Tasks & Teams - Heinz-Walter Dr. Große - E-Book

Tasks & Teams E-Book

Heinz-Walter Dr. Große

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Beschreibung

Schluss mit dem Kästchendenken – für eine bessere Zusammenarbeit! In den letzten Jahrzehnten hat sich in Unternehmen so gut wie alles verändert. Doch eins ist immer gleich geblieben: das Organigramm – die fein säuberliche Abbildung der Organisation in hierarchisierten Kästchen. Sie ist nur oberflächlich betrachtet harmlos. Tatsächlich blähen solche Organigramme Unternehmen auf und verhindern flexible Zusammenarbeit, ohne die heute niemand mehr im Wettbewerb bestehen kann. Heinz-Walter Große, Vorstandsvorsitzender des Medizintechnikunternehmens B. Braun, und Bernadette Tillmanns-Estorf, Direktorin der Unternehmenskommunikation und der internationalen Personalabteilung bei B. Braun, haben dies erkannt. Ihre Antwort: Sprengt das Organigramm! Den Sprengstoff liefern sie gleich mit: TnT – Tasks & Teams. Dies ist die neue Methode, mit der B. Braun erfolgreich begonnen hat, Zusammenarbeit besser zu organisieren. In ihrem wegweisenden und spannenden Buch zeigen Heinz-Walter Große und Bernadette Tillmanns-Estorf, wie sie bei B. Braun vorgegangen sind und wie jedes Unternehmen seine Organisation wirksamer machen kann – mit der Formel für neue und bessere Zusammenarbeit: Tasks & Teams.

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Heinz-Walter GroßeBernadette Tillmanns-Estorf

TASKS& TEAMS

DIE NEUE FORMEL für bessere Zusammenarbeit

 

 

Leiter ProduktionPaul Megath

Paul Megath hat alles im Griff. Schließlich ist er schon seit 35 Jahren in der Firma und kennt seinen Bereich aus dem Effeff. Auf seinem Schreibtisch steht ein Schild mit dem Spruch: »The buck stops here!« – wie auf dem Schreibtisch des ehemaligen US-Präsidenten Truman. »Ich übernehme die Verantwortung. Ich bin die letzte Instanz!«, heißt das. Dass bei seinen Mitarbeitern großer Frust darüber herrscht, nicht in Entscheidungen einbezogen zu werden, dass er als Flaschenhals Prozesse blockiert und Ineffizienz bewirkt, das kriegt er nicht mit. Und außerdem: Wozu Produktion und Logistik digital verknüpfen? Die jungen Kollegen von der Konkurrenz, die er neulich beim »Production Summit« traf, und ihr Gerede vom IoT, dem Internet of Things … Das ist alles unnötiger neumodischer Kram, meint Paul. Mit dem die Konkurrenz allerdings erheblich Zeit und Kosten spart und die Kundenzufriedenheit deutlich steigert. Das wissen in Pauls Abteilung eigentlich alle. Nur einer nicht: Paul.

UX-DesignerinMichaela Müller

Michaela Müller möchte mehr Verantwortung übernehmen. Das geht aber nur, wenn sie in der Hierarchie aufsteigt. Doch die Leitungspositionen über ihr sind bereits mit jungen Kolleginnen besetzt. Das heißt: Ihren Wunsch, im Unternehmen mehr zu bewegen, kann sie auf lange Sicht vergessen. Nachdem ihr Chef das glasklar mitgeteilt hat, wird das Abendessen zur Krisensitzung. »Ich komme hier einfach nicht weiter! Torsten« – sie blickt ihrem Freund entschlossen in die Augen – »ich suche mir einen neuen Job. Und wenn wir dafür umziehen müssen.«

Leiter interne WeiterbildungKlaus Westermann

Klaus Westermann ist Teil einer abteilungsübergreifenden Gruppe, die eine große Fachkonferenz in den Räumen des Unternehmens organisieren soll. Weil vom Facility Management über die Leiter der inhaltlich beteiligten Sparten bis hin zum Controlling und zum Vorstand viele verschiedene Gremien zu jeder Entscheidung hinzugezogen werden müssen, ist der Prozess äußerst zäh und langwierig. »Wenn ich damit durch bin«, denkt sich Klaus, »werde ich so eine Aufgabe nie wieder übernehmen! Die delegiere ich dann an Irene. Da darf sie sich mal beweisen.«

Leiterin Social MediaJulia Bozigurski

Julia Bozigurski hat vom Vorstand eine neue Aufgabe übertragen bekommen. »Wir müssen in sämtlichen relevanten Social-Media-Kanälen mitspielen und die dabei anfallenden Daten nutzen, um mehr über unsere Kunden zu erfahren!« »Na fein«, denkt sie sich, »dafür benötige ich mindestens zwei neue Mitarbeiter und vielleicht sogar eine neue, zwischendrin eingezogene Hierarchieebene!« Zwar gibt es im Marketing viele Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Auswertung digitaler Daten bestens auskennen, Interesse an Kommunikation haben und durchaus projektbezogen aushelfen könnten – aber das ist ja eine andere Abteilung. Und außerdem, wer lässt sich schon die Chance entgehen, die Zahl seiner Direct Reports zu vergrößern …

PROLOG

Vorwort von Heinz-Walter Große

Vorwort von Bernadette Tillmanns-Estorf

ABRISS

Der grosse Knall

Eine Notwendigkeit, keine Mode

Der Weg zur Sprengung

Und nun?

SICHTUNG

Auferstanden aus Ruinen – was von den Trümmern übrig bleibt

Erstes Trümmerteil: »Entscheidungen«

Zweites Trümmerteil: »Motivation«

Drittes Trümmerteil: »Wertschätzung«

Viertes Trümmerteil: »Kontrolle«

Fünftes Trümmerteil: »Feedback«

Sechstes Trümmerteil: »Hierarchie«

Siebtes Trümmerteil: »Innovationskraft«

Achtes Trümmerteil: »Repräsentation«

Neuntes Trümmerteil: »Karriere«

Zehntes Trümmerteil: »Regeln«

Elftes Trümmerteil: »Transparenz«

NEUAUFBAU

Ein paar Grundlagen

Tasks & Teams – der Weg zu einer neuen Idee

Tasks – Die Aufgaben stehen im Mittelpunkt

Teams – Zusammenarbeit neu organisieren

Von der Idee in die Praxis

PRAXIS

An der Entwicklung teilhaben lassen

Welche Rolle Führung spielt

Über das Ausrollen

Haltungsänderung

Tasks & Teams in der Anwendung

Das »Statt«-Organigramm

Dank

Über die Autoren

Impressum

Heinz-Walter Große

Die Arbeit wird uns, der B. Braun Melsungen AG, nicht ausgehen. Der Bedarf an innovativen Produkten in der Medizintechnologie wird weltweit ansteigen. Dafür werden wir weiter Fachkräfte benötigen, hochqualifizierte Ingenieure, IT-Experten oder auch Fachkräfte in der Kommunikation. Unser Unternehmen muss sich daher als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, muss moderne Arbeitsumgebungen bieten und auch Entwicklungschancen.

Und da wird es interessant. Wir stellen gerne ein, wir sind ein beliebter Arbeitgeber bei uns in der Region und an unseren internationalen Standorten. Einstellungen stehen auch für die Kraft eines Unternehmens. Einstellungen sind Zeichen des Erfolgs. Doch, und da wären wir beim Grund unseres Buches: Den Aufbau einer Belegschaft muss man sich auch leisten können. Einstellungen sind ein Balanceakt, das gerät leicht aus dem Blick. Gerade bei stabilem Wachstum. Das kann irgendwann nicht mehr gut gehen. Denn das Mehr an Mitarbeitern muss man sich als Unternehmen erst einmal verdienen.

Wir bei B. Braun standen daher vor der Frage, wie wir verhindern, dass wir personell ständig weiter wachsen, auch um morgen überlebensfähig zu sein. Und das ist einer der Gründe dafür, dass wir begonnen haben, nicht unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu hinterfragen – sondern die Arbeit zu hinterfragen. Wie können wir anfallende Arbeit effizienter organisieren? Wie können wir das Wuchern von neuen Abteilungen verhindern und gleichzeitig anfallende Aufgaben intelligenter aufteilen?

Das wollen wir Ihnen in diesem Buch zeigen.

Mit Ideen und Impulsen von außen und innen haben wir eine individuelle Methode, die B. Braun-Methode, entwickelt, um die Arbeit effizienter zu organisieren: Wir nennen sie Tasks & Teams. Wir verstehen unser Buch als eine Anregung und als Beispiel dafür, wie auch einem traditionellen Konzern wie B. Braun der Schritt in eine neue Arbeitswelt gelingen kann. Mir ist dabei besonders wichtig: Es geht uns nicht um die Fassade. Wir wollen nicht einfach nur Lounges einrichten und die Krawatten wegwerfen – wir wollen die Arbeit neu organisieren. Deshalb wollen wir uns von alten Formen der Zusammenarbeit verabschieden – und von ihrem Sinnbild, dem Organigramm, ebenfalls. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht und Zusammenarbeit neu gestaltet. Und dabei haben wir Erstaunliches geleistet, haben viele neue Talente und Fähigkeiten bei uns entdeckt.

»Tasks & Teams ist nicht (nur) eine neue Form der Organisation, sondern organisiert das Denken neu.«

Wie es sich weiterentwickelt, betrachten wir mit großer Spannung. Die bisherigen Ideen und praktischen Anwendungen sind handfest und haben sich als absolut tauglich erwiesen. Wir laden Sie ein, folgen Sie uns, machen auch Sie sich auf den Weg – und ich verspreche Ihnen eines: Sie werden Ihre Organigramme nicht vermissen.

Bernadette Tillmanns-Estorf

»Warum machen wir das eigentlich?« »Wir haben doch immer schon vernetzt gearbeitet, was ist daran jetzt neu?« Oder: »Wozu braucht man da noch Führungskräfte?« Diese und ähnliche Fragen begegnen mir, wenn ich mit Mitarbeitern, Kollegen und Vertretern anderer Unternehmen über Tasks & Teams diskutiere – den neuen Weg der Zusammenarbeit bei B. Braun.

Mir ist es wichtig zu zeigen, wie neue Ideen der Zusammenarbeit Potenziale freisetzen und warum es sich manchmal lohnt durchzuhalten, wenn man von etwas überzeugt ist. Wir wollen in diesem Buch beschreiben, was moderne Führung in einem 180 Jahre alten Unternehmen bedeutet und was sich an Chancen daraus ergibt – innerhalb und außerhalb von B. Braun.

Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen von Tasks & Teams. Wir zeigen, was es heißt, wenn man denen Verantwortung überträgt, die sich am besten mit einem Thema auskennen. Und vor allem zeigen wir, wie Arbeit neu verteilt wird – und wie wir es künftig vermeiden können, Organigramme und Strukturen unnötig aufzublähen.

Wir schreiben ein Buch, weil wir tiefer gehen wollen als ein paar bunte PowerPoint-Charts. Hier bekommen Sie konkrete Unterstützung für eine komplette oder teilweise Umsetzung einer neuen Methode. Das Buch richtet sich an alle Mitglieder eines Unternehmens, die über eine Neuorganisation der Arbeit, wie Tasks & Teams sie bedeutet, entscheiden und diese umsetzen – vom Vorstand bis zu den Mitarbeitern. Weiter gefasst: an alle, die aus privatem oder beruflichem Interesse erfahren möchten, wie wir Arbeit im beginnenden 21. Jahrhundert besser organisieren können.

Wir wollen mit unserem Buch aufräumen mit althergebrachten Denkmustern, den Kopf frei machen für ein neues Zusammenarbeiten, bei dem Hierarchie, Kästchen und Egotrips keinen Platz mehr haben. Wir zeigen, wie wir unseren Weg gegangen sind und weiterhin gehen wollen, der nicht immer einfach war und sicherlich nicht immer einfach wird.

Wir richten uns an die, die jenseits aller theoretischen Abhandlungen Ähnliches verwirklichen wollen und ihre Ängste und Bedenken über Bord werfen. Wir bieten Einblicke in unseren Alltag und möchten die beflügeln, die ihren eigenen verändern wollen.

Denn: Tasks & Teams schafft Freiräume – auch bei B. Braun. Wir haben bei uns gesehen: Es entsteht eine neue Energie der Zusammenarbeit, die für das Wesentliche im Unternehmen genutzt wird. Für die Erledigung der Aufgaben des Bereichs – mit dem jeweils besten Team.

»Agilität« ist ein heute gängiger Begriff – auch wenn vielen nicht immer klar ist, was damit eigentlich gemeint ist. Angesichts vielfältiger theoretischer Abhandlungen und Veröffentlichungen zur Agilität ist es uns ein Anliegen, am Beispiel Tasks & Teams konkret zu machen, was »agil« bedeutet – nämlich mehr Flexibilität für Mitarbeiter und Führungskräfte, die zu mehr Motivation führt, zu neuen Perspektiven auch für die eigene Entwicklung. Es geht darum, Zusammenarbeit neu zu denken und Veränderung pur voranzutreiben.

Veränderung bedeutet das auch für die HR-Funktion in einem Unternehmen – der Personalbereich wird vom Verwalter zum Ermöglicher, vom selbst ernannten Lehrmeister zum Coach, vom Bewahrer zum Selbstversuchenden.

Wir wollen mit diesem Buch auch Sie überzeugen und Ihnen eventuelle Ängste vor einer Neuorganisation der Arbeit nehmen. Für uns hat der Neustart bereits Positives gebracht – vielleicht ja auch bald für Sie.

Ein Wort noch zu den im Buch verwendeten Beispielen: Manche sind weitestgehend real, andere frei erfunden – sie dienen allein dem Zweck, Tasks & Teams anschaulich zu machen.

DER GROSSE KNALL

Es ist ein nebliger Morgen. Gerade mal sieben Uhr. Das Gelände ist weiträumig abgesperrt. Die Zuschauer stehen in sicherer Entfernung. Viele sind gekommen, alle wollen sehen, wie das vermeintlich Unzerstörbare in sich zusammensackt. Die ganze Nacht haben die Sprengmeister gearbeitet. In jeder Ritze, an jeder Ecke haben sie kleine Ladungen deponiert. Sprengladungen mit hoher Kraft. Die Messungen hatten ergeben, dass mehr Sprengstoff notwendig ist als üblich. Langsam wird die Zündschnur ausgerollt, die Arbeiter gehen sehr behutsam vor. In dieser Phase darf kein Fehler mehr passieren.

Alle haben auf diesen Augenblick hingearbeitet. Die Anspannung ist hoch. Selbst die Zuschauer sind sehr ruhig, von ferne ist nur ein kurzes Kinderlachen zu hören. Jeder weiß: Das ist ein historischer Moment. Wenn diese Sprengung gelingt, wird nichts mehr so sein wie zuvor. Langsam bereitet der Sprengmeister die Zündung vor, die minutiöse Planung nähert sich ihrem Höhepunkt. Das Wetter ist günstig, die hohe Luftfeuchtigkeit führt dazu, dass sich die Staubwolke nicht weit ausbreiten wird.

Wir kennen die Bilder der Fabriktürme, der Brücken, die in sich zusammenfallen, wenn sie gesprengt werden, wenn sie in sich zusammensacken. Das sieht oft aus, als würden sie sich ein letztes Mal verneigen. Jetzt ist es so weit. Die Zuschauer halten den Atem an. Kein Ton ist zu hören.

Plötzlich ein Alarmsignal. Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde. Und dann drei kurze, gewaltige Detonationen:

BOOOOOMMMM!!!!!

BOOOOOOOOOOMMMMMMMM!!!!!!

BOOOOOOOOOOOOOOOMMMMMMMMMMM!!!!!!

Die Zuschauer halten sich die Ohren zu. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Alle Blicke gehen an den Ort, wo es vorher stand. Wir sehen, wie es in sich zusammenbricht. Wie die Einzelteile in die Luft fliegen. Wie der Stolz eines Unternehmens zu Staub wird. Wie ein Kästchen nach dem anderen in sich zusammenfällt.

Rauchwolken werden aufgewirbelt, es qualmt und dampft. Alles hat perfekt geklappt. Die Zuschauer blicken gebannt auf die Stelle, wo es vorher war. Kaum hat sich der Dunst verzogen, sehen wir die Trümmer vor uns. Die Sprengung ist geglückt! Wir haben das Organigramm gesprengt.

Das Organigramm?

Ja, Sie haben richtig gelesen: das Organigramm. Und wenn Sie sich jetzt, liebe Leserin, lieber Leser, fragen: Der große Knall? Das Organigramm? Wie genau ist das gemeint? Was stimmt bei denen nicht? Dann sagen wir Ihnen: Genau das war unser Plan. Wir wollten das Organigramm sprengen.

Es ging nicht mehr anders. Unser Unternehmen hat es nicht mehr gebraucht. Keiner braucht noch Organigramme in der heutigen Form. Organigramme sind unserer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß – aber eben beharrlich, sehr widerstandsfähig und ständig wachsend. Deshalb die Sprengung. Deshalb der Abschied von etwas nicht mehr Zeitgemäßem. Der Abschied vom Gestern.

EINE NOTWENDIGKEIT, KEINE MODE

Und genau davon soll dieses Buch handeln. Von der mutigen Verabschiedung eines Gestern. Eines Gestern, das nicht mehr funktionieren wird – dem aber noch viele nachhängen, von dem sich viele nicht so leicht verabschieden wollen. Wie wir diesen Abschied eingeleitet haben, davon erzählt dieses Buch. Wir werden Ihnen darin zeigen, warum wir uns zu diesem drastischen Schritt entschlossen haben. Warum wir sprengen mussten. Und wie es dazu kam, dass B. Braun Organigramme in die Luft jagen will. Und wir werden Ihnen zeigen, was danach kommt. Denn die naheliegende Frage ist: Was macht ein Unternehmen ohne Organigramm? Geht das überhaupt? Wird es nun besser? Wie wird es besser? Und vor allem: Was kommt anstelle des Organigramms? Unser Buch erzählt auch vom entschlossenen Kurs hin zu einer neuen Struktur, zu selbstorganisiertem Arbeiten und einer anderen Kultur der Führung, zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit – und wie das heute in einem 63 000-Mitarbeiter-Unternehmen umgesetzt werden kann. Schritt für Schritt. Weil wir nur das weitergeben können, was wir selbst erlernt und verstanden haben.

In einer ersten Etappe, nachdem wir Sie in unsere Gründe eingeweiht haben werden, nachdem die Sprengung vollzogen worden sein wird, werden wir uns auf die Suche nach den verbliebenen Einzelteilen machen. Wir werden abwägen: Was von den Trümmern wollen wir behalten? Was wollen wir eventuell renovieren und modifizieren? Auf was können wir in Zukunft getrost verzichten? Und dann werden wir die entscheidenden Fragen klären: Wie arbeiten wir besser ohne Organigramm? Wie sieht die neue Struktur aus? Welche Kultur braucht man dazu? All das werden wir mit Ihnen teilen.

Unser Buch wird Ihnen zeigen, wie die Aufräumarbeiten aussehen, wie die sorgfältige Auf- und Umbauarbeit strukturiert wird, damit ein besseres Leben und Arbeiten ohne Organigramme gelingt – und vor allem, wie das in einem Konzern wie B. Braun gelingen kann. Welche Folgen das für ein Unternehmen mit großer Tradition hat, wie sich Komplexität innerhalb eines Unternehmens ohne Organigramm organisieren lässt und wie man den Anforderungen einer hochspezialisierten Branche dennoch gerecht wird, bei anhaltend hoher Motivation der Mitarbeiter. Sie werden sehen, welche sinnstiftende Wirkung der Abschied vom Organigramm hat. Und vor allem, wie man mit den Unsicherheiten nach dem Knall umgeht.

Denn das war für uns eine elementare Erfahrung. Das Fehlen des Organigramms sorgt für Verunsicherung und Widerstände im Unternehmen. Also muss man die Sprengung des Organigramms mit Führungskräften und Mitarbeitern vorbereiten. Denn: Ist es dann weg, fehlt etwas. Also sollte etwas anderes an seine Stelle treten. Und genau darum geht es uns. Wir werden Ihnen zeigen, wie wir es gemacht haben. In konkreten Beispielen werden Sie erfahren, wie wir in einigen Bereichen angefangen haben, Aufgaben neu zu verteilen, und was wir tun, um die Entwicklung weiter am Laufen zu halten.

Wir werden Sie nicht nur an unserem Wandel teilhaben lassen, wir werden Ihnen auch Werkzeug an die Hand geben, um selbst den systematischen Umbau anzugehen. Vieles von dem, was heute unter dem Begriff »New Work« durch die Welt flattert, mag heiße Luft sein, mag den intensiven Realitäts-Check nicht bestehen, das dürfte der eine oder andere von Ihnen bereits selbst erfahren haben. Was wir aber angepackt haben, wie wir B. Braun weiter umbauen wollen, das ist in jedem Fall mehr als eine Mode, die wieder vergeht. Das war und ist eine Notwendigkeit. Wir sind überzeugt, dass es Bestand haben wird. Und wir glauben: Es ist für jedes Unternehmen von Bedeutung.

Kurz und bündig: In diesem Buch werden wir Ihnen zeigen, wie wir unser Denken verändert haben – und wie Sie Ihr Denken verändern können. Zunächst aber wollen wir Ihnen berichten, wie es zum großen Knall kam. Denn bevor wir das Organigramm in die Luft sprengten, gerieten bei uns einige Überzeugungen ins Wanken.

DER WEG ZUR SPRENGUNG

Es begann mit einem alljährlichen Ritual: Der Vorstand hatte sich zur Bilanzbesprechung getroffen, um den Jahresabschluss zu verabschieden. Der Jahresabschluss wurde im Detail vorgestellt und besprochen. Zum Ende der zweistündigen Besprechung gab der Wirtschaftsprüfer – wie seit Jahren üblich – eine Gesamtbetrachtung des Abschlusses aus seiner Sicht.

So weit war alles »normal«. Doch dann sagte er etwas, was auch uns in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt hatte. Und als unser Wirtschaftsprüfer es aussprach, traf er genau diesen wunden Punkt.

Er sagte: »Ich verfolge viele Jahresabschlüsse von Familienunternehmen, und nur wenige können wie B. Braun ein so kontinuierliches Umsatzwachstum ohne jegliche Einbrüche vorweisen« – hier machte er eine kleine Pause, dann fuhr er fort – »aber mit dem Umsatz wächst bei Ihnen immer auch die Zahl Ihrer Mitarbeiter fast umsatzproportional.«

Er sagte das sehr nüchtern, sehr unaufgeregt, doch dann wurde er etwas eindringlicher: »Darauf müssen Sie ein Auge haben, denn wenn sich die Zahl der Mitarbeiter proportional zum Umsatz entwickelt, können Sie keine positiven Synergien aus dem Mehrumsatz ziehen.« Das sei zwar wegen der Schaffung vieler Arbeitsplätze kurzfristig positiv, auf lange Sicht aber – auch angesichts verstärkt aufkommender digitaler Geschäftsmodelle – nicht ganz ungefährlich.

Damit hatte er etwas gesagt, was uns, wie gesagt, schon seit einiger Zeit beschäftigt hatte. Und wir hatten das vorher nicht mit ihm abgesprochen oder gar gesagt: »Sie müssen das endlich mal ansprechen, damit es die anderen verstehen!« Nein, er hatte es von sich aus gesagt. Genau das gab uns zu denken. Er hatte etwas auf den Punkt gebracht, genau zur richtigen Zeit, genau mit der richtigen Intensität. Er hatte einen Nerv getroffen. Und im Grunde waren wir längst bereit für eine Korrektur.

Mir kam etwas in Erinnerung. Vor einiger Zeit fiel mir eine alte Kienbaum-Studie aus dem Jahr 1969 in die Hände. Diese Studie befasste sich mit der Neuorganisation von B. Braun vor eben fast genau 50 Jahren. Die Studie war vom damaligen Management, vornehmlich den Herren Otto und Dr. Bernd Braun, in Auftrag gegeben worden. Das Unternehmen verzeichnete damals einen Umsatz von 100 Millionen D-Mark bei einer Mitarbeiterzahl von 1800.

Beim Lesen dieser Studie fielen mir vor allem drei Aspekte auf:

1.Beeindruckend war, dass man sich so früh mit einer Strukturanalyse des Unternehmens und dessen Neuorganisation beschäftigte.

2.Erstaunlich war auch, mit welcher Sorgfalt und Akribie für das gesamte Unternehmen neue Organigramme erarbeitet wurden. Vor allem aber, dass diese Organigramme sich in ihrer Struktur bis heute nicht verändert haben. Man hatte sorgfältig aus der Beschreibung einzelner Aufgaben bestimmte Bereichsorganigramme mit einer großen Anzahl an Kästchen entwickelt. Teilweise waren diese Kästchen noch gar nicht »befüllt« – aber man hatte sie sicherheitshalber schon mal vorgesehen.

3.Mit am interessantesten beim Lesen dieser Studie war jedoch, dass eine ganze Reihe von Aussagen und Beobachtungen (allesamt 50 Jahre alt) auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Eines der bemerkenswertesten Zitate von 1969 lautet: »Der Anteil der Angestellten an der Gesamtbelegschaft ist von 25,9 Prozent in den Jahren 1962/1963 auf 28,2 Prozent in 1967/1968 angestiegen. Dieser steigenden Entwicklung sollte Beobachtung geschenkt werden.«

Im Grunde entsprach das fast genau der Feststellung unseres Wirtschaftsprüfers 50 Jahre später. Und auch deshalb sahen wir nun Handlungsbedarf. Dass am Ende dann die Sprengung des Organigramms stehen sollte, das war noch nicht abzusehen.

 

Interview mit Dr. Peter Bartels, Leiter Clients & Markets, PwC Deutschland

Herr Bartels, Sie haben uns mit Ihrer Bemerkung hinsichtlich der Mitarbeiterentwicklung im Verhältnis zur Umsatzentwicklung einen wichtigen Hinweis gegeben. Warum sollte ein Familienunternehmen wie B. Braun dieses Thema dringend im Auge behalten?

Bei PwC bin ich als Wirtschaftsprüfer für viele Familienunternehmen tätig und verfolge deren Entwicklung sehr genau. Ein Unternehmen, das so konstante Wachstumsraten erzielt wie B. Braun, ist eher die Ausnahme. Im ständigen parallelen Aufbau von Mitarbeitern sehe ich aber eine Gefahr, da hier ein Kostenblock entsteht, der jedes Jahr um Lohn- und Gehaltsanpassungen weiterwächst, selbst wenn keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden. Sollte da einmal das Umsatzwachstum ausbleiben, können schnell sehr unangenehme und schmerzliche Anpassungen notwendig werden.

Sie haben von einem Kostenblock gesprochen, sehen Sie denn die Mitarbeiter nur als Kostenfaktor?

Das sicher nicht – und gerade die großen Familienunternehmen wie B. Braun setzen zu Recht auf die Mitarbeiter als einen der zentralen Faktoren für den Unternehmenserfolg. Aber in Zeiten einer fortschreitenden Digitalisierung, deren Ende wir alle nicht absehen können, und in Zeiten von Disruption und rasanten Innovationszyklen sollten Unternehmen ein größtmögliches Maß an Flexibilität entwickeln. Die Zukunft von Unternehmen wird sich vermutlich daran entscheiden, wie agil und wie flexibel sie auf Veränderungen reagieren können und wie es ihnen gelingt, die Arbeit zu organisieren.

Wie beurteilen Sie die Maßnahmen, die wir bei B. Braun bereits umgesetzt haben und die in diesem Buch beschrieben werden?

Es ist immer sehr zu unterstützen, wenn Unternehmen erkannt haben: Wir müssen uns ständig an neuere Entwicklungen anpassen. Und das zur richtigen Zeit, eben nicht, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen, denn dann ist es meist zu spät. Veränderungen sollten dann angegangen werden, wenn es dem Unternehmen gut geht. Dann können Ideen auch in Ruhe Schritt für Schritt getestet und umgesetzt werden. Deshalb sehe ich die Entwicklung bei B. Braun absolut positiv. Vor allem, dass Sie Ihre Organisationsstrukturen komplett auf den Prüfstand stellen und sogar vor dem Organigramm nicht zurückschrecken, macht Sie sicher zu einem Vorreiter unter den Familienunternehmen. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Unternehmen mit Tasks & Teams entwickelt und, natürlich, wie sich Tasks & Teams weiterentwickelt. Eine solche Veränderung ist ja mit der Einführung nicht abgeschlossen, sondern muss im Spannungsfeld von »alt« und »neu« immer wieder evaluiert werden.

Ein Gedanke, der nicht mehr verschwand

Nach der Sitzung lief der Alltag für mich, Heinz-Walter Große, normal weiter. Noch ein weiteres Meeting, Telefonate, Gespräche, das Übliche. Aber was der Wirtschaftsprüfer gesagt hatte, ließ besonders mich nicht mehr los. Er, der unser Unternehmen schon lange kennt, hatte den Kern getroffen. Er hatte etwas ausgesprochen, was mich, die Mitarbeiter der Personalabteilung, was unser Unternehmen in der Folge sehr beschäftigen sollte. Vermutlich war diese Jahresabschlussbesprechung der entscheidende Wendepunkt. Denn rückblickend betrachtet hat sie vieles komplett verändert.

Die Worte des Wirtschaftsprüfers blieben mir im Kopf. Am Abend auf der Heimfahrt dachte ich intensiv darüber nach. Sind wir wirklich zu viele? Ist das dramatisch? Müssen wir weniger werden? Oder müssen wir nur nicht mehr werden? Und überhaupt: Wie soll das gehen? Nicht zuletzt beschäftigte mich auch der Gedanke, dass diese Entwicklung schon vor 50 Jahren kritisch gesehen wurde.

Auf jeden Fall hatte er ein Thema angesprochen, das im Vorstand schon immer zu ausgiebigen Diskussionen geführt hatte. Immer schon hatte es sich um die Frage gedreht, wie wir gerade in den Verwaltungsbereichen den ständigen Aufbau von Personal verhindern oder zumindest einschränken können.