Sword Art Online – Mother's Rosario – Light Novel 07 - Tamako Nakamura - E-Book

Sword Art Online – Mother's Rosario – Light Novel 07 E-Book

Tamako Nakamura

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Beschreibung

In dem VRMMO ALfheim Online gewinnt ein mysteriöser Avatar mit seinen besonderen Sword Skills ein Duell nach dem anderen. Selbst der schwarze Schwertkämpfer Kirito muss eine vernichtende Niederlage einstecken. Das weckt Asunas Neugierde und sie fordert den Schwertmeister mit dem Namen Zekken, absolutes Schwert, ebenfalls zu einem Duell heraus. Doch kaum ist es vorbei, macht Zekken ihr ein überraschendes Angebot!

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»Asuna, hast du schon mal von Zekken gehört?«, fragte Lisbeth.

Auf Lisbeths Frage sah Asuna von der Holo-Tastatur auf. »Zecken? Diese kleinen Blutsauger?«

»Quatsch.« Lisbeth kicherte kopfschüttelnd. Sie nahm ihre dampfende Tasse vom Tisch und trank einen Schluck, bevor sie fortfuhr. »Ich meinte doch Zekken, also das ›Absolute Schwert‹.«

»Absolutes … Schwert. Ist das ein neues, seltenes Item?«

»Nein, nein, das ist der Name einer Person. So etwas wie ein Spitzname … oder ein Pseudonym. Den richtigen Charakternamen weiß ich gar nicht. Jedenfalls ist Zekken so unfassbar stark, dass irgendjemand mit diesem Spitznamen angefangen hat. Das absolut unbesiegbare Schwert oder unvergleichliche Schwert … so in dem Sinne.«

Asuna spürte, wie bei der Erwähnung des Wortes »stark« ihre Neugier geweckt wurde.

Natürlich war sie sich ihrer eigenen Fähigkeiten mit dem Schwert bewusst. Hier in ALO hatte sie sich für die Klasse der Undinen entschieden, deren Hauptaufgabe darin bestand, aus den hinteren Reihen Magie zu wirken. Trotzdem juckte es ihr hin und wieder so in den Fingern, dass sie ihr Rapier zog und sich wie wild in die feindlichen Reihen stürzte. Durch diese Angewohnheit war sie dieser Tage sehr zu ihrem Missfallen zu dem Beinamen »Berserker-Heilerin« gekommen, der wenig mit ihrer üblichen Eleganz gemein hatte.

Sie nahm mit großem Enthusiasmus an den monatlichen Duell-Turnieren teil. Nachdem sie sich an die dreidimensionalen Kämpfe in ALO gewöhnt hatte, konnte sie sich selbst mit solch starken Spielern wie dem Salamander-General Eugene oder der Sylphenfürstin Sakuya messen. Ein neuer starker Kämpfer musste daher zwangsläufig ihr Interesse wecken.

Sie speicherte die Biologie-Hausaufgabe, an der sie gerade geschrieben hatte, und deaktivierte die Holo-Tastatur. Dann nahm sie ihre eigene Tasse und füllte sie mit einem Tippen ihres Fingers wieder auf. Sie setzte sich aufrechter in den aus einem Baumstamm geformten Stuhl, um sich mit voller Aufmerksamkeit dem Gespräch zu widmen.

»Und …? Was für eine Person ist dieser Zekken?«

»Tja, also …«

1

Der tiefe Wald auf der 22. Ebene von Neu-Aincrad lag unter einer dichten weißen Schneedecke.

In der Wirklichkeit war es Anfang Januar, doch durch die zunehmende Erwärmung der letzten Jahre sank die Temperatur in Tokyo kaum einmal unter den Nullpunkt.

In Alfheim, dem Land der Elfen, herrschte dagegen strenger Winter, was womöglich eine Äußerung des persönlichen Geschmacks der Betreiber war. Nördlich vom Weltenbaum in der Mitte des Kontinents fielen die Temperaturen nicht selten unter zehn oder zwanzig Grad minus. Ohne anständige Winterkleidung oder Buffs für Kälteresistenz wollte bei diesen Temperaturen niemand durch die Lüfte fliegen. Momentan schwebte Aincrad über dem Gnom-Territorium ganz im Norden der Welt, und selbst mitten am Tag war es auf allen Ebenen der Festung so schneidend kalt, dass Eiskristalle in der Luft tanzten.

Doch selbst diese Kälte, die kleinere Flüsse bis zum Grund gefrieren ließ, drang nicht in das Zimmer, das von dicken Blockhauswänden und einem rot lodernden Kamin geschützt wurde.

Acht Monate zuvor – im Mai 2025 – war mit dem größten Update in der Geschichte von ALfheim Online die neue Map »Aincrad« implementiert worden.

Da ALO von Anfang an auf einer Systemkopie des tödlichen Spiels Sword Art Online lief, waren auf dem Server bereits alle Daten des SAO-Settings Aincrad gespeichert gewesen. Das aufstrebende Unternehmen, das vom ehemaligen Betreiber RCT Progress die gesamten Rechte des Spiels zusammen mit der Soft- und Hardware gekauft hatte, hatte Aincrad und die Charakterdaten der ehemaligen SAO-Spieler nicht gelöscht, sondern sich stattdessen zu dem gewagten Schritt entschieden, diese in ALO zu integrieren.

Zum Teil war dies sicherlich auch eine Strategie, den rasant sinkenden Userzahlen nach der Enthüllung der kriminellen Menschenexperimente von RCT Progress mit einem spannenden Update entgegenzuwirken. Allerdings war das keineswegs der einzig ausschlaggebende Grund. Die Investoren des neuen Betreibers waren allesamt erfahrene MMO-Spieler seit 2-D-Zeiten und hatten es einfach nicht über sich gebracht, die bis ins kleinste Detail liebevoll designte Festung zu löschen – wie Asuna von Agil gehört hatte, der eine Verbindung zum Betreiber hatte.

Seit Aincrads Wiedergeburt hatte Asuna ein ganz bestimmtes Ziel im Auge, während sie aktiv als Undinen-Heilerin und -Fechterin spielte.

Dieses Ziel war natürlich, wie verrückt die nötigen Cor oder eher Yrd zu scheffeln und vor allen anderen die 22. Ebene zu erreichen, um dort ein tief im Nadelwald verstecktes Blockhaus zu kaufen.

Mit dem Update im letzten Mai waren nur die ersten zehn Ebenen freigeschaltet worden, im September darauf die Ebenen elf bis zwanzig. Dann, am Heiligabend, hatte sich die Tür des Labyrinths zur 21. Ebene geöffnet. Asuna, die eine Gruppe mit Kirito, Klein, Agil, Lisbeth, Silica und Leafa gebildet hatte, war bereits die Treppe zur nächsten Ebene hochgerannt, während noch die Siegesfanfare zur Feier der entsperrten Ebene gespielt hatte.

Die 22. Ebene war menschenleer und bestand fast nur aus Wäldern. Da es im Hauptdorf der Ebene genug andere Häuser für Spieler gab, war es unwahrscheinlich, dass es jemand anderes auf dasselbe Haus wie sie abgesehen haben könnte. Dennoch war sie wie ein Wirbelwind durch die 21. Ebene gestürmt, hatte zusammen mit den anderen Mitgliedern der Raid-Gruppe den Ebenenboss herausgefordert und trotz ihres halben Heiler-Builds an vorderster Front der Truppe von fast fünfzig Spielern ihr Schwert geschwungen. Später hatte Klein gesagt, dass ihr energisches Auftreten dabei noch beeindruckender gewesen sei als zu ihren Zeiten als Vizekommandantin der Ritter des Blutschwurs.

Zu guter Letzt hatte sie den Leichnam des Bossmonsters zur Seite getreten, dem sie selbst den Todesstoß versetzt hatte, und war endlich beim Blockhaus am Rande der 22. Ebene angelangt. Sobald sie den Button gedrückt hatte, um den Kauf zu bestätigen, war sie in sich zusammengesackt und hatte ein wenig geweint. Als ihre Freunde sich nach der Party an diesem Abend verabschiedet hatten und gegangen waren, hatten sie, Kirito und ihre »Tochter« Yui, die wieder ihre ursprüngliche Mädchengestalt angenommen hatte, noch einmal zu dritt angestoßen, worauf Asuna erneut ein paar Tränen vergossen hatte.

Asuna konnte selbst nicht wirklich begründen, warum sie so fixiert auf dieses Blockhaus war. Als sie nach all den Irrungen und Wirrungen – wenn auch nur virtueller Natur – endlich mit dem Jungen vereint gewesen war, der ihre erste wahre Liebe war, hatten sie an diesem Ort eine kurze, aber glückliche Zeit miteinander verbracht. Das wäre die simpelste Erklärung gewesen, aber Asuna fühlte, dass es nicht der einzige Grund war.

Sie hatte in der Wirklichkeit immer nach einem Platz für sich gesucht. Möglicherweise war dieses Haus für sie im wahrsten Sinne des Wortes das lang ersehnte »Zuhause«. Ein bescheidener, aber warmer Ort, wie ein Nest, an dem ein Vogelpärchen seine Flügel ausruhte und sich zum Schlafen aneinanderschmiegte. Die Heimat ihres Herzens.

Seitdem sie das Haus nach einigen Mühen erstanden hatte, war es zum Treffpunkt all ihrer Freunde geworden, und es verstrich kaum ein Tag ohne Besucher. Die von Asuna liebevoll eingerichteten Zimmer waren so gemütlich, dass andere dafür gern vom Erdboden hochgeflogen kamen. Nicht nur ihre Kameraden aus SAO-Zeiten, sondern auch ihre neuen Freunde aus ALO kamen häufig vorbei und aßen mit Genuss ihre selbst gekochten Speisen. Einmal waren durch einen unglaublichen Zufall sogar die Sylphenfürstin Sakuya und General Eugene von den Salamandern gleichzeitig zu Besuch gewesen, was zu einer äußerst angespannten Atmosphäre bei Tisch geführt hatte.

Auch heute – am 6. Januar 2026 – reihten sich im Wohnzimmer der Waldhütte vertraute Gesichter um den aus einem riesigen Baumstumpf gehauenen Esstisch.

Rechts von Asuna saß die Beast-Tamerin Silica mit den typischen dreieckigen Ohren der Cait Sith. Sie starrte leise murmelnd auf ein Holo-Fenster, in dem die Matheformeln ihrer Hausaufgabe für die Winterferien angezeigt wurden. Zu Asunas Linken saß die Sylphen-Magiekriegerin Leafa, die gelbgrünen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, und verzog ebenfalls ihr Gesicht angesichts eines langen Englischaufsatzes.

Asuna gegenüber hatte sich die Leprechaun-Schmiedin Lisbeth mit einem Glas Himbeerlikör in der Hand und übereinandergeschlagenen Beinen in ihren Sessel zurückgelehnt und in einen der Romane vertieft, die hier im Spiel verkauft wurden.

In der Wirklichkeit war es etwa vier Uhr nachmittags, aber da Tag und Nacht im Spiel nicht synchron zur Echtzeit liefen, war in Alfheim die Sonne längst untergegangen, und hinter den Fenstern wurde nur der leise fallende Schnee vom Licht der Lampen beschienen. Selbst ohne das Pfeifen des Windes zu hören, schien es da draußen bitterkalt zu sein, während drinnen die prasselnden Holzscheite im Kachelofen und ein brodelnder Pilzeintopf Wärme und Aroma verströmten.

Wie ihre Freundinnen tippte auch Asuna auf einer Holo-Tastatur und schrieb fleißig an ihrem Schulaufsatz, während ihr Blick über eine Internetseite in dem vor ihr schwebenden Browserfenster wanderte.

Ihre Mutter war nicht begeistert davon, dass Asuna Aufgaben in der VR-Welt erledigte, die ebenso gut auch in der Wirklichkeit verrichtet werden konnten, doch beim Schreiben langer Aufsätze war sie hier eindeutig produktiver. Ihre Augen und Handgelenke ermüdeten nicht, und zudem konnte sie hier mehr Fenster mit Quellenmaterial gleichzeitig öffnen und gut sichtbar positionieren, als es auf dem Monitor mit 1600x1200-Auflösung in ihrem Zimmer möglich gewesen wäre.

Einmal hatte sie ihrer Mutter davon erzählt und sie eine Full-Dive-Anwendung ausprobieren lassen, die speziell zur Texteingabe diente. Doch schon nach wenigen Minuten hatte sich ihre Mutter wieder ausgeloggt und über ein Schwindelgefühl geklagt. Danach hatte sie dem Thema keine Beachtung mehr geschenkt.

In der Tat konnte der Full Dive ein Schwindelgefühl verursachen, aber nachdem Asuna zwei Jahre in der virtuellen Welt gelebt hatte, konnte sie sich nicht einmal mehr an dieses Gefühl erinnern. Ihre Finger flogen über die Tastatur, ohne sich auch nur einziges Mal zu vertippen, während sich der Aufsatz im Text-Editor seinem Fazit näherte.

Da stieß etwas gegen ihre rechte Schulter.

Als sie sich umwandte, sah sie Silica an ihre Schulter gelehnt sitzen, die mit zuckenden, dreieckigen Ohren und zufriedenem Gesicht die tiefen, ruhigen Atemzüge eines Schlafenden tat.

Asuna musste lächeln und kitzelte mit einem Zeigefinger Silicas Katzenohr. »Hey, Silica. Wenn du jetzt einschläfst, kannst du heute Nacht wieder nicht schlafen.«

»Mh … Hm …«

»Die Ferien sind in drei Tagen vorbei, bis dahin müssen wir die Hausaufgaben fertig haben.«

Als Asuna ihr streng am Ohr zog, zuckte Silica zusammen und richtete sich wieder auf. Mit gedankenverlorenem Gesichtsausdruck blinzelte sie ein paarmal, dann schüttelte sie den Kopf und sah Asuna an.

»Uh … uuh … bin ich müde«, murmelte sie und riss ihren Mund mit den kleinen, weißen Fangzähnen zu einem herzhaften Gähnen auf. Auch andere Cait Siths, die zu Besuch kamen, schliefen hier oft ein, und Asuna fragte sich, ob es wohl eine charakteristische Eigenschaft dieser Rasse war.

Asuna warf einen Blick auf das Holo-Fenster vor Silica und sagte: »Du hast die Seite schon fast fertig. Halt doch noch ein bisschen durch und mach zumindest die noch zu Ende, was meinst du?«

»Hmm … Hmja.«

»Ist es vielleicht etwas zu warm hier drinnen? Soll ich die Temperatur herunterstellen?«, fragte Asuna.

Links von ihr erwiderte Leafa kichernd: »Nein, ich glaube, es liegt eher daran!«

»Daran …?«

Als Asuna sich ihr zuwandte, zeigte Leafa mit wippendem Pferdeschwanz zum Kachelofen an der östlichen Zimmerwand.

»Oh … verstehe.« Asuna nickte, als sie mit dem Blick Leafas Finger folgte.

Vor dem rot flackernden Ofen stand ein einzelner Schaukelstuhl aus poliertem Holz. Darin versunken saß ein tief schlafender Spriggan-Junge mit dunkler Haut und kurzen, schwarzen Haaren. Die ehemals stacheligen Haare hatte er angepasst, sodass sie nun glatt waren, doch seine spitzen und irgendwie schelmischen Gesichtszüge waren noch die gleichen wie zuvor. Es war natürlich Kirito.

Auf seinem Bauch hatte sich ein kleiner Drache mit hellblauem Gefieder zusammengerollt und schlief behaglich, den Kopf unter seinen flauschigen Schwanz gesteckt. Das war Pina, Silicas Pet aus SAO-Zeiten.

Und auf Pinas weichen Daunen schlief eine noch kleinere Fee mit unschuldigem Gesicht. Das Mädchen mit den glänzenden schwarzen Haaren und dem rosa Kleidchen war die AI Yui vom ehemaligen SAO-Server, die nun Kiritos persönliche »Navigationsfee« war, vor allem aber war sie Kiritos und Asunas »Tochter«.

Der Anblick von Kirito, Pina und Yui, die friedlich schlummernd auf dem Schaukelstuhl übereinander lagen wie ein dreischichtiges Kagami-Mochi zum Neujahrsfest, strahlte eine nahezu magisch einschläfernde Wirkung aus. Schon nachdem Asuna sie nur einige Sekunden lang betrachtet hatte, wurden auch ihre Augenlider immer schwerer.

Kirito war tatsächlich jemand, der äußerst gern und viel schlief. Als wollte er den Schlaf aufholen, den er in SAO durch die ununterbrochenen Raids versäumt hatte, fiel er sofort in seinen geliebten Schaukelstuhl und schlief ein, sobald Asuna ihn auch nur einen Moment aus den Augen ließ.

Asuna kannte nichts, das sie schläfriger machte, als der Anblick des schlafenden Kirito.

Als sie noch im früheren Aincrad gelebt hatten, war Asuna eigentlich immer neben ihn geschlüpft, wenn Kirito auf der Liege im Obergeschoss von Agils Laden oder auf der Veranda ihres Häuschens im Wald eingeschlafen war, und hatte ein wohliges Nickerchen mit ihm geteilt. Mit anderen Worten, Asuna kannte den einschläfernden Effekt nur zu gut und konnte daher leicht nachvollziehen, dass Silica und Leafa die Müdigkeit überkam.

Aber seltsamerweise flatterte sogar der kleine Drache Pina, der von einem simplen Algorithmus gesteuert wurde, von der Schulter seiner Herrin Silica auf und rollte sich auf Kirito zusammen, wenn der gerade in der Nähe schlief.

Sie fragte sich, ob der schlafende Kirito womöglich eine Art »Schläfrigkeitsparameter« erzeugte. Obwohl sie bis gerade eben noch mit voller Konzentration an ihrem Aufsatz gearbeitet hatte, wurde ihr Körper mit einem Mal leicht …

»Hey, Asuna, jetzt schläfst du selbst ein! Ah, Liz auch!«

Als Silica an ihrer Schulter rüttelte, fuhr Asuna hoch.

Auf der anderen Tischseite schreckte auch Lisbeth auf und blinzelte ein paarmal, dann grinste sie verschämt. Sie schüttelte ihre pinken Haare, die einen für Leprechauns charakteristischen metallischen Glanz hatten, und murmelte entschuldigend: »Ich frage mich, warum man so müde wird, wenn man ihn so sieht … Ob es vielleicht die Illusionsmagie der Spriggan ist?«

»He he, das glaube ich kaum. Ich mache mal einen Tee, um die Müdigkeit zu vertreiben. Aber nur Instanttee.«

Asuna stand auf und nahm vier Tassen aus dem Regal hinter ihr. Es waren magische Tassen, die sie vor Kurzem als Questbelohnung bekommen hatte. Wenn man sie antippte, füllten sie sich mit Tee in einer von 99 Geschmacksrichtungen.

Als die Tassen und ein paar Obsttörtchen auf dem Tisch standen, wurde auch Silica schlagartig wach, und jedes der vier Mädchen nippte an einer anders duftenden heißen Flüssigkeit.

»Da fällt mir ein …«, setzte Lisbeth an, als sei ihr gerade etwas in den Sinn gekommen. »Asuna, hast du schon mal von Zekken gehört?«

»Die Gerüchte sind seit dem Jahreswechsel im Umlauf … also seit etwa einer Woche«, sagte Lisbeth und nickte Asuna dann einsichtig zu. »Ach so, dann ist es kein Wunder, dass du nichts davon gehört hast. Du warst ja seit Ende des Jahres in Kyoto.«

»Erinnere mich hier doch nicht an so unangenehme Dinge«, erwiderte Asuna mit düsterer Miene, und Lisbeth lachte laut.

»Ja ja, eine Tochter aus gutem Hause hat es schon schwer.«

»Allerdings! Ich musste den ganzen Tag lang einen Kimono tragen und im Fersensitz Leute begrüßen. Und dann konnte ich abends nicht einmal heimlich einen kleinen Dive machen, weil das Gästehaus, in dem wir übernachtet haben, immer noch kein WLAN hat. Da habe ich ganz umsonst mein Amu-Sphere mitgebracht.« Sie seufzte tief und trank ihren Tee aus.

Asuna hatte Ende letzten Jahres mehr oder weniger gezwungenermaßen mit ihren Eltern und ihrem Bruder den Hauptsitz der Familie Yuuki in Kyoto, also das Elternhaus ihres Vaters, besucht. Während ihres zweijährigen »Krankenhausaufenthaltes« hatten sich ihre Verwandten große Sorgen gemacht und ihre Unterstützung angeboten, wofür Asuna ihnen Dank schuldete, daher hatte sie diese Reise nicht einfach ablehnen können.

In ihren Kindertagen war es für sie selbstverständlich gewesen, den Jahreswechsel bei ihren Großeltern zu verbringen, und sie hatte sich darauf gefreut, ihre gleichaltrigen Cousins und Cousinen wiederzusehen.

Doch etwa seit Beginn der Mittelschule empfand Asuna diesen Brauch als zunehmend einengend.

Die Hauptlinie der Familie Yuuki war ohne Übertreibung schon seit über zweihundert Jahren in Kyoto im Geldwechselgeschäft tätig. Sie hatte sowohl die Meiji-Restauration als auch die Kriegswirren überstanden und führte jetzt eine regionale Bank mit Filialen in der gesamten Kansai-Region. Dass ihr Vater, Shouzou Yuuki, seine Firma RECT schon in erster Generation zu einem großen Elektronikhersteller entwickeln konnte, war nicht zuletzt auch der umfangreichen finanziellen Unterstützung der Familie zu verdanken. Unter ihren Verwandten waren zahlreiche Firmenchefs und Regierungsvertreter zu finden.

Natürlich waren auch ihre Cousins und Cousinen wie Asuna und ihr Bruder Musterschüler an hervorragenden Schulen. Während die Kinder artig auf ihrem Platz beim Festmahl saßen, prahlten deren Eltern damit, welche Auszeichnungen ihre Kinder bei irgendwelchen Turnieren verliehen bekommen hatten oder welchen Rang sie bei landesweiten Wettbewerben erzielt hatten. Diese Gespräche waren zwar oberflächlich friedlich, aber im Grunde nichts anderes als endloser verbaler Schlagabtausch. Asuna, die sich in dieser Atmosphäre mittlerweile nicht mehr wohlfühlte, erschien dieses alljährliche Ereignis wie ein Verfahren, um die Rangfolgen aller Kinder neu festzulegen.

Im November 2022 war Asuna im dritten Jahr der Mittelschule in SAO gefangen worden und im Januar 2025, also genau vor einem Jahr, durch Kirito befreit worden. Daher war es für sie tatsächlich das erste Familientreffen seit vier Jahren. In dem großen Anwesen der Familie im traditionellen Kyoter Sukiya-Stil wurde Asuna in einen engen, langärmeligen Kimono gesteckt und gezwungen, angefangen mit ihren Großeltern, der Reihe nach die große Anzahl an Verwandten zu begrüßen, bis sie sich vorkam wie ein Empfangs-NPC.

Trotzdem freute sie sich auch, nach all der Zeit ihre Cousins und Cousinen wiederzusehen, die sich ehrlich über ihre unbeschadete Rückkehr freuten. Doch in ihren Augen erkannte Asuna auch etwas, das ihr nicht gefiel.

Sie alle bemitleideten Asuna. Sie bedauerten sie, weil sie so früh ausgeschieden war aus dem ewigen Wettrennen, das mit ihrer Geburt begonnen hatte und seit vielen Jahren fortdauerte. Es war keine bloße Einbildung. Schon seit ihrer Kindheit hatte Asuna in den Gesichtern ihrer Mitmenschen lesen können.

Natürlich war Asuna jetzt eine andere als zuvor. Die virtuelle Welt und fraglos auch ein gewisser Junge hatten Asuna verändert. Daher streifte das Bedauern ihrer Cousins und ihrer Großeltern ihr Herz nur wie ein Lufthauch. Sie war vor allem eine Schwertkämpferin, die aus eigener Kraft kämpfte. Diese Überzeugung hatte sich auch nach dem Verschwinden jener Welt nicht geändert und stärkte ihr Herz.

Doch diese Wertevorstellungen würden ihre Cousins und Cousinen, für die VRMMOs nur ein großes Unheil waren, wohl niemals verstehen. Genauso wenig wie ihre Mutter, die während des gesamten Familientreffens missgelaunt wirkte.

Es war nichts mehr übrig von ihrer früheren Zwangsvorstellung, an eine angesehene Universität gehen zu müssen, um anschließend eine gute Anstellung zu finden. Asuna mochte ihre derzeitige Schule und wollte in dem verbliebenen Jahr in aller Ruhe herausfinden, was sie wirklich mit ihrem Leben anfangen wollte. Selbstverständlich war ihr finales Ziel, mit dem ein Jahr jüngeren Jungen auch in der Wirklichkeit eine Familie zu gründen.

Mit diesem Gedanken überstand Asuna lächelnd all die neugierigen Fragen ihrer Verwandten. Was ihr dann letztlich doch zusetzte, war ein Ereignis am letzten Abend vor ihrer Rückkehr nach Tokyo, als sie sich auf einmal allein mit einem zwei Jahre älteren Cousin zweiten Grades in einem abgelegenen Zimmer wiederfand.

Er war der Sohn eines Vorstandsvorsitzenden der Bank der Familie oder so ähnlich und redete in einem fort darüber, welchen Studiengang er belegte, welche Position er später bei der Bank einnehmen würde, bei der ihm bereits eine Anstellung zugesichert worden war, und wie er Karriere machen würde. Asuna lächelte ihm nur höflich anerkennend zu, während sie das Gefühl nicht loswurde, dass es ein abgekartetes Spiel der Erwachsenen gewesen war, sie beide in diesem Zimmer zurückzulassen …

»Hey, Asuna, hörst du überhaupt zu?« Lisbeth stieß sie unter dem Tisch mit der Fußspitze an und riss sie damit aus ihren Gedanken.

»Oh, entschuldige, ich habe mich gerade an etwas Unschönes erinnert.«

»Was denn? Solltest du in Kyoto etwa verkuppelt werden?«

Asuna schwieg.

»Warum verziehst du denn jetzt so das Gesicht? Sag bloß nicht …«

»Nein, nein, nichts dergleichen«, gab Asuna zurück und schüttelte energisch den Kopf. Sie tippte auf den Rand ihrer inzwischen leeren Teetasse und stürzte die seltsam violette Flüssigkeit hinunter, mit der sich die Tasse füllte. Dann brachte sie ihre Miene wieder unter Kontrolle und wechselte schnell das Thema. »Also … ist dieser starke Spieler ein PKer?«

»Nein, ein PvPer, spezialisiert auf Duelle. Ein Stück nördlich von der Hauptstadt auf der 24. Ebene gibt es doch diese kleine Insel mit dem riesigen Baum. Jeden Nachmittag um drei Uhr taucht Zekken an den Wurzeln dieses Baumes auf und tritt in Duellen gegen alle Herausforderer an.«

»Ach? Hat dieser Spieler auch schon an Turnieren teilgenommen?«

»Nein, es ist ein neues Gesicht. Aber seine Skill-Werte sind angeblich ziemlich hoch, also hat er seinen Charakter bestimmt aus einem anderen Spiel konvertiert. Anfangs hat er in einem Post auf ›MMO Tomorrow‹ nach Duellgegnern gesucht. Daraufhin sind dreißig Leute zusammengekommen, die es diesem vorlauten ALO-Anfänger mal so richtig zeigen wollten, aber …«

»Sie wurden besiegt?«

»Und zwar jeder Einzelne von ihnen. Keiner konnte mehr als dreißig Prozent Schaden machen, ganz schön krass, oder?«

»Schwer zu glauben, nicht wahr?«, mischte sich da Silica ein, die gerade an einem Obsttörtchen kaute. »Ich habe schon ein halbes Jahr gebraucht, bis ich die Air Raids richtig zustande gebracht habe. Und Zekken saust gleich nach der Konvertierung so durch die Lüfte.«

Konvertierung war eine Funktion zur Übertragung des Charakters zwischen allen VRMMOs auf der Plattform »The Seed«, ALO eingeschlossen. Die »Stärke« des Charakters wurde dabei weitestgehend in das neue Spiel übertragen, Geld und Items konnten jedoch nicht transferiert werden. Und selbstverständlich mussten auch solche Spielerfähigkeiten wie das richtige Gespür für das Spiel größtenteils neu erlernt werden.

»Hast du dich auch mit Zekken duelliert, Silica?«, fragte Asuna.

Silica riss die Augen auf und schüttelte heftig den Kopf. »Auf keinen Fall! Schon beim Zusehen bei den Duellen war mir klar, dass ich keine Chance habe. Na, Liz und Leafa sind trotzdem zum Duell angetreten. Sie suchen eben immer eine Herausforderung.«

»Ach, sei doch still«, erwiderte Lisbeth schmollend, während Leafa anmerkte: »Auch durch so etwas sammelt man Erfahrungen.«

Asuna hört ihnen lächelnd zu, aber heimlich war sie ein wenig überrascht.

Lisbeth zu schlagen, war eine Sache – sie gehörte zu einer wenig für den Kampf geeigneten Elfenrasse und hatte sich noch dazu auf das Leveln der Schmiede-Skills konzentriert. Aber Leafa war vermutlich die beste Luftkämpferin der Sylphen, und jemand, der sie besiegen konnte, musste über beachtliche Fähigkeiten verfügen. Dass es einem gerade erst konvertierten Spieler gelungen sein sollte, schien nahezu unvorstellbar.

»An der Geschichte scheint ja wirklich etwas dran zu sein. Hm, so langsam werde ich neugierig.«

»He he, ich dachte mir doch, dass es dich interessieren würde. Von den Spielern in den Top-Rängen der monatlichen Turniere sind nur noch so hohe Tiere wie Sakuya oder Eugene übrig, die noch nicht angetreten sind. Aber in ihrer Position können sie sich auch schlecht an inoffiziellen Duellen beteiligen.«

»Bleiben denn nicht irgendwann die Gegner aus, wenn man immer solch eine Stärke zur Schau stellt? Anders als in den Turnier-Events verliert man beim Tod in inoffiziellen Duellen eine Menge Erfahrungspunkte, oder?«

»Sollte man denken, aber so ist es nicht. Der Wetteinsatz lockt immer wieder neue Herausforderer an«, antwortete Silica.

»Ach so? Wetten sie um ein superseltenes Item oder so?«

»Nein, kein Item. Der Einsatz ist ein ›Original Sword Skill‹! Eine superstarke, tödliche Technik!«

Unwillkürlich wollte Asuna Kiritos Angewohnheit nachahmen, mit einem Schulterzucken anerkennend zu pfeifen, doch sie widerstand dem Impuls. »Ein OSS? Was für ein Typ? Und wie viele Hits?«

»Ähm, so wie es aussah, ist es eine universelle Einhandschwertattacke. Aber vor allem ist es eine 11-Hit-Kombo!«

»Elf?!«

Jetzt spitzte Asuna tatsächlich die Lippen und ließ einen hohen Pfiff hören.

Sword Skills waren das charakteristische System, das Sword Art Online erst zu dem Spiel gemacht hatte, das es war.

Es gab vorprogrammierte Techniken für jede Waffenkategorie, die von tödlichen One-Hit-Skills bis zu stürmischen Kombo-Attacken reichten. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Angriffen mit Waffen wurden sie durch eine festgelegte Bewegung aktiviert, worauf das System dem Avatar bei der Ausführung der jeweiligen Technik in Höchstgeschwindigkeit assistierte. Jede Technik hatte bestimmte Licht- und Soundeffekte und gab dem Anwender das berauschende Gefühl, eine Art Superkrieger zu sein.

Die neuen Betreiber von ALO hatten die mutige Entscheidung getroffen, als Teil des großen Updates, mit dem Aincrad ins Spiel implementiert wurde, auch das Sword-Skill-System in fast unveränderter Form einzuführen.

So wurde das Kampfsystem von Neu-ALO einer grundlegenden Reform unterzogen. Wie zu erwarten, führte das zu heftigen Diskussionen unter den Spielern, aber die meisten Gegner des neuen Systems waren begeistert, sobald sie einen Sword Skill das erste Mal selbst erlebt hatten.

Bis dahin waren in ALO auffällige Effekte den Magieskills vorbehalten gewesen, die auch hinsichtlich Reichweite und Zielgenauigkeit überlegen gewesen waren, sodass sich kaum jemand für einen Build entschieden hatte, der auf physische Angriffe ausgelegt war. So konnte man eher sagen, dass das Einbringen der Sword Skills für eine verbesserte Spielbalance sorgte. Selbst jetzt, über ein halbes Jahr nach dem Update, war das neue Kampfsystem aus einer Kombination von Air Raids und Sword Skills noch immer Gegenstand reger Berichterstattungen und hitziger Diskussionen in der Spiele-Community.

Was jedoch die Sword Skills anging, hatten sich die abenteuerlustigen Betreiber nicht damit zufriedengegeben, das Erbe ihrer Vorgänger nur zu übernehmen.

Also hatten sie ein neu entwickeltes Element eingeführt, die »Original Sword Skills«.

Wie der Name schon vermuten ließ, handelte es sich dabei um originäre Schwerttechniken. Es waren keine bestehenden Schwerttechniken mit voreingestellten Bewegungsabläufen, sondern vom Spieler selbst kreierte und im System registrierte Sword Skills.

Gleich nach deren Einführung versuchten viele Spieler, an eine supercoole, ultimative Attacke zu kommen, und zogen rücksichtslos ihre Waffen, ob nun mitten in den Städten oder in den Monstergebieten – nur um dann eine herbe Enttäuschung zu erleben.

Die Prozedur, einen Original Sword Skill – kurz OSS – zu registrieren, war an sich überaus simpel. Man öffnete ein Menüfenster, ging zum OSS-Tab, wechselte in den Skillaufzeichnungs-Modus und drückte den Startbutton. Dann schwang man seine Waffe nach Herzenslust und drückte zum Schluss der Technik den Stoppbutton. Das war alles.

Damit das System die selbst erdachte Attacke jedoch auch als Sword Skill anerkannte, musste eine äußerst strikte Bedingung erfüllt werden. Einfache Schlitz- und Stoßattacken waren bereits in fast allen Variationen als Sword Skills registriert. Daher mussten die neu erdachten OSS zwangsläufig Kombo-Attacken sein. Doch innerhalb eines Bewegungsablaufs durfte es keinerlei überflüssige Schwerpunktverlagerungen oder Schwertschwünge geben, zudem musste die gesamte Attacke in der Geschwindigkeit eines vollendeten Sword Skills durchgeführt werden.

Mit anderen Worten, der Spieler musste die schwierige, paradoxe Bedingung erfüllen, aus eigener Kraft eine Angriffsserie in einer Geschwindigkeit durchzuführen, die ohne Systemunterstützung eigentlich unmöglich erreicht werden konnte.

Es gab nur eine einzige Methode, diese Hürde zu nehmen: Üben, üben und nochmals üben, bis sich die Bewegungsfolge vollständig in die Synapsen eingebrannt hatte.

Die meisten Spieler hielten diese eintönige Aufgabe nicht aus und gaben den Traum von der eigenen ultimativen Attacke schnell wieder auf. Ein paar engagierten Spielern gelang es jedoch, einen OSS zu entwickeln und zu registrieren, was ihnen einen ähnlichen Ruhm einbrachte wie den Gründern der Kendo-Schulen im feudalen Japan. Tatsächlich gingen manche sogar so weit, Gilden unter Titeln wie »Soundso«-Schule zu gründen und Dojos in den Städten zu eröffnen.

Ermöglicht wurde dies von einer Funktion des OSS-Systems namens »Skill-Überlieferung«. Spieler, die erfolgreich einen Skill erschaffen hatten, konnten von diesem Skill eine direkte Kopie erstellen und als sogenannte »Schriftrolle« an andere Spieler weitergeben.

Ein OSS war natürlich in PvP-Kämpfen, aber auch gegen Monster höchst effektiv. Aus diesem Grund wollte jeder Spieler solch einen Skill haben. Die Preise für Skill-Überlieferungen schossen unvermeidlich in astronomische Höhen, und Skillbücher für ultimative Techniken mit mehr als fünf Hits gehörten bald zu den teuersten Items in ganz ALO. Derzeit war General Eugenes 8-Hit-Attacke »Volcanic Blazer« der stärkste unter den bekannten OSS. Da er sich um Geld keine Sorgen machen musste, hatte er seinen Skill allerdings niemandem weitergegeben.

Asuna selbst war es nach Monaten harter Arbeit gelungen, eine 5-Hit-Kombo zu kreieren. Dabei hatte sie sich jedoch so verausgabt, dass sie vorläufig keine Energie mehr hatte, sich an einem neuen Skill zu versuchen.

Das war also der Stand der Dinge, als der Schwertmeister »Zekken« mit der beispiellosen 11-Hit-Kombo auftauchte.

»Na, in dem Fall verstehe ich gut, warum sich alle um ein Duell reißen. Habt ihr diesen Sword Skill schon in Aktion gesehen?«

Auf Asunas Frage schüttelten die anderen drei den Kopf. Lisbeth ergriff das Wort: »Nein, angeblich hat Zekken den Skill am ersten Tag der Duelle vor den anderen Spielern vorgeführt, aber in den Kämpfen selbst nicht eingesetzt … oder wahrscheinlich hat einfach niemand Zekken so in Bedrängnis gebracht, dass der OSS nötig gewesen wäre, schätze ich.«

»Nicht einmal Leafa?«, erkundigte sich Asuna.

Leafas Schultern sackten herab. »Bis wir beide bei etwa sechzig Prozent HP waren, war es ein ausgeglichener Kampf … aber am Ende haben Standardattacken gereicht, um mich kleinzukriegen.«

»Wow … Da fällt mir ein, das Wichtigste habe ich noch gar nicht gefragt. Welche Rasse und welche Waffe hat Zekken eigentlich?«

»Ach so, Zekken ist ein Imp und kämpft mit einem Einhandschwert, aber es ist etwa so schmal wie dein Rapier. Auf jeden Fall ist Zekken unheimlich schnell. Selbst die normalen Attacken hatten die Geschwindigkeit von Sword Skills … ich konnte den Bewegungen nicht mal mit den Augen folgen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich war richtig geschockt.«

»Also ein Speed-Build. Wenn nicht einmal du die Attacken sehen konntest, habe ich wohl keine Chance auf einen Sieg … Ah!«, machte Asuna, als ihr endlich etwas Wichtiges in den Sinn gekommen war. »Was Speed angeht, da drüben schläft doch einer, dessen Schnelligkeit an Cheating grenzt. Was ist mit Kirito? So etwas interessiert ihn doch immer brennend.«

Lisbeth, Silica und Leafa wechselten einen Blick und prusteten dann mit einem Mal los.

»Wa… Was ist denn?«, stammelte Asuna verblüfft.

Kichernd erzählte ihr Leafa die schockierende Wahrheit: »Hi hi hi, er hat schon gegen Zekken gekämpft. Und hat eindrucksvoll verloren.«

»Ver…«

Verloren. Kirito hatte verloren.

Ein paar Sekunden lang saß Asuna wie erstarrt mit offenem Mund da.

Für Asuna war Kirito als Schwertkämpfer ohne Übertreibung der Inbegriff von »absoluter Stärke«. In den Welten von SAO und später ALO war Asunas Wissen nach der KoB-Kommandant Heathcliff der Einzige gewesen, der Kirito in einem Duell schlagen konnte, und das auch nur wegen seines unfairen Vorteils als Game Master. Asuna hatte den anderen nie davon erzählt, aber auch sie hatte in SAO ein einziges Mal in einem ernsthaften Duell die Klingen mit Kirito gekreuzt.

Es war, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten und Asuna als KoB-Vizekommandantin die Führung der Fronttruppe übernommen hatte.

Bei der Besprechung der Kampfstrategie gegen einen bestimmten starken Zwischenboss war es zu einer Auseinandersetzung gekommen zwischen den Gilden unter Leitung der KoB, die einem schnellen Voranschreiten den Vorrang gaben, und einer Gruppe von Solo-Spielern unter Kirito. Da die beiden Seiten keinen Kompromiss finden konnten, entschied man sich letztlich, die Diskussion mit einem Duell zwischen Stellvertretern beider Parteien zu entscheiden.

Asuna hatte zu diesem Zeitpunkt schon Interesse an Kiritos Person, aber ein großer Teil von ihr versuchte diese Gefühle noch zu leugnen. Damals war sie überzeugt gewesen, dass persönliche Gefühle keinen höheren Stellenwert haben durften als die oberste Pflicht, das Spiel abzuschließen.

Asuna hatte angenommen, das Duell sei eine gute Gelegenheit, diese verweichlichten Gefühle in sich zu beseitigen. Wenn sie erst Kirito besiegt und danach auch den Boss eliminiert hatte, würde sie wieder ihr kühles und nüchternes Selbst sein.

Doch Asuna hatte keine Ahnung gehabt, welche verborgene Kraft in dem auf den ersten Blick so unzuverlässig wirkenden Schwertkämpfer Kirito schlummerte.

Ihr Duell war ein wahrhaft hitziger Kampf gewesen. Mit jedem Kreuzen ihrer Klingen lösten sich die Fesseln um Asunas Geist und sie wurde von der reinen Freude erfüllt, gegen einen ebenbürtigen Gegner zu kämpfen. Der Kampf erschien ihr wie ein unmittelbarer Austausch von Nervenimpulsen auf einem Level, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte, und die zehn Minuten seiner Dauer vergingen für sie wie im Flug.

Schließlich war Asuna geschlagen. Auf Kiritos durchaus glaubhafte Finte, sein nicht ausgerüstetes zweites Schwert vom Rücken zu ziehen, hatte Asuna reflexartig reagiert, und diese Gelegenheit hatte er genutzt, um einen geschickten Treffer zu landen.

Entgegen ihres ursprünglichen Vorhabens war es nach der Erfahrung dieses Kampfes sinnlos geworden, ihre romantischen Gefühle für ihn weiterhin zu leugnen. Doch Kiritos ungezwungener Schwertstil hatte noch einen weiteren tiefen Eindruck in Asuna hinterlassen.

Er ist der stärkste Schwertkämpfer. Selbst jetzt, nachdem der »Schwarze Schwertkämpfer« aus SAO-Tagen verschwunden war, hielt sie unverändert an dieser Überzeugung fest.

Daher war Asuna so schockiert über Kiritos Niederlage gegen Zekken, dass sie erschauderte.

Sie sah von Leafa zu Lisbeth und fragte mit heiserer Stimme: »Hat Kirito denn sein Bestes gegeben …?«

»Hmm …«, brummte Lisbeth mit unschlüssiger Miene und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bei Kämpfen auf diesem Level kann ich immer schlecht einschätzen, ob jemand wirklich Ernst macht oder nicht … Na, zumindest hat Kirito nicht mit zwei Schwertern gekämpft, in dem Sinne hat er wohl nicht alles gegeben. Außerdem …«

An dieser Stelle unterbrach sie sich und sah zum schlafenden Kirito, wobei ihre rubinroten Augen im Schein des Ofenfeuers funkelten.

»Ich denke, in normalen Spielen wird Kirito nicht mehr so ernsthaft kämpfen. Oder besser gesagt, Kirito hat nur wirklich ernsthaft gekämpft, als das Spiel kein Spiel mehr war und die virtuelle Welt zur Realität geworden war … Also ist es nur gut, wenn es für ihn keinen Anlass mehr gibt, ernsthaft zu kämpfen. Er neigt ohnehin dazu, in gefährliche Situationen verwickelt zu werden.«

Schweigend betrachtete Asuna das schlafende Gesicht des schwarzhaarigen Schwertkämpfers, dann nickte sie Lisbeth zu. »Ja … da hast du recht.«

Zu beiden Seiten von Asuna nickten auch Leafa und Silica zustimmend, und ihre Gesichter verrieten ihre Ergriffenheit.

Es war Kiritos Schwester Leafa, die die kurzzeitig eingekehrte Stille unterbrach. »Aber soweit ich es beurteilen kann, hat er den Kampf ernst genommen. Jedenfalls hat er es nicht auf die leichte Schulter genommen. Und …«

»Was denn?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber kurz vor dem Ende des Duells standen sie sich mit gekreuzten Schwertern gegenüber. Ich hatte den Eindruck, mein Bruder hätte dabei mit Zekken über irgendetwas gesprochen … Gleich darauf sind sie wieder auf Abstand gegangen, und er konnte Zekkens Sturmangriff nicht ausweichen, womit das Duell entschieden war …«

»Hm … worüber haben sie wohl gesprochen?«

»Ich habe ihn gefragt, aber er wollte es mir nicht verraten. Es kommt mir irgendwie verdächtig vor …«

»Verstehe. Dann wird er es mir sicher auch nicht erzählen.« Asuna sah hinunter auf ihre Hände und murmelte: »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Zekken direkt zu fragen.«

Als Lisbeth das hörte, hob sie die Augenbrauen. »Also willst du dich an einem Duell versuchen?«

»Ich glaube nicht, dass ich gewinnen kann. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Person zu einem bestimmten Zweck nach ALO gekommen ist. Einem anderen als Duelle, meine ich.«

»Ja, so kam es mir auch vor. Aber wenn du das herausfinden willst, musst du sicher einen ähnlich guten Kampf liefern wie Kirito. Mit welchem Charakter willst du gehen?«

Asuna dachte kurz über Lisbeths Frage nach. Außer der aus früheren SAO-Spieldaten konvertierten Undinen-Fechterin »Asuna« hatte sie auch eine neu erstellte Sylphe namens »Erika« auf einem Zweitaccount. Der Grund für die Erstellung dieses neuen Charakters war äußerst simpel: Sie wollte einfach dann und wann ihr Aussehen ändern.

Erikas Build war auf Nahkampf mit Dolchen spezialisiert und damit besser für Duelle geeignet als die halbe Heilerin Asuna. Doch sie zuckte mit den Schultern und antwortete auf der Stelle: »Ich gehe mit diesem, an den bin ich gewöhnt. Wenn der Gegner einen Speed-Build hat, kommt es mehr auf die Reaktionszeit an als auf reine DPS*. Begleitet ihr mich?«, fragte sie und blickte zwischen ihren Freundinnen hin und her, die alle drei kräftig nickten. Silica wedelte munter mit dem Schwanz, der durch die Stuhllehne ragte, und antwortete: »Na klar! So einen tollen Kampf lassen wir uns doch nicht entgehen!«

»Ich bin mir nicht sicher, ob es ein toller Kampf werden wird … Aber dann ist es entschieden. Zekken taucht um drei Uhr auf der kleinen Insel auf der 24. Ebene auf, richtig? Treffen wir uns doch hier um halb drei.«

Asuna schlug die Hände zusammen und rief ein Menüfenster auf, um einen Blick auf die Zeit zu werfen. »Oh nein, es ist schon sechs Uhr?! Ich komme zu spät zum Abendessen.«

»Dann machen wir für heute Schluss, würde ich sagen.« Leafa speicherte ihre Hausaufgabe und schloss das Eingabefenster. Während die anderen drei es ihr gleichtaten, schlich die Sylphen-Kriegerin auf Zehenspitzen zum Schaukelstuhl, packte dann plötzlich die Lehne und rüttelte heftig daran.

»Hey, Brüderchen, aufwachen! Wir gehen!«

Asuna betrachtete die Szene lächelnd, als ihr plötzlich etwas in den Sinn kam und sie sich Lisbeth zuwandte: »Du, Liz.«

»Ja?«

»Du hast doch gerade gesagt, dass es ein konvertierter Spieler sein könnte … Wenn Zekken so stark ist, frage ich mich … könnte es nicht vielleicht ein ehemaliger SAO-Spieler sein?«, sagte sie mit leiser Stimme.

Mit ernstem Gesicht antwortete Lisbeth: »Ja, den Verdacht hatte ich auch. Nachdem Kirito gegen Zekken gekämpft hat, habe ich ihn nach seiner Meinung gefragt, aber …«

»Und was hat er dazu gesagt …?«

»Seiner Meinung nach kann Zekken kein SAO-Spieler gewesen sein. Denn …«

Asuna wartete stumm darauf, dass Lisbeth weitersprach.

»… sonst hätte nicht er, sondern Zekken den ›Dualschwerter‹-Skill bekommen müssen.«

*Damage per second, zu Deutsch Schaden pro Sekunde

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Fwipp.