T wie Tessa (Band 3) - Geheime Geschäfte - Frauke Scheunemann - E-Book

T wie Tessa (Band 3) - Geheime Geschäfte E-Book

Frauke Scheunemann

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Beschreibung

Fast-Fashion-Komplott Tessa goes Schülerzeitung – um ihren Schwarm Timo zu beeindrucken, wird sie kurzerhand Journalistin. Es wäre ja gelacht, wenn ihre Agentinnenkenntnisse ihr da nicht zugutekommen würden. Tessa und Timo recherchieren zu einem brandheißen Thema: Fast Fashion.  Ein neues Geschäftsmodell verspricht jetzt auch hier Nachhaltigkeit. Aber von wegen! Hinter der grünen Modelüge scheinen sich allerhand dubiose Machenschaften zu verbergen. Und das schreit nach einem Einsatz für die Girls von Gimme Four … Band 3 der coolen Agent*innenreihe Die Mädchen von Gimme Four sind wahre Legenden. Sie haben eine Million Follower, dürfen während der Schulzeit auf Tournee gehen und ich, ich würde töten, nur um irgendwie dazuzugehören! T wie Tessa und topsecret! Im dritten Band der Agent*innenreihe kombiniert Bestsellerautorin Frauke Scheunemann gekonnt Coolness, Herzklopfen und ganz viel Witz miteinander. Chaos-Queen Tessa stolpert in ihren dritten spannenden Kriminalfall – eine unverkennbar humorvolle und unterhaltsame Kinderbuchreihe für Kinder ab 11 Jahren. Suchtpotenzial ist bei diesem Abenteuer garantiert! Ob in der Schule, in Hamburg oder Rotterdam – das Böse lauert in diesem Kinderkrimi überall. Mit modernen und coolen Schwarz-Weiß-Vignetten. Dieser Titel ist auf Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 220

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Inhalt

PrologAm Ende der Welt

1Endlich Urlaub. Oder nicht?

2Auf die Plätze, fertig, los!

3Ice, Ice, Baby!

4Danger Zone

5Best friends forever: zweibeinige und vierbeinige.

6Dem Ingenieur ist nichts zu schwör. Der Ingenieurin auch nicht.

7Gleich. Gleich. GLEICH!

8Ab in den Süden! Äh, aber wohin genau?

9Geduld? Kann ich! Muss ich nur ein bisschen üben …

10Ready for Take-off!

11Alarm, Alarm!

12Welcome to Nairobi!

13Schnitzeljagd

14Gikomba Market

15Wieder auf Sendung!

16Müll-Apokalypse

17Eine heiße Spur

18Großer Bruder, kleiner Bruder

19Kopfüber in die Nacht

20

Für einen gewissen Henri,

der erstaunlich oft Züge eines gewissen Hector hat.

PROLOG

Am Ende der Welt

Mitten durch endlose Müllberge schlängelte sich ein Bach. Er war tiefschwarz und verströmte einen ekelhaften Geruch. Doch Kito und Jabari, die schon den ganzen Morgen damit beschäftigt waren, den Müll links und rechts des Wasserlaufs zu durchwühlen, hätten den Gestank nicht einmal mehr bemerkt, wenn sie mitten in dem dreckigen Rinnsal gesessen hätten. Konzentriert gruben sie sich durch Berge von Schuhen hindurch. Tief unter diesen, das wussten sie, verbarg sich noch eine Schicht mit Elektroschrott. Jabari hatte es selbst gesehen, als Alika und ihre älteren Brüder gestern an derselben Stelle gearbeitet hatten. Dieser Ort war gewissermaßen eine Goldgrube. Die Kupferspulen, Kabel und Motoren aus den alten Toastern, Kaffeemaschinen oder Mixern waren genau das, wonach die Jungs suchten. Dafür gab es beim Boss das meiste Geld. Alika war heute auf dem Markt in Dandora. Eine bessere Gelegenheit, unbemerkt in ihrem Revier zu wildern, würde sich so schnell nicht wieder ergeben.

»Guck mal, da unten sehe ich schon was!«, rief Kito und versuchte, mit seinen dünnen Armen danach zu fischen. Irgendwann steckte er kopfüber im Müll, nur seine Beine ragten noch aus dem Berg aus alten Schuhen und verrottender Kleidung heraus.

Dann tauchte er wieder auf und zog mit sicherem Griff etwas aus dem Durcheinander hervor. Er hielt es triumphierend in die Luft.

»Ha! Ich wusste es! Heute werden wir reich!«

»Was ist das?«, erkundigte sich Jabari neugierig. Kito zuckte mit den Schultern und drehte das Ding hin und her. Es sah aus wie eine überdimensionierte Pistole aus Plastik. Allerdings war die Trommel rund und statt Kugeln enthielt sie eine Art Ventilator, am hinteren Teil war ein Stromkabel angebracht.

»Keine Ahnung«, sagte Kito schließlich. »Auf alle Fälle scheint es einen Motor zu haben, der diesen Propeller dreht.«

»Gib mal her«, forderte Jabari und streckte die Hand aus, in die Kito das seltsame Ding legte.

»Hm, schwer ist es nicht«, stellte Jabari nachdenklich fest. Irgendwo hatte er so ein Teil schon mal gesehen. Dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

»Ich glaub, ich hab’s!«, rief er. »Damit kann man sich die Haare trocknen. Hab ich schon mal in einem der Filme gesehen, die in Mama Johns Bar gezeigt werden. Man hält es sich an den Kopf und – zack! – sind die Haare trocken.«

Kito fuhr sich über seine kurzen Haarstoppeln und schüttelte dann den Kopf.

»Es gibt schon wirklich seltsame Sachen. So was braucht doch keiner!«

Jabari nickte und gab Kito das Schrottteil zurück. Der drehte es noch einmal prüfend hin und her.

»Egal. Hauptsache, wir kriegen das Metall da raus. Gib mir mal dein Messer.«

Jabari reichte es ihm, doch bevor Kito danach greifen konnte, wurde ihm auf einmal ganz schwindlig. Vor seinen Augen verschwamm alles und er musste sich setzen.

»Was ist los mit dir?«, rief Jabari ängstlich.

»Weiß nicht, mir ist schlecht«, murmelte Kito, ließ den Schrott fallen und legte den Kopf auf seine Knie. Jetzt drehte sich alles so schnell um ihn, dass er die Augen schließen musste. Sein Herz begann zu rasen und sein Mund war auf einmal entsetzlich trocken. Er öffnete die Augen wieder – nur um festzustellen, dass um ihn herum alles schwarz war.

»Jabari, ich kann dich nicht mehr sehen!«, schrie Kito auf. »Wo bist du?«

»Hier, Kito, hier!« Jabari griff erschrocken nach der Hand des Freundes. Dieser drehte den Kopf in seine Richtung. Dann fiel er plötzlich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, auf die Seite und regte sich nicht mehr.

»Kito, wach auf! Was ist los?« Jabari rüttelte verzweifelt an Kitos Schulter, aber der bewegte sich nicht. Blankes Entsetzen machte sich in Jabari breit. Hatte seine Mutter mit ihrer Warnung doch recht gehabt?

»Ihr grabt auf keinen Fall im Müll! Das ist keine Arbeit für Jungs in eurem Alter!«, hatte sie gesagt. »Ich verbiete es euch! Man hört schlimme Dinge über Kinder, die dort gearbeitet haben. Sie sind sehr krank geworden und haben sich nicht mehr davon erholt!«

Jabari und Kito hatten nur gelacht. Das waren doch alles Schauermärchen! Sie würden dort Kupfer, Eisen und vielleicht sogar Gold finden, würden reich bezahlt werden und ihren Familien helfen. Also waren sie heute früh noch einmal heimlich losgeschlichen.

Und nun lag Kito reglos am Boden und sein Atem wurde immer flacher.

»Hilfe!«, schrie Jabari. »Hilfe! Bitte helft uns!«

Aber niemand hörte ihn und niemand sah die beiden Jungen zwischen den gigantischen Müllbergen am vergifteten Bach. Es war, als seien sie allein am Ende der Welt.

1

Endlich Urlaub. Oder nicht?

11.53Uhr und ich liege noch im Bett. Herrlich, einfach supermega Spitzenklasse! Keine Fahrstunden, kein Karatetraining, kein Dauerlauf an der Elbe. Nichts, nada, niente. Ich habe einfach frei und kann e-n-d-l-i-c-h mal schlafen, solange ich will. Nicht mal eine nervige mongolische Rennmaus kann mich heute aus dem Bett scheuchen, denn die erledigt irgendwo weit weg von Hamburg ihre undurchsichtigen Geschäfte. Das Einzige, was ich vielleicht machen müsste, wäre ein bisschen Mathe zu lernen, denn möglicherweise schreiben wir noch vor den Ferien eine Arbeit und ich habe keinen blassen Schimmer, worum es da geht.

»Sag mal, willst du nicht mal aufstehen?« Meine Mutter reckt ihren Kopf durch den Türspalt. »Es ist fast zwölf!«

Täusche ich mich oder klingt sie irgendwie vorwurfsvoll? Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf und tue so, als hätte ich nichts gehört. Leider besteht meine Familie aus überzeugten Frühaufstehern – mit einer Ausnahme, nämlich meiner Wenigkeit. Wer bei den Neumanns nach neun Uhr noch im Bett liegt, gilt als verdächtig. Jetzt wird mit einem Ruck meine Bettdecke weggerissen. Brrr, ist das kalt!

»Menno, was soll das?«, maule ich meine Mutter an, die nun direkt vor meinem Bett steht. »Es ist Sonntag und ich bin froh, dass ich ausschlafen kann!«

»Du hast bereits das Frühstück verpasst, junge Dame«, sagt meine Mutter tadelnd. »Ich finde, zum Mittagessen könntest du uns Gesellschaft leisten. Zu viel Schlaf ist nicht gesund! Deine Schwester musste ich um diese Uhrzeit nie wecken.«

Ja, ja, meine perfekte große Schwester. Emma ist einen Kopf kleiner als ich, zart wie eine Feder und eine begnadete Turnerin. Am Wochenende war Mama mit ihr meistens auf irgendwelchen Wettkämpfen, zu denen man eher so um sieben Uhr morgens losgurken musste. Und selbstredend tat Emma das schrecklich gut gelaunt. Ich schildere das in der Vergangenheitsform, weil Emma gerade ein Austauschjahr in Australien verbringt. Zurück blieben meine Eltern, die jetzt am Wochenende mit den Hufen scharren, weil bei mir einfach so gar kein Trainingsprogramm ansteht, zu dem sie mich karren könnten.

Dieser Zustand hat sich allerdings vor einiger Zeit komplett geändert, weil ich nämlich mittlerweile Agentin eines international operierenden Geheimdienstes namens RING geworden bin. Und zwar gewissermaßen aus Versehen. Eigentlich dachte ich, dass ich Gitarristin der berühmten Girl Group Gimme Four werde. Dass die anderen Bandmitglieder Alex, Mia und Kim auch noch anderes auf dem Zettel haben, als weltweit vor begeisterten Teenagern aufzutreten, wurde mir erst klar, als ich bei einem Videodreh Waffen in einem Instrumentenkoffer fand. Als Mitwisserin wurde ich dann mehr oder weniger freundlich überredet, ebenfalls bei RING anzuheuern. RING steht übrigens für Rescue by International Non-Government Agents. Also ein Agentenring, der zu keiner Regierung gehört und der das Ziel hat, Kriminellen auf der ganzen Welt das Handwerk zu legen.

Seitdem ich plötzlich Geheimagentin bin, trainiere ich mindestens so viel wie meine sportliche Schwester. Karate, Fechten, Schießen, Autofahren – vor der Schule, nach der Schule, am Wochenende. Meine Eltern glauben, dass ich das für die große Gimme-Four-Bühnenshow brauche, und sind glücklich, weil ich jetzt auch so aktiv bin wie Emma. Aber diese Woche fällt das Training aus. Meine Co-Agentinnen haben nämlich Heimaturlaub, und zwar als dreiwöchigen Schüleraustausch getarnt, damit keiner etwas merkt. Schließlich ahnt niemand an unserer Schule, was sich wirklich hinter unserer Band verbirgt. Wobei niemand nicht ganz stimmt, meine Freundin und Klassenkameradin Beyza weiß von der ganzen Geschichte, weil sie als Technikspezialistin für die Ausrüstung bei unseren Agentinneneinsätzen zuständig ist. Und dann wäre da noch unsere Verbindungsoffizierin Marianne. Sie ist offiziell die Bandmanagerin von Gimme Four. Gerade besucht sie ihre Mutter in London. Das ist eigentlich am schönsten, denn wenn Marianne in Hamburg ist, wacht sie mit sehr strengen Augen über meine Nachwuchsagentinnenausbildung.

Mit meinem Training wenig zu tun hat mein Co-Agent Hector, aber wenn ich hier schon alle Teammitglieder erwähne, darf er natürlich nicht fehlen. Er ist eine mongolische Rennmaus und ungefähr 15Zentimeter groß, was ihn aber nicht daran hindert, bei jedem unserer Einsätze einen Auftritt hinzulegen, bei dem James Bond vor Neid erblassen würde. Kennengelernt haben wir uns in der S-Bahn von Altona nach Blankenese, als Hector beim Umsteigen ins Gleisbett gefallen war und ich ihn retten musste. Seitdem klebt der kleine Kerl geradezu penetrant an meinen Hacken und ist eigentlich sogar schuld daran, dass ich schließlich Mitglied bei Gimme Four und RING wurde. Unglaublicherweise kann ich mich mit ihm unterhalten, was aber außer Hector und mir niemand weiß. Genau genommen wissen die anderen nicht einmal, dass es Hector überhaupt gibt. Auch nicht meine Eltern, denn obwohl er bei mir wohnt, haben sie ihn noch nie gesehen. Sie sind nämlich strikt gegen jede Form von Haustierhaltung, also ist Hectors Domizil ein Schuhkarton unter meinem Bett, was gleichzeitig bedeutet, dass ich alleine für sein Catering zuständig bin. Und das wiederum heißt, dass ich leider auch am Wochenende früh aufstehen muss, um ihn heimlich mit frischem Salat und Möhren zu versorgen. Außer, Hector ist nicht da. So wie heute. Angeblich ist der Herr gerade auf einem wichtigen Business-Trip.

Ich habe also eine rundum entspannte und chillige Zeit. Oder besser: hätte. Denn offensichtlich ist meine Mutter ja nicht damit einverstanden, dass ich einfach mal ein bisschen ausspanne. Ich setze mich also auf und starre sie mit einem hoffentlich sehr düsteren Blick an.

»Dass zu viel Schlaf ungesund ist, halte ich für ein Gerücht!«

»Und wenn schon«, erwidert meine Mutter kühl. »Müßiggang ist aller Laster Anfang! Raus mit dir aus den Federn! Das Wetter ist toll und wir wollen eine Radtour an der Elbe inklusive Picknick machen.«

Es ist zwecklos. Meine Mum wird nicht eher Ruhe geben, bis ich auf dem Fahrrad sitze. Ich nicke also gottergeben.

»Okay, ich mach mich fertig. Gibt’s noch was zu essen?«

Kopfschütteln bei meiner Mutter.

»Nein, ich habe schon den Frühstückstisch abgedeckt. Jetzt musst du dich wohl bis zum Picknick gedulden. Selbst schuld!«

Auweia! Meine Mutter kann wirklich herzlos sein. Hoffentlich falle ich nicht vor lauter Hunger vom Fahrrad!

***

»Guck mal, ist das da drüben nicht Timo?«

Ich folge dem Zeigefinger meines Vaters – und tatsächlich! Nur 30Meter von uns entfernt sitzt Timo Erhard sehr lässig auf der kleinen Mauer, die den Elbwanderweg vom Strand trennt. Er hat sich eine Sonnenbrille ins Haar geschoben, unterhält sich angeregt mit einem Mädchen, das ich noch nie gesehen habe, und sieht dabei geradezu unverschämt gut aus.

»Wink ihm doch mal zu!«, fordert mich meine Mutter auf. »Ihr seid doch Freunde, oder nicht?«

Auf gar keinen Fall werde ich Timo zuwinken. Freundschaft hin, Freundschaft her. Denn während die Blondine, mit der Timo gerade spricht, eine irre Wallemähne hat, eine perfekt sitzende Jeans und eine sehr angesagte Bomberjacke trägt, hocke ich mit Mami und Papi im Schlabberlook auf einer Picknickdecke und habe mir gerade den Pulli vollgekrümelt. Mein Dutt sitzt auf halb acht und insgesamt sehe ich aus, als sei ich gerade aus dem Bett gefallen. Ich konnte mich vorhin gerade noch zum Zähneputzen aufraffen, mehr war definitiv nicht drin. Das Letzte, was ich jetzt also möchte, ist, jemandem zu begegnen, an dem mir sehr viel liegt. Vorsichtshalber ducke ich mich also schon mal, um so gut es geht hinter unserem Picknickkorb zu verschwinden. Sicher ist sicher.

»Huhu, Timo!«, ertönt auf einmal eine markerschütternde Stimme neben mir. »Schön, dich zu sehen! Kommt doch mal rüber!«

Oh, nein! Mein Vater hat offenbar beschlossen, dass es eine super Idee ist, Timo auf unsere Picknickdecke einzuladen. Ich könnte vor Scham im Boden versinken! Das stört meinen Vater aber überhaupt nicht. Im Gegenteil – jetzt wedelt er auch noch mit den Händen auf und ab, damit uns Timo garantiert nicht übersehen kann. Der dreht sich, na klar, nun zu uns um und winkt zurück. Und dann – oh, Schreck – kommen er und Blondie auf uns zu.

»Hallo, Frau Neumann, hallo, Herr Neumann«, begrüßt er meine Eltern höflich. »Hallo, Tessa, wieso liegst du denn so gekrümmt auf dem Boden? Geht es dir nicht gut?«

Ich rapple mich auf.

»Äh, hallo, Timo. Doch, doch, mir geht es super. Ich habe nur … äh … etwas verloren.«

»Das ist übrigens Nele Klobinski«, stellt er uns seine Begleitung vor. »Nele ist von Frankfurt hierhergezogen und geht ab morgen auf unsere Schule. Unsere Mütter kennen sich, deshalb haben sie mich gebeten, Nele schon mal ein bisschen Hamburg und unsere Hood hier zu zeigen.«

»Unsere Hood?« Papa zieht die Augenbrauen hoch.

Timo grinst und sieht dabei unglaublich süß aus.

»Entschuldigen Sie. Ich meinte: unser Viertel hier.«

Meine Mutter nickt Nele freundlich zu.

»Hallo und willkommen in Hamburg! In welche Klasse wirst du denn gehen, Nele?«

»In die Zehnte und zum Glück in dieselbe Klasse wie Timo.«

Ja, zum Glück!, ätze ich in Gedanken.

»Das ist aber schön«, freut sich meine Mutter. »Da hast du ja gleich netten Anschluss!«

Ich werfe ihr einen bösen Blick zu, den sie aber geflissentlich ignoriert. Das Herz ihrer jüngsten Tochter ist ihr offensichtlich völlig wurscht, denn eigentlich weiß sie doch, dass Timo schon lange mein heimlicher Schwarm ist und sich der Sommer bisher sehr vielversprechend entwickelt hat. Konkurrenz in Form dieser Barbiepuppe kann ich echt nicht brauchen.

»Wir haben auch eine Tochter in der zehnten Klasse, die ist gerade in Australien«, ergänzt mein Vater.

»Emma geht aber nicht in Timos Klasse«, zische ich ihn an und klinge dabei viel unfreundlicher als beabsichtigt. Cool bleiben lautet doch in so einem Fall die Devise. Timo schaut mich überrascht an, ich räuspere mich und ringe mich zu einem Lächeln für Nele durch. »Äh, aber natürlich macht sie bestimmt auch mal was mit dir, wenn sie wieder da ist.« Puh, gerade noch die Kurve gekriegt.

»Tessa geht in die Achte«, erklärt Timo Nele jetzt. »Was mich zu einem wichtigen Thema bringt – wir haben niemanden aus der Achten in der Schülerzeitung. Das ist eigentlich schade, denn unser Ziel ist, Redaktionsmitglieder aus jedem Jahrgang ab der Mittelstufe beim Checker zu haben. Hast du nicht vielleicht Lust, bei uns mitzumachen? Ich weiß, du bist wegen Gimme Four immer ziemlich im Stress, aber …«

»Super!«, rufe ich begeistert. »Na klar mache ich mit!« Bei dieser Wahnsinnsnachricht kann ich beim besten Willen nicht mehr cool bleiben. Timo ist nämlich Chefredakteur bei unserer Schülerzeitung Die Checker, und dass er mich bittet, in die Redaktion zu kommen, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Sofort ist meine schlechte Laune wie weggeblasen und ich gebe großzügig zu, dass es einfach nur nett von Timo ist, seiner neuen Mitschülerin Nele ein bisschen die Gegend zu zeigen. Mehr steckt da garantiert nicht dahinter, und wenn hier eine richtig dicke mit Timo ist, dann bin das ja wohl ich, Tessa Neumann! Immerhin haben Timo und ich in den letzten Wochen so viel gemeinsam erlebt, dass wir nun wie Pech und Schwefel zusammenkleben. Zugegeben, das ist jetzt vielleicht nicht das romantischste Bild. Wie Topf und Deckel? Auch nicht viel besser. Wie … wie … mir fällt einfach kein besseres Bild ein, ist aber auch egal jetzt.

Jedenfalls hat mich Timo schon aus den Fängen von Schwerkriminellen gerettet und ist mit mir nachts auf Verbrecherjagd durch St.Pauli geschlichen – ohne freilich zu ahnen, dass er auf Verbrecherjagd war. Denn natürlich sind alle Missionen von RING topsecret und Timo darf nicht wissen, dass ich Geheimagentin bin. Für ihn bin ich also einfach nur die wagemutige Achtklässlerin, die ab und zu in Schwierigkeiten gerät.

»Klasse«, sagt Timo.

»Klasse was?« Für einen Moment war ich so in Gedanken, dass ich gerade nicht weiß, worauf Timo antwortet.

»Klasse, dass du mitmachst«, wiederholt er grinsend. »Redaktionssitzung ist immer montags, achte und neunte Stunde. Ich hoffe, das haut mit deinen Bandproben hin.«

Ich mache eine wegwerfende Handbewegung.

»Das passt schon, keine Sorge.« Und wenn nicht, wird es passend gemacht. Diese Chance lasse ich mir jedenfalls nicht entgehen und die nächsten drei Wochen pausiert mein Agentendasein sowieso.

»Tipptopp«, sagt Timo. »Dann sehen wir uns morgen in der Redaktion. Ich freue mich!«

Und ich erst!

2

Auf die Plätze, fertig, los!

Als mein Wecker heute früh um halb sieben geklingelt hat, hatte ich kaum geschlafen. Ich war einfach zu aufgeregt und außerdem musste ich die ganze Nacht über tolle Themenvorschläge für meine erste Redaktionskonferenz nachdenken. Leider ist mir überhaupt nichts eingefallen, das für eine Schülerzeitung spannend sein könnte. Und so schleppe ich mich jetzt weiter durch den Schultag und überlege, was ich in der achten Stunde als Thema präsentieren könnte. Wenn mir nicht binnen der nächsten 45Minuten etwas Grandioses einfällt, werde ich wohl erst mal stumm wie ein Fisch dort sitzen. So ein Mist! Dabei wollte ich doch Timo beeindrucken und unter Beweis stellen, dass es eine gute Idee war, mich in die Konferenz einzuladen.

»Warum bist du heute eigentlich so schlecht gelaunt?«, reißt mich Beyza aus meinen Gedanken. Sie ist meine Banknachbarin und konnte somit schon den ganzen Tag aus nächster Nähe beobachten, dass ich heute nicht in Topform bin. Ich drehe mich zu ihr, um ihr mein Problem zu schildern, muss aber erst mal ein herzhaftes Gähnen unterdrücken.

»’tschuldigung«, nuschle ich dann. »Hab superschlecht geschlafen.«

»Warum? Zu viel gegessen? Oder fehlt dir der harte Drill von Marianne?«

»Haha, sehr lustig! Nee, ich bin gleich beim Checker und mir fällt einfach kein guter Themenvorschlag ein.«

»Du bist Mitglied bei der Schülerzeitung? Wusste ich gar nicht. Wann willst du das denn noch machen?« Beyzas Stimme schwankt zwischen bewundernd und vorwurfsvoll.

»Erstens: seit gestern. Zweitens: Momentan hab ich doch Urlaub.«

Beyza schüttelt den Kopf, aber bevor sie noch etwas dazu sagen kann, steht unsere Geschichtslehrerin Frau Lichtwark vor uns.

»Worüber unterhaltet ihr beiden euch denn schon wieder so angeregt? Ich hoffe doch sehr, es geht um den Sturm auf die Bastille.«

»Äh, ja, also«, stammle ich.

Frau Lichtwark guckt böse.

»Dachte ich es mir doch, Tessa. Ich würde vorschlagen, du passt jetzt mal ein bisschen besser auf. Dein letzter Test war nicht gerade berauschend.«

Zack! Das tut weh! Und ungerecht ist es auch noch, schließlich hat Beyza mich angequatscht und nicht umgekehrt. Aber da Beyza in fast allen Fächern eine supergute Schülerin ist, kriegt sie irgendwie nie Ärger. Ich überlege, ob ich auf diesen Umstand mal hinweisen sollte.

»War meine Schuld, Frau Lichtwark«, kommt mir Beyza zuvor. »Ich wollte was von Tessa wissen und hab sie abgelenkt. Kommt nicht wieder vor, tut mir leid.« Ehrenfrau!

Frau Lichtwark lächelt sie so an, wie man eben nur als Einserschülerin angelächelt wird, murmelt was von schon in Ordnung, aber jetzt besser mitmachen und geht wieder nach vorne.

»Also, wir fassen noch mal zusammen«, setzt sie ihren Unterricht fort. »Auslöser der Französischen Revolution war die extreme soziale Ungleichheit im absolutistischen Frankreich. Über neunzig Prozent der Bevölkerung hatten keine nennenswerten Besitztümer und lebten nur vom Nötigsten. Dinge, die für euch heute selbstverständlich sind, stellten für die allermeisten Franzosen puren Luxus dar. Gesundheitsversorgung, Bildung, regelmäßige und gute Ernährung – das war für die Menschen nur sehr schwer zu erlangen. Urlaub gab es nicht, Kleidung wurde so lange getragen, bis sie den Menschen buchstäblich vom Leib fiel. Schnell ein T-Shirt für zwei Euro bei Zara kaufen – dass es so etwas eines Tages geben würde, konnten sich die Menschen damals mit Sicherheit nicht mal in ihren kühnsten Träumen vorstellen.« Sie macht eine kurze Pause. »Wobei man sicher festhalten muss, dass wir mit unserem heutigen Konsumverhalten auf dem besten Wege sind, unseren Planeten endgültig zu ruinieren. Fast Fashion ist dann eben das andere Extrem.«

Tja, recht hat sie. Wobei ich auch ganz gern mal ein billiges T-Shirt kaufe, was ich dann nicht besonders lange trage. Ist natürlich überhaupt nicht nachhaltig, müsste ich tatsächlich mehr drauf achten. Andererseits – in meinem Lieblingsladen Fashionista! haben sie jetzt so einen Container aufgestellt, in dem sie alle ihre Klamotten auch wieder zurücknehmen und recyceln. Glaube ich jedenfalls. Ob das wohl stimmt? Müsste man vermutlich mal überprüfen. Überprüfen? ÜBERPRÜFEN! Ich hab’s! Ich habe endlich einen richtigen Knaller-Themenvorschlag für den Checker. Stichwort: Fast Fashion!

***

Die Redaktionssitzung von Die Checker findet im Oberstufenraum statt, der, wie der Name schon sagt, normalerweise den Oberstufenschülerinnen und -schülern vorbehalten ist. Ich habe ihn also noch nie von innen gesehen und öffne geradezu ehrfürchtig die Tür zu diesen heiligen Hallen. Obwohl ich überpünktlich bin, sind schon einige Redaktionsmitglieder versammelt. Timo, der tatsächlich Nele mitgebracht hat, und zwei Schülerinnen aus der elften Klasse sitzen auf den alten Sesseln, die in der Ecke gegenüber der Fensterfront stehen, und unterhalten sich angeregt. Farez aus der 9a steht vor etwas, das wie ein Cola-Automat aussieht, und an dem langen Tisch, der in der Raummitte steht, hat schon Theo Spelling aus dem siebten Jahrgang Platz genommen. Wenn der hier mitmacht, frage ich mich allerdings, warum ich selbst noch nie auf die Idee gekommen bin, hier einfach mal vorbeizuschauen. Scheint ja keine besonders strengen Aufnahmekriterien zu geben, denn Spelling ist ein Supernerd, der nicht mal richtig Fahrrad fahren kann. Dafür hat er allerdings neulich unseren Schulcomputer gehackt und das gesamte Mailsystem zum Absturz gebracht. Eine wahre Heldentat! Drei Tage lang gab es keine Benachrichtigungen mehr an die Eltern, egal, was man gerade so verbockt hatte.

Ich steuere auf Timo zu und begrüße ihn mit einem hoffentlich selbstbewusst klingenden Hallo. Er schaut zu mir auf.

»Hallo, Tessa! Schön, dass du wirklich gekommen bist. Wenn alle da sind, stelle ich dich vor. Das da drüben ist unser Redaktionstisch. Ist freie Platzwahl, also such dir irgendeinen Stuhl. Wir legen gleich los.«

Ich setze mich und kurz darauf kommen noch ein Junge und ein Mädchen in den Oberstufenraum geschlendert und nehmen am Tisch Platz. Ich kenne sie nur vom Sehen, vermute aber, dass zumindest das Mädchen in der Zwölften ist. Sie sind miteinander in ein Gespräch vertieft und würdigen mich keines Blickes. Mir wird ein bisschen fröstelig und ich bin mir auf einmal nicht mehr ganz so sicher, ob ich wirklich den Themenvorschlag in der Tasche habe oder sich gleich alle über die naive Achtklässlerin amüsieren werden. Aber immerhin lächelt mir Timo sehr freundlich zu, als er von der Sitzgruppe an den Konferenztisch wechselt und sich direkt neben mich setzt. Schlagartig fühle ich mich besser.

»So, meine Checker-Kolleginnen und -Kollegen«, begrüßt er die nunmehr anscheinend vollständige Redaktion, »ich darf euch heute zwei neue Gesichter vorstellen: Da hätten wir Nele, die von Frankfurt nach Hamburg gezogen ist und jetzt die gleiche Klasse wie ich besucht. Nele hat an ihrer alten Schule auch bei der Schülerzeitung mitgearbeitet und will sich deshalb anschauen, was wir hier so machen.«

Wohlwollendes Gemurmel am Tisch. Nele winkt kurz in die Runde und säuselt: »Hallo.« Dann dreht sich Timo zu mir.

»Und ebenfalls neu dabei ist Tessa aus der 8a. Ihr kennt sie natürlich alle, denn seit Neuestem ist sie auch noch Gitarristin von Gimme Four. Also ist sie eigentlich voll im Stress und trotzdem konnte ich sie überreden, mal bei uns vorbeizuschauen und über eine Mitarbeit nachzudenken. Freut mich persönlich sehr, denn ich denke, das ist ein Riesengewinn für uns. Dafür bitte einen kleinen Applaus!«

Tatsächlich klatschen die anderen jetzt und sehen nicht mal so aus, als würden sie das ironisch meinen. Mir wird ein bisschen warm bei so viel Vorschusslorbeeren und außerdem spüre ich so etwas wie Erfolgsdruck. Was ist, wenn die anderen meinen Vorschlag total kacke finden? Hören sie dann auf zu klatschen und buhen mich stattdessen aus? Ich werde es herausfinden, schätze ich.

Zuerst startet Timo in eine kurze Vorstellungsrunde der anderen Redaktionsmitglieder für Nele und mich. Die Namen, die ich noch nicht kenne, kann ich mir zwar nicht so schnell merken, trotzdem versuche ich, jedem freundlich zuzulächeln und so zu tun, als würde ich eigentlich schon alle kennen. Die Zwölftklässlerin, die mich eben so schön ignoriert hat, heißt Beata, das immerhin merke ich mir mal vorsichtshalber.

Nachdem er alle vorgestellt hat, geht Timo mit uns die Leserreaktionen auf die letzte Ausgabe durch. Die 6e beschwert sich, dass niemand über ihre Teilnahme am Theaterprojekt des Schauspielhauses berichtet hat. Timo beauftragt Nerd Spelling damit, für die neue Ausgabe einen kleinen Bericht darüber zu schreiben. Ein Foto von dem angeblich grandiosen Auftritt hat die 6e ihrer Beschwerdemail zum Glück schon angefügt. Frau Dr.Philippi, die nicht nur meine Klassenlehrerin, sondern auch Mitglied der Schulkonferenz ist, schlägt vor, ein ausführliches Porträt über den neuen Schulleiter zu bringen. Herr Wildgruber kommt aus München und alle sind schon ganz gespannt, ob er hier demnächst das bayerische Abitur einführen wird. Die Zwölftklässlerin meldet sich für das Interview mit Wildgruber, vermutlich will sie ihm wegen des Abiturs gründlich auf den Zahn fühlen. Mehr Leserbriefe gab es nicht, zufrieden hakt Timo seine Liste ab. Dann blickt er in die Runde.

»So, Kollegas, dann lasst mal hören, was ihr so mitgebracht habt!«

Die Angesprochenen rascheln in ihren Unterlagen, noch meldet sich aber niemand.

»Vielleicht unser Neuzugang?« Timo lächelt mich aufmunternd an. »Hast du einen Themenvorschlag, Tessa?«

Oh, Mann, ausgerechnet ich als Erste? Ich atme tief durch und versuche, mit möglichst fester Stimme zu antworten.

»Tatsächlich hab ich da eine Idee«, beginne ich und klinge etwas zögerlich. Ich räuspere mich, kneife mich selbst mit der linken Hand in den Oberschenkel und rede weiter: »Mein Vorschlag lautet: Fast Fashion.«