echten Captain Gulasch verstecken konnte. Bevor er sich um Spinatsmasher kümmern wurde, warf er einen prüfenden Blick auf den Suppenschurken Zucchini Devil, mit dem er eben durch das Fenster gekracht war. Doch dieser schlummerte weiterhin im kosmischen Gourmethimmel der Gemüseträume. Tief und fest.

»Wer ist noch da?«, fragte Rosa verwirrt.

»Spinatsmasher!«, rief Spinatsmasher und warf sich in Pose, was jegliche Wirkung verfehlte, weil er eben ein gutes Stück weit entfernt war und sie erst jetzt zu ihm hinsahen. »Noch eine Dosis Eisen gefällig?«

»Also ich denke, für heute hatten wir genug. Vielleicht morgen wieder«, rief Rosa ihm zu.

»Ja, vielleicht morgen«, brüllte Captain Gulasch zustimmend.

Spinatsmasher grinste. »Fleischklops Junior sagte mir schon, dass ihr Suppenhelden ein Problem mit Respektspersonen hättet. Aber meine kleinen grünen Babys werden euch Ehrfurcht lehren!«

Fünf Raketen zischten aus dem Spinatblatt auf sie zu.

»Beim großen Gemüseschöpfer!«, stieß sein Doppelgänger in Todesangst hervor und presste die Augen zusammen. »Ich wünschte, meine Suppenkraft wäre es, Dinge verschwinden zu lassen. Oder Backerbsengirl wäre hier – ihr Glitzer könnte die Lenkraketen vielleicht verwirren.«

»Das ist doch läch… eine großartige Idee«, sagte Captain Gulasch und zog die Großpackung Spezialeffekte so hervor, dass Spinatsmasher sie nicht sehen konnte.

»Glitzereffekte?«, flüsterte Rosa überrascht.

»Es könnte funktionieren. Es sei denn, du kannst es mit fünf gleichzeitig aufnehmen!?«, fragte er.

Rosa schüttelte den Kopf. »Wie mit dem Salzstreuer?«

Captain Gulasch nickte.

Sie griff sich die Hälfte der Backerbsen-Spezialeffekte. »Dann mal los! Lass uns ihm die Suppe versalzen.«

Gemeinsam gingen sie zum Angriff über, indem sie die Spezialeffekte nacheinander an verschiedenen Positionen vor den Raketen zum Explodieren brachten. Ein wahrer Goldglitzerregen ergoss sich vom Himmel.

Was dann geschah, überstieg Captain Gulaschs kühnste Träume. Denn die Raketen schwirrten plötzlich wie schnödes Feuerwerk durch die Luft und eliminierten sich gegenseitig.

»Das ist so cool!«, schrie Rosa begeistert. »Wir haben alle gerettet!«

»Ja«, sagte Captain Gulasch nickend.

»Und jetzt machen wir Spinatsmasher einen oder zwei Stängel kürzer!« Rosa grinste.

»Der gibt längst Fersengeld. Ist wohl eher Mangold als Spinat«, lachte er.

»Den schnapp ich mir noch«, rief Rosa leidenschaftlich, verlängerte ihren Arm, ballte ihre Faust und zertrümmerte das Spinatblatt. Dann umwickelte ihr Arm den fallenden Suppenschurken und verschnürte ihn handlich. Danach zog sie die fluchende Spinatmaultasche zu sich.

»Das hätte ich nicht besser machen können, Wonder Bete«, lobte Captain Gulasch sie.

»Wonder Bete?« Rosa lachte. »Ich denke, das gefällt mir. Aber nein, ich wollte nicht damit anfangen und bleib auch dabei.« Sie warf ihm einem Blick zu, der ihm drohte, sie besser nicht weiter in Versuchung zu führen.

Captain Gulasch nickte. »Ich verstehe das. Doch wir benötigen gerade jede helfende … verlängerten Arm, den wir bekommen können.«

Sie nickte. »Ich werde darüber nachdenken. Jetzt aber sollte ich mich um meine Kollegen kümmern. Sie brauchen mich erst einmal dringender.«

Sie kehrten zum Gebäude zurück, wo sein Doppelgänger im billigen Merch-Kostüm den auf der Bühne bewusstlos gegangenen Suppenschurken Zucchini Devil unter Zuhilfenahme eines Packbandabrollers zu einer Mumie verarbeitet hatte.

»Großartige Arbeit, Zacharias Brechbohne«, rief Rosa begeistert. »Hier! Fang!«, rief sie und zog ihren Arm zurück, was Spinatsmasher um seine eigene Achse und auf Zacharias zu wirbeln ließ. Dieser empfing den Suppenschurken mit einem frisch geladenen Packbandabroller.

»Ich glaube, mir wird schlecht …«, würgte Spinatsmasher, dessen Gesichtsfarbe nun Ähnlichkeit mit dem Grün seines Kostüms hatte.

»Tja, das wird dir eine Lehre sein. In Zukunft wirst du dich nicht mehr mit Captain Gulasch anlegen!«, rief Zacharias und warf sich in eine Suppenheldenpose.

»Ähm!«, sagte der echte Captain Gulasch neben Rosa. »Sieht das wirklich immer so angeberisch aus?« Dann lachte er. »Wie dem auch sei, mir scheint es, als hättest du dein Heldenteam schon gewählt. Falls du es dir jedoch doch noch anders überlegst, Polizeicaptain Stangenspargel weiß, wo ich zu finden bin.«

»Danke!«, sagte Rosa, zwinkerte ihm zu und eilte mit Zacharias davon.

»Hey, die Puppe steht wohl auf dich«, erklärte Spinatsmasher süffisant.

Captain Gulasch packte ihn mit der Rechten am Schlafittchen, Zucchini Devil mit der Linken, und hob sie hoch. »Klappe, sonst mache ich Rahmspinat aus dir.«

Welche Verletzung

zieht man sich beim Suppeessen zu?

… …

Eine Schlürfwunde!

Wolfgang Schroeder

Wolfgang Schroeder hat sich in den letzten Jahren einen Namen vor allem als Übersetzer satanischer Kochbücher gemacht. Sein Ziel ist es, irgendwann einmal in Berlin ein eigenes Kochstudio zu besitzen, in dem es neben besonders scharfen Suppen auch ausgesuchte Cocktails aus dem Waypoint FiftyNine gibt, der schärfsten Kneipe im ganzen Universum.

Wenn er nicht gerade an irgendwelchen Kurzgeschichteneintöpfen herumköchelt, ist er weltweit als anerkannter Geschmackstester für Käsesoßen unterwegs.

Suppenhelden tragen keine Karos

Der Tag begann ruhig im Rigby-Rhabarber-Kochstudio, was mir entgegenkam, denn der Kater vom letzten Abend krallte sich noch immer hartnäckig in meinem Nacken fest.

Im Moment lief das Geschäft jedenfalls so schleppend, dass ich vor lauter Langeweile in alten Kochbüchern herumblätterte und darüber nachdachte, den Laden für ein paar Tage dichtzumachen. Ich hatte gerade meinen Stängel entspannt auf dem Tisch abgelegt, als es an der Tür klopfte. Blitzschnell legte ich mein Leserattenlesezeichen in die Seite mit dem Rezept für Rattatouille, klappte das Buch zusammen und schaute dann zur Tür, die jetzt schwungvoll geöffnet wurde.

»Mr. Rhabarber?«

»Der bin ich.«

»Mein … mein Name ist … mein …« Ihre Hand glitt von der Türklinke und mit einem Seufzer sank sie vor mir zu Boden.

Blitzschnell nahm ich meinen Stängel vom Tisch, eilte zu ihr hinüber und begann vorsichtig mit den üblichen Wiederbelebungsmaßnahmen, während ich mir meine Besucherin etwas genauer ansah.

Die Frau war die schärfste Zwiebel, die ich jemals in meiner bisherigen Karriere als Koch und Mann gesehen hatte. Mit einer Haut, so zart und weich, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Ich war gerade dabei, ihre dritte Hautschicht zu entblättern, als sie ihre entzückenden grünen Augen aufschlug und mich erstaunt ansah.

»Was machen Sie da, Mr. Rhabarber?«

»Sie sind ohnmächtig geworden und ich musste Sie doch irgendwie ins Leben zurückholen.« Ich brachte ihre Häute wieder in die ursprüngliche Form und lehnte mich nach getaner Arbeit zufrieden nickend gegen die Wand. »So, fertig.«

»Danke.«

»Nicht dafür.«

Sie seufzte erneut, blieb diesmal aber wenigstens bei Bewusstsein, also half ich ihr beim Aufstehen und nahm danach wieder meinen Platz an der Wand ein.

»Ich … ich möchte mich für meinen dramatischen Auftritt entschuldigen. Es war nur so … als ich den Titel des Buches las …«

Unwillkürlich warf ich einen Blick auf das Buchcover auf meinem Schreibtisch, das sie anscheinend so aus der Fassung gebracht hatte. Die 50 schärfsten Suppengerichte für Singles stand dort gut lesbar in großen Lettern.

Okay, dass gerade ich ein Kochbuch für Singles las, konnte schon zu einiger Verwirrung führen, aber deswegen gleich in Ohnmacht zu fallen, hielt ich dann doch für etwas übertrieben.