Tausend Mal berührt - Gina Wilkins - E-Book

Tausend Mal berührt E-Book

GINA WILKINS

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Beschreibung

Es sollte nur ein gemütlicher Videoabend werden - doch plötzlich findet Kelly sich in Shanes Armen wieder und wird heiß geküsst wie nie zuvor in ihrem Leben! Und danach ist mit ihm, ihrem besten Freund seit über einem Jahr, alles ganz anders, so aufregend! Wenn Kelly bloß nicht solche Angst vor der Liebe hätte …

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Seitenzahl: 169

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IMPRESSUM

Tausend Mal berührt erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1999 by Gina Wilkins Originaltitel: „That First Special Kiss“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Astrid Hartwig

Umschlagsmotive: Fearsonline/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733756864

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Kelly Morrisons kleines Apartment war erfüllt von Lachen, Stimmengewirr und Musik. Es war der erste Samstag im November, und an jedem ersten Wochenende eines Monats traf sich ihre Clique abwechselnd bei einem von ihnen zum Klönen und Spielen. Diesmal war Kelly an der Reihe.

Mit dem leichten Hinken, das sie selbst kaum noch bemerkte, holte sie ein Tablett mit Käsewürfeln, Obststückchen und Crackern aus der Küche und stellte die Knabbersachen auf den runden Tisch in ihrem Wohnzimmer.

„Wer ist dran?“, fragte sie.

„Du“, antwortete Heather Pearson, nahm sich ein Stückchen Apfel und schob ihr den Würfel hin.

Kelly setzte sich an den Tisch, würfelte und zog ihre Spielfigur weiter. „Sport“, stöhnte sie. „Na toll. Ausgerechnet. Okay, dann schieß mal los.“

Heathers Zwillingsbruder Scott las ihr die Frage vor: Wie heißt der jüngste Rennfahrer, der dreimal den Winston Cup gewonnen hat?

Kelly versuchte sich an die Namen der wenigen Rennfahrer zu erinnern, die sie gehört hatte. „Jeff Gordon?“, riet sie.

Scott nickte. „Richtig.“

Michael Chang, der ihr gegenüber saß, seufzte frustriert. „Wieso kriegst du immer die einfachen Fragen?“

„Reine Glückssache“, meinte Kelly achselzuckend.

Ihr Blick glitt über ihre Freunde, die sich auf den bunt zusammengewürfelten Stühlen um den Tisch herum verteilt hatten: Scott Pearson, Michael Chang, Cameron North, Heather Pearson und Amber Wallace. Alle zwischen Mitte bis Ende zwanzig. Mit vierundzwanzig war Kelly die jüngste.

Unwillkürlich blickte sie auf den freien Klappstuhl neben sich. Jemand fehlte heute Abend, und sie vermisste ihn. Wie sie jeden ihrer Freunde vermissen würde, der an dem monatlichen Treffen nicht teilnehmen konnte.

Heather hatte ihren Blick bemerkt. „Wo bleibt eigentlich Shane?“, fragte sie. „Es sieht ihm gar nicht ähnlich, dass er nicht Bescheid sagt, wenn er nicht kommen kann.“

„Hat er nicht mal bei dir angerufen, Cam?“, fragte Amber.

Cameron, Shanes bester Freund, schob sich das blonde Haar aus der Stirn. „Hab’ nichts von ihm gehört“, sagte er, und seine blauen Augen funkelten verschmitzt. „Vermutlich hat er für den Abend ein besseres Angebot bekommen.“

Kelly runzelte die Stirn. Widerstrebend stellte sie sich Shane mit der großen Rothaarigen vor, die er vor einigen Wochen mal zu einer Party mitgebracht hatte. Kelly mochte sie nicht. Aber es ging sie natürlich nichts an, mit wem Shane Walker sich verabredete. Schließlich waren sie nur gute Freunde. Kumpel. Praktisch Familie. Sie hatten es sich zur Regel gemacht, sich nicht in das Liebesleben des anderen einzumischen.

Von einem Liebesleben konnte bei Kelly allerdings keine Rede sein.

„Sind da noch mehr von diesen Schokoladenkeksen?“, fragte Scott.

„Hast du schon alle verdrückt?“, meinte seine Zwillingsschwester vorwurfsvoll. „Du Egoist! Die anderen hätten vielleicht auch gern mal probiert.“

Kelly grinste. „Zufällig sind in der Küche noch ein paar“, sagte sie und stand auf. „Ich kenne doch Scott.“

In dem Augenblick klingelte es an der Haustür. Kelly öffnete sie und spürte sofort, wie sie sich entspannte. Jetzt war der Abend perfekt.

Der schlaksige Cowboy, der draußen auf dem Weg vor ihrer Erdgeschosswohnung stand, trug Jeans, eine Jeansjacke und ein hellbraunes Jeanshemd. Dazu staubige Stiefel. Den zerbeulten Stetson hielt er in der Hand. Das mittelbraune Haar fiel ihm frech in die Stirn. Doch seine blauen Augen, die sonst so fröhlich funkelten, waren heute ernst.

„Du siehst aus, als hättest du einen harten Tag hinter dir“, bemerkte sie spontan.

Shane Walker verzog das Gesicht. „Man wird doch gern mit einem Kompliment begrüßt.“

„Es war nur eine Feststellung.“

Als er lächelte, vertieften sich seine Grübchen, und er sah total sexy aus. „Schon gut. Du hast ja recht. Es war ein lausiger Tag. Ich bin noch nicht mal dazu gekommen, deinen Videorekorder zu reparieren.“

„Das eilt doch nicht“, versicherte sie ihm. „Ich benutze ihn sowieso nur ganz selten. Setz dich schon mal zu den anderen an den Tisch. Ich bringe dir was Kaltes zu trinken.“

Er legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. „Danke. Lieb von dir.“

Shane war ein offener und herzlicher Mensch. Er hatte sie in den anderthalb Jahren, seit sie sich kannten, unzählige Male freundschaftlich umarmt. Trotzdem konnte Kelly sich nicht recht daran gewöhnen. Ihr Puls schlug jedes Mal einen Takt schneller. Diese Aufregung versteckte sie unter einer geschwisterlichen Burschikosität.

„Hinsetzen“, befahl sie und gab ihm einen Schubs. „Ich bin sofort wieder da.“

Shane wurde herzlich und lautstark begrüßt. Als Kelly mit einer gekühlten Soda für ihn und einem Teller Schokoladenkekse zurückkam, hörte sie gerade noch, wie er auf die Frage nach seiner Verspätung etwas ausweichend antwortete, er sei auf der Ranch aufgehalten worden.

Da alle sich angeregt unterhielten, stellte Amber das Spielbrett beiseite. „Anscheinend hat keiner mehr Lust zu spielen. Na ja, ich hätte sowieso verloren.“

„Du verlierst immer“, neckte Cameron sie. „Trotzdem scheinst du den Glauben nicht zu verlieren, dass du beim nächsten Mal gewinnst.“

Amber versetzte ihm einen Knuff. Dann kicherte sie und ließ sich auf seinen Schoß fallen. Sie und Cameron waren seit drei Monaten zusammen. Was für Cameron einen beachtlichen Rekord darstellte, wie Kelly fand. Alle in der Clique hatten eine Katastrophe vorhergesagt, als die langjährigen Freunde Lover wurden. Aber so weit ging es ganz gut.

Kelly setzte sich neben Shane. „Wie sieht es zu Hause aus?“

„Alles bestens. Molly hat heute einen Malwettbewerb in der Schule gewonnen. Als Preis gab es einen Gutschein im Wert von fünfzig Dollar. Als ich wegfuhr, hockte sie über einem Katalog. Wahrscheinlich überlegt sie jetzt noch, was sie für das Geld kaufen soll.“

Kelly lächelte unwillkürlich, als sie an Shanes zwölfjährige Halbschwester dachte. Das rothaarige Energiebündel war der Sonnenschein der Familie. Shane liebte das Mädchen über alles.

Als sie ihn nun ansah, bemerkte sie, dass er nur mit dem Mund lächelte, nicht mit den Augen. Er wirkte übermüdet und abgespannt. So hatte sie ihn noch nie gesehen.

Sie wünschte, ihr würde etwas einfallen, um ihn aufzumuntern.

Kelly mochte Shane sehr gern – so wie sie alle ihre Freunde mochte, die sie in den anderthalb Jahren kennengelernt hatte, seit sie und ihre Freundin Brynn nach Dallas gezogen waren. Inzwischen war Brynn mit Dr. Joe D’Alessandro verheiratet und hatte ihren festen Platz in Joes großer Familie. Außerdem hatte Brynn durch puren Zufall entdeckt, dass die Geschwister ihres verstorbenen Vaters in Dallas lebten. Shane war einer von Brynns vielen Cousins.

Kelly und Brynn betrachteten sich als Wahlschwestern. Sie hatten sich als junge Mädchen im Heim kennengelernt. Brynn war damals vierzehn gewesen und Kelly elf. Wegen dieser Verbindung wurde auch Kelly von den Walkers warmherzig in die Familie aufgenommen. Was sie zugleich erfreut und erstaunt hatte. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie zu einer Familie gehörte. Dieses Gefühl bedeutete ihr unendlich viel. Ähnlich verhielt es sich mit ihrer Clique. Auch dort war sie vorbehaltlos akzeptiert worden, als Shane sie vor gut einem Jahr mitgebracht hatte.

Was ihn wohl bedrückte? Oberflächlich betrachtet schien er wie immer. Er lachte über die Witzeleien der anderen und gab selbst einige zum Besten. Er kämpfte mit Scott um den letzten Schokoladenkeks – und gewann. Er neckte Amber, bis sie rot wurde, und wettete mit Scott, wie das nächste Footballspiel ausgehen würde. Shane verhielt sich eigentlich ganz normal.

Und trotzdem …

In diesem Moment sah er sie an. Ihre Blicke begegneten sich. Shane schien zu ahnen, was sie dachte. „Alles in Ordnung?“, fragte er so leise, dass die anderen es nicht hören konnten.

„Dasselbe wollte ich dich gerade fragen“, gab sie leise zurück.

Er zögerte und blickte kurz zu den anderen, die gerade mitten im Gespräch waren. „Ich erzähle es dir später.“

Wieder einmal verbarg er seine Gefühle hinter einem Grinsen, als er sich Scott zuwandte. Shane war anscheinend immer gut gelaunt und überall beliebt, aber Kelly fragte sich manchmal, ob die anderen ihn überhaupt wirklich kannten. Es schien ihr, als würde er bestimmte Dinge verstecken. Wahrscheinlich sogar vor den Menschen, die ihm am nächsten standen.

Vielleicht bildete sie sich das alles aber auch nur ein. Schon möglich, dass er der unbeschwerte, sorglose Cowboy war, der er nach außen hin war. Andererseits meinte sie, wenn es um Shane ging, Dinge zu spüren, die andere nicht bemerkten. Was lächerlich war. Warum sollte sie Shane Walker besser kennen, als seine Freunde oder seine Familie ihn kannten?

„Kelly, hast du noch mehr von den Keksen?“, fragte Scott.

Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Das waren die letzten.“

Er seufzte übertrieben. „Dann kann ich ja jetzt nach Hause gehen.“

„Schon?“, fragte Heather. „Es ist kaum elf.“

Scott räusperte sich. „Ich muss noch ein paar Unterlagen durchsehen.“

„Unsinn“, gab seine Zwillingsschwester prompt zurück. „Du willst bestimmt zu Paula, hab’ ich recht?“

„Und wenn es so wäre?“, knurrte er.

Heather rollte mit den Augen. „Jungs, sagt ihm endlich, dass diese Frau nicht die Richtige für ihn ist.“

Michael Chang versuchte, das Thema zu wechseln. „Weiß jemand, wie das Footballspiel heute ausgegangen ist?“

Heather ignorierte diesen Einwurf. „Michael, du kennst doch Paula“, fuhr sie energisch fort. „Sag Scott, was du von ihr hältst.“

„Ich …“ Michael kratzte sich am Kopf. „Ich finde, sie hat einige bewundernswerte … Merkmale.“

Cameron lachte. Amber stieß ihm in die Rippen.

„Shane, auf dich hört er bestimmt“, beharrte Heather. „Erzähl ihm, wie schrecklich sie ist.“

Shane lehnte sich zurück und setzte ein schiefes Lächeln auf. „Ihr wisst doch, dass ich mich nicht in das Liebesleben anderer Leute einmische. Wenn Scott sich gern mit Paula trifft, dann ist das seine Sache und nicht meine.“

„Ihr Jungs seid doch alle gleich“, schimpfte Heather. „Was ist mit dir, Kelly? Willst du auch nichts dazu sagen?“

Bevor Kelly etwas erwidern konnte, mischte Cameron sich ein. „Kelly gibt nie irgendwelche guten Ratschläge. Dazu ist sie viel zu vorsichtig.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Kelly überrascht.

„Menschen zu beobachten gehört zu meinem Beruf“, erwiderte der Zeitungsreporter. „Du magst es nicht, wenn du Aufsehen erregst, und es gefällt dir überhaupt nicht, wenn andere auf dich böse sind. Wer Ratschläge erteilt, zieht unweigerlich den Zorn anderer Leute auf sich. Also behältst du deine Meinung lieber für dich. Meistens jedenfalls.“

„Nun, ich …“ Er hat recht, dachte sie.

„Ich muss jetzt gehen“, sagte Scott, während er aufstand. „Wir sehen uns morgen bei Mom zum Essen, Heather.“

Seine Zwillingsschwester murmelte etwas Unverständliches, erwiderte aber seinen Gute-Nacht-Kuss mit ehrlicher Zuneigung.

Scotts Aufbruch signalisierte das Ende des Abends. Kurz nach ihm ging Heather, gefolgt von Michael, Cameron und Amber.

„Gehen wir eigentlich nächstes Wochenende angeln, Shane?“, fragte Cameron an der Haustür.

„Sicher, ich rufe dich noch mal an.“

„Prima.“

Amber verzog das Gesicht. „Ich weiß immer noch nicht, warum ich nicht mitkommen darf. Angeln macht mir Spaß.“

Cameron strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das ist nur für Jungs. Mädchen sind nicht erlaubt.“

Sie stritten noch darüber, als Shane hinter ihnen die Haustür schloss. „Meinst du, sie weiß nicht, dass Cameron nur angeln gehen will, damit er mal ein paar Stunden ohne sie verbringen kann?“, fragte er mit einem frechen Grinsen.

Kelly seufzte. „Das habe ich auch schon gedacht.“

„Langsam, aber sicher erdrückt sie ihn“, fuhr Shane fort. „Man kann nur hoffen, dass sie sich am Ende in Freundschaft trennen.“

Sie nickte. Also glaubte Shane auch, dass die Beziehung zwischen den beiden keine Zukunft hatte.

„Willst du noch eine Soda?“, fragte sie, da er es offenbar nicht eilig hatte, nach Hause zu fahren.

„Ehrlich gesagt, wäre mir eine Tasse Kaffee lieber. Wenn du aber müde bist und mich loswerden willst …“

„Sei nicht albern“, unterbrach sie ihn. „Für dich habe ich immer Zeit.“ Sie deutete auf ihr Sofa. „Setz dich. Ich mache schnell den Kaffee.“

Er zögerte nicht. Noch bevor Kelly in der Küche verschwand, hatte er es sich auf dem Sofa bequem gemacht.

Es dauerte nicht lange, bis sie mit dem Kaffee und einem Glas Wasser für sich selbst zurückkam. „Setz dich.“ Er klopfte neben sich auf das Polster. „Du bist den ganzen Abend für uns gesprungen.“

Sie ließ sich neben ihm nieder. „Nicht der Rede wert. Ich habe gern Besuch.“

„Du humpelst ein bisschen. Macht dir dein Bein zu schaffen?“

Der schwere Autounfall, bei dem ihr Bein verletzt worden war, lag nun schon anderthalb Jahre zurück. Als sie Shane zum ersten Mal sah, lag sie noch im Krankenhaus. Er hatte sie in einer sehr schwierigen Phase kennengelernt und miterlebt, wie sie allmählich wieder zu Kräften kam. Seit damals gehörte er zu ihren besten Freunden. „Alles in Ordnung. Ich bin nur ein bisschen müde.“

„Soll ich dein Bein massieren?“

Allein der Gedanke, dass Shane sie massierte, ließ ihren Puls schneller schlagen. „Nein“, entgegnete sie viel zu hastig. „Aber danke für das Angebot.“

Schweigend trank er seinen Kaffee und blickte nachdenklich vor sich hin. Offenbar dachte er wieder an die Dinge, die ihn schon den ganzen Abend beschäftigt hatten. Kelly wartete. Sie wusste, er würde es ihr erzählen, sobald er dazu bereit war.

Schließlich räusperte er sich. „Meine Mutter ist am Donnerstag gestorben. Ich habe es heute Morgen erfahren.“

Von seiner leiblichen Mutter wusste Kelly nur, dass sie alkoholabhängig war. Sein Vater hatte sich von ihr scheiden lassen, als Shane noch ein Kind war. Sie bekam das Sorgerecht für ihren Sohn. Aber Shane war so unglücklich bei ihr, dass er als Zwölfjähriger von zu Hause weglief und auf der Straße lebte. Erst nach zwei Wochen fand ihn sein Vater und nahm ihn zu sich.

„Wie hast du es erfahren?“, erkundigte sie sich.

„Ihre Schwester hat Dad angerufen. Er hat es mir gesagt. Vor den anderen mochte ich nicht darüber sprechen. Aber ich wollte, dass du es weißt.“

Sie war gerührt. Hoffentlich fand sie nun auch die richtigen Worte. „Ich habe gespürt, dass dich etwas beschäftigt, aber ich wollte nicht neugierig sein.“

Er lächelte und verschränkte seine Finger mit ihren. „Du warst nicht neugierig, sondern besorgt.“

„Wie geht es dir jetzt?“

„Ich bin schon ein wenig traurig“, antwortete er nach einer Weile. „Sie war erst achtundvierzig. Sie hätte noch so viele Jahre vor sich haben können.“ Er zögerte einen Moment, bevor er fortfuhr. „Und ich glaube, ich habe auch ein schlechtes Gewissen.“

„Warum solltest du ein schlechtes Gewissen haben?“, fragte Kelly erstaunt.

„Das ist schwer zu erklären. Ich habe eine intakte Familie. Dad, Cassie und Molly … wir sind glücklich auf unserer Ranch. Meine Mutter war nie glücklich.“

Sie drückte seine Hand. „Shane, du hast mir doch mal erzählt, dass dein Vater alles versucht hat, sie von ihrer Sucht abzubringen. Mehr konnte er nicht tun. Sie hat sich für den Alkohol entschieden, gegen die Familie. Du trägst keine Verantwortung für Entscheidungen, die gefallen sind, als du noch ein Kind warst.“

Er lehnte sich zurück. „Vor ein paar Jahren habe ich sie mal besucht, kurz nach meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag“, erzählte er ihr. „Außer Dad und Cassie weiß niemand davon. Ich hatte immer noch so viel Zorn in mir, dass ich meinte, ich müsste dem mal Luft machen. Und ich hatte sogar ein wenig gehofft, ich könnte ihr helfen.“

„Deine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt“, folgerte Kelly aus seinem Tonfall.

Es war keine Frage, trotzdem antwortete Shane darauf. „Sie sagte, ich sei nicht mehr ihr Sohn, seit ich bei meinem Vater lebe. Und ich sei genau wie er. Dann schenkte sie sich einen Drink ein und bat mich zu gehen.“

„Das tut mir leid.“

Er zuckte die Achseln. „Sie hat es gar nicht gemerkt, aber sie hat mir ein sehr schönes Kompliment gemacht, als sie sagte, ich sei wie mein Vater.“

Zwischen Shane und seinem Vater bestand eine enge Beziehung, um die Kelly ihn ein wenig beneidete. Sie selbst hatte ihren Vater seit Jahren nicht mehr gesehen. Die Karriere bei der Air Force hatte er dem Kontakt zu seiner Tochter vorgezogen. Sie wusste also, was es bedeutete, zurückgewiesen zu werden. Kellys Mutter war gestorben, als sie noch ein Kind war. Deshalb war sie in einem Heim aufgewachsen.

Plötzlich schien Shane bewusst zu werden, wie viel er von sich gezeigt hatte. Unvermittelt setzte er sein gewohntes Lächeln auf und reckte sich. „Danke für den Kaffee und das Verständnis, aber ich muss jetzt gehen. Es ist spät geworden.“

„Beides ist jederzeit für dich da“, antwortete sie lächelnd. Seltsamerweise verspürte sie keinen Drang, diesen Moment der Nähe zu beenden.

Als er aufstand, hielt er immer noch ihre Hand. „Du bist ein echter Freund, Kelly Morrison.“

Welch ein bitter-süßes Kompliment, dachte sie. Trotzdem war ihr Lächeln aufrichtig. „Du bist auch ein echter Freund, Shane Walker.“

Einem plötzlichen Impuls folgend, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn. Er legte die Arme um ihre Taille und schmiegte sein Gesicht an ihren Kopf. Sekundenlang standen sie so da. Es war Kellys Art, ihn zu trösten, und Shane akzeptierte den Trost. Eine Umarmung unter Freunden wie schon unzählige vorher.

Dann änderte sich plötzlich etwas. Kelly wurde bewusst, dass sie seine Wärme spürte, seine festen Muskeln und seinen Atem an ihrer Wange. Gleichzeitig fühlte sie, wie tief in ihrem Innern etwas aufflackerte, das sie nervös machte.

Sie löste die Umarmung so abrupt, dass Shane beinah stolperte. „Was war das?“, fragte er, während er ihr erhitztes Gesicht betrachtete.

„Das ist meine Art, dir zu sagen, dass du jetzt gehen musst. Mir wird langsam kalt.“

Das war eine Lüge. Sie lief eher Gefahr zu verbrennen. Und auf diese Gefahr reagierte sie instinktiv mit Rückzug. „Gute Nacht, Shane.“

„Gute Nacht, Kelly.“

Kaum war er draußen, schloss sie die Tür und lehnte sich dagegen. Freunde, ermahnte sie sich energisch. Sie und Shane waren Freunde. Und sie würde nichts tun, was diese kostbare Beziehung gefährdete.

2. KAPITEL

Am Sonntagnachmittag reparierte Shane mit seinem Vater einen Zaun auf der kleinen, aber profitablen Rinderranch, die ihnen gemeinsam gehörte. Es war ein kühler, klarer Novembertag, der Beginn einer ruhigen Zeit auf der Ranch. Bis die Kühe im Januar kalbten, fielen nur Instandhaltungsarbeiten und Buchhaltung an.

Shane und Jared sprachen nicht viel während der Arbeit. Die Stille störte sie nicht. Vater und Sohn verstanden sich gut. Jared war derjenige, der nach langer Zeit das Schweigen beendete. „Wie fühlst du dich, Sohn?“

Shane wusste sofort, worauf die Frage zielte. „Ganz gut, Dad. Und du?“

Jared zuckte die Achseln. „Tja.“

Diese eine Silbe sagte alles. Jared trauerte um ein vergeudetes Leben, auch wenn er sich längst damit abgefunden hatte, dass er ihr nicht hatte helfen können. Er hatte wieder geheiratet und war glücklich. Trotzdem hatte er die Mutter seines ersten Kindes nicht vergessen.

Er blickte Shane über die Schulter an. „Es scheint dir heute besser zu gehen als gestern“, bemerkte er.

Shane zog den Spanndraht straff und befestigte ihn. „Ich habe gestern Abend noch mit Kelly darüber geredet. Anscheinend habe ich das gebraucht.“ Wie sehr er es gebraucht hatte, war ihm erst hinterher bewusst geworden.

„Du scheinst dich in letzter Zeit gut mit ihr zu verstehen.“

Shane blickte erstaunt von seiner Arbeit auf. „Kelly und ich sind von Anfang an gute Freunde gewesen. Es hat sich nichts geändert.“

„Hm.“

Er sah seinen Vater stirnrunzelnd an. „Was willst du damit sagen?“

Jared befestigte den Drahtzaun an einem Stahlpfosten. „Womit?“

„Deinem hm.“ Shane sah seinen Vater herausfordernd an. „Kelly gehört praktisch zur Familie. Da ist es doch ganz normal, wenn wir über Familienangelegenheiten reden.“

„Wir alle betrachten Kelly als Familienmitglied, wenn auch natürlich keine Blutsverwandtschaft besteht.“

Warum sein Vater diesen Unterschied plötzlich hervorhob, konnte er sich nicht erklären. „Soll das heißen, ich hätte nicht mit Kelly reden sollen?“

„Sei nicht albern, Shane“, erwiderte Jared allmählich verärgert. „Ich habe nur hm