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Die Traditionelle Europäische Medizin (TEM) baut auf den Lehren berühmter Ärzte und Gelehrter wie Hippokrates, Galen, Hildegard von Bingen, Paracelsus und Sebastian Kneipp auf. In diesem Sinn ist unsere Nahrung zugleich Heilung.Die Ernährung nach der Traditionellen Europäischen Medizin setzt genau hier an. Die Vier-Temperamente-Küche mit den Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser unterstützt und begleitet uns durch den Tag, das Jahr und das Leben. Egal ob man sanguinisch, cholerisch, melancholisch oder phlegmatisch veranlagt ist – mit diesem Grundlagenbuch kann jeder seine individuelle, temperamentgestützte Ernährung finden.Michaela Hauptmann beschreibt die Idee der TEM, liefert Hintergrundinformationen und erleichtert den persönlichen Zugang zur Welt der TEM. Fachliches Wissen wird ergänzt durch Tipps für den Alltag sowie100 Kochrezepte, die schmecken, nähren und das eigene Temperament stärken. Ihr Credo lautet: »Wecke deine Lebensgeister mit einer auf dich abgestimmten Ernährung!«
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Seitenzahl: 437
Veröffentlichungsjahr: 2020
www.ennsthaler.at
ISBN 978-3-7095-0121-4
Michaela Hauptmann • Temperamentvoll essen
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2020 by Ennsthaler Verlag, Steyr
Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Austria
Umschlaggestaltung: Thomas Traxl & Ennsthaler Verlag, Steyr
Umschlagbilder: © Amir Abou-Roumie
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Temperamentvoll essen, die Lebensgeister wecken
Erklärungen und Hinweise
Einstimmung: Was dich erwartet
Was ist die TEM? Wo kommt sie her?
TEM steht für Traditionelle Europäische Medizin
TEM – ein wenig Geschichte
TEM im Jetzt
TEM im Dienst der Gesunderhaltung
Feuer & Eis … Alles ist in allem enthalten
Vier Primärqualitäten: Warm, kalt, feucht, trocken
Vier Elemente: Luft, Feuer, Erde, Wasser
Sonne, Mond und die Planeten
Organisierende Kraft … Spiritus | Seele
Energie der Lunge: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Immerfort
Lebenskraft, dreigeteilt und doch vereint
Vier Temperamente … oder doch mehr?
Vier Säfte, mehr als Stoffliches
Anamnese: Optische und körperliche Merkmale
Lebensumfeld: Entwicklung und Beeinflussung
Verdauung … Du bist, was du verdaut hast
Verdauungskraft: Fremdes überwinden
Assimilationsstoffwechsel: Die Umwandlung der Nahrung
Qualität vor Quantität – und ein hübsch gedeckter Tisch
Vier-Temperamente-Küche … Geschmackvoll & gut verdaulich
Geschmäcker, achtmal anders
Zubereitungsarten: Gegrillt, roh und irgendwas dazwischen
Temperieren – mehr als würzen
Balance: Jedem Temperament, was es benötigt
Rhythmus … Ernährung im Kreis des Tages, Jahres und Lebens
Bewegung & Rhythmik, das Grundprinzip allen Lebens
Ernährung im Tagesablauf: Aufbauen, nähren, ausklingen
Ernährung im Jahreskreislauf: Frühling, Sommer, Herbst & Winter
Essenspausen – der Verdauung ausreichend Ruhe gönnen
Ernährung im Lebenskreislauf: Die Lebensphasen
Es ist alles anders … wenn Entgleisungen passieren
Sanguinitas, die Bluthaftigkeit
Choleritas, die Gelbgalligkeit
Melancholia, die Schwarzgalligkeit
Phlegmatismus, die Schleimigkeit
Lebensmittel … TEMperamentvolle Nahrung
Die Lebensmittel und die Elemente
Luft – als Nahrung
Obst & Gemüse: Früchte des Feldes und des Gartens
Fette und Nüsse, nährstoffreich und essenziell
Getreide, echt und pseudo
Tierische Produkte, wertschätzend und wertvoll
Kräuter & Würzmittel: Frisch & fröhlich temperieren
Getränke, durststillend und befeuchtend
Fragen … und TEMperamentvolle Antworten
Das war’s noch nicht … bleiben wir in Kontakt
Danke … es kommt von Herzen
Glossar (Abkürzungen, Fremdwörter, Begrifflichkeiten, Erläuterungen)
Regionale Küchenbegriffe
Rezeptindex
Bildnachweis
Literaturverzeichnis
Über die Autorin
Du möchtest mit mehr Schwung und Elan durchs Leben gehen? Möglichst gesund und fit sein und bleiben? Aktiv und wach sein? Spaß am Leben haben? Wunderbar!
Aktiviere und wecke deine Lebensgeister mit einer für dich und durch dich individuell abgestimmten Lebensweise. Dein erster Schritt beginnt mit einer Ernährung, die für dich maßgeschneidert ist und deine aktuelle Lebensphase berücksichtigt. Richtig wohlfühlen mit der Traditionellen Europäischen Medizin, das heißt mit den vier Elementen Luft, Feuer, Wasser, Erde und der Vier-Temperamente-Küche. Ja, das geht!
Egal ob du eher sanguinisch, cholerisch, melancholisch oder phlegmatisch durchs Leben gehst – mit der Traditionellen Europäischen Medizin, kurz TEM genannt, findet jeder einen Weg. Seinen Weg. Dieses Buch unterstützt dich dabei. Für deinen Alltag findest du Anregungen und Rezepte quer durch alle Kapitel. Viele Lebensmittel sind gesondert beschrieben. Auch Hintergrundinformationen zur TEM will ich dir nicht vorenthalten. Fremdwörter kommen dann und wann mal vor – Latein ist die am meisten überlieferte Sprache zur TEM. Vieles wurde in Klöstern niedergeschrieben und dort wiederentdeckt. Doch keine Sorge, ein Lexikon wirst du nicht benötigen, denn am Ende des Buches findest du eine Kurzübersicht der Fachbegriffe.
Temperamentvoll essen
beschreibt den Weg deiner persönlichen Ernährung und deines Lebensstils – ganz gleich ob dieser eher lebensfroh, impulsiv, bedächtig oder beständig ist, die TEM unterstützt dich dabei.
Du wirst dich mal mehr und mal weniger angesprochen fühlen: So ist das mit den Temperamenten – sie sind so wunderbar verschieden. Mal überschwänglich lebensfroh, dann wieder besonders impulsiv, auch angenehm bedächtig und oft sehr beständig. Nimm aus diesem Buch einfach das, was am besten zu dir passt. Doch sei mutig und probiere das eine oder andere Neue und Ungewohnte aus. Wenn es dich anspricht und dir guttut, wird es auch deinem Temperament entsprechen. Sei dabei allerdings ehrlich zu dir selbst! Ein Augenzwinkern ist hin und wieder ratsam. Manchmal hilft es dir, deine Komfortzone einen oder zwei Schritte zu verlassen. Denn, wie heißt es so schön: Das Gute liegt manchmal so nah. Greif einfach zu!
• Die Informationen in diesem Buch wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, zusammengetragen und reflektiert niedergeschrieben. Vieles beruht auf naturwissenschaftlichem Hintergrund und manches entspringt altem Heilwissen. Ziel ist die Gesundheitsvorsorge – das Gesundbleiben. Wenn du krank bist, kann die TEM wunderbar unterstützen und helfen, ziehe aber bitte immer einen Arzt deines Vertrauens zurate.
• Die in diesem Buch angeführten Vorstellungen und Vorschläge sind nicht als Ersatz für eine professionelle medizinische oder therapeutische Behandlung gedacht. Die Anwendung der angeführten Ratschläge geschieht nach alleinigem Gutdünken des Lesers – deinem Wunsch. Autor, Verlag, Berater, Vertreiber, Händler und alle anderen Personen, die mit diesem Buch in Zusammenhang stehen, können weder Haftung noch Verantwortung für eventuelle Folgen übernehmen, die direkt oder indirekt aus den in diesem Buch gegebenen Informationen resultieren oder resultieren sollten.
• Ich spreche dich direkt an. Das DU habe ich mir einfach so herausgenommen, denn mit diesem Buch will ich dich so persönlich wie möglich erreichen und dir die Sichtweise der TEM näherbringen. Das Du macht es einfacher.
• Auf das Binnen-I habe ich bewusst verzichtet. In der TEM sind die weiblichen und männlichen Prinzipien sowieso tief verankert. Und alles ist in allem enthalten. Wenn du also zum Beispiel vom Choleriker liest, fühle dich als Cholerikerin bitte auch angesprochen – sofern du es so für dich empfindest.
Wir alle essen täglich! Ja, klar, denkst du jetzt vielleicht. Und das ist gut so. Essen soll etwas Alltägliches und Normales sein. Und genau da beginnt es oft: Was bedeutet »normal«?
Nun, eigentlich ist das alles ganz unaufgeregt – Essen soll dir schmecken, dich nähren und dir guttun. Und dennoch hat es oft, wenn man sich so umsieht, etwas Dogmatisches. Es gibt die unterschiedlichsten Ernährungsweisheiten, Ernährungstipps für die ultimative Gesundheit, Ratschläge und Weisheiten, die kommen und wieder gehen. Wir – ich schließe dich da mit ein – sind immer auf der Suche nach … ja, nach was? Schnell, einfach, gesund, leicht, problemlos, das sind die Schlagworte, die wir finden. Kommt hier je »geschmackvoll« vor? Oder »köstlich«? Also, ich habe das in Ernährungsbüchern noch nicht gelesen. Und gerade das ist so wichtig. Gesundes Essen muss auch schmecken!
Der Geschmack der Speisen signalisiert uns – sofern wir bewusst genießen – was uns Wohlbefinden beschert. Hier ein einfaches Beispiel: Schokolade, schnell gegessen, ist lediglich Kalorienzufuhr – okay, das darf schon auch mal sein – aber tut es dir dann gut? Anders herum: Stückchen für Stückchen gegessen – und genossen –, nimmst du mit allen Sinnen wahr, und das geht so: ein Stück Schokolade abbrechen, daran riechen. Dann fühlen, auf der Zunge zergehen lassen, im Mund spüren und langsam schlucken. Und genau da kommt der Geschmack ins Spiel. Du magst dann vielleicht eher die milde, süße und ich die rauere, herbe Schokolade.
Du wunderst dich? Warum beginnt ein Buch über Ernährung nach der Traditionellen Europäischen Medizin mit Schokolade? Mit einer Art Schokoladenmeditation? Mit diesem Beispiel – Schokolade hat wohl jeder schon mal genascht, du bestimmt doch auch – zeige ich dir, dass Geschmack und Geruch in der Ernährung einfach bedeutsam sind. Du beginnst Bissen für Bissen die passende Ernährung für dich zu finden. Jeder Bissen ist ein Beitrag für deine Lebensqualität. Und – »Augenzwinkern« – glaube mir, die Übung funktioniert mit jeder Art von Speise. Lass dich überraschen!
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die tägliche Ernährung einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leistet. Mit jeder Mahlzeit tun wir etwas für uns. Jeder Löffel, jede Gabel ist ein Beitrag für dein Wohlbefinden und zur Belebung der Lebensgeister – und genau die wollen wir aktivieren. Spüren lernen. Spüren.
Die Ernährung, die Diätetik der TEM hat den Menschen – dich – in seiner Gesamtheit im Blick. Das Temperament, dein Temperament – es ist so wunderbar individuell. Es ist wie dein persönlicher Fingerabdruck. Und genau dieses Temperament gilt es zu stärken und in Gleichklang zu bringen. Passende Ernährung ist dabei eine wesentliche Säule.
Als Ernährungsexpertin der TEM liegt mein Fokus auf der Ernährung. Doch die Diätetik der TEM kennt nicht nur die Säule der Ernährung. Es gehört sehr viel mehr dazu. Es ist wesentlich mehr als bloß essen. Alles nur aufs Essen zu reduzieren, wäre zu einseitig und engstirnig gedacht.
Es ist tatsächlich viel mehr: deine Lebensumstände, deine momentane Lebenssituation, deine Gedanken und Möglichkeiten. Und immer – Hand in Hand mit der Ernährung – ist auch Bewegung notwendig. Körperliche, aber auch geistige Bewegung darf man nie vernachlässigen. Bewegung findet auch in der Vier-Temperamente-Küche statt – auch Lebensmittel müssen »bewegt« werden, damit sie für dich passen.
Hier noch ein weiteres Schlagwort: Lebensrhythmus. Es ist definitiv nicht egal, wann du was isst. Und das gilt es herauszufinden, so individuell, wie du bist. Leben und Essen im Rhythmus – deinem Rhythmus! Spüren, wohin es geht, was dir schmeckt, dir einfach guttut. Ganz nach deiner ureigenen Konstitution, deinem Temperament und deinen Möglichkeiten im täglichen Leben.
Um in voller Kraft deines Temperaments das Leben zu genießen, ist es oft auch notwendig, Frieden mit dir selbst zu schließen – zu verstehen und zu hören, was dir dein Körper und dein Geist sagen wollen, und dann danach zu handeln. Weder Dogmen, Verbote noch andere Vorgaben von außen sollen deine Ernährung beeinflussen. Du allein entscheidest.
Die Vier-Temperamente-Küche mit dem Hintergrund der vier Elemente Luft, Feuer, Erde und Wasser unterstützt dich dabei. Sie begleitet dich auf deinem Weg. Durch den Tag, durch das Jahr, durch das Leben.
Betrachte dieses Buch als Reise. Eine Reise, um deinen Lebensstil und deine Ernährungsgewohnheiten kennenzulernen, zu hinterfragen, zu prüfen und anzupassen. Ganz auf deine Art und Weise. Schritt für Schritt und Bissen für Bissen.
Gute Reise
… und lass es dir temperamentvoll schmecken!
Michaela Hauptmann
Mit dieser Fragestellung habe ich mich intensiv beschäftigt, nachdem ich das erste Mal von TEM gehört hatte. Ich war unsicher: Ist das etwas Neues? Etwas Altes? Neu erfunden? Gibt es die wirklich? Ja! Nach einiger Recherchetätigkeit und Gesprächen mit Experten fand ich plausible Erklärungen und Beschreibungen für die TEM.
Eines vorneweg: TEM – die Traditionelle Europäische Medizin – ist kein nostalgischer Begriff. Sie will sich auch nicht mit der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin), der TTM (Traditionelle Tibetische Medizin), der TPM (Traditionelle Persische Medizin) und anderen Medizinsystemen vergleichen. Jede traditionelle Medizin hat ihre Berechtigung, auf ihre Art und Weise.
Mein Weg ist die TEM, sie steht mir einfach näher. Vieles davon hat mich – und möglicherweise auch dich – von Kindheit an begleitet. Vielfach unbewusst. Seien es Märchen, Mythen und Heilanwendungen in Form von einfachen, aber effektiven Hausmitteln wie Schmalzfleck, Essigpatscherl & Co. – von Kindern nicht gerade heiß geliebt, heute aber umso mehr geschätzt. Auch kulturelle sowie religiöse Aspekte haben Einfluss auf die TEM bzw. umgekehrt.
Ein Satz ist es, der für mich ganz pragmatisch den Grundgedanken der TEM zusammenfasst: »Die TEM, die Traditionelle Europäische Medizin, fördert Wohlbefinden und betrachtet dabei den Menschen – dich und mich – individuell, in seiner Ganzheitlichkeit, mit seinen europäischen Wurzeln und in seinem aktuellen Lebensumfeld.« Nun, wie hört sich mein Satz für dich an? Klingt er für dich passend? Ja, du hast schon recht, es steckt einiges mehr dahinter: Philosophie, Natur, Geografie, Kultur, Religion etc.: Die TEM bist du. Die TEM bin ich. Jeder in seinem Umfeld. Die TEM ist tief in uns verwurzelt.
Die TEM setzt sich aus drei Buchstaben zusammen und kommt ganz ohne spezielle Marketingadjektive aus. T, E und M: Anhand dieser Buchstaben möchte ich dir einen ersten Überblick über die Traditionelle Europäische Medizin geben.
T steht für »traditionell«
Die Bedeutung des Worts »traditionell« ist eindeutig: Es ist nichts Starres, nichts Veraltetes. Es steht für Weitergabe von Verhaltensweisen, Rezepten, Wissen und vielem mehr – von Generation zu Generation, doch immer mit Bedacht auf das Jetzt. Das Wissen wird immer neu evaluiert, angepasst, weiterentwickelt und an die nächste Generation weitergegeben, um es wiederum zu adaptieren.
E steht für »europäisch«
Es geht eindeutig um etwas mehr als nur unser Europa, wie wir es heute kennen. Hier darf man im Sinn der großen Weltreisenden, der Völkerwanderungen und im Hinblick auf die Tatsache, dass die europäischen Sprachen indoeuropäisch sind, keinesfalls die Kulturen Ägyptens, Bagdads, Persiens und Tibets vergessen. Auch wenn diese Länder aktuell keinen zentralen Einfluss auf das europäische Gesundheitswesen haben, so waren sie geschichtlich betrachtet zutiefst prägend für unser Medizin- und Heilsystem.
M steht für »Medizin«
Medizin ist eindeutig definiert. Sie ist die Wissenschaft der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten bzw. Verletzungen bei Mensch und Tier. Das ist streng geregelt, und hier ist man speziell in Österreich restriktiv. Als Mediziner gilt nur jemand, der die staatliche Zulassung hat, Kranke zu behandeln. In der Prävention von Krankheiten gibt es hingegen eine große Bandbreite an möglichen Unterstützungen. Und genau hier will die Ernährung der TEM ansetzen: in der Vorbeugung, damit Krankheiten erst gar nicht aufkommen.
Ein paar Worte zum geschichtlichen Hintergrund der TEM: Die Vier-Säfte-Lehre bildet die Basis der TEM. Sie geht auf Hippokrates, den wohl bekanntesten Arzt des Altertums (um 460 v. Chr.), zurück. Der griechische Arzt Galenos von Pergamon (ca. 129-215 n. Chr.), bekannt auch als »Galen«, vereinfachte die Vier-Säfte-Lehre und begründete die Temperamentenlehre. Diese kategorisiert den Menschen nach seiner Grundwesensart und bezieht die verschiedenen Funktionen und Wirkungen von Klima, Krankheit, Medikamenten und zeitlichen Konstellationen mit ein.
Die Temperamentenlehre ist eine Typenlehre. Ihr werden Körpersymptome, Organe, Körpersäfte, Tages- und Jahreszeiten, Lebensabschnitte, Elemente und Farben zugeordnet.
Der persische Arzt Ibn Sina (ca. 980-1037 n. Chr.), auch bekannt unter dem Namen Avicenna, entwickelte das Wissen von Hippokrates und Galen weiter. Seine Erkenntnisse und Studien, die er in seinem fünfteiligen »Kanon der Medizin« niederschrieb, prägten die europäische Medizin bis in die Neuzeit.
Im Mittelalter wurde die Temperamentenlehre durch die Zuordnung von Elementen, Himmelsrichtungen, Jahreszeiten, Planeten, Sternzeichen und Tonarten erweitert.
Die TEM – mit ihren Wurzeln im antiken Griechenland, dem alten Rom und Ägypten – greift aber auch auf germanische, keltische und slawische Impulse zurück. Diese leben noch heute in der Volksmedizin weiter – allerdings wurden dieses Wissen und die Erfahrungen damals nicht verschriftlicht, sie wurden immer von Generation zu Generation weitergegeben. Märchen und Mythen lohnt es daher zu interpretieren. Und es lohnt, zwischen den Zeilen zu lesen.
Tätowierungen an »Ötzi«, der bekanntesten und am besten erforschten Eismumie, zeigen, dass die Ursprünge der europäischen Medizin noch weiter zurückliegen als vermutet. Man fand heraus, dass sich »Ötzi« einer Schmerztherapie unterzogen hatte. Die Lage seiner Tätowierungsmale weisen auf Beschwerden mit dem Rücken, der Galle und der Leber hin. Die Behandlungsmethoden basieren auf einer Energielehre, die mehr als 5000 Jahre zurückreicht.
Schriftliche Aufzeichnungen belegen, dass die TEM seit mehr als 3000 Jahren in der Gesundheitspflege gelebt und stetig weiterentwickelt wird. Bekannte Vertreter und Weiterentwickler der TEM sind: Avicenna, Hildegard von Bingen mit ihren Schriften und Überlieferungen, aber auch der Arzt und Philosoph Paracelsus, Samuel Hahnemann (Begründer der Homöopathie), Rudolf Steiner (Begründer der Anthroposophie) und Pfarrer Sebastian Kneipp (Begründer der fünf Säulen der Gesundheit: Kräuter, Bewegung, Wasser, Ernährung, Lebensordnung).
Erst der medizinische Umbruch im 19. Jahrhundert – die Zellularpathologie, die Krankheitslehre, nach der Krankheiten auf Störungen der Körperzellen und ihrer Funktionen basieren – beendete die Ära der TEM als universitäre Medizin.
Wir leben und arbeiten heute in einem ganz anderen Rhythmus als noch die Generation vor uns. Nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung ist manuell so schwer gefordert wie einst unsere Großeltern und Urgroßeltern. Maschinen, Computer, Tablets, Handys & Co. erleichtern uns die Arbeit – erschweren sie allerdings in anderen Bereichen und bringen neue Herausforderungen mit sich.
Die Arbeitswelt hat sich massiv verändert. Dies bedingt auch einen veränderten Lebensstil. Ernährung und Bewegung sind nicht mehr unmittelbar miteinander verknüpft. Wir jagen definitiv keinem Mammut mehr hinterher oder flüchten vor wilden Raubtieren. Und trotzdem haben wir diese Prozesse tief in uns abgespeichert – in Stresssituationen zeigt sich das eindeutig.
Trotz der geänderten Lebenssituation sind viele Anwendungen, Ernährungsgewohnheiten und Rezepte der Volksmedizin und Naturheilkunde weiterhin beliebt. Sie erden, unterstützen, helfen. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben. Traditionelles wird auf heutige Lebensumstände angepasst. Ganz mit dem Gedanken: Altes mit Neuem verbinden.
Betrachten wir die TEM also als Unterstützung und Basis zur temperamentvollen Gesunderhaltung, zu der jeder seinen eigenen Beitrag leisten kann. Auch du!
Ziel der TEM-Diätetik ist es, die individuelle Konstitution zu stärken, Dysbalancen auszugleichen und die Selbstregeneration des Körpers zu aktivieren. Die TEM betrachtet dich mit deinem ureigenen Grundtemperament, deiner Konstitution und Gedankenwelt niemals isoliert, sondern immer in Zusammenschau mit deinen Lebensumständen sowie im Wechselspiel von Jahreszeit, Umwelt, Klima und Lebensphase.
Wie oft hören wir das, wenn unser inneres Ich sagt: »Du sollst gesünder leben, gesünder essen, Sport betreiben. Raus an die frische Luft.« Und, und, und …
Aber was versteht man unter »gesund«? Eine wirklich gute Frage! Nicht einfach und nicht eindeutig zu beantworten. Ist Salat gesund? Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Fett, Eier, Milch oder Käse? Wein, Wasser oder Bier? Sauerkraut? Braucht es Bewegung? Sport? Meditation? Oder bloß Ruhe?
Pfarrer Sebastian Kneipp, ein wesentlicher Weiterentwickler der TEM, hat 1895 in einem öffentlichen Vortrag seinen Zuhörern Folgendes mit auf den Weg gegeben: »Wer gesund leben will und sein Dasein weise genießen will, der muss vor allem geregelt leben – arbeiten, einen Lebenszweck haben. Er muss sich vernünftig ernähren, nicht nur, was die Wahl der Speisen betrifft, sondern auch, was die Zeit des Essens angeht. Er muss Luft und Bewegung suchen, die gehören zu einem guten Gedeihen so notwendig wie die Nahrung selber.« Abhängig von der Tageszeit, Jahreszeit, ob du jung bist oder schon einige Jugendjahre lebst – die Ernährung und auch die Lebensweise gilt es immer anzupassen. Gerade weil sich vieles in der Arbeitswelt, im Alltag geändert hat. Passt das zu dir? Kannst du damit gut leben?
Dein Alltag hat wesentlichen Einfluss darauf, was »gesund« für dich ist. Wie du siehst, habe ich das Wort »gesund« mit Anführungsstrichen versehen. Denn es ist nicht möglich, eine grundlegende Aussage zu machen, was »gesund« ist – auch wenn es jede Menge Dos and Don’ts gibt. Mal heißt es, Kohlenhydrate seien böse, dann hört man, Fleisch sei ungesund oder nur Rohkost das Wahre. All diese Ernährungsratschläge sind einseitig. Wenn jemand damit gute Erfahrungen gemacht hat, heißt das noch lange nicht, dass auch du damit gute Erfahrungen machen wirst. Und genau deshalb ist mir die Diätetik der TEM so wichtig und wertvoll.
Die TEM will dich unterstützen, deinen Weg zu finden und zu gehen. Dieses Buch ist gespickt mit vielen kleinen Geschichten aus dem Alltag. Mit Ideen, Vorschlägen und Rezepten. Immer vor dem Hintergrund der Traditionellen Europäischen Medizin. Das Buch soll dir ein klares Bild über deine ganz spezielle gesunde Ernährung und Lebensweise verschaffen.
Deine erste TEM-Therapeutin: deine Mutter
Bei allem wissenschaftlichen und medizinischen Hintergrund gibt es eine Person, eine Frau, die uns alle am meisten prägt. Sie ist die, die uns von Beginn an versorgt, umsorgt, ernährt und bekocht: Mutter, Mama oder wie immer du sie auch nennen magst. Du hast ihre Gene, und ihr Mikrobiom war dein erstes. Sie ist daher ohne Frage, ohne jeden Zweifel deine erste Therapeutin.
Das Wissen von Müttern ist nicht zu unterschätzen. Deine Mutter kennt dich am besten und weiß, was dir guttut, was dich nährt, wachsen und gedeihen lässt – rein intuitiv und mit dem Wissen, das über Generationen weitergegeben und individuell für dich angepasst wurde. Sei es der Schrei nach sauberen Windeln, das Quengeln aufgrund von Hunger, Durst, nach Wärme, der erste Zahn, der erste Liebeskummer. Seit jeher wird vor allem gesundheitliches Wissen, Wissen des Alltags für Körper, Geist und Seele, von Frauen weitergegeben. Frauen repräsentieren das nährende Prinzip – das weibliche Prinzip. Und das füge ich hier als besonders positiven Aspekt ein: Frauen, besonders Mütter, waren geachtet, ihr Wissen und ihre Erfahrung wurden sehr geschätzt. Sie waren es, die die Familie versorgten und gesund erhielten. Und gerade deswegen ist die Emanzipation notwendig und wichtig, um den Wert der Frau in der heutigen Gesellschaft zu festigen, das Wissen zu erhalten und weiterzugeben. Was nicht bedeutet, dass Männer nicht ebenso sorgsam und achtsam sein können. Doch es ist ein tief verankertes weibliches Prinzip, sich zu sorgen. Zu versorgen. Zu pflegen. Zu behüten. Zu beschützen.
Gegensätze ziehen sich an, sagt man. Ob dem wirklich so ist? Oder liebst du eher die Harmonie? Ja, eigentlich ist es sehr schön, wenn alles im Lot ist, doch dann bewegt sich meist nichts. Keine Veränderung. Stillstand. Ich freue mich – meist – über Input. So ein Schubser von außen, von anderen – auch oder gerade dann, wenn er provokant gesetzt ist. Das reizt mich. Bringt mich zum Nachdenken. Ins Tun. Und gibt einfach Schwung.
Die Temperaturen sind für die TEM ein wesentlicher Faktor: sie beeinflussen unsere Jahreszeiten, den Tag und somit schlussendlich auch uns – dich und die Menschen rund um dich.
Die Temperamentenlehre – hier steckt das Wort Temperatur schon drinnen – baut auch auf Temperatur auf. Nun, was bedeutet Temperatur? Was hat das mit Ernährung nach der Traditionellen Europäischen Medizin zu tun?
Die Ernährung der TEM ist eine bewegte Ernährung. Du benötigst je nach körperlicher Verfassung zu unterschiedlichen Tageszeiten, im Jahresverlauf und abhängig davon, wie alt du bist, unterschiedliche Ernährung. Dein Essen tut dir gut, wenn es mal etwas kühler und mal etwas wärmer ist.
Bevor wir in die Tiefen der Diätetik der TEM einsteigen, sind ein paar Grundlagen von Vorteil. Prinzipien, auf denen die TEM beruht, quasi die philosophische Basis. Wenn du einige Kapitel überspringen willst, tu es und hole sie zu einem anderen Zeitpunkt gern nach.
Rein wissenschaftlich betrachtet ist die Temperatur eine physikalische Größe, sie kennzeichnet das thermodynamische Gleichgewicht. Dieses besagt, dass zwischen zwei Körpern, die die gleiche Temperatur haben, kein Wärmeaustausch stattfindet – auch wenn sie miteinander in direktem Kontakt stehen. Haben aber beide Körper unterschiedliche Temperaturen – ist einer kalt und der andere warm –, fließt Wärme vom wärmeren zum kälteren Körper. Genauso wärmen wir uns: Ist uns kalt, kuscheln wir uns an eine Wärmequelle, den Partner oder in eine warme Decke. Und wenn das alles nichts nutzt, hilft Bewegung. Wärme beginnt zu fließen.
Genauso funktioniert auch die Ernährung. Ist dir kalt, passen ein wärmendes Getränk, eine Suppe oder ein gut gewürzter Eintopf hervorragend. Ist dir heiß? Dann kann ein erfrischendes Joghurt eine wahre Wohltat sein.
Feuer und Eis sind die Basis der TEM. Sie stellen die energiebringenden, lebenswerten Gegensätze dar. Feuer und Eis betrachtet die TEM als Urkräfte, als Energie und Materie. Die Grundlage für Leben. Diese Gegensätze – das Ur-Feuer und das Ur-Eis – sind die Basis der TEM.
Das Ur-Feuer ist die stärkste Energie und das Ur-Eis die starrste Materie. Zwischen diesen beiden Polen findet Leben statt. Genauer betrachtet kann das eine nie ohne das andere. Sie sind eine Verbindung für das Leben. Diese Gegensätze verbinden sich – und auf dieser Verbindung basiert und passiert Leben.
Die Grundlage dafür ist die philosophische Betrachtung der Polarität. Sie geht davon aus, dass nur im Spannungsfeld zweier Gegensätze Dinge existieren können. Leben findet zwischen den Polen statt. Feuer und Eis ermöglichen Leben. Ein Ur-Prinzip, das in der isländischen Mythologie und auch in anderen alten Kosmologien den Grundgedanken der Weltentstehung, die Entstehung von Leben beschreibt.
• Das Ur-Eis ist die rohe, ursprüngliche Substanz. Reine Materie. Nichts bewegt sich – es herrscht absoluter Stillstand. Der absolute Nullpunkt: minus 273,15 °C sind erreicht. Eine Kälte, die physikalisch belegt ist, die man sich dennoch nicht vorstellen mag. Diese eisige Kälte ist lebenswidrig. Eine Existenz scheint unmöglich.
• Das Ur-Feuer ist die absolute Wärme. Unvorstellbare, urgewaltige Energie, die durch Reibung entsteht. Die Bewegung der Teilchen ist am absoluten Höhepunkt. Die Energie am Höhepunkt.
Beide Zustände, beide Pole, die hier beschrieben sind, sind Urkräfte. Ur-Feuer und Ur-Eis. Letztendlich ist es aber eine rein philosophische Betrachtung, da beide in der Natur so nicht existent sind.
Man kann sich die Urkräfte Feuer und Eis als Achsen vorstellen. Die Achse der Energie, des Feuers, geht von warm bis kalt. Die Achse der Materie, des Eises, geht von feucht bis trocken.
Die Achse der Energie: Die Temperatur verändert sich entlang der Achse der Energie. Warm ist weniger kalt und kalt ist weniger warm.
Die Achse der Materie: Die Substanz verändert sich entlang der Achse der Materie. Feucht ist weniger trocken und trocken ist weniger feucht.
Auf den jeweiligen Achsen gibt es alle Möglichkeiten, alle Temperaturen, alle Aggregatzustände. Bildet man von beiden Achsen ein Kreuz, so sind in dem entstehenden Diagramm unendlich viele Möglichkeiten offen.
Im Spannungsfeld der Urkräfte Eis und Feuer – egal auf welchem Punkt des Achsenkreuzes – entsteht Bewegung. Veränderung. Leben. Ein Grundkennzeichen der TEM ist Bewegung. Daraus folgen Ausgleich und Energie. Darauf basiert Fortschritt. Ist das nicht wunderbar! Darauf beruht die menschliche Individualität. So einfach.
Das Achsenkreuz der Urkräfte Eis und Feuer bildet die vier Primärqualitäten: feucht, warm, trocken, kalt. Diese Qualitäten sind Teil der Natur und beeinflussen die Natur sowie den Menschen und seine Ernährung. Jedes Lebensmittel, jeder Mensch hat seinen Platz in diesem Achsenkreuz der Urkräfte.
Mit dieser Dynamik, dem Spannungsfeld von Ur-Feuer und Ur-Eis, wird in der Ernährung nach der Traditionellen Europäischen Medizin gearbeitet. Ernährung – so sieht es die TEM – dient der Anpassung bzw. dem Ausgleich der momentanen Lebenssituation.
Die Ernährung nach der TEM ist eine Ernährung im Wechselspiel von Feuer und Eis. Ziel ist es, bestmöglich mit den entsprechend notwendigen Qualitäten versorgt zu sein.
Wärme im richtigen Ausmaß ist Leben.
Wenn Kälte und Feuchte vorherrschen, werden wärmende und trocknende Gewürze und Kräuter verwendet, um das Übermaß zu lindern. Sind Wärme und Trockenheit dominant, werden kühlende und befeuchtende Elemente verwendet. Dadurch können die Lebensmittel – deine Nahrung – besser verwertet werden.
Hier einige Beispiele anhand von Joghurt, einem sehr kalten und feuchten Lebensmittel:
• Hast du ein hitziges Gemüt? Bist du aktiv? Hast du eine gute Verdauung? Dann kann Joghurt sowohl im Sommer als auch im Winter ein feines Lebensmittel für dich sein.
• Fällt es dir morgens schwer, aus dem Bett zu kommen? Bist du träge? Fröstelt es dich? Wenn dem so ist, könnte Joghurt zum Frühstück deinen Verdauungsapparat noch mehr belasten. Das Verdauungsfeuer würde gedämpft. Du benötigst Wärme, Aktivierung. Lass lieber die Finger von kalt-feuchtem Joghurt. Willst du nicht ohne es, dann würze es kräftig.
• Joghurt wird bekömmlicher mit etwas Ingwer – ein luftiges Gewürz. Seine Schärfe bringt Wärme ins Joghurt und mildert dadurch die Kälte. Auch Vanille, Rosinen, Kardamom, Paprika, Chili, Thymian oder Rosmarin verändern die Wirkung von Joghurt. Kräuter und Gewürze verringern die kalte Wirkung und lassen uns Joghurt besser aufnehmen.
• Abhängig von den Jahreszeiten ist Joghurt im Sommer eine willkommene Abkühlung, erfrischend und belebend. Und im Winter? Da hat Joghurt auch seinen Platz. Dann jedoch eher zum Abmildern einer heißen und wärmend-scharfen Suppe.
Direkt aus den vier Primärqualitäten ergeben sich die vier Elemente: Luft, Feuer, Erde und Wasser. Die Elemente sind Metaphern und ergeben sich wiederum aus den Primärqualitäten feucht, warm, trocken und kalt. Sie stehen immer für eine Qualitäten-Mischung, in der eine Primärqualität dominierend ist:
• Feucht & warm – so wird das Element Luft beschrieben. Feuchte dominiert.
• Warm & trocken – so wird das Element Feuer beschrieben. Wärme dominiert.
• Trocken & kalt – so wird das Element Erde beschrieben. Trockenheit dominiert.
• Kalt & feucht – so wird das Element Wasser beschrieben. Kälte dominiert.
Das Element Luft, ein vitalisierendes Prinzip
Aus dem Element Luft wird feuchte und warme Energie verströmt. Ein frühlingshaftes Lüftchen symbolisiert dieses Element. Es ist das belebte, lebendige Element. Man kann sich als bildhafte Darstellung auch Wasserdampf vorstellen. Luft ist demnach vom Feuer bewegtes Wasser, und wie Wasserdampf ist alles dem Luft-Element Zugeordnete sehr anpassungsfähig. Elastizität, Frühling, Nachgiebigkeit, Dynamik, Kindheit – all das steht für das Element Luft. Diese auch ausgleichende Wirkung dämpft Überhitzung. Wie Wasserdampf strebt das Element Luft nach oben, es füllt den Raum. Gibt es keinen Raum, keine Erdung über die Zufuhr von Kälte und Trockenheit, strebt es grenzenlos nach oben und in die Weite. Es ufert aus, könnte man auch sagen.
Das Element Feuer, ein energetisches Prinzip
Feuer ist das wärmste Element. Es herrscht Wärme und Trockenheit. Vergleiche es mit einem einfachen Beispiel: Der Griff ins Feuer, auf eine heiße Herdplatte oder ein Sonnenbrand nach einem unkontrollierten Sonnenbad – zuerst ist es heiß und dann wirkt es trocknend. Probiere das aber bitte nicht aus, glaube es einfach! Man muss nicht direkt ins Feuer greifen, um die Dynamik zu erkennen. Feuer bewegt, verändert und verformt Substanz – bis zur Auflösung. Vor allem feuchte Substanz wie Wasser wird verändert. Das Element Feuer steht für den Lebensfunken, die Vitalität.
Das Element Erde, ein beständiges Prinzip
Der trockene und kalte Waldboden vermittelt das Gefühl für dieses Element am besten. Ein Spaziergang durch den Wald, sei es einfach nur so, aus Lust und Laune, oder um Pilze, Kräuter, Beeren oder Holz zu sammeln: Nach einer Weile kehrt das Gefühl des »Beisich-Seins« ein, ein geerdetes Gefühl – man kann plötzlich klar und strukturiert denken. Probleme sind auf einmal ganz klein. Das Element Erde vermittelt uns ein Gefühl der Ordnung. Es stützt uns, gibt Sicherheit und Struktur, Stabilität. Doch der Wald benötigt auch Feuchte und Wärme. Eine Waldlichtung – wunderbar. Die Sonnenstrahlen erwärmen und geben Kraft. Ein kleines Bächlein, Morgentau – Feuchtigkeit gibt dem Nährboden Substanz. So lebt das Element Erde. Eine kleine Dosis macht sehr viel aus. Zeitversetzt und bedächtig.
Das Element Wasser, ein nährendes Prinzip
Die Kräfte des Wasserelements sind kühlend und befeuchtend. Der Sprung in einen See wird zuallererst als kalt und dann erst als nass wahrgenommen. Und dafür musst du gar nicht hineinspringen. Denk an einen klaren Bergsee, in den du einen Fuß hineinstreckst. Oooohh, das ist kalt. Genau, und erst später merkst du die Nässe. Das Element Wasser will belebt werden. Ohne Antrieb von außen ist es passiv, regelrecht träge – man könnte auch beständig sagen. Doch wenn es durch Feuer, durch Wärme bewegt wird, ist es schnell und aktiv. In der Feuchtigkeit des Elements Wasser steckt Leben, sehr viel Leben. Leben entsteht aus Wasser. Doch Obacht, nimmt das Feuer überhand, kann das Element Wasser auch verbrannt werden – sofern Erde und Luft nicht ausgleichen können.
Die Elemente, auch wenn man sie einzeln betrachtet, sind in einer innigen Lebensgemeinschaft – so könnte man es nennen. Das eine braucht das andere und umgekehrt, um den Kreislauf des Lebens aufrechtzuerhalten. Jedes Element sorgt dafür, extreme Eigenschaften anderer Elemente zu dämpfen und auszugleichen. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Temperatio. Vom Lateinischen übersetzt bedeutet das »richtige Mischung«. Besser beschreibt es die Bedeutung als »richtiger Zustand« oder »ordnendes Prinzip«. Denn es entsteht keinesfalls eine Vermischung der Qualitäten, sondern ein ausgeglichenes System.
Die Elemente übernehmen immer eine Qualität des vorangegangenen Elements als dominierende Qualität, und so entsteht ein Kreislauf der Elemente:
• Das feuchte und warme Element Luft hat die Feuchtigkeit des Elements Wasser übernommen.
• Das warme und trockene Element Feuer hat die Wärme des Elements Luft übernommen.
• Das trockene und kalte Element Erde hat die Trockenheit des Elements Feuer übernommen.
• Das kalte und feuchte Element Wasser hat die Kälte des Elements Erde übernommen.
Und gegenläufig beeinflussen sich die Elemente natürlich ebenso:
• Wenn das Element Luft Wärme abgibt, nähert es sich dem Element Wasser. Es wird kälter.
• Wenn das Element Wasser Feuchtigkeit abgibt, nähert es sich dem Element Erde. Es wird trockener.
• Wenn das Element Erde Kälte abgibt, nähert es sich dem Element Feuer. Es wird wärmer.
• Wenn das Element Feuer Trockenheit abgibt, nähert es sich dem Element Luft. Es wird feuchter.
Nutzt man die volle Kraft der Qualitäten-Mischung, beeinflussen sich die Elemente kreuzweise:
• Das Element Luft befeuchtet und erwärmt das Element Erde.
• Das Element Feuer wärmt und trocknet das Element Wasser.
• Das Element Erde trocknet und kühlt das Element Luft.
• Das Element Wasser kühlt und befeuchtet das Element Feuer.
Die kreuzweise Beeinflussung der Elemente nutzen wir in der Vier-Temperamente-Küche, doch dazu später mehr.
Die vier Primärqualitäten warm, kalt, feucht und trocken beschreiben nicht nur Energie und Materie, sondern auch Sonne und Mond.
Du fragst dich sicherlich, was auf einmal Sonne und Mond in diesem Kontext zu suchen haben. Nun, dies beruht auf einer Geschichte über die Kosmologie der Germanen. Sie erzählt von einem Geschwisterpaar, das mit Sonne und Mond verglichen wird. Die Götter trennten sie und setzten sie in den Himmel. Ab sofort konnten sie einander nicht mehr erreichen. Durch den Wunsch sich wiederzusehen und den immer wiederkehrenden Versuch sich zu treffen, entstanden Tag und Nacht. Eis und Feuer. Sommer und Winter.
Erst durch diesen sehnlichen Wunsch, sich einander zu nähern, sich wiederzusehen – der ganz dem Aspekt der Polaritätenlehre entspricht –, dem Wunsch nach Gesamtheit und Einheit, entsteht ein Zyklus. Ein Zyklus, der Leben hervorbringt, der Wachstum, Reife und Ernte ermöglicht.
Und da es den beiden Geschwistern ergeht wie Ur-Feuer und Ur-Eis, die sich auch nie begegnen und in stetiger Spannung zueinander stehen, werden beide Urkräfte auf Basis dieser Metapher auch Sonne und Mond zugeordnet.
• Mond – das Ur-Eis entspricht dem lunaren Prinzip
• Sonne – das Ur-Feuer entspricht dem solaren Prinzip
MOND – das lunare Prinzip
SONNE – das solare Prinzip
Eis, Wasser
Feuer, Hitze
Materie, Struktur
Energie
Weibliches Prinzip
Männliches Prinzip
Nacht
Tag
Winterhalbjahr
Sommerhalbjahr
Kalt
Warm
Feucht
Trocken
Neben Sonne und Mond sind auch die anderen Planeten in der Traditionellen Europäischen Medizin immer wiederkehrende Symbole. Die Planetenlehre ist ein eigener Anker für die TEM. Pflanzen wurden in ihrer Wirkung den Planeten zugeordnet. Naturvölker, Philosophen, Astrologen und naturheilkundige Menschen beschäftigt diese Materie seit Tausenden von Jahren. Daher denke ich, dass es gut zu wissen ist, dass die Betrachtung der Planeten im Wechselspiel mit der Natur sinnvoll ist und oftmals Rückschlüsse auf Wirkungsweisen gibt. Die Planeten haben einen festen Platz in der TEM, ich möchte dieses Thema hier aber nicht überstrapazieren.
Organisation ist alles – sagt man oft einfach so. Ein Spruch, ein Ausdruck. Aber wer übernimmt »alles«? Wer organisiert die Urkräfte, koordiniert Energie und Materie? Wer oder was steckt dahinter? Wer balanciert das Spannungsfeld der Urkräfte?
Wer glaubt, dass in der Natur alles planlos und unorganisiert verläuft, der irrt sich gewaltig. Ganz eindeutig gibt es eine Kraft, eine übergeordnete Instanz sozusagen, die die Fäden zieht. Diese Kraft ordnet die Gegensätze, verbindet sie, ja, verplant sie. Ein wahres Wunderwerk an Multitasking. Ähnlich einem Konstrukteur, der Einzelteile zu einem Ganzen zusammensetzt. Ein Fahrrad, ein Auto, ein Flugzeug, mittlerweile banale Fortbewegungsmittel, wären ohne strukturierte Organisation nicht möglich. Eine Ampel oder die Arbeit im Tower – ohne derartige Organisation wären ein reibungsloser Auto- und Flugverkehr undenkbar. Ohne Regeln im Straßenverkehr unterwegs sein? Unvorstellbar.
So unterliegt auch alles Lebendige – die Natur – mit uns und um uns herum einer Organisation. Pflanzen, Menschen und Tiere haben ein Ziel vor Augen und folgen einer organisierenden Kraft. Ohne diese wäre ein Leben miteinander nicht möglich.
In der TEM wird diese organisierende Kraft als »Spiritus« bezeichnet. Auch »Seele« ist ein gern verwendetes Wort dafür.
Alle drei – Spiritus, die Seele und die beiden Urkräfte Energie und Materie – bilden eine untrennbare Gesamtheit, aus der sich das biologische Gesetz der Dreiheit, der Trinität, ableitet.
Um bei der Ernährung zu bleiben: Die Seele, die »Natur« jedes Einzelnen, hat Einfluss auf das Ernährungsverhalten. So haben neben der Art der Lebensmittel als Materie auch die Art der Zubereitung als Energie und die Umgebungsfaktoren als Seele einen wesentlichen Einfluss.
Diese Gesamtheit, die Trinität, ist ein wesentlicher Aspekt der alten, traditionellen Medizin. So wird der Mensch nie für sich allein gesehen, sondern immer in Zusammenschau mit seiner Umwelt.
Aristoteles liefert dafür ein bildliches Zitat: »Ändert sich der Zustand der Seele, so ändert dies zugleich auch das Aussehen des Körpers und umgekehrt: Ändert sich das Aussehen des Körpers, so ändert dies zugleich auch den Zustand der Seele.«
Die Umgebungsfaktoren sind relevant – wie und wann man eine Mahlzeit zu sich nimmt. Auch Jahreszeit, Tageszeit, Stressverhalten und letztlich wie man sich das Essen anrichtet, haben einen wesentlichen Einfluss auf den Genuss, aber auch auf unsere Verdauung, die Aufnahme und Umsetzung im Körper. Von dieser Umsetzung, der Verstoffwechslung, hängt wiederum unsere Energie ab. Ich glaube, da sind wir uns einig: Nahrung muss uns nähren – und Energie bringen und die Lebenskraft stärken.
Nahrung soll die Lebensgeister wecken! Vergiss daher beim Essen nie auf die Seele – sie ist Teil des Ganzen. Kochen ist der erste Schritt. Nicht ohne Grund wird die Küche auch gern »Seele des Hauses« genannt. In diesem Raum wird ein wesentlicher Grundstein für dein Wohlbefinden gelegt …
Atmung stärkt die Lebenskraft und bewegt die Lebensgeister. Die Lunge dient Gehirn und Herz. Eine ausreichende, starke Lungenkraft ist auch für die Verdauung unbedingt notwendig.
Lunge und Verdauung sind eng gekoppelt. Beide dienen der Ernährung. Auch embryonal gesehen sind sie verwandt. Die Lunge entsteht als Ausknospung aus einem Teil des embryonalen Darmrohrs und daher werden beide – Lunge und Verdauung – auch als verwandte Systeme betrachtet.
»Was wäre der Mensch, wenn keine Seele in ihm wäre? Durch die Seele ist er erfüllt.« (Paracelsus)
Innerhalb von Sekunden nach der Geburt ist es so weit – der allererste Atemzug, und nach weniger als einer Minute setzt die regelmäßige Atmung ein. Lebenskraft wird eingeatmet. Energie. Spiritus. Leben.
Atmen ist etwas ganz Spezielles – auch wenn man ganz unbewusst regelmäßig atmet. Die Muskulatur regelt das alles ganz automatisch. Über die Rhythmik des Atmens muss man nicht bewusst nachdenken – aber man kann.
Atemluft weckt die Lebenskraft. Denke an einen sonnigen Spaziergang: Durch Wiesen, über Felder. Saftiges Grün. Oder glänzend funkelnder Schnee. Herrlich. Tief einatmen, langsam und bedächtig ausatmen. Das erfrischt die Lebensgeister. Das entspannt, klärt den Kopf. Atemluft, die durch Sonnenstrahlung ionisiert wurde: Neben Sauerstoff nehmen wir so auch eine vitalisierende und reizende Kraft auf. Diese Kraft aus der Atemluft dient der Ernährung, der Aufrechterhaltung der Lebenskraft (Vis vitalis), der Vitalisierung, dem Lebensantrieb.
Die Energiequellen der TEM-Diätetik:
1 Feste Nahrung
2 Flüssige Nahrung
3 Luftnahrung
4 Bewegung
Leben benötigt Wärme, Nahrung, und es benötigt Luft und Licht, um ausreichend Energie und Wärme zu entwickeln.
Der Atem gilt als Nahrung der Seele und entzündet den Lebensfunken. Die TEM sieht den Stoffwechsel als Folge des Lebens: Erst durch die Lebenskraft – unseren Willen, die Dynamik und Rhythmik der Organe sowie Nahrung und Atmung – findet Stoffwechsel überhaupt statt.
Die Seelenenergie selbst wohnt in der Lunge und wird von ihr gesteuert. Die Lunge transportiert sie und verteilt die Energie der Seele über die Blutbahnen, die Arterien, ins Gewebe.
Die drei zentralen Lebensgeister Spiritus animalis, Spiritus vitalis und Spiritus naturalis sind die Werkzeuge des Organismus. Jeder dieser Lebensgeister hat ein spezielles Aufgabengebiet, und dennoch arbeiten sie Hand in Hand. Gemeinsam sind sie Symbol und Prinzip der Lebenskraft – und dafür sollen sie gut genährt werden.
Die Luftnahrung stellt dafür – unter anderem – einen wesentlichen, nährenden Faktor dar. Der Organismus nimmt die Atemluft über die Lunge durch die Luftverdauung auf. In der Thymusdrüse wird der energetische Anteil der Luft dann in die drei Lebensgeister, die Lebenskraft, umgewandelt.
Die Lebenskraft ist also die Vereinigung der drei Lebensgeister. Jeder Lebensgeist für sich hat eigene Aufgaben. Jeder für sich hat ein eigenes Gehirn und ein speziell zugeordnetes Organ. Alle drei arbeiten stets eng zusammen – ein Kreislauf, den es zu unterstützen und aufrechtzuerhalten gilt!
Einfache Atemübung im Stehen
Nimm eine aufrechte, entspannte und bewusste Haltung ein: Stelle deine Beine hüftbreit auseinander, möglichst parallel. Beuge deine Knie ganz leicht. Achte auf eine gewisse Grundspannung im Becken. Der Kopf ist aufrecht, der Nacken lang. Lass die Schultern entspannt nach unten sinken.
Nun leg deine Hände ineinander, forme sie zu einer Schale und halte sie unter dem Bauchnabel.
Atme tief ein und führe dabei die Hände am Körper entlang nach oben.
Wenn du in Höhe des Brustkorbs angelangt bist, drehe die Handflächen zum Boden und atme lang und tief aus, bewege dabei die Hände Richtung Bauchnabel zurück.
Wiederhole die Übung mehrmals hintereinander. Achte darauf, dass die Ausatmung etwas länger dauert als die Einatmung.
Hakt es bei einem Lebensgeist, versuchen die beiden anderen zu stützen und zu helfen. Dauert dies zu lang oder ist der Prozess zu intensiv, leiden auch die beiden helfenden Lebensgeister darunter. Die Lebenskraft, die Energie, lässt nach. Um dies zu vermeiden, achte darauf, alle drei Lebensgeister bestmöglich zu versorgen.
Für die alte Medizin sind die Lebensgeister Ursache aller Bewegungen. Alle inneren und äußeren Bewegungen erfolgen nur durch die Wirkung der Lebensgeister. Alle Funktionen und deren Heilung sind von ihnen abhängig, werden von ihnen in Gang gesetzt, gelenkt und begrenzt.
Um die Lebensgeister, die Lebenskraft, zu stärken, zu nähren und aufrechtzuerhalten, unterstützt dich eine gute und intensive Atmung. Gern auch mal bewusst mit einem Lächeln. Und Atmen bewegt das Zwerchfell, das wiederum die Bauchorgane bewegt und massiert. Diese Massage tut gut, Leber und Magen genießen es sehr.
Ein paar bewusste Atemübungen zwischendurch tun gut, auch wenn du gerade keine besondere Anstrengung unternimmst, keinen steilen Berg hinaufradelst, keinen Marathon bewältigst: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen … Volle Kraft für die Verdauung! Volle Atmung für die Lebenskraft!
Lebenskraft – Vis vitalis
Spiritus animalis
Seelengeist
Kopfhirn
Gehirn
Nervenleistung – Sinnesvermittlung
Spiritus vitalis
Luftgeist
Brusthirn
Herz
Dynamik – Rhythmik – Verteilung
Spiritus naturalis
Stoffgeist
Bauchhirn
Leber
Ernährung – Ausscheidung
Spiritus animalis, der Seelengeist des Gehirns
Der Spiritus animalis, auch Seelengeist genannt, hat seinen Sitz im Gehirn und verbreitet sich entlang der Nervenbahnen und des Rückenmarks.
Der Fokus dieses Lebensgeistes ist die Sinnvermittlung über die fünf Hauptsinne: Sehen. Schmecken. Riechen. Hören. Tasten. Und auch über die intellektuellen Sinnesfunktionen: Vorstellungskraft. Urteilskraft. Erinnerungsfähigkeit und Gemeinsinn, der Sensus communis, weithin auch als »gesunder Menschenverstand« bekannt.
Alle Sinneseindrücke werden durch den Seelengeist zu einem Ganzen gebündelt, wahrgenommen und umgesetzt. Das Gehirn ist über die Lebensgeister sehr eng mit der Lebenskraft verknüpft. Es vernetzt die drei Instanzen des Denkens und Fühlens: Kopf, Herz und Bauch. Ich finde das einfach faszinierend! Du auch? Da sind wir sicher nicht die Einzigen.
Die Faszination für unser Gehirn besteht schon sehr, sehr lang und endet wohl nie. Schon die alten Ägypter waren davon beeindruckt. Wie unser Gehirn funktioniert, wurde allerdings erst viel später, in der Antike, erstmals untersucht – man ging davon aus, dass das Gehirn eine zentrale Rolle im Organismus einnimmt.
In der TEM zählt das Gehirn neben Blut, Herz und Leber zu den edelsten Organen und ist Sitz des Phlegmas. Das Gehirn zieht Phlegma an, reinigt und verteilt es wieder, es kontrolliert somit den Abfluss von Stoffwechselendprodukten. Aufgrund der hohen Nerventätigkeit des Gehirns braucht es eine optimale Kühlung und Befeuchtung, ein hohes Maß an Spiritus und Luftnahrung, Atmung. Neben der Atmung braucht es auch eine konstante Ernährung. Hirnnahrung. Kohlenhydrate für die Energie, Proteine und Fette als Bau- und Betriebsstoffe, Flüssigkeit. Und es bedarf Bewegung. Täglich, regelmäßig, im passenden Ausmaß.
Ist der Körper aufgrund von entgleister Ernährung, Bewegungsmangel oder auch zu intensiver Bewegung übersäuert, entstehen Gewebeverklebungen. Die Durchgängigkeit und Vernetzung mit dem Gehirn sind dann gestört. Erkennst du die Notwendigkeit einer guten Versorgung?
Die meisten Informationen bezieht das Kopfhirn von Bauchhirn und Brusthirn. Intuition, Hunger, Sättigung, Denken, Energie – all das funktioniert nur mit einem optimal versorgten Gehirn. Nur so können alle Sinne wahrgenommen und verarbeitet werden.
Umgekehrt ist es ebenso wichtig: Die Information muss auch von Kopfhirn zu Brusthirn und Bauchhirn funktionieren. So wird zum Beispiel die Verdauung ganz massiv durch den Spiritus animalis angekurbelt: Bereits durch die Zubereitung einer Mahlzeit wird der Magen-Darm-Trakt über den Gemeinsinn vorinformiert. Die Sinneswahrnehmung durch das Kochen über den Geruch bedeutet: »Hey, es gibt bald etwas zu essen.« Dadurch wird die Verdauung vorbereitet, alle notwendigen Organe werden mobilisiert. Das ist ein wesentlicher Punkt, den man nicht außer Acht lassen darf. Die Verdauung beginnt also bereits beim Kochen! Das spricht, neben anderen Vorteilen, schon mal ganz dafür, selbst zu kochen. Kochst du selbst?
Spiritus vitalis, der Luftgeist des Herzens
Der Spiritus vitalis, der Luftgeist, hat seinen Sitz im Herzen, insbesondere im linken Herzflügel, und verbreitet sich über die Arterien im Organismus. Das Herz hat, so wie auch der Darm, ein eigenes Netzwerk aus Zehntausenden Neuronen und stellt somit eine Art eigenes Gehirn dar, das Brusthirn. Das Brusthirn wird in der TEM im Spiritus vitalis gesehen.
Rhythmik und Verbreitung sind die zentralen Kräfte des Spiritus vitalis – in Form von Zirkulation, Atmung und Herzschlag. Das Ein- und Ausfließen von Atmung und Nahrung stellen einen rhythmisch fließenden Kreislauf dar. Durch Verbreitung von Wärme und vitaler Feuchte zirkulieren sowohl der Nährstrom, das Blut als auch der Klärstrom, die Lymphflüssigkeit.
Durch den komplexen neuronalen Schaltkreis kann das Brusthirn unabhängig vom Kopfhirn arbeiten. Auch kann es Veränderungen schneller spüren als das Kopfhirn. Es hat die Fähigkeit sich zu erinnern, zu lernen und sich an neue Lebensumstände anzupassen. Heute weiß man, dass das Herz eigenständig Hormone und Neurotransmitter ausschüttet, um den Blutdruck, den Flüssigkeitshaushalt des Körpers und das Gleichgewicht des Elektrolythaushalts zu regulieren. Aber auch Hormone, die für Bindung, Liebe, Toleranz und Anpassung verantwortlich sind, werden vom Herzen freigesetzt.
Der Sympathikus ist zuständig für die Erregung des Körpers, die Beschleunigung der Herzfrequenz und die Ausschüttung von Adrenalin.
Der Parasympathikus steht für Entspannung und bewirkt unter anderem eine Verlangsamung des Herzrhythmus.
Über die Verbindung des vegetativen Nervensystems kann das Herz direkt auf das Kopfhirn einwirken. Ein kohärenter Herzrhythmus synchronisiert Sympathikus und Parasympathikus und wirkt dadurch positiv auf Nerven und Organe.
Herzkohärenz bedeutet, dass Atmung, Herzschlag und Blutdruck aufeinander abgestimmt sind und in gesunder Form zusammenarbeiten. Diesen drei Bereichen und ihrem Zusammenspiel mit dem Spiritus vitalis wird eine große Bedeutung in Bezug auf unser gesamtes Wohlbefinden zugeschrieben, sie haben einen starken Einfluss auf unsere physiologische wie auch psychologische Gesundheit.
Ist dir das auch schon passiert? Hunger! Du isst schnell, viel zu schnell. Durch das hastige Essen verschlägt es dir den Atem. Es nimmt dir die Luft. Tiefes Durchatmen und Atemübungen schaffen Erleichterung, um die rhythmisch fließende Aufnahme wieder stattfinden zu lassen. Und beim nächsten Mal: langsam essen, mit Bedacht, mit Aufmerksamkeit. Genießen.
Spiritus naturalis, der Stoffgeist der Leber
Der Spiritus naturalis, der Stoffgeist, verbreitet sich entlang der Venen und beschreibt den Kreislauf der dienenden Kräfte zur Stoffwechselregulierung. Er weckt den Hunger, den Bedarf an Nährstoffen. Und er mag es gleichmäßig, immer wiederkehrend, regelmäßig in seinem – deinem – Rhythmus. Durch ein Verlangen nach Nährstoffen, nach Substanz geschieht die Nahrungsaufnahme und deren Umwandlung – die Aufnahme und Ausscheidung –, die wiederum Verlangen nach neuer Nahrung weckt.
• Ernährung: Die Zellen verlangen nach Nahrung, Substanz.
• Verdauung: Umwandlung der Substanz durch Bewegung.
• Ausscheidung: Selektiv wird ausgeschieden, was nicht benötigt wird bzw. für den Organismus gefährlich und giftig ist.
• Bewahrung: Das Benötigte festhalten und in körperliche Zellen einbauen, umwandeln. Wenn die Zellen wieder nach Substanz verlangen, beginnt alles wieder von vorn …
Durch diesen Kreislauf betont der Spiritus naturalis, der Stoffgeist, auch den Nutzen des Klärstroms: denn ohne Klärstrom und dessen Ausscheidung gibt es keinen nutzbringenden Nährstrom.
Die Leber ist das Quellorgan für den Spiritus naturalis und wesentlich an der Verdauung beteiligt. Hier wird die Grundlage für die vier Körpersäfte – Sanguis (Blut), Chole (Gelbe Galle), Melanchole (Schwarze Galle) und Phlegma (Schleim) – gebildet.
Das Bauchhirn ist mit dem Spiritus naturalis verknüpft und bildet wiederum die Wurzel für den Spiritus animalis. Auch der Darm hat ein ausgeprägtes eigenständiges Nervensystem. Im Darm – unserem größten Immunsystem – befinden sich mehr als siebzig Prozent aller Abwehrzellen, die das Bauchhirn wesentlich beeinflussen und die wiederum durch das Bauchhirn beeinflusst werden. Im Bauchhirn wie im Kopfhirn findet man die gleichen Nervenzelltypen. Auch die Ausstattung mit Botenstoffen ist bei beiden Gehirnen identisch. Und sie sprechen die gleiche Sprache.
Die Lebenskraft – die Vereinigung aller drei Lebensgeister – ist der Schlüssel zu einem vitalen und temperamentvollen Leben.
Das Bauchhirn im Zentrum deiner Verdauung ist die Basis. Nähre und pflege es mit der größten Sorgfalt.
Kennst du die Redewendungen »Es läuft einem eine Laus über die Leber« und »Was bist du für eine beleidigte Leberwurst!«? Sie werden meist bei Stimmungsschwankungen verwendet. Dabei handelt es sich oft lediglich um eine Störung der Hirnleistung, die sich aus einer Unterversorgung der Leber ableiten lässt … Die Leber reagiert aktiv und sensibel, wenn der Versorgungskreislauf gestört ist.
Jeder Mensch hat ein Grundtemperament – eine Grundkonstitution – und dieses schlicht und einfach ererbt. Genauso wie das Geschlecht und den Genpool. Es steckt in uns, von Geburt an. Ganz individuell.
Die vier Grundtemperamente – Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker – gehen auf die Temperamentenlehre zurück. Sie sind keine wissenschaftliche Typisierung. Sie finden sich nicht eindeutig in den Körperzellen wieder. Die Temperamente sind Teil des bildlichen Schemas, des Achsenkreuzes der Urkräfte, Ur-Feuer und Ur-Eis.
Dein Grundtemperament, die angeborene Konstitution, wurde dir mitgegeben, ist genetisch bestimmt. Das Temperament macht dich aus und ist nahezu unveränderbar. Warum ist es so interessant zu erfahren, welches Grundtemperament man hat? Die Antwort lautet: Es bestimmt deinen Stoffwechsel, deine Versorgung, deinen Gesundheitszustand, deine Laune.
Die vier Grundtemperamente: Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker
Es gilt, das Grundtemperament zu stützen und, wenn erforderlich, gegebene Schwächen auszugleichen.
Wenn du beispielsweise dein Grundtemperament im Choleriker mit den Eigenschaften warm und trocken siehst, bin ich sicher, dass du sehr gern gegrillte, frittierte und scharfe Speisen isst. Steak oder Schnitzel mit Pommes frites stehen bei dir öfter mal am Speiseplan. Das kann im Moment gut passen. Sei dir aber bewusst, dass du damit dein Temperament zusätzlich befeuerst.
Wenn du merkst, dass du an Trockenheit leidest – und das kann sich vielfältig äußern, etwa durch trockene Haut, trockene Augen, Sodbrennen, Gereiztheit, anstrengenden Stuhlgang –, dann verzichte eine Zeit lang auf frittierte und scharfe Speisen. Greife besser zu feuchten, kühlen Zubereitungsmethoden. Genieße zum Beispiel eine befeuchtende Gemüsesuppe, diesmal ohne Chili. Für den knackig-crunchigen Biss gibt’s ein paar Nüsse dazu.
Du bist sicherlich gespannt, wie du dein Temperament selbst feststellen kannst. Lass dich durch die nächsten Seiten führen und werte nicht, sondern fühle und spüre. Spontan. Vieles mag überzeichnet wirken. Ja, das ist so. Ganz bewusst. Betrachte es mit einem Augenzwinkern. Manchmal wirst du meinen: »Ohhh, ganz so krass ist es nun auch wieder nicht.« Fühle dich durchaus ertappt.
Wanderung … und plötzlich ist da ein Hindernis
Auch Charaktereigenschaften und Gefühle beschreiben die vier Temperamente. Ein einfaches Szenario, aus dem Leben gegriffen, soll dir verdeutlichen, wie die Wesenszüge der vier Temperamente aussehen: Stelle dir mal vor, du wanderst über grüne, saftige Almen und plötzlich versperrt dir ein Zaun den Weg.
• Der Sanguiniker wird in seiner ungetrübten Art heiter über den Zaun hinweghüpfen und eventuell noch ein Liedchen pfeifen. Er hat den dahinter liegenden See entdeckt und freut sich auf eine wunderbare Erfrischung.
• Der Choleriker wird – weil ihm dieses unerwartete Hindernis unnötig Zeit raubt – in Rage geraten und womöglich versuchen, den Zaun aus dem Weg zu räumen, vielleicht sogar mit einem Kraftakt. Definitiv wird er sich sofort oder spätestens nach der Wanderung mit dem Verfasser des Kartenmaterials in Verbindung setzen und darauf hinweisen.
• Der Melancholiker wird beim Anblick des Zauns seine Reise infrage stellen. Er setzt sich nieder und lehnt sich an den Zaun – um zu grübeln, die Reise zu reflektieren und über das Warum nachzudenken. Gedankenverloren zückt er sein Notizbuch und skizziert die wundervolle Landschaft.
• Der Phlegmatiker geht Konflikten aus dem Weg, und das mit meist unnötig großem Aufwand. Er wird einen weiten Bogen um den Zaun machen und einen Umweg in Kauf nehmen. Das macht ihm bestimmt nicht sonderlich viel aus, gibt es doch auf diesem zweiten Weg eine feine Einkehrmöglichkeit.
Wie sähe deine Reaktion auf den Zaun aus? Ganz spontan …
Findest du dich in einer der beschriebenen Reaktionen wieder? Mit welcher kannst du dich am ehesten identifizieren? Ich bin sicher, du hast eine Tendenz.
Und nun? Kennst du dein Grundtemperament? Wie geht’s dir grundsätzlich mit zaunähnlichen Situationen, mit Hürden, Hindernissen? Den täglichen Herausforderungen? Was beeinflusst dich?
Kaffee und Kuchen
Hier eine weitere kleine Geschichte, eine Metapher, die die vier Temperamente veranschaulicht. Ein Stück Kuchen ist der Star:
Vier Personen treffen sich zu Kaffee und Kuchen. Sie finden bloß ein Stück Schokoladenkuchen vor. Ein Stück für vier! Während die erste Person sich verärgert darüber Gedanken macht, warum die Kaffeejause nicht besser organisiert ist, zieht sich die zweite Person zurück und denkt: »Jetzt bekomme ich wieder nichts ab.«