Süße Qual - Zoe Held - E-Book

Süße Qual E-Book

Zoe Held

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Beschreibung

Anwältin Norina hat klare Vorstellungen davon, was richtig ist - Sex mit Halsband und Peitsche nicht, da ist sie sich sicher. Und trotzdem lassen ihre Fantasien sie einfach nicht los. Eine einzige Nacht mit dem berüchtigten Dom Lord Fergus scheint ihr die Lösung zu sein. Um ihr sündhaftes Verlangen endlich zu ersticken, soll er sie an ihre Grenzen bringen. Doch anstatt sie abzuschrecken, ziehen die immer härteren Spiele Norina in ihren Bann ...

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Über das Buch

Anwältin Norina hat klare Vorstellungen davon, was richtig ist – Sex mit Halsband und Peitsche nicht, da ist sie sich sicher. Und trotzdem lassen ihre Fantasien sie einfach nicht los. Eine einzige Nacht mit dem berüchtigten Dom Lord Fergus scheint ihr die Lösung zu sein. Um ihr sündhaftes Verlangen endlich zu ersticken, soll er sie an ihre Grenzen bringen. Doch anstatt sie abzuschrecken, ziehen die immer härteren Spiele Norina in ihren Bann …

Über die Autorin

Zoe Held wohnt im Westen von München mit Blick auf die Berge. Die Ideen zu ihren Geschichten fallen ihr beim Bergwandern, Skifahren oder auch auf dem täglichen Weg zur Arbeit ein. In ihrer Freizeit reist sie gerne, vor allem nach Skandinavien, Schottland und Nordfrankreich, wo sie die kulinarischen Leckerbissen ihrer Reiseziele genießt.

Zoe Held

Süße Qual

Erotischer Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Dieses Werk wurde vermittelt durch die LiteraturagenturSchmidt & Abrahamswww.schrift-art.net

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, KölnUmschlaggestaltung: Thomas KrämerUnter Verwendung eines Motives von shutterstock/yurok

eBook-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-2340-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Norina nahm einen vorsichtigen Schluck von ihrem Ale und atmete tief durch. Im Grunde genommen war das ganze Vorhaben der pure Wahnsinn. Nüchtern betrachtet war es einfach nur verrückt, hier zu sein.

Das Violetts galt als elitär und edel, und so wirkte die Einrichtung auch: Edel, zurückhaltend und teuer. Niemand hier war nur auf billigen Sex aus. Bis jetzt sah es allerdings nicht gerade gut aus für ihr Unterfangen. Keiner der Männer hier im Raum hatte auch nur versucht, sie anzusprechen, dabei gab sie sich alle Mühe, interessiert und offen zu wirken. Einige von ihnen hatten ihre Partnerinnen dabei, andere wiederum nahmen nicht den dominanten Part für sich in Anspruch.

Ob sie irgendeinen Fehler bei ihrer Kleidung gemacht hatte? Dabei hatte sie sich sogar ein schlichtes Lederhalsband mit Ring vorne besorgt, um klarzumachen, was sie wollte. Sie hatte zu High Heels und Nylonstrümpfen gegriffen und dazu ein eng anliegendes Kleid mit einem tiefen Rückenausschnitt gewählt. Nicht zu aufreizend – vielleicht war das der Fehler?

»Kein Glück heute?« Es war der sexy Kobold hinter der Bar, der sich zu ihr beugte und sie aus ihren Betrachtungen riss. Im Gegensatz zu den Gästen trug er keinerlei Fetisch-Kleidung, sondern ein schlichtes weißes Hemd und gut sitzende Jeans. Wahrscheinlich arbeitete er nur hier, um sich etwas Geld dazuzuverdienen. Ein Student? Dazu wirkte er etwas zu alt, auch wenn er in dem schummerigen Licht schwer zu schätzen war. Jünger als sie mit ihren sechsunddreißig Jahren jedenfalls, vermutete sie, etwas über dreißig vielleicht.

Norina lächelte nichtssagend und trank noch einen Schluck. »Oh, ich fühle mich ganz wohl so, danke«, antwortete sie und spürte den Blick aus seinen grünen Augen beinahe unangenehm intensiv.

»In einer Stunde habe ich Dienstschluss. Wenn du dich noch so lange gedulden kannst, kann sich das mit dem fehlenden Glück schnell ändern.« Sein breites Grinsen war ansteckend. Sommersprossen auf seiner Nase gaben ihm etwas verwegenes. Sein Akzent war eindeutig irisch.

»Du … du spielst auch?« Norina hoffte inständig, dass sie die richtige Ausdrucksweise gefunden hatte. Sie wollte nicht wie ein blutiger Anfänger erscheinen. Dann würde sich erst recht niemand mehr für sie interessieren.

Er zuckte mit den Schultern. »Sehe ich so aus?« Ein Funkeln trat in seine grünen Augen. »Eigentlich nicht, jedenfalls nicht im Vergleich zu den meisten hier. Aber wenn du es unbedingt brauchst, bin ich ein paar Fesseln hier und ein paar Schlägen dort nicht abgeneigt.«

Sein ironischer Unterton entlockte ihr ein Lachen. Er zwinkerte ihr kurz zu, beugte sich dann zu einem anderen Gast und begann schließlich damit, einen Cocktail zu mischen. Seine Bewegungen waren elegant und kraftvoll. Er legte anscheinend Wert auf sein Äußeres und schien viel Sport zu treiben und auch ein wenig Krafttraining zu machen. Breite Schultern, schmale Hüften und dazu diese verwegen aufgegelten, roten Haare – und er versprach vollkommen normalen Sex. Nicht das, was sie wollte. Nicht das, was sie brauchte, um die Fantasien in ihrem Kopf loszuwerden.

Das letzte Mal, als sie es mit normalem Sex probiert hatte, war nichts daraus geworden. Norina beobachtete ihn, während er den Cocktail in ein Glas füllte, eine Ananasscheibe und einige aufgespießte Weintrauben am Glasrand befestigte und den Drink an den Gast weitergab. Endlich galt seine Aufmerksamkeit wieder ihr.

»Danke, aber ich brauche kein Mitleid«, stellte sie klar. Sein Lächeln blieb trotz ihrer Abfuhr.

»Oh, das hast du falsch verstanden, Süße. Ich bin nicht der Typ für Mitleidsficks. Wenn ich mit einer Frau schlafen will, dann weil sie mich interessiert.«

Obwohl sie noch nicht einmal seinen Namen kannte, vermittelte er ihr doch das Gefühl, ihm alles anvertrauen zu können. Kein Wunder, wenn er öfter an der Bar stand. Wahrscheinlich war er für alle Besucher eine Mischung aus Kummerbox und Datingbörse. Das musste sie ausnutzen.

»Außerdem bin ich eigentlich auf der Suche nach einem ganz bestimmten Mann. Fergus nennt er sich.« Nervös schlug sie die Beine übereinander. Ihr linker Fuß wippte vor sich hin, eine Angewohnheit, die sie sich nie hatte abgewöhnen können.

Jetzt verschwand sein Lächeln und machte einem dunklen Ausdruck Platz. »Lord Fergus, wenn schon«, verbesserte er schließlich. »Sicher, dass du das willst?«

»Würde ich es sonst sagen?«

»Lord Fergus … Süße, du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Jemand wie er verspeist eine Anfängerin wie dich zum Frühstück. Lord Fergus hat den Ruf, unerbittlich zu sein. Keine Zärtlichkeit, keine Schmuseeinheiten, nichts. Keine Beziehungen, sondern nur Sex. Er verlangt die absolute Unterwerfung. Und er gilt als Sadist jenseits aller Grenzen.«

Genau das wollte sie auch. Möglichst viel auf einmal, um ihrem Körper deutlich zu machen, wie falsch diese Fantasien waren. Gerade darum war sie bei ihren Recherchen im Vorfeld bei diesem Kerl namens Lord Fergus hängen geblieben. Norina lachte auf. »Genau danach suche ich ja auch.«

»Das solltest du dir noch mal überlegen. Sieh mal, ich gehe nicht davon aus, dass du irgendeine Ahnung davon hast, worauf du dich hier einlässt …«

»Ich habe mehr als genug darüber gelesen. Ich weiß, was ein Safeword ist und dass man Absprachen haben sollte. Außerdem habe ich ein Pfefferspray dabei, habe nicht zu unterschätzende Kenntnisse in Wing-Tsun und meine beste Freundin weiß, wo ich bin und wann ich mich zurückmelden will«, unterbrach sie ihn. Sie hasste es, dass er ihr die Anfängerin ansah. Überhaupt hasste sie es, zugeben zu müssen, irgendetwas nicht zu können. So etwas gab es in ihrer Welt einfach nicht.

Sein Lachen war wirklich ansteckend. Er nickte in gespielter Anerkennung. »Wow, das ist wirklich beeindruckend. Kann es sein, dass du ein kleiner Sicherheitsfreak bist?«

»Höchstens ein bisschen paranoid«, gab Norina zu. Aber vor Gericht kam sie oft genug mit Straftätern in Kontakt, um zu wissen, wie sie sich ihre Opfer aussuchten. Ein leichtes Opfer würde sie bestimmt nicht sein. Sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, um die Risiken zu minimieren. Das, was sie vorhatte, war verrückt genug.

»Lord Fergus oder keiner. Ich habe meine Quellen, und was ich über ihn gehört habe, ist genau das, was ich will.«

Seine Mundwinkel zuckten nach oben. »Oh, wirklich?« Er beugte sich etwas nach vorne. »Dann muss ich dich enttäuschen, Süße. Lord Fergus ist bestenfalls ein Mythos, eine Legende. Ich jedenfalls habe ihn nie getroffen und ich bin nun doch schon ein paar Jahre in der Londoner Szene unterwegs. Ich kenne niemanden, der ihn je persönlich getroffen hat. Wer auch immer deine Quellen sind, sie reden von purer Fantasie. So viel zu deinem Wissen.«

Die Selbstsicherheit, mit der er sie gerade herunterputzte, war überwältigend. Norina verzog das Gesicht und griff nach ihrem Getränk. »Wie schade. Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht nur Hirngespinste sind. Aber dann bin ich hier wohl falsch.«

»Vielleicht.« Er nickte einem anderen Gast zu und hob kurz die Hand zum Gruß. »Pass auf, Süße, in diesem Klub wird nach allgemein anerkannten Regeln gespielt. Safe, sane, consensual. Was man sich über diesen angeblichen Lord erzählt, ist weder das eine noch das andere. Du wirst hier garantiert niemanden finden, der gutheißen würde, was man in diesen Geschichten so erzählt. Aber wenn du es unbedingt auf die harte Tour brauchst, kann ich dich gerne ein paar Jungs vorstellen. In welche Richtung soll es denn gehen? Schmerzen? Pure Unterwerfung? Eher die psychische Komponente? Vergewaltigungsspiele?«

Wenn er glaubte, sie damit nervös machen zu können, lag er ziemlich falsch. Norina rutschte auf ihrem Barhocker nach hinten und ignorierte das Ziehen in ihrem Unterleib. Diese Art von Spielen kannte sie zur Genüge aus dem Gerichtssaal. »Alles«, entgegnete sie kalt.

Er kicherte amüsiert. Überhaupt, er hatte etwas an sich. Diese Art von unbekümmertem Lachen, die Unbeschwertheit, schlicht und ergreifend das Funkeln in seinen Augen. Aber wenn er über ein paar Fesseln nicht hinauskam beim Sex, schied er von Anfang an aus. Sie musste diese Fantasien endlich in den Griff bekommen, und ein verständnisvoller, sanfter Kerl würde da nicht helfen.

»Ich sage doch, dass du keine Ahnung hast. Aber warte, ich stelle dich jemandem vor, der dir gefallen könnte.« Er winkte quer durch den Raum. »George, komm mal eben rüber. Ich habe hier was für dich, das genau nach deinem Geschmack sein könnte.«

Ein Mann mittleren Alters reagierte auf seinen Zuruf. Er wirkte freundlich und elegant, trug einen gut sitzenden Anzug mit perlmuttfarbenen Manschettenknöpfen. Seine Schuhe waren blank poliert und ebenfalls vom Feinsten. Ein Mann, wie er ihr im Büro tausendfach über den Weg lief. Norina kniff die Augen zusammen. Ob sie ihn sogar schon kannte? Das Gesicht kam ihr vage bekannt vor, auch wenn sie ihn gerade nicht mit einem bestimmten Fall in Verbindung bringen konnte.

»Die junge Dame hier ist auf der Suche. So wie es aussieht, ist sie für alles zu haben.« Immer noch zuckte dieses amüsierte Halblachen um die Mundwinkel des Barkeepers, als müsste er sich wirklich zurückhalten, um nicht laut loszulachen. »Ich musste an dich denken.«

Norina zwang sich dazu, ruhig sitzen zu bleiben. Der Mann im Anzug musterte sie und schien jedenfalls ihr Aussehen zufriedenstellend zu finden, denn er nickte anerkennend. Sie bemerkte den Siegelring an seiner linken Hand.

»George, angenehm«, stellte er sich schließlich vor und hielt ihr eine Hand hin. Verwirrt erwiderte Norina den Gruß. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass er sie begrüßte wie eine Gleichgestellte.

»Norina«, murmelte sie und hatte zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl, dass es ihr die Sprache verschlug. Ob dieser George daran schuld war? Oder nur die Aussicht darauf, dass ihre Fantasien bald real wurden?

»Hübscher Name.« George musterte sie immer noch. Was er wohl in ihr sah? Eine gut aussehende Frau? Eine Sub? Ein geeignetes Spielzeug? Norina wäre zu gerne in seinen Kopf geklettert, um es herauszufinden. Sie bemühte sich darum, den Blick nicht zu erwidern und jedes Einschätzen zu lassen.

Sie war nicht hier, um ihr Gegenüber zu analysieren, sondern um zu genießen.

»Dann komm mal mit.« George reichte ihr die Hand und half ihr vom Barhocker. »Dort drüben können wir ungestört reden. Du erzählst mir, was dich hierher führt, ich erzähle dir von mir, und dann sehen wir, wie es weitergeht. Was hältst du davon?«

Das klang mehr nach einem Handel als nach Sex. Genau das hatte sie gehofft, bei diesem sogenannten Lord Fergus nicht zu finden: Sie wollte keine Absprachen, sie wollte kein Gefühl von Sicherheit mehr. Sie wollte sich selbst klarmachen, wie schlecht diese Fantasien waren.

Ihr Plan war gut durchdacht, zumindest hatte sie zu Hause keinen Fehler mehr darin finden können. Sie brauchte einen Mann, der ihr die Fantasien aus dem Kopf vertrieb, ehe sie daran erstickte. Seit sie denken konnte, hatten ihre Traumbilder immer in genau eine Richtung gedeutet, sobald sie erregt war. Es hatte harmlos angefangen, damals, als sie noch ein Teenager gewesen war, mit dem großen Unbekannten, der sie einfach nahm. Die Träume waren immer wilder und irrealer geworden.

Wenn das so weiterging, konnte sie sich gleich selbst einliefern. Es gab nur eines, das helfen konnte: Der Kontakt mit der Wirklichkeit, die reale Erfahrung, dass ihre Fantasien falsch und schlecht waren.

Und das konnte sie nur, wenn sie die Kontrolle darüber abgab, was mit ihr geschah.

George schob ihr den Ledersessel zurecht und gab ganz den wohlerzogenen britischen Gentleman. Sein Auftreten ließ darauf schließen, dass er vermögend war. Gutes Elternhaus? Sein Englisch war feinstes Oxford, und die Manschettenknöpfe sahen aus wie Erbstücke.

Norina lächelte unverbindlich. George griff nach der Getränkekarte und sah sie über den Rand hinweg an. Ein leises Lächeln huschte über seine schmalen Lippen.

»Du bist noch nicht allzu lange dabei, oder?«, stellte er dann fest und senkte die Karte wieder. »Das war gerade ein Ale, richtig? Dann gibt es jetzt keinen Alkohol mehr für dich. Nicht dass du bei der ersten Session deines Lebens gleich nichts mehr spürst.«

Als ob zwei Gläser Ale sie betrunken machten! Norina wollte protestieren, ließ es dann jedoch lieber. So etwas stand ihr bestimmt nicht zu. Oder wie auch immer man nun als gute Sub zu reagieren hatte! George studierte in aller Seelenruhe die Karte und seufzte dann leise auf.

»In Ordnung, Norina, Brian hat mich nicht ohne Grund auf dich aufmerksam gemacht. Es stimmt, ich bin auf der Suche nach einer Partnerin. Vorzugsweise ohne Erfahrung. Ich möchte sie formen, sie genau so haben, wie ich es will, ohne die Spuren eines vorherigen Masters an ihr zu sehen. Keine Prägungen und keine Erwartungen. Das scheinst du ja schon einmal zu erfüllen.«

Es klang nach einer Checkliste.

Sie war also nicht die Einzige, die sich im Vorfeld Gedanken gemacht hatte. Ob es mit diesem George doch etwas werden konnte? Er sah nicht schlecht aus. Nicht so gut wie der Kobold hinter der Theke, nicht halb so sportlich und durchtrainiert, das war richtig. Aber auf seine Art agil und lebhaft.

»Da du keine Erfahrungen hast, kannst du mir kaum etwas über deine Tabus sagen oder über deine Grenzen. Und auch nicht über deine Vorlieben, nehme ich an.« George strich sich nachdenklich über sein etwas zu spitzes Kinn. »Wie wäre es damit: Du schilderst mir deine Fantasien. Ich versuche herauszuhören, in welche Richtung wir uns bewegen können. Und dann sehe ich, ob ich damit klarkomme.«

Ihm ihre Fantasien schildern? Wahrscheinlich würde er sie dann als hochgradig gestört in irgendeine Anstalt einweisen!

Er musste diese Gedanken an ihrem Mienenspiel erkannt haben, denn er lächelte milde. »Okay, auch kein guter Weg? Dann frage ich einfach ab, was ich gerne mache. Du sagst mir, ob du es dir vorstellen könntest, ob du wenigstens weißt, was man darunter versteht, oder ob du irgendetwas auf keinen Fall ausprobieren möchtest. Einverstanden?«

So hatte sie es sich nun wirklich nicht vorgestellt. Auch die erotisch aufgeladene Atmosphäre des Klubs konnte nichts mehr daran ändern, dass sie dieses Gespräch empfand wie ein nüchternes Verkaufsgespräch. Ihre Lust auf eine Affäre verschwand genauso schnell, wie sie entstanden war.

»Bitte«, sagte sie schließlich und bemühte sich darum, keine allzu patzige Antwort zu geben. Das gehörte sich mit Sicherheit nicht!

»Lass uns mit den praktischen Dingen anfangen: Du verhütest, nehme ich an?« Er sprach so unwahrscheinlich nüchtern darüber, dass Norina beinahe angefangen hätte, laut loszulachen. Stattdessen nickte sie nur. »Gut. Für mich gehört Sex dazu. Und Sicherheit ebenso. Also keine Sorge, dass irgendetwas ohne Kondome laufen könnte.«

Norina verlor langsam die Geduld mit ihm. Das war nicht das, was sie wollte. Sie wollte einen Mann, der nicht lange fragte, sondern sich einfach nahm, was er wollte.

»Anal? Oral?« George schien seine imaginäre Checkliste weiter abzuarbeiten. »Vaginal?«

»Sicher doch. Sex ist doch der beste Teil am Spiel.« Es fiel ihr schwer, es auszusprechen. Sex war für sie eigentlich nichts, das man einfach so haben sollte. Sex gehörte zu einer Beziehung, und zu einer Beziehung gehörten Liebe und Treue und das Versprechen, für immer zusammen zu bleiben.

Aber solange sie diese idiotischen Fantasien in ihrem Kopf nicht loswurde, würde sie mit keinem normalen Mann der Welt glücklich werden.

»Ich frage nur. Ab und zu haben die Damen dann doch einen Freund zu Hause sitzen und wollen ihn nicht betrügen. Oder jedenfalls nicht vollkommen betrügen.« Ein verschmitztes Lächeln spielte über sein Gesicht und nahm ihm für einen Augenblick die Strenge. »Ich frage lieber jetzt, ehe wir später vor einem riesigen Missverständnis stehen.«

Das einzige Missverständnis war, dass der Kobold hinter der Theke sie vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Sie brauchte keinen verständnisvollen Mann, der auch noch auf den Freund daheim Rücksicht nahm!

»Fesseln? Augenbinde? Knebel?« George setzte seine Befragung eiskalt fort. Norina nickte. Sie würde bei allem nicken, das hatte sie sich vorgenommen.

»Ich nehme an, du hast mit Schmerz noch keine Erfahrungen. Also, kannst du dir Folgendes vorstellen …«

Eine ermüdende Liste irgendwelcher Peitschen, Flogger, Gerten und Klemmen folgte, jedes Mal mit einer kurzen Beschreibung, wie sie sich anfühlen würden. Nein, sie wollte es nicht wissen. Sie wollte es einfach nur spüren!

Kapitel 2

Der gestrige Abend saß ihr immer noch in den Knochen. Norina starrte gelangweilt auf den Computer und war im ersten Moment versucht, gar nicht abzuheben, als das Telefon läutete. Dann tat sie es doch und konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen.

»Norina, sorry, dass ich störe, aber wir haben einen Notfall. Ein Mandat für dich, sollte ganz nach deinem Geschmack sein. Honorar ist kein Thema. Er hat ausdrücklich nach dir verlangt, weil du die Beste bist. Steuerhinterziehung, Insidergeschäfte, vielleicht auch Insolvenzstraftaten, so genau ging es am Telefon nicht. Die Staatsanwaltschaft durchsucht gerade das Büro, und der Mandant bräuchte dringend Hilfe«, informierte Pete sie, ehe sie etwas sagen konnte. »Na, Interesse?«

»Ich bin unterwegs.« Sie griff nach ihrem Handy und ihrer Handtasche. »Schick mir die Details aufs Handy. Ich hole eben Yannek und Anne.«

Das Adrenalin schoss durch ihre Adern. Es fühlte sich gut an. Das hier war ihre Welt, repräsentative Flure, Bücher in den Regalen und staubtrockene Akten, die vor allem Durchhaltevermögen verlangten. Nicht irgendwelche noch so edlen Sexklubs.

»Sind schon unterwegs. Da zählt jede Minute. Taxi wartet unten.« Pete legte auf, ehe sie sich verabschieden konnte. Norina ließ ihren Computer einfach laufen, schaltete nur die Rufumleitung aktiv und machte sich dann auf den Weg nach unten, wo der Rest ihres Teams bereits wartete. Das waren die Augenblicke, die sie an ihrem Job wirklich liebte, die Ungewissheit darüber, was genau sie erwartete, worum es ging und was sie tun konnte.

Pete hatte wirklich nicht mehr Informationen, denn seine Mail war äußerst dürftig. Es klang, als würden dem Mandanten die üblichen Vorwürfe zur Last gelegt, die eben vorkamen in einem Banker-Leben. Sie scrollte über den Lebenslauf, den Pete wohl von der Homepage der Bank gezogen und ihr geschickt hatte. Bisher hatte der Mandant eine beeindruckende Karriere hingelegt, wenn man den Angaben Glauben schenken durfte.

Endlich erreichten sie einen gläsernen Zweckbau in der Innenstadt und wurden von der Empfangsdame sofort nach oben weitergeschickt. Norina konnte nur hoffen, dass ihr Mandant irgendwann einmal in seiner Karriere eine Schulung genossen hatte, was in solchen Fällen zu tun war.

Eine junge blonde Dame, vielleicht eine Assistentin oder Sekretärin, holte sie am Aufzug ab und führte sie durch Gänge, die aussahen wie in jedem anderen Büro auch. Ein bisschen auf Hochglanz polierter Marmor, eine verkümmernde Palme, moderne Kunst an den Wänden. Die Blondine öffnete ihnen eine Tür, und dahinter brach das Chaos über sie herein.

Offenbar waren die Vorwürfe gravierender, als es in Petes Mail geklungen hatte. Jedenfalls war die Staatsanwaltschaft mit vier Mann vor Ort. Norina nickte dem leitenden Staatsanwalt knapp zu und er erwiderte ihren Gruß. Sie kannten sich gut genug, um zu wissen, was nun folgen würde. Ein kleines Machtspielchen, ein kurzes Ringen um den ersten Vorteil, ehe alles seinen Gang ging.

Ihr neuer Mandant stand am Fenster, die Hände scheinbar lässig in den Hosentaschen. Sie kannte diese Gesten gut genug, um darin doch Angst lesen zu können, Angst, dass er diesmal nicht davonkommen würde.

»Mister Cunningham, Norina Thompson, Strafverteidigerin«, begann sie und streckte ihm ihre Hand entgegen. Er erwiderte ihren Gruß fest und nickte knapp. Er war erstaunlich jung für jemanden in seiner Position. Das versprach, spannend zu werden.

Tiefe Falten tauchten auf seinem Gesicht auf. »Danke, dass Sie so schnell Zeit für mich haben.«

»Das gehört zum Job.« Dass ihre Mandanten sich so früh schon bedankten, kam selten vor. Er hatte also gute Manieren. Oder er war wirklich verzweifelt. »Seit wann wissen Sie von den Vorwürfen?«

»Eine Stunde.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, als der Staatsanwalt zu ihnen trat.

»Wir reden gleich, Mister Cunningham. Jetzt zeigst du mir erst einmal den Durchsuchungsbefehl, William.«

»Das übliche Spielchen, Norina? Langsam solltest du doch wissen, dass uns bei solchen Fällen keine Fehler mehr unterlaufen«, stichelte er zurück und zog genüsslich ein Schriftstück aus seiner Mappe. »Durchsuchungsbefehl für das Büro und die Privatwohnung. Haftbefehl. Hat alles seine Richtigkeit.«

Sie überflog das Dokument und reichte es an Yannek weiter. »Kopieren«, sagte sie nur und hob energisch die Hand, als ihr Mandant sich einmischen wollte. »Wir stellen eine Kaution. Wie viel willst du?«

»Keine Kaution, Norina, diesmal nicht.« William war anzuhören, wie zufriedenstellend er das fand. »Ich habe es Mister Cunningham bereits erläutert. Es gibt keine familiären Bindungen zu England. Der größte Teil seines Vermögens liegt im Ausland, ohne Zugriff für unsere Behörden. Die Vorwürfe sind nicht gerade unbedeutend. Da ist keine Kaution mehr drin. Fluchtgefahr.« Das letzte Wort betonte er ganz besonders und sah sie herausfordernd an.

»Das werden wir noch sehen. Anne, du bleibst hier und passt auf, dass alles seine Richtigkeit hat. Mister Cunningham, wo können wir uns in Ruhe besprechen?« Um das Problem der Kaution konnte sie sich später kümmern. Erst einmal musste sie zusehen, dass sie ihn aus der Schusslinie bekam, ehe er zu viel plauderte. »Wie lange gibst du uns, William?«

»Solange du brauchst, Norina.« Er zwinkerte ihr zu und trat zur Seite. »Himmel, ich habe dich vermisst.«

»Ich dich auch.« Sie kannten sich schon ewig, und mindestens genauso lange schon standen sie auf verschiedenen Seiten. Sie mochte ihn vor allem, weil er Ahnung hatte von dem, was er da tat. Und weil er selten genug Fehler machte. William hatte mit seiner Herkunft und seiner schwarzen Hautfarbe wahrscheinlich genug zu kämpfen, also wollte er fachlich brillant sein. Das machte es umso spannender für sie.

***

Sobald sie in einem modern eingerichteten Arbeitszimmer allein waren, fiel die kühle Fassade ihres Mandanten in sich zusammen. Unruhig tigerte er auf und ab. Norina setzte sich an den kleinen Konferenztisch in der Ecke des Zimmers und holte ihren Block und einen Bleistift aus ihrer Handtasche.

»Soweit ich es am Telefon richtig verstanden habe, geht es um einen Insiderdeal?«, fragte sie schließlich und deutete energisch auf einen Stuhl. Cunningham lehnte mit einem Kopfschütteln ab. Er sah wirklich gut aus in seinem Maßanzug. Wahrscheinlich trieb er viel Sport, und obwohl er gerade sehr unsicher wirkte, strahlte er doch Stärke aus. So wie dieser George, nur selbstverständlicher. Norina rutschte auf ihrem Stuhl nach vorne und rief sich zur Ruhe.

»Um die MacMillan-Transaktion, ja.« Er wartete ab, bis sie zustimmend nickte. Die Geschichte war ihr immer noch ein Begriff, nicht nur, weil er mit seiner Unterstützung eines der Traditionsunternehmen schlechthin gerettet hatte – sondern auch, weil es damals im Nachklang einiges an Klatsch gegeben hatte über die Firmenchefin und ihren Ehemann. Norina erinnerte sich düster an einen sitzen gelassenen Verlobten und Berichte über SM-Sex. Angeblich hatte ihr jetziger Ehemann seine Frau im Urlaub verführt und mit Sexspielchen gefügig gemacht, um an ihr Geld zu kommen. Das war jedenfalls die Interpretation der Boulevardpresse gewesen.

Und als Bilder aufgetaucht waren, war Tony Miller ziemlich offen an die Sache herangegangen, hatte die Medien über SM aufgeklärt und damit das Heft des Handelns wieder an sich gerissen. Solche Geschichten waren eindeutig nicht das, was sie jetzt brauchte.

»Ich nehme an, Sie haben noch nichts gesagt?

»Kein Wort«, bestätigte er und zuckte mit den Schultern. Ein zorniges Funkeln tauchte in seinen dunklen Augen auf. Norina hatte alle Mühe, unter seinem Blick nicht zusammenzuzucken. »Und ich habe selten so einen Quatsch gehört wie von diesem Staatsanwalt! Ich habe keine Informationen ausgenutzt, wie er es nennt. Ich kann nur Bilanzen lesen, verdammt.«

»Das bleibt auch in Zukunft so. Was auch immer Sie gefragt werden, Sie werden nichts sagen, das nicht mit mir abgesprochen ist.« Was genau an den Vorwürfen dran war, das konnte sie jetzt noch lange nicht sagen. Nur wirkte er nicht wirklich so, als würde er diese Antwort akzeptieren. »Können Sie sich vorstellen, wie genau die Behörden auf diese Idee gekommen sind?«

»Sagt Ihnen Mikael Wertinger etwas? Tonys Ehemann?«

Langsam schwirrte ihr der Kopf. Die Hektik der letzten halben Stunde forderte ihren Tribut, aber so war es immer. Natürlich sagte der Name ihr etwas. Norina versuchte es trotzdem mit einer vorsichtigen Formulierung. »Sicher. Ging durch die Presse. Er war damals Ingenieur in ihrer Firma, korrekt? Und ich glaube mich an ein paar skandalträchtige Berichte zu erinnern, weil sie ihren Verlobten für ihn verlassen hatte. Richtig?«

Cunningham nickte knapp. »Mika ist ein alter Freund von mir, seit Studienzeiten.« Er verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust und blickte an ihr vorbei. »Wir haben ab und zu telefoniert. In privaten Angelegenheiten.«

»Sie verstehen hoffentlich, dass das für die Behörden komisch klingt?« Sie drückte mit den Zeigefingern gegen ihre pochenden Schläfen. Fragte sich nur, wie genau der Staatsanwalt nach über zwei Jahren auf die Idee gekommen war, gerade in dieser Geschichte zu wühlen. Vermutlich war Cunningham irgendjemandem in seinem Büro zu sehr auf die Füße getreten. Solche Fälle hatte sie immer wieder, wenn Neider auf diese Weise einen Konkurrenten aus dem Weg schaffen wollten. »Ich werde es mir ansehen, sobald ich die Akten habe. Gibt es sonst irgendetwas, das ich wissen sollte? Die Pressearbeit ist mindestens ebenso wichtig wie der Prozess selbst, aber ich nehme an, dass Ihnen das bewusst ist.«

»Mein Leben ist ziemlich unspektakulär.«

Er log. Seine Antwort war viel zu selbstsicher und vor allem zu kalt für jemanden, der wirklich nichts zu verbergen hatte. »Drogen?«, vermutete sie, weil es bei den meisten ihrer Fälle zutraf.

»Koks? Das letzte Mal mit sechsundzwanzig. Und das sollte lange genug her sein«, gab er zurück und schaffte es sogar, ihr zuzuzwinkern. Wenn man nicht ganz genau hinsah, wirkte es wirklich lässig.

Nur die angespannten Fältchen um seine Augen und seine Mundwinkel verrieten, wie es in ihm aussah. »Ihre Familie? Wenn Sie den Haftbefehl aus der Welt bekommen wollen, Mister Cunningham, dann muss ich den Behörden ein bisschen was liefern.«

»Ich habe eine Tochter, die hier in London zur Schule geht. Ich werde sie wohl kaum allein lassen wegen diesem Unsinn hier.« Er bemühte sich darum, verächtlich zu klingen, und doch hörte sie in diesem Moment die Angst hinter seinen Worten heraus. »Und eine Verlobte, Sarah Forsythe. Britin durch und durch. Aber davon weiß diese grandiose Staatsanwaltschaft anscheinend nichts.«

»Seit wann sind Sie verlobt? Gäbe es dafür Zeugen?«

Er verzog das Gesicht und ließ ein tiefes Grollen hören. Er war es also nicht gewohnt, dass man ihm in die Quere kam oder dass man ihm sagte, was gut für ihn war und was nicht. »Seit Weihnachten. Und ja, es gibt Zeugen. Auch wenn wir es nicht an die große Glocke hängen. Ich behalte mein Privatleben lieber für mich.«

»Hat Ihre Verlobte eine engere Bindung zu London?« Norina notierte sich den Namen und betrachtete ihren neuen Mandanten eingehend. Da war etwas in seinen Augen, eine Angst, die weit tiefer reichte als nur vor diesem Verfahren. Er blockte viel zu offensichtlich ab, sobald sie Fragen stellte.

»Sarah ist Steuerfahnderin, hier in London. Ihre Eltern haben einen Landsitz in Northumberland. Ihr Vater ist ein Earl. Meinen Sie wirklich, dass jemand mit dieser Herkunft bei Nacht und Nebel durchbrennen würde?« Der zynische Unterton in seiner Stimme gefiel ihr gar nicht. Er hob halb den Mundwinkel zu einem Lächeln und schüttelte dann den Kopf. »Also sehen Sie zu, dass Sie diesen Mist aus der Welt schaffen.«

»Steuerfahnderin?«, hakte sie nach. »Dann haben Sie sich beruflich kennengelernt?«

»Kennengelernt, exakt.« Er fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. »Sarah hat hier letztes Jahr die Außenprüfung durchgeführt.«

Norina nickte nur und ignorierte das Grummeln in ihrem Magen. Das klang verdächtig nach einer kleinen Affäre am Arbeitsplatz. »Ihre Verlobte kann sich auf ihr Schweigerecht berufen. Wir brauchen diese Geschichte also nicht weiter zu vertiefen.«

»Das sehe ich genauso.« Unruhig ging er an das schmale Fenster, um in das Londoner Grau hinaus zu starren und schließlich mit der Faust gegen das Glas zu schlagen. Norina ließ ihm die Zeit, die er jetzt brauchte. Er würde reden, das sagte ihr ihr Bauchgefühl. Er musste nur noch die passenden Worte finden.

»Miss Thompson, ich habe Sie nicht ohne Grund ausgesucht. Sie haben einen sehr guten Ruf, vor allem, was die Medienarbeit angeht. Halten Sie mir also die Medien raus und sorgen Sie dafür, dass sich das alles geräuschlos klärt. Ich lebe von meinem Ruf. Die Bank sieht es nicht gern, wenn Privatgeschichten an die Öffentlichkeit kommen. Von Strafverfahren wollen wir gar nicht erst reden.«

»Nach meiner Erfahrung wird die Staatsanwaltschaft uns beizeiten noch ein gutes Angebot machen. Sie kommen dann natürlich nicht ohne Strafe davon, aber wenn Sie es absolut unter dem Teppich halten wollen, wäre ein Deal vielleicht das Beste?«, schlug sie vor.

Er legte nun beide Handflächen gegen das Fensterglas und starrte weiter aus dem Fenster. »Kommt nicht infrage. Ich habe nichts getan, das verboten gewesen wäre. Was auch immer die sich einbilden, aber alles, was ich bisher getan habe, war sauber. Immer.«

»Beides werden Sie kaum bekommen, Mister Cunningham. Wenn Sie unschuldig aus der Nummer herauskommen wollen, brauchen wir einen Prozess. Und der ist öffentlich.« Sie bemühte sich um einen beruhigenden Tonfall. Cunningham war nur ein normal schwieriger Mandant, der nicht einsehen wollte, dass er diesmal nicht die Zügel in der Hand halten würde. Das kannte sie zur Genüge.

»Ich bezahle Sie sehr gut dafür, also sehen Sie zu, dass Sie das genau so hinbekommen, wie ich es haben will«, erwiderte er trotzig.

»Aber ich kann nicht zaubern, Mister Cunningham.« Dafür, dass er sich selbst für unschuldig hielt, wirkte er viel zu angespannt. »Lassen Sie mich das besser gleich klarstellen, Mister Cunningham: Sie bezahlen mich, aber wenn Sie wollen, dass ich meinen Job erledige, sollten Sie mir vertrauen. Ich werde tun, was in meiner Macht steht, um den Ball flach zu halten, wenn das Ihr Wunsch ist. Aber ich kann und werde keine Wunder wirken. Und ich kann Sie nur angemessen vertreten, wenn Sie mir verraten, was sonst noch dahintersteckt.«

Für einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke. Ein dunkles Funkeln lag in seinen Augen. Ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken bei diesem Blick. Norina beschränkte sich auf ein vielsagendes Räuspern. Das hier war ihr Job, und so schnell machte ihr keiner etwas vor.

Schließlich gab er nach. Er atmete hörbar durch und griff in sein Sakko. Mit energischen Schritten kam er zu ihr an den Tisch. Ihm war die Wut deutlich anzumerken. Er warf ein zerknülltes Foto vor sie.

Norina griff wortlos danach und faltete es auf. Cunningham blieb neben ihr stehen und blickte über ihre Schulter. Sie setzte sich auf, um ihm keinesfalls zu zeigen, wie nervös sie dieses Verhalten machte. Und stockte, als sie das Motiv auf dem Foto erfasste. Es war eindeutig Cunningham, der darauf zu sehen war, zusammen mit einer kurvigen Frau in halterlosen Strümpfen, deren Körper mit Seilen zu einem wahren Kunstwerk geschnürt war. Cunningham hielt eine Gerte in der Hand und war offensichtlich gerade im Begriff, die hübsche Dame auf dem Bild zu schlagen.

»Was hat das mit der Sache hier zu tun?«, fragte sie schließlich möglichst kühl und gefasst, auch wenn es in ihrem Inneren ganz anders aussah. Sie bemühte sich darum, das, was sie dort gerade sah, einfach nur zu betrachten und nichts dabei zu fühlen. So schwer es auch war.

»Das ist der Grund, warum das alles hier möglichst geräuschlos über die Bühne gehen wird«, erklärte er und vergrub seine Hände wieder in seinen Anzugtaschen.

»Würden Sie mir das erklären?« Sie beschränkte sich darauf, die angebrachten Fragen zu stellen. Norina war Anwältin, eine gute noch dazu, und sie würde sich niemals von einem Foto derart aus der Bahn werfen lassen.

Egal wie sehr es das traf, was sie sich sehnsüchtig wünschte. Mühsam ignorierte sie das höchst unpassende Pochen in ihrem Unterleib bei dem Gedanken daran, dass sie genau das haben wollte.

»Sarah hat es gestern im Briefkasten gefunden. Ich habe keine Ahnung, ob und was es mit der Sache hier zu tun hat. Aber meinen Sie wirklich, dass das Zufall ist? Sarah und ich tun nichts Verbotenes, Miss Thompson, aber ich bevorzuge es, wenn es geheim bleibt.« Er wischte sich müde über das Gesicht. »Wenn das herauskommt, bin ich auch ohne jedes Urteil erledigt. Eine Beziehung, wie Sarah und ich sie führen, ist noch lange nicht gesellschaftsfähig.«

Stumm rief Norina sich zur Ruhe. Himmel, sie war beruflich hier! Der gestrige Abend hatte offenbar mehr in ihr durcheinandergebracht, als sie gedacht hatte. Wieso ließ sie sich auf einmal so sehr von Gedanken an Sex und Machtspielchen beeindrucken?

»Ich werde tun, was ich kann, das verspreche ich Ihnen. Ich spreche mit William darüber. Er ist normalerweise recht vernünftig. Aber Sie sollten sich darauf einstellen, dass es herauskommt. Die haben auch einen Durchsuchungsbefehl für Ihr Wohnhaus, Mister Cunningham. Falls es dort irgendwelche Hinweise auf Ihre Beziehung gibt, werden wir es erklären müssen.« Norina konnte sich wirklich gut vorstellen, was in ihm vorgehen musste. Die Vorstellung, man würde ihr Privatleben so ans Licht zerren, war erschreckend.

»Hinweise sind gut«, murmelte er und wurde noch blasser.

»Ich verstehe Ihre Bedenken, Mister Cunningham, das tue ich wirklich. Aber noch wissen wir ja nicht, ob das eine wirklich etwas mit dem anderen zu tun hat«, versicherte sie ihm und behielt das freundlich-nichtssagende Lächeln bei. Sie beherrschte das Pokerface, das sagte Pete immer wieder. Sie konzentrierte sich besser auf das, was wirklich auf dem Tisch lag. »Können Sie sich vorstellen, wer ein Interesse daran haben könnte, Ihren Ruf zu schädigen?«

»In meiner Position hat man genug Feinde.« Er zuckte mit den Schultern und blickte wieder aus dem Fenster. »Jeder meiner Kollegen hier käme infrage, auch wenn ich nicht wüsste, woher Sie das Bild haben sollten. Sarah und ich sind normalerweise sehr vorsichtig. Eigentlich wissen nur eine Hand voll Menschen von unserer Beziehung. Das Bild stammt aus dem Violetts. Dort haben Sie eigentlich ein sehr striktes Fotografierverbot.«

Das Violetts, ausgerechnet. Norinas Magen krampfte sich kalt zusammen. Konnte es einen noch dümmeren Zufall geben? »Immer noch sicher, dass Sie keinen Deal wollen, Mister Cunningham?«

»Schätzen Sie die Lage so schlecht ein?«

»Das werde ich Ihnen sagen, sobald ich die Akten habe. Sie nehmen jetzt erst einmal Urlaub.« Norina stand auf und stopfte ihre Notizzettel in ihre Handtasche. »Das mit der fehlenden familiären Bindung zu England hat sich ja soeben erledigt. Damit sollten wir wenigstens den Haftbefehl aus der Welt bekommen. Ich werde den Staatsanwalt auf Ihre Verlobung hinweisen. Wie viele Barmittel können Sie stellen, Mister Cunningham?«

»Was auch immer Sie brauchen. Aber sorgen Sie dafür, dass dieser Haftbefehl aus der Welt kommt.«

Er wollte wohl stark klingen, doch im Grunde genommen klang es einfach nur verzweifelt. Und er hatte allen Grund dazu – denn wenn er erst einmal in Untersuchungshaft saß, dann war er für die öffentliche Meinung so gut wie verurteilt.

Das war die erste Schlacht, die sie gewinnen musste, wenn sie den Krieg um seinen Ruf nicht verlieren wollte. Ein Schritt nach dem anderen. Pete hatte vollkommen recht, das war ein Fall nach ihrem Geschmack. Sie war jetzt schon gespannt auf die Akten und die Beweise, die angeblich vorlagen. Allzu viel konnte es nicht sein, und dann würde das Pokern beginnen.

Kapitel 3

Brian scrollte zum Abschluss des Tages noch einmal über die aktuellen Nachrichten, dann fuhr er seinen Computer herunter und stellte den Laptop zur Seite. Seine Recherche hatte nichts gebracht, wie auch, wenn er nicht einmal ihren Namen wusste? Er hätte ihr Gespräch mit George doch belauschen sollen, auch wenn sich das nicht gehörte. Er hatte sich stundenlang wild durch Bankenhomepages, Anwaltskanzleien und Beratungsfirmenpages geklickt, in der Hoffnung, irgendwo ihr Bild zu finden. Er verschätzte sich selten genug in den Berufen derjenigen, die bei ihm an der Bar landeten.

Natürlich hatte es nichts gebracht. Also musste er wohl oder übel doch George anrufen und zugeben, dass er Interesse an ihr hatte. Wieso auch hatte John im unpassendsten Moment nach einem Bier gerufen und ihn davon abgehalten, dem Gespräch zwischen George und der niedlichen Kleinen weiter zu lauschen? Er griff nach seinem Handy und wählte Georges Nummer.

»Die Kleine letztens, die ich dir vorgestellt habe …«, begann er und biss die Lippen zusammen, als George amüsiert auflachte. Sie war wirklich faszinierend gewesen, fest entschlossen, einen Mann zu finden, der den Ruf hatte, absolut hart zu spielen, und zugleich verunsichert von der Umgebung. Es war ihr erstes Mal in einem Klub, darauf würde er wetten.

»Norina, meinst du wohl«, warf sein Gesprächspartner ein. »Ziemlich naiv, die Gute. Aber eine Sahneschnitte.«

»Ja, genau, Norina.« Das war ein Anfang, immerhin. Der Name war ungewöhnlich genug, um mehr über sie zu erfahren. »Lief da was zwischen euch?«

»Sag bloß, du hast Interesse? Das hättest du einfacher haben können, Junge, so wie sie dich angehimmelt hat.«

Brian warf sich auf sein Bett und streckte sich aus. Weit hatte er es dorthin nicht, die paar Quadratmeter seines Zimmers waren vollgestopft bis zum Rand. »Nicht ich. Der Lord. Er will sie unbedingt«, erwiderte er und hörte, wie sein Gesprächspartner die Luft einzog.

»Das kannst du nicht machen, Brian. Sie ist absolut unerfahren. Sie hat keine Ahnung, was sie da macht, und schon gar keine Ahnung davon, was passieren kann. Der Lord nimmt sie auseinander, das ist alles.«

»Aber er hätte sie gerne, George. Natürlich nur, falls du keinen Anspruch auf sie erhebst.« Er starrte an die niedrige Decke seines Zimmers, auf den ehemals weißen Anstrich, der eigentlich dringend erneuert werden musste. Wieder schob sich Norinas Bild vor sein inneres Auge. Ihre Figur war großartig. Er stand auf weibliche Figuren so wie ihre. Ihre rötlich-blonden Haare trug sie zu einem kurzen Bob geschnitten, was erstaunlich gut zu ihrer Art passte. Energievoll, zielstrebig. Sie hielt sich sicher nicht mit unwichtigen Dingen auf, sondern konzentrierte sich auf das, was anstand.

»Wusste noch gar nicht, dass du Kontakt zum großen Lord hast«, erwiderte George und seufzte leise auf. »Brian, bitte, die Kleine ist heiß, aber auch naiv und verletzlich. Auf so jemanden muss man aufpassen. Jetzt erklär mir doch erst einmal, was du mit dem Lord zu schaffen hast, wenn ich bitten darf. Ich dachte immer, es wäre allgemein üblich, ihn zu ignorieren nach der Geschichte mit diesem Mädchen und dem Selbstmord. Oder so etwas in der Art, für Klatsch habe ich mich noch nie interessiert.«

»Richtig, die Geschichte mit dem bösen Lord und dem kleinen Mädchen.« Brian schloss die Augen und verdrängte das Schwindelgefühl, das in ihm aufstieg. »Vielleicht auch nur die Geschichten, die irgendein Neider in die Welt gesetzt hat? Wir werden es nie erfahren, George. Aber Fakt ist: Die süße Kleine hat sich in den Kopf gesetzt, den Lord haben zu wollen. Und zufälligerweise findet er sie auch anziehend. Wir sind die Letzten, die darüber urteilen dürften, nicht wahr?«

»Und du spielst den Kuppler? Nur wegen dieser niedlichen Norina? Behalte sie für dich, wenn sie dir gefällt. Du hast doch nicht ernsthaft vor, sie an diesen Freak weiterzugeben, oder?«

Brian hatte bemerkt, dass sein Lächeln bei Norina Wirkung gezeigt hatte. Aber ob sie sich auch mit ihm einlassen würde? Wenn er ihre Kleidung richtig einschätzte, hatte sie Geld. Geld und Erfolg. Solche Frauen standen nicht auf Kerle wie ihn, die mit Mitte dreißig noch in einer WG herumhingen, keinen ordentlichen Job zu bieten hatten und noch nicht einmal ein abgeschlossenes Studium aufwiesen.

Da half es auch nichts, dass er ziemlich glücklich war mit dem, was er hatte, und dass er es nicht ändern würde, selbst wenn er das Geld dazu hätte. Es gab tausend sinnvollere Dinge, die man mit Geld anfangen konnte. Doreens Lesepatenprogramm unterstützen, zum Beispiel, oder Moes Boxcenter, der Jungen aus Einwandererfamilien das Training umsonst anbot und hoffte, sie damit vor der Straße zu bewahren. Es waren nur Kleinigkeiten und keiner von ihnen würde im Alleingang die Welt retten, aber er brauchte keinen unnötigen Luxus, solange es Menschen in der Welt gab, die bedeutend schlechter dran waren als er. Diese Norina sah jedoch nicht danach aus, als würde sie das verstehen können.

»Sie will den Lord, also bekommt sie den Lord, das ist alles, was ich dazu zu sagen habe, George.«

George lachte amüsiert auf. »Du hast nicht das vor, was ich denke, oder? Mach keinen Quatsch, Brian. Die Kleine ist spitz auf dich. Vergiss dieses Phantom. Schnapp sie dir. Du musst dich nicht verstecken, Junge. Du bist verdammt sexy und beim Rest hast du es auch drauf, wenn ich das so sagen darf.«

»Manchmal habe ich fast den Eindruck, du versuchst, mit mir zu flirten, George. Eifersüchtig auf die Kleine?« Brian hatte längst seine Vermutungen darüber, dass George in seinen Spielbeziehungen nur den Anschein aufrecht erhielt, nicht schwul zu sein. Auch wenn er für das Gegenteil keine Beweise jenseits seines Gefühls hatte.

George schnaubte auf. »Mit dir flirten? Du überschätzt dich gewaltig, Brian. Ich flirte vielleicht mit der süßen kleinen Norina, aber nicht mit dir.«

»Mir musst du nichts vormachen.« Dank des Barjobs kannte er so ziemlich jeden, der im Klub Stammgast war, und von den meisten wusste er auch viel zu viel über ihr Privatleben. Nur George schwieg sich trefflich aus über alles, was jenseits der Stadtgrenzen von London passierte. »Geht mich ja auch nichts an. Ich wollte dir nur sagen, dass du mit mir wirklich nicht flirten musst. Wenn es eines gibt, auf das ich so überhaupt nicht stehe, dann sind das andere Männer, sorry. Das hat mich noch nie angezogen. Sonst bin ich ja für alles zu haben, aber da ist bei mir wirklich Schluss.«

George wirkte für einen Augenblick beinahe beleidigt, ehe er sich seiner Rolle besann. Das war fast schon ein Beweis dafür, wohin sich seine Sehnsüchte eigentlich richteten. »Dann eben nicht, Brian. Und nein, ich habe kein Interesse an Norina. Ich lasse die Finger von Frauen, die meinen, keine Grenze zu kennen. Das endet böse.«

»Das mag sein, ja. Vor allem, wenn sie an den falschen Mann geraten.« Brian schob seine Bettdecke zur Seite und fand darunter endlich das Buch wieder, nach dem er heute den ganzen Tag über gesucht hatte. Er war sich zwar sicher gewesen, auch im Bett nachgesehen zu haben, nur offenbar hatte er nicht gründlich genug nachgesehen.

»Das meine ich. Sie soll die Finger von diesem Lord lassen. Wenn du ihn kennst, Brian, dann weißt du sicher mehr über diese Geschichte mit ihm und dem Mädchen?«

»Ich kenne nahezu jeden verdammten Klubgänger in der Stadt, George, das bringt der Job mit sich. Lord Fergus ist nur einer von vielen. Vollkommen harmlos, da bin ich mir ziemlich sicher. Er hat eben einmal einen Fehler gemacht, aber wer hat das nicht?«

»Also stimmt die Geschichte?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Brian warf einen Blick auf seine Armbanduhr und verdrehte die Augen. »George, sorry, wenn ich jetzt aufhören muss, aber in einer Stunde hab ich Dienstbeginn. Ich sollte mich noch in Schale werfen und selbst dann wird es knapp.«

»Geht klar, Junge. Pass mir auf diese Norina auf, hast du verstanden? Die Kleine bringt sich noch ins Grab, wenn sie so weiter macht.«

»Ihre Telefonnummer hast du nicht zufällig?« Er wollte ja auf sie aufpassen, darum ließ er sich überhaupt darauf ein. Genau das war Sinn und Zweck der Sache.

»Nein, so weit sind wir nicht gekommen. Wir haben schnell festgestellt, dass wir doch nicht zusammenpassen. Aber ich halte dich nicht länger auf, Brian, nicht dass du zu spät kommst und meinetwegen den Job verlierst, das wäre zu schade. Du mischst die besten Cocktails in ganz London, ungelogen.« Georges sanftes Lachen klang durch die Leitung.

»Danke, Lob höre ich nicht allzu oft.« Brian schwang sich aus dem Bett und klappte doch noch einmal seinen Laptop auf. Sein Styling konnte warten, zuerst musste er sehen, ob er mehr über Norina herausfinden konnte.

Mit diesem Vornamen musste sie doch zu finden sein, oder? Er brauchte wirklich nur ein paar Versuche, um sie auf der Seite einer renommierten Wirtschaftskanzlei wiederzufinden. Sie sah auf dem Schwarz-Weiß-Foto ein wenig anders aus als am Abend in der Bar, selbstsicherer und sehr viel härter. Ihr Lebenslauf las sich beeindruckend und deutete darauf hin, dass ihr im Leben bisher alles zugeflogen war. Studium in Rekordzeit, Siegerin in irgendwelchen Aufsatzwettbewerben, drei Fremdsprachen fließend.

Entmutigt klappte er den Laptop zu und verbuchte sie unter der Kategorien Frauen, die er besser auf Abstand halten sollte. Er hatte sich einmal zu oft die Finger verbrannt an Frauen wie ihr. Spielen, ja, das war eine Sache. Er wollte sich einfach keinen Illusionen hingeben, die nur enttäuscht werden konnten.

***

Norina wusste selbst nicht ganz, was sie wieder in den Klub geführt hatte. Den Lord hatte sie nicht gefunden, George war der absolute Reinfall gewesen und abgesehen von dem sympathischen Kobold hinter der Theke waren die Männer nicht an ihr interessiert gewesen. Doch nach diesem Tag brauchte sie Ablenkung, da kam ein Abstecher auf dem Weg nach Hause gerade recht – und vielleicht konnte sie bei Gelegenheit herausfinden, ob es mit den Fotos im Violetts wirklich so streng gehandhabt wurde, wie Cunningham behauptet hatte. Obwohl es mitten unter der Woche war, war doch einiges los. Sie fühlte sich nicht mehr ganz so fremd wie gestern, zog sich einen Barhocker heran und hatte ein Ale vor sich stehen, ehe sie danach fragen konnte.

»Du siehst so aus, als ob du es brauchen könntest«, begrüßte der Kobold sie und schenkte ihr ein charmantes Grinsen. »Du bist ja doch wieder da. Ich dachte, du wärest hier falsch. Kein Lord und so.«

Norina zuckte mit den Schultern und musterte ihn eingehend. Das eng geschnittene Hemd betonte das Spiel seiner Muskeln. Sport kam bei ihr selbst schon des Längeren zu kurz. Wenn sie einen freien Abend hatte, verbrachte sie die Zeit lieber auf der Couch, als sich in irgendeinem Fitnessstudio zu quälen. Sie trank gern ein Gläschen Wein und gönnte sich viel zu sahnehaltiges Essen als Ausgleich zu all dem Stress, der jeden Tag im Büro auf sie einströmte. »Wusste sonst nicht groß etwas mit mir anzufangen. Und es lag auf dem Weg.«

»Ich habe gute Nachrichten für dich: Ich habe mit dem Lord gesprochen. Er findet dich interessant, jedenfalls interessant genug, um mit dir zu spielen.« Der Kobold lehnte sich auf die Theke und beugte sich zu ihr. Sie nahm seinen Duft wahr, der auf einmal zu ihr hinüberwehte. Ein Hauch von Meer und Gras.

»Ich dachte, du kennst ihn nicht?«, gab sie zurück und deutete einen Toast an, ehe sie den ersten Schluck trank. Sie hoffte, dass sie ihre Aufregung gut genug verbarg vor ihm.

»Das war gelogen, Kleines. Ich wollte sehen, wie ernst es dir ist. Oder ob du nur mal sehen wolltest, wie es in so einem Klub zugeht.« Er zuckte mit den Schultern. Ob er jetzt gerade log? Eigentlich hatte sie nie Probleme, es jemandem anzusehen, das brachte der Job mit sich. »Weißt du, Kleines, der Lord hat genau zwei Regeln. Nummer eins: Absoluter Gehorsam. Das kannst du ihm zeigen, indem du aufstehst, deinen Rock anhebst und dich dann mit nacktem Hintern auf den Stuhl setzt. Trägst du Unterwäsche? Wenn ja, zieh sie aus.«

Dann war er hier? Irgendwo hier unter den Gästen? Norina warf einen nervösen Blick über die Schulter. Der Blick des Kobolds wurde intensiver und dunkler, als schien er ihre Zweifel zu merken.