Terra - Science Fiction 14: HBAB - Axel Kruse - E-Book

Terra - Science Fiction 14: HBAB E-Book

Axel Kruse

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Beschreibung

Hbab ist das planetenweite Freiluftgefängnis des Derolianischen Reiches. Über Jahrhunderte hinweg wurden Delinquenten hierhin verfrachtet und danach sich selbst überlassen. Die Nachkommen haben eine archaische Gesellschaftsform entwickelt. Nun hat ein derolianisches Schiff bei einem Routinebesuch festgestellt, dass Hbab über eine eigene Raummarine verfügt. Wer hat hier Technologietransfer geleistet? Samuel Kors ist unterwegs im Geheimauftrag der Mater Majestrix von Derolia. (Fortsetzung von Knochen)

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Seitenzahl: 221

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen

3301 Dwight V. Swain Dunkles Schicksal

3302 Ronald M. Hahn Die Stadt am Ende der Welt

3303 Peter Dubina Die Wächter des Alls

3304 Walter Ernsting Der verzauberte Planet

3305 Walter Ernsting Begegnung im Weltraum

3306 Walter Ernsting Tempel der Götter

3307 Axel Kruse Tsinahpah

3308 Axel Kruse Mutter

3309 Axel Kruse Ein Junge, sein Hund und der Fluß

3310Ronald M. Hahn Die Herren der Zeit

3311 Peter Dubina Die letzte Fahrt der Krakatau

3312 Axel Kruse Knochen

3313 Ronald M. Hahn Projekt Replikant

3314 Axel Kruse HBAB

3315 Axel Kruse Seitwärts in die Zeit

3316 Axel Kruse ASTRONOMIC

3317 Axel Kruse Glühsterne

HBAB

TERRA - SCIENCE FICTION

BUCH 14

AXEL KRUSE

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2025 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Vignette: Ralph Kretschmann

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

3314 vom 19.02.2025

ISBN: 978-3-68984-310-8

INHALT

Geleitwort

An Bord des Trägerschiffes

Im Orbit um Derolia

Der Weg nach Hbab

Landung auf Hbab

Der Dawud

Widerstand

Zuflucht

Die blaue Sonne

Und nun?

Kontakt

Nochmal runter

Der lange Weg zurück

Das Schiff

Zurück nach Derolia

Über den Autor

Geleitwort

Liebe Leser,

dies sind die Abenteuer von Kapitän Samuel Kors und seiner kleinen Besatzung, die mit ihrem eher kleineren Handelsschiff Lahme Ente unterwegs sind, um neue Handelsbeziehungen zu erforschen, neue Aufträge zu generieren und dabei möglichst nicht ums Leben zu kommen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt kann es ihnen passieren, dass sie dorthin vordringen, wo sie noch nie hinwollten.

Warum sollten Sie dieses Buch lesen?

Schon im ersten Band, Knochen, wird angedeutet, dass Kors eine Unmenge Abenteuer hinter sich gebracht hat, noch bevor die beschriebene Handlung beginnt. Er hat erwachsene Kinder, hat noch weitere eines fremden Volkes adoptiert, und langsam rutscht er in das Großvater-Alter – was man ihm aber vermutlich nicht ansieht. Er ist in vielen Dingen erfahren und hat sich eine angenehme Existenz auf einem fernen Planeten aufgebaut, die man zumindest gemütlich, sicherlich idyllisch, wenn nicht gar spießig nennen kann. Nicht nur das unterscheidet ihn von anderen bekannten Kapitänen. Er ist viril, doch monogam. Statt Rum bevorzugt er Wein, statt Kaffee einen erlesenen Darjeeling. Kors ist öfter tollpatschig, als er möchte, doch gelegentlich blitzt seine Kombinationsgabe heraus, die nichts als meisterdetektivisch ist. Und am Ende des letzten Abenteuers hat er nicht nur ein kleines kosmisches Geheimnis gelöst, dessen größere Wichtigkeit sich andeutet, doch er gelangte nicht etwa nach Hause, sondern in ein mächtiges Sternenreich, das ihm nicht geheuer ist.

Wie geht es weiter? Er erhält hier eine Queste, die ein normaler Abenteurer, der seine Sinne noch beieinanderhat, niemals angenommen hätte. Erst recht Samuel Kors, der eigentlich nur etwas Fracht kutschieren und dafür gut bezahlt werden will. Doch da diese Queste eine persönliche Komponente trägt, ist es ihm unmöglich, diese abzulehnen.

So weit, so übel. Und ja, natürlich kommt es dann schlimmer als gedacht.

Der Autor Axel Kruse ist ein Erzähltalent, das seine Kunst schon viele Jahre betreibt. In den meisten Werken stecken autobiografische Züge, denn die Protagonisten tragen meist seine Züge. Die Abenteuer sind klassisch, wie aus der guten alten Zeit. Damit folgt Kruse nicht einigen Trends nach immer mehr technischen oder wissenschaftlichen Erklärungen. Beruflich steckt er in Welten aus kalten Zahlen, Zahlenfolgen, Gesetzen und Auslegungen, die er für seine Kunden in die bestmögliche Reihenfolge bringen muss; hierfür beschäftigt er auch eine ganze Anzahl von Angestellten. Seine Science-Fiction-Welten dagegen sind anders: Hier gibt es weder komplizierte Farben, Formen, Zahlen oder Maße – hier funktionieren die Dinge einfach, wie sie sind – hoffentlich. Kruse schreibt mit seinem Herz und hetzt quasi persönlich zwischen die Sterne hindurch, um dies seinen Lesern danach zu dokumentieren.

Nicht einmal der Protagonist Kors wird groß beschrieben; seine Leser sollen sich selbst ein Bild von ihm machen. Für mich ähnelt Kapitän Kors daher Axel Kruse: Ein großer, ruhiger, sehr liebenswerter Mensch, der das Vertrauen seiner Leute hat. Ich mag ihn sehr.

Frank G. Gerigk

An Bord des Trägerschiffes

„Du bist ihr hörig, nach all den Jahren!“ Nadarja seufzte hörbar auf. „Ich lege mich jetzt hin. Und frag nicht nach der Couch, das Bett ist groß genug, da ist auch Platz für dich.“

„Wir haben doch überhaupt keine Wahl“, hielt ich ihr entgegen.

„Das meine ich doch gar nicht. Klar, wir haben keine Wahl. Wir müssen nach Derolia. Aber das war auch nicht meine Aussage.“

Ich glotzte recht dümmlich, was ihr ein Lächeln auf das Gesicht zauberte.

„So seid ihr Männer einfach. Loyal bis über die Trennung hinaus. Wird das bei uns auch mal so sein?“

Wollte sie sich jetzt von mir trennen? Ich verstand die Welt nicht mehr.

Sie kam zu mir und umarmte mich. „Du bist so ein Idiot, Sam. Habe ich dir das noch nie gesagt? Jetzt komm endlich, lass uns ein wenig schlafen. Wir haben eine anstrengende Zeit vor uns.“ Sie zog mich tatsächlich in Richtung des an das Wohnzimmer angrenzenden Zimmers, in dem sich ein luxuriöses Bett befand. „Schlafen“, sagte sie, „nicht das, was du wieder meinst!“

Was meinte ich denn? Sicher nicht das, was sie mir unterstellte. Nicht nach der Ansage.

Wir dimmten das Licht und legten uns hin. Nadarja fiel tatsächlich quasi übergangslos in tiefen Schlaf. Ich konnte das nicht. Ich lag grübelnd wach und ließ die letzten Ereignisse Revue passieren. Ich kam nicht damit klar, was da geschehen war. Jemiras Tod auf dem Planeten der Golas kam mir so unwirklich vor. Dann die Flucht vor dem anderen Schiff und das Eingreifen der Derolianer. Ihnen verdankten wir unser Leben.

Nun waren wir hier, an Bord ihres Trägerschiffes, und die Admiralin hatte nichts Besseres zu tun, als uns, vielmehr besser mir, eine Nachricht der Mater Majestrix zu übermitteln, die mich um Hilfe bat.

Das und die Tatsache, dass ich sofort darauf einging, hatte zu Nadarjas Ansprache vorhin geführt.

War ich meiner Exfrau wirklich hörig? Ich hätte das so nicht dargestellt. Sie bat um Hilfe, eindringlich. Sicher, wir hatten uns damals auseinandergelebt, getrennt auf Kirkasant. Dann war ich losgezogen und sie dortgeblieben. In den Wirren des Krieges, den Terra vom Zaun gebrochen hatte, war sie mit dem Erbprinzen von Derolia zusammengekommen, hatte mit ihm ein Verhältnis. Nachdem dieser gestorben war, hatte die damalige Königin Derolias Lysanges gerade geborenes Kind als ihren Erben anerkannt, wohl wissend, dass ihr Sohn nicht der biologische Vater war. Wer das war, darüber hatte Lysange sich wohlweislich ausgeschwiegen.

Nun war sie die Mater Majestrix, die für ihre Tochter die Regentschaft nach dem Tod der Königin so lange führte, bis Carla erwachsen war.

Hätte ich im Beisein der Admiralin und ihrer Adjutanten die Hilfe verweigern sollen? Hätte ich verlangen sollen, dass man uns an Bord unseres Schiffes ziehen lassen sollte?

Was wäre dann geschehen?

Man hätte uns festgesetzt, dessen war ich mir sicher. Eine Bitte, einen Hilferuf der Mater Majestrix, den lehnte man nicht ab. Das war Befehlsverweigerung. Insofern hatte ich doch gar nicht anders gekonnt, als ...

Oder meinte Nadarja da etwas anderes? Etwas subtileres? War ich zu bereitwillig darauf eingegangen? Hätte ich sie um ihre Meinung bitten müssen? Hätte ich ...?

Gut, irgendwie spukte sie mir immer noch im Kopf herum. Irgendwo hinten, ganz hinten, im Unterbewusstsein. Vermutlich war es das, was Nadarja meinte. Das und die Stimme unserer KI an Bord der Lahmen Ente. Aber das hatte sie doch akzeptiert.

Außerdem gab es da doch so manche Eskapade, die sie hingelegt hatte, über die ich geflissentlich hinweggesehen hatte.

Was warf sie mir eigentlich vor?

* * *

Mein Schlaf war kurz.

Nadarja weckte mich.

„Sam, du schnarchst. Du solltest damit jetzt aufhören, unter die Dusche springen und dich ankleiden. Die Admiralin erwartet uns.“

Ich traute meinen Augen nicht. Meine Partnerin stand in ein Abendkleid gekleidet vor mir. Rot, ein Hauch von Seide, mit einem tiefen Ausschnitt, der ihr Dekolletee gut zur Geltung brachte. Dazu trug sie hochhackige Stiefel aus schwarzem Leder. So hatte ich sie noch nie gesehen.

„Ich habe dich so lange schlafen lassen, wie möglich. Aber wenn du noch unter die Dusche willst, solltest du dich jetzt ein wenig beeilen. Die Admiralin hat um zwanzig Uhr Bordzeit zum Abendessen gebeten.“

Zwanzig Uhr Bordzeit? Keine Ahnung, wann das war. Wir hatten eine andere Bordzeit als die, die auf den derolianischen Schiffen gültig war. Nach der lebte ich und deshalb hatte ich nun einen erheblichen Jetlag.

Aber sie hatte ja recht.

Ich sprang aus dem Bett und beeilte mich, unter die Dusche zu kommen.

Die Sanitärzelle hatte die Größe des kleinsten Frachtraumes an Bord der Lahmen Ente. Es war ein Traum. Die Badewanne war ein kleines Schwimmbad und die Dusche stellte mich vor die Wahl zwischen fast hundert unterschiedlichen Programmen, die mir Wohlbefinden bringen sollten.

Snob, der ich war, stellte ich den Strahl auf hart und die Temperatur auf dreißig Grad ein, dann stellte ich mich für wenige Minuten unter den Wasserstrahl.

Seife oder andere Pflegemittel suchte ich vergeblich, bis ich auf die Idee kam, es mit einem anderen Programm zu versuchen.

„Beeil dich!“, hörte ich Nadarja rufen.

Gerne hätte ich noch das Massageprogramm ausprobiert, aber das musste warten.

„Hier ist ein Handtuch“, sagte Nadarja und hielt mir mit ausgestrecktem Arm eines hin. „Du hast keine Zeit mehr, dich von der Warmluft trocknen zu lassen.“ Mit diesen Worten war sie schon wieder aus dem Badbereich verschwunden, sie fürchtete wohl, sich das Kleid zu versauen.

Als ich unseren Wohnbereich wieder betrat, deutete sie auf einen der dort stehenden Sessel. „Kleidung für dich.“

Eine Uniform, weiß. Mit roten Streifen längs der Beine. Die Uniformjacke, die über dem Hemd zu tragen war, war mit goldenen Tressen besetzt. Auf der Brust prangte ein protziger Orden.

„Wofür ist der denn?“, fragte ich entsetzt.

„Für geleistete Dienste“, flötete Nadarja. „Jetzt hab dich nicht so. Die wollen, dass wir uns so ausstaffieren. Meinst du, mir gefällt dieser Fummel hier?“

Zumindest waren an der Uniform keine Dienstgradabzeichen angebracht. Dann fiel mir ein, dass das auch etwas anderes bedeuten konnte. Vielleicht stand der Träger einer solchen Uniform ja über allen anderen militärischen Rängen? Ging da die Phantasie mit mir durch? Was bedeutete der Orden? Ich besah ihn mir genauer. Da war ein Vogel abgebildet, dieses Wappentier der königlichen Familie.

„Ich hätte nicht gedacht, dass dich das so beeindruckt“, stichelte Nadarja. „Jetzt mach schon, wir kommen zu spät.“

Ein Summen von der Tür trieb mich nun doch zur Eile. Ich hatte gerade noch den letzten Knopf der Jacke geschlossen, als Nadarja die Tür öffnete. Im Gang davor stand eine Abteilung Gardesoldaten, gekleidet in blaue, mit roten Schärpen verzierte Uniformen. Sieben Soldaten, vier Männer, drei Frauen. Ein Mann mittleren Alters, den Dienstgradabzeichen nach ein Hauptmann, führte sie an.

„Wir sind Ihre Eskorte“, stellte er sich vor. „Wenn Sie uns bitte folgen würden.“ Er drehte sich um und begab sich zur anderen Seite des Korridors, wo er an Annas Tür ebenfalls das Prozedere wie an unserer vollführte.

Unsere Kameradin öffnete. Auch sie war in ein Abendkleid gekleidet. Ebenfalls ein Rotton. Ich beeilte mich, nicht zu sehr ihren Ausschnitt zu bewundern, sondern sah wieder zu Nadarja.

„Dann wollen wir mal“, meinte ich. „Sie gehen voran?“

Der Hauptmann nickte. Er schritt aus, zwei der Gardesoldaten folgten ihm. Die anderen warteten, bis wir uns eingereiht hatten, dann bildeten sie den Abschluss.

So ähnlich hatte man uns damals auch eskortiert, allerdings mehr als Gefangene, denn als Gäste. Hier kam ich mir ebenfalls so vor, trotz der Kleidung, in die man uns gesteckt hatte.

Auch wenn das Schiff quasi ausgemustert war, nie mehr einen Sprung durchführen würde und nur hier auf Reede lag, um den Jägern zu ermöglichen, die Grenze zu überwachen, zeugte es doch von einer grandiosen Vergangenheit. Überall waren goldene Bordüren angebracht. Ob die den einfachen Marinesoldaten vorbehaltenen Decks auch so ausgestattet waren?

Der Raum, in den wir verbracht wurden, war mehr als pompös eingerichtet. Fast erwartete ich schon, dass wir uns zum Essen auf reichlich verzierte Liegen zu begeben hatten, von denen aus wir das Essen von kleinen Beistelltischen zu uns nehmen konnten. Aber da ging dann doch die Phantasie mit mir durch.

In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, an dem gut und gerne bis zu zehn Personen Platz hätten finden können. Hier und jetzt waren um ihn lediglich vier Stühle gruppiert, je zwei an den Längsseiten. Schwere Brokatvorhänge säumten die Wände.

Die Admiralin empfing uns.

„Schön, dass Sie da sind. Ich habe selten die Möglichkeit, Gäste zu bewirten. So hochgestellte Persönlichkeiten noch nie.“ Das hatte sie sich nicht verkneifen können. Sie wusste doch, dass ich eigentlich ein im Derolianischen Reich gesuchter Schmuggler war.

„Wir fühlen uns geehrt“, erwiderte Nadarja und enthob mich damit glücklicherweise der Notwendigkeit einen bissigen Kommentar von mir zu geben.

Wir setzten uns, Anna und die Admiralin auf der einen Seite, wir auf der anderen des Tisches.

„Pass mit dem Rotwein auf“, raunte Nadarja mir zu, „das gibt teuflische Flecken, die bekommt man nie wieder raus. Wäre doch zu schade um die Uniform.“

Bei einer solchen Partnerin brauchte ich wirklich keine Feinde.

„Lassen Sie uns anstoßen, auf die Majestrix“, forderte uns die Admiralin auf. Sie erhob ihr Glas mit dem darin perlenden Schaumwein.

Wir folgten ihrem Beispiel. Wie es in Derolia Sitte war, wurde nicht mit den Gläsern angestoßen, sondern diese, zu Ehren der Herrscherin, über den Kopf gehoben.

„Und auf die Mater Majestrix“, fügte Nadarja an.

War das jetzt eine Spitze in meine Richtung?

„Selbstredend“, pflichtete die Admiralin bei.

Nach dem ersten Schluck musste ich mein Urteil revidieren. Das war kein einfacher Schaumwein. Das war ... exzellent!

Vielleicht sollten wir bei sich bietender Gelegenheit ein paar Rebstöcke entführen, so wie wir es damals mit den Nüssen gemacht hatten. Die Grenztruppen Derolias ließen es sich gut gehen, zumindest auf den höheren Ebenen.

„Wir haben die Besatzung des sie verfolgenden Schiffes verhört“, begann die Admiralin das Tischgespräch. „Sie bestätigen im Großen und Ganzen Ihre Version der Geschichte.“

Ich wollte nicht wissen, wie das Verhör vonstattengegangen war.

„Wir haben die sich an Bord befindenden Drogen requiriert, die Besatzung werden wir des Reiches verweisen.“

Das war neu. Ich blickte auf. Ich hatte damit gerechnet, dass von einem schnell einberufenen Militärgericht Todesurteile ausgesprochen werden würden, da hatte sich etwas geändert.

„Ich persönlich halte diese Politik ja für falsch, aber momentan ist das Direktive“, beendete die Admiralin ihre Eingangsworte.

Neu war diese Politik sicherlich, aber neu war auch, dass sich ein hochgestellter Militär erlaubte, Kritik an der Linie der Mater Majestrix zu üben. Dies gepaart mit dem Trinkspruch, den sie ausgebracht hatte, der erst von Nadarja um die Mater Majestrix ergänzt worden war, ließ tief blicken.

Oder interpretierte ich da jetzt zu viel hinein?

Immerhin wusste sie um mein vertrautes Verhältnis zu Lysange. Wie konnte sie da eine solche Kritik üben?

„Wo kommen Sie her, Kapitän?“, fragte sie dann unverblümt.

„Neverland“, antwortete ich wahrheitsgemäß und hoffte, dass die Derolianer bei der Reparatur unseres Schiffes nicht auch gleich den Navigationscomputer samt aller Karten und Flugdaten kopierten. Dann wussten sie, wo unser Domizil zu finden war.

„Ein exotischer Name für einen Planeten. Viel Wasser, vermute ich?“

„Ausschließlich. Eine Wasserblase samt Atmosphäre ohne Felskern.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich, Kapitän, das wissen Sie selber. Gasriesen, ja. Möglicherweise auch solche, die aus Dihydrogenmonoxid bestehen. Aber die verfügen über keine für Menschen atembare Atmosphäre.“

Ich zuckte mit den Achseln. Sollte sie glauben, was sie wollte. „Zumindest haben wir kein Land gefunden“, schwächte ich meine Aussage ab.

„Sie leben da auf Booten?“, fragte sie weiter.

„Nein, auf großen Pflanzenblättern. Kilometer im Durchmesser, in allen Richtungen. Auch senkrecht nach unten.“

„Interessant, nie davon gehört.“ Möglicherweise stufte sie das in die Abteilung Raumfahrergarn ein.

„Sie haben für uns eine Beförderungsmöglichkeit nach Derolia arrangiert?“, fragte ich, um das Thema zu wechseln.

„Sie werden eine kurze Nacht haben, Kapitän. In fünf Stunden wird der hierherbeorderte Kreuzer eintreffen. Wir werden Ihr Schiff verladen und dann werden Sie aufbrechen.“

Demnach hatte es eine Planänderung gegeben, die Lahme Ente würde nicht hier verbleiben.

„Entschuldigen Sie meine Neugier, Kapitän, aber ...“ Sie unterbrach sich und rang sichtlich mit sich selbst. Dann hatte sie einen Entschluss gefasst. „Sind Sie Mitglied unseres Auslandsgeheimdienstes?“

Das saß. Selbst wenn dem so wäre, dürfte ich dies sicherlich ihr gegenüber nicht zugeben. So bemühte ich mich um eine möglichst diplomatische Antwort.

„Wir sehen Derolia äußerst selten.“ Innerlich beglückwünschte ich mich zu dieser Wortwahl. Ich hatte die Wahrheit gesagt und doch lag darin eine Andeutung, die sie aufnehmen konnte.

Sie tat es. In ihrem Gesicht spiegelt sich kurzzeitig Hochachtung wieder. „Ich verstehe. Jetzt verstehe ich auch die Anweisung, Sie mit dem höchsten Verdienstorden zu schmücken, den das Reich zu vergeben hat.“

Das Stück Blech?

„Unsere Tätigkeiten außerhalb des Reiches bestehen im Handel“, erläuterte Nadarja. „Wir verbringen Fracht von A nach B und erwirtschaften dabei etwas Profit. Das ist mehr oder weniger alles, was wir tun. Unsere Kollegin hier ...“ Sie deutete auf Anna, die dem Gespräch bislang stumm gefolgt war. „... stammt von Senna. Sie leitet dort die Finnegan-Stiftung, die sich um die Verwaltung der Exponate ihrer Ururgroßmutter kümmert, die auf ihren Forschungsreisen etliche interessante Artefakte untergegangener Kulturen gesammelt hat.“

Anna nickte bestätigend.

„Bestünde eine Möglichkeit, sie zurück nach Senna bringen zu lassen? Sie muss dort ihren Aufgaben nachgehen.“

Das war geschickt eingefädelt von Nadarja. Die Admiralin würde sicherlich nachher sofort Annas Legende überprüfen und nichts finden, was gegen die Schilderung sprach. Nadarjas Aussage, dass sie sich dort um ihre Aufgaben zu kümmern habe, stellte diese sofort in ein anderes Licht, sodass die Admiralin für sich entscheiden musste, ob diese Aufgaben im Verwalten der Stiftung bestanden oder in derolianischen Belangen.

„Die Mater Majestrix bat darum, Sie nach Derolia zu bringen“, hielt sie dagegen.

„Sam und mich“, bestätigte Nadarja. Mehr sagte sie nicht, was die Admiralin zum Nachdenken brachte.

„Es lässt sich sicherlich morgen eine Beförderungsmöglichkeit finden“, sagte sie dann.

„Vielleicht etwas unauffälliger Natur?“ Es war Anna nicht damit gedient, von einem derolianischen Kreuzer nach Hause gebracht zu werden.

Die Admiralin lachte. „Ich verstehe. Das lässt sich einrichten.“ Jetzt war sie vollends davon überzeugt, in der Person Annas einen Auslandsagenten Derolias vor sich sitzen zu haben. Der Transport würde diskret und sicher für Anna über die Bühne gehen.

* * *

Einschlafen konnte ich schlecht, trotz der Müdigkeit. Ich war völlig überdreht. Der Jetlag durch die Zeitumstellung auf die des derolianischen Trägerschiffes hatte voll zugeschlagen.

Geweckt wurde ich dann gefühlt viel zu früh, durch ein Kissen, das mir von Nadarja auf den Kopf geworfen wurde.

„Aufstehen, wir werden zum Frühstück erwartet. Wenn du noch duschen willst und ich denke, du solltest es tun, musst du dich sputen.“

Sie stand schon gespornt und gestiefelt vor dem Bett. Wie schaffte sie das nur?

Nun, ich gab mir Mühe, schlug die Bettdecke zurück und sprang geradezu aus dem Bett. Nicht gut für meinen Kreislauf. Etwas schwindelig setzte ich mich auf die Bettkante und wartete, bis sich das Zimmer nicht mehr um mich drehte. Dann stapfte ich zur Dusche.

Es war Luxus pur, sich in dieser Nasszelle, die durch diesen Namen in ihrer Ehre beschmutzt wurde, aufzuhalten. Hier konnte man sich theoretisch verlaufen. So viel Dekadenz hatten wir auf der Lahmen Ente nicht.

Nadarja wartete ungeduldig an der Tür zum Korridor. „Jetzt mach schon, warum brauchst du immer so lange?“

Sie wollte doch, dass ich die Dusche noch mitnahm! Natürlich war es ein schönes Gefühl gewesen, das warme Wasser am Körper herunterlaufen zu lassen, aber irgendwie hatte ich mich einsam in dem Badezimmer gefühlt. Die Duschkabine war doch groß genug, warum hatte Nadarja mich nicht früher geweckt? Dann hätten wir zusammen duschen können und nicht jeder einzeln. Ich argwöhnte, dass genau das der Grund gewesen war, warum sie es nicht getan hatte. Darauf musste ich sie irgendwann in einem passenden Moment nochmal ansprechen.

Das Frühstück nahmen wir nicht zusammen mit der Admiralin ein, die schien dringendere Pflichten zu haben.

Wir wurden zur Offiziersmesse geführt, wo wir einen Tisch abseits der anderen sich dort einfindenden Personen zugewiesen bekamen. Anna befand sich bereits dort.

„Ihr werdet vor mir abfliegen“, empfing sie uns. „Mir wurde eröffnet, dass mein Transit erst übermorgen stattfinden wird. Euer Schiff ist bereits eingetroffen, ich habe es mir auf dem Bildschirm in meinem Quartier angesehen, die Lahme Ente wird da nicht reinpassen.“

Musste sie ja auch nicht. Die Derolianer würden sie mittels einer oder mehrerer Trossen an ihr Schiff ketten und so mit sich ziehen. Die notwendigen Reparaturen, so weit sie noch nicht ausgeführt worden waren, würden warten müssen.

„Da hinten ist das Buffet, hier ist Selbstbedienung.“ Anna deutete in den hinteren Teil der Offiziersmesse, wo ich einige Soldaten in prächtig anmutenden Uniformen wahrnahm, die in einer Schlange anstanden.

„Dann wollen wir mal“, sagte ich und setzte mich nicht erst hin, sondern nahm das Ende der Schlange als Ziel in mein internes Navigationssystem auf. Hoffentlich hatten sie auch Tee.

Sie hatten. Zwar nicht den exklusiven, den wir auf Neverland anbauten, aber einen annehmbaren. Kurz überlegte ich, die Warmhaltekanne zu entführen und mit an unseren Tisch zu nehmen, entschied mich dann aber doch dagegen.

Am Aufschnitttablett stand eine etwa vierzigjährige Offizierin mit langen schwarzen, zu einem Zopf geflochtenen Haaren vor mir, die sich etwas viel Zeit ließ mit der Wahl der Dinge, die sie auf ihren Teller legte, was bei Nadarja ein Naserümpfen hervorrief. Nicht etwa wegen der Zeit, die sie vertrödelte, sondern eher ob der Blicke, mit denen ich die Frau bedachte. Aber das war unvermeidlich, wo hätte ich denn sonst hinsehen sollen?

„Die Brötchen sind ein wenig dröge, oder was meint ihr?“ Anna versuchte eine unverfängliche Kommunikation aufzubauen. Ich sah mich um. Fürchtete sie, dass wir abgehört wurden? Oder sah ich Gespenster? Vielleicht waren die Brötchen ja wirklich dröge.

„Ich muss immer wieder an Jemira denken“, sagte Nadarja. Sie ging nicht auf die Brötchen ein. „Es scheint mir so falsch, sie zurückgelassen zu haben.“

„Sie ist tot“, antwortete Anna. „Wir hätten ihren Körper nicht bergen können.“

Da war etwas falsch dran, aber was? Ich konnte das nicht mit meinen Gedanken fassen. Sobald ich in diese Richtung dachte, wurde mein Gehirn schwerfällig.

Nadarjas Gesicht zeigte einen Ausdruck von Trauer. „Ich muss nochmal zurück dahin, Sam. Ich bin ihr das schuldig. Ein anständiges Grab, nicht diese Höhle, die über ihr zusammengestürzt ist.“

Was war an einem Grab anders? Vielleicht sollte ich ihr vorschlagen, dass wir einen Gedenkstein aufstellten?

„Entschuldigung?“

Ich drehte mich um. Hinter mir stand ein junger Mann, ein Leutnant, wenn ich die Dienstgradabzeichen richtig deutete.

„Sie sind Kapitän Kors?“, fragte er.

Ich nickte.

„Ich habe Befehl, Sie auf die Udo Klotz zu geleiten.“

„Die Udo Klotz?“, fragte ich nach. Mein Gesicht muss recht dämlich ausgesehen haben. Wenn man Nadarja glaubte, war das der normale Ausdruck, der, den es regelmäßig hatte.

„Der Kreuzer hat in der Nacht auf Reede Anker geworfen“, war seine Antwort.

Demnach handelte es sich um das Schiff, das uns nach Derolia bringen sollte. Vermutlich benannt nach irgendeinem hochrangigen Militär in der Vergangenheit Derolias, der in einer heroischen Schlacht das Leben zahlreicher Untertanen geopfert hatte, um dem Regenten zu einem Sieg zu verhelfen. Mutmaßlich war er selbst unbeschadet daraus hervorgegangen. Vielleicht tat ich dem Mann ja auch Unrecht an.

„Wir haben gerade erst begonnen zu frühstücken“, war Nadarjas Entgegnung.

„Mein Kapitän hat Befehl so schnell als möglich Derolia zu erreichen. Es erging Alpha-Order. Wir haben Ihr Schiff bereits ins Schlepptau genommen und sind startklar.“

Oha, Lysange schien mächtig unter Druck zu stehen.

„Das Frühstück kann warten“, entschied ich. Sofern die Brötchen wirklich dröge waren, war es kein großer Verlust. Auch wenn ich den Tee gerne ausgetrunken hätte. „Ich vermute, dass sie an Bord auch über die Möglichkeit der Verköstigung verfügen.“

Er grinste. „Selbstverständlich. Allerdings weicht unsere Bordzeit von der hiesigen ab. Aber wir haben ein Abendessen für Sie vorbereitet.“

Jetlag, ich komme, ging es mir durch den Kopf.

Auch Nadarja war jetzt aufgestanden, sie verabschiedete sich von Anna. Ich tat es ihr gleich, dann folgten wir dem Leutnant.

Bildete ich es mir nur ein oder blickte mir die Offizierin vom Buffet nach? Ich schielte zu Nadarja hinüber. Sie hatte es auch bemerkt. Egal, was ich jetzt machte, es würde falsch sein und später zu einer Bemerkung meiner Partnerin führen. Trotzdem bemühte ich mich, den Blick nach vorn auf den Rücken des Leutnants auszurichten, was mir mehr schlecht als recht gelang.

Mit einer Fähre wechselten wir auf das Kriegsschiff über, das uns nach Derolia transportieren sollte. Gemessen an den Ausmaßen der Lahmen Ente war es riesig, aber eben doch nicht so groß, dass es unser Schiff in einen seiner Hangars hätte aufnehmen können.

Ich hätte mich wohler gefühlt, wenn ich in meiner Kabine, auf meinem Schiff die Reise fortgesetzt hätte, aber die Derolianer hatten da andere Vorstellungen.

An Bord des Kreuzers wurden wir vom dortigen Kapitän, einem Mann mittleren Alters, empfangen. Er hatte sich die Mühe gemacht, zur Luftschleuse zu kommen. Das machte er sicherlich nicht für jeden Passagier. Wobei, ging mir durch den Kopf, womöglich waren wir die ersten Passagiere, die er jemals befördert hatte. Und das unter Alpha-Order. Das musste der Grund sein, warum er sich dazu herabließ, uns höchstpersönlich zu unserem Quartier zu geleiten.

„Sie werden verstehen, dass ich keine Zeit erübrigen kann, mit Ihnen zu Abend zu essen“, sagte er. „Ich muss mich um die Sprünge kümmern. Wir werden morgen früh im heimatlichen System ankommen.“

„Morgen früh?“, entfuhr es mir. Wie schafften die das denn? Derolia war doch ... wie weit war das Zentralsystem von hier entfernt? Mit der Lahmen Ente würde ich sicherlich gut eine Woche benötigen.

Er grinste mich an. Staatsgeheimnis, offensichtlich.

„Sagen wir es mal so“, führte er dann doch aus. „In Kriegszeiten gibt es Innovationen, die das Militär nach vorne bringen.“

So einen Sprungantrieb hätte ich auch gerne auf der Lahmen Ente, vielleicht ließ sich da ja was machen. Ich nahm mir vor, Lysange darauf anzusprechen.

Im Orbit um Derolia

Er hatte nicht gelogen, der Kapitän. Am folgenden Morgen, noch vor dem Frühstück waren wir im Orbit um Derolia. Dass er in der Zwischenzeit keine Möglichkeit gesehen hatte, sich um uns zu kümmern, leuchtete mir ein. Seine Anwesenheit auf der Brücke war unumgänglich gewesen. Bei dem Tempo musste Sprung auf Sprung erfolgen. Das musste berechnet und verifiziert werden. Irre!