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ASTROMINC, die Asteroid Mining, Inc., ist ein mächtiger Konzern. Prospektoren, selbstständig und doch von ASTROMINC abhängig, durchforsten das All und seine Asteroidengürtel auf der Suche nach Rohstoffen aller Art und in jeder Menge. Alles begann mit einer Raumstation im Asteroidengürtel des Solsystems – bis ein Prospektorenteam den ersten Sprungpunkt entdeckte, mit dem man auf kürzestem und schnellstem Wege unvorstellbare Entfernungen im All überbrücken kann. Der Weg zu den Sternen stand den Menschen offen. ASTROMINC spielt die Hauptrolle bei der Erschließung des Alls und der Kolonisierung neuer Welten. Überall werden neue Stationen gebaut. Überall findet man Überreste untergegangener Zivilisationen, Artefakte – und Fragen.
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Seitenzahl: 303
Veröffentlichungsjahr: 2025
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In dieser Reihe bisher erschienen
3301 Dwight V. Swain Dunkles Schicksal
3302 Ronald M. Hahn Die Stadt am Ende der Welt
3303 Peter Dubina Die Wächter des Alls
3304 Walter Ernsting Der verzauberte Planet
3305 Walter Ernsting Begegnung im Weltraum
3306 Walter Ernsting Tempel der Götter
3307 Axel Kruse Tsinahpah
3308 Axel Kruse Mutter
3309 Axel Kruse Ein Junge, sein Hund und der Fluß
3310Ronald M. Hahn Die Herren der Zeit
3311 Peter Dubina Die letzte Fahrt der Krakatau
3312 Axel Kruse Knochen
3313 Ronald M. Hahn Projekt Replikant
3314 Axel Kruse HBAB
3315 Axel Kruse Seitwärts in die Zeit
3316 Axel Kruse ASTRONOMIC
3317 Axel Kruse Glühsterne
TERRA - SCIENCE FICTION
BUCH 16
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Copyright © 2025 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
Redaktion: Danny Winter
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Vignette: Ralph Kretschmann
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
3316 vom 02.03.2025
ISBN: 978-3-68984-355-7
Vorwort
Springer
Sie kamen von Carredo
Rendezvous mit einem Rätsel
Durch die Flammenhölle von Coronoa
Der Käfer
Die Fretschneks warten schon
Die Fastkuh
Ironie des Schicksals
Schichten
Über den Autor
Für meine Kinder
Timo, Thorben, Till und Justin
Vorwort
Frank Neugebauer - Kruses Kosmos
Axel Kruse ist der nicht mehr ganz junge Verfasser dieses sympathisch altmodischen Science-Fiction-Romans. Wo hat man zuletzt lupenreine SF gelesen und wo die Härte der kosmischen Strahlung beim Lesen auf der Gänsehaut gespürt? Viel zu viele Schriftsteller der nachwachsenden Generation haben sich auf undurchsichtige Genrehybriden verlegt – auf SF, die mit Horror-, Geschichtsroman- oder Thrillerelementen durchsetzt ist. Nicht so der SF-Purist Kruse.
Vor über zehn Jahren machten mich mehrere verstreut publizierte SF-Erzählungen auf ihn aufmerksam. Er schien über die in SF-Kreisen ziemlich seltene Fähigkeit zu verfügen, die Zahl seiner Einfälle zu beschränken und die Handlung geradlinig durchzuführen. Seither habe ich seinen schriftstellerischen Weg lose mitverfolgt, und in der langen Zeit haben wir einige wenige Briefe ausgetauscht – zunächst auf Papier, mittlerweile elektronisch.
Axel Kruse schrieb mir einmal, als es um eine noch zu verfertigende Geschichte ging, Inhalt und Ablauf seien ihm schon völlig klar. Diese und ähnliche Bemerkungen machte er öfter. Ich halte das für beneidenswert, denn tatsächlich wird man nie finden, dass sich Kruse in seinen Handlungsfäden verfängt. Er muss über ein gutes Gedächtnis verfügen – und über ein inneres Ordnungssystem, denn die „Daten” und Züge seiner Geschichten scheinen ihm abrufbereit vorzuliegen. Die Ergebnisse dieser Arbeitsweise lesen sich entsprechend: satzstilistisch konservativ, non-experimentell, vor allem in der Abfolge der Absätze folgerichtig, präzis und hell. Die Geschichten bewegen sich zwingend auf das Ende zu, dass man als Lesender gar nicht anders kann, als den Geschehnissen gebannt zu folgen.
Dabei sind die Erzählungen alles andere als prall mit Action gefüllte Reißer. Lieber lässt sich Kruse ordentlich Erzählzeit damit, sich dem Kern der Erzählung zu nähern. Die Absicht ist klar: Alles soll so deutlich wie möglich vor dem inneren Auge des Lesers auftauchen.
Seine Beschreibungen sind detailversessen. Das ist normalerweise tödlich für eine Erzählung, nähren sich doch gerade die verhassten Adjektive von ebendieser Detailversessenheit. Stephen King gibt in seiner teilweise ziemlich lustigen Schreibanleitung „On Writing” den Tipp, alles in Handlung umzusetzen. Das ist natürlich der reinste Dogmatismus – was hat der Mann nur gegen eine gute Beschreibung? Die europäische Literatur ist voll davon.
Axel Kruse umschifft die „adjektivischen Ballungen” nicht, er steuert genau darauf zu, aber ohne sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren – abgefasst in einem erstaunlich gut lesbaren Nominalstil. Er beweist damit, dass es manchmal besser ist, dem Leser in ein paar dramatischen Hauptsätzen die Grundlage der Story fast grobianisch auseinanderzusetzen – anstatt Anfangsgags mit künstlicher Action zu ersinnen.
Kruse bildet mit seiner an den Idealen des realistischen Romans geschulten Schreibweise ein wohltuendes Gegengewicht zu postmodernen Strömungen in der SF. Hektische Szenewechsel, Jargon und brutal anmutende Abkürzungen der Handlung (mit dem Argument, jedes SF-Klischee sei doch sowieso schon bekannt) sind seine Sache nicht. Auch inhaltlich lässt Kruse die Kirche im Dorf. Anders als im Cyberspace oder in den drogenvernebelten Exkursionen der Endsechziger dürfen wir sicher sein, dass Kruse ein Raumschiff meint, wenn er von einem Raumschiff spricht – und keine Simulation oder Halluzination.
Diese ersten Einschätzungen mögen verdeutlichen, dass Kruse in der Geschichte des Genres weit zurückgreift. Hinter den Cyberpunk der Achtziger, die soziologisch und politisch motivierten Ausflüge der Siebziger und den psychedelischen InnerSpace der Sechziger.
Kruses Kosmos ist traditionell. Seine SF spielt vorzugsweise dort, wo sich SF nach allgemeinem Verständnis abspielen sollte: im Weltraum und auf fremden Planeten. Einmal sagt einer seiner Protagonisten, jener Kapitän Schappner, er habe keinen Hang zum Irrationalen. Und das gilt wohl auch für den Autor, der in diesem Roman nur einigermaßen Vernünftiges anspricht, aber nicht das geringste Interesse an einem beliebig konstruierbaren Multiversum oder einer Zeitreise und derlei mehr zeigt. Und wenn doch, so wird die Zeitreise gleich als Lüge entlarvt. Kontrollierte Fantasie!
Kruse ist technophil, aber nicht in der pedantisch übertriebenen Weise eines Schraubenzählers. Seine geschickten Schilderungen karger Raumschiffatmosphären dienen dazu, eine total-funktionale Ästhetik zu transportieren, die auf alle Lebensbereiche ausgreift und natürlich auch eine hochfunktionale Befehlshierarchie umfasst.
Im Zusammenspiel mit der meist dialektischen Konfliktdarstellung (erst die Guten – dann die Bösen – zuletzt eine Partnerschaft) und über die Länge eines Romans wirkt Kruses SF-Purismus schematisch, unterkühlt und ziemlich streng – ohne jedoch angestrengt oder „artifiziell” zu wirken. Wir Lesende können uns an diesen klaren Formen der Gegenstände und an den nicht minder klaren Formen des Umgangs noch immer berauschen.
Aber es geht um mehr. Schematismus ist kein Verbrechen, auch in Sachen Handlungsführung nicht, sondern eine Tugend! Man sollte nämlich nicht vergessen, dass jede erzählende Literatur (wegen der begrenzten Zahl der Sätze, die man für eine Sache verwendet) immer nur eine begrenzte Auswahl von Ansichten der Dinge bietet – und deshalb in jedem Fall einen Schematismus aufweist. In einem SF-Roman wie diesem, der tausend Jahre in der Zukunft spielt und in dem eine riesige Menge an geschichtlicher, technischer und soziologischer Information zu transportieren ist, ist ein gewisses Maß Schematismus sogar die einzige Möglichkeit, um den Leser nicht in völlige Verwirrung zu stürzen.
Der Umgang der Figuren miteinander, auch über Speziesgrenzen hinweg, ist liebenswürdig. Selbst in einer angespannten Situation entfährt dem Kapitän kein Fluch. Alle Charaktere wirken nach der einen oder anderen Seite hin idealisiert, aber ein konservativ geschriebener SF-Roman ist auch kein Ort für naturalistische Schreibübungen. Die gewöhnlichen Gestalten und mehr noch die Führungspersönlichkeiten Kruses erinnern an historische Vorbilder – beispielsweise an James Cook, der zwar hart regierte, aber niemals die Fassung verloren haben soll. Wie überhaupt zahlreiche Kruse-Motive an die Erfolge und Misserfolge früher Entdeckungsreisen gemahnen.
Kruses Männer und Frauen erobern wenig, erforschen aber viel. Diese Grundkonzeption mag weniger der realen Vorlage der seefahrenden Entdecker geschuldet sein als vielmehr den stark auf den Text einwirkenden Genrevorbildern.
Kirks Enterprise stand offenbar ebenso Pate wie Perry Rhodan.
Kruses Kosmos ist zeitlich wie räumlich gigantisch. Entwicklungen erstrecken sich gerne einmal über fünfzigtausend Jahre, und trotz einer überlichtschnellen Technologie liegt Mutter Erde weit entfernt: Flugdauer einige Jahre – auch dies eine Dimension, wie sie für frühe Entdecker zu Lande und zu Wasser üblich war! Aber er teilt nicht die gedanklich krause Gigantomanie eines A. E. van Vogt, allenfalls die Vorliebe, eine lange Geschichte episodenhaft abrollen zu lassen – nicht umsonst ist Kruses Roman eine fixed up novel.
In den kurzen Episoden erzählt Kruse pointiert vom Menschlichen und Allzumenschlichen, Anekdoten, wie sie der Weltraum einmal schreiben wird.
Die längeren Kapitel mit ihren spannungs- und wendungsreichen Vordergrundhandlungen sind für meinen Geschmack eindrucksvoller. In ihnen erscheint der kosmische Hintergrund, aus dem heraus eine geheimnisvolle Superrasse die Fäden zu ziehen scheint. Manchmal tritt der Hintergrund so klar hervor, dass man meint, er sei der eigentliche Akteur des Romans.
Kruse bedient sich zweier Tricks, um seinen großen Kosmos zu bändigen. Er hat sein Universum räumlich gequantelt und es ziemlich alt gemacht. Man kann es nur entlang diverser Sprungstellen bereisen. Dadurch entstehen an Geschichte hoch angereicherte Orte neben geschichtlich windstillen Ecken. Die Erde ist so ein Ort lange Zeit gewesen.
Die Menschheit ist dann, erfahren wir, expandiert, hält inzwischen ein Imperium mit Hunderten von Kolonien und trifft doch nur – wie seinerzeit Napoleon auf dem Russland-Feldzug – auf leere und verlassene Orte.
Muss es nicht auch so sein, fragen wir uns mit Kruse, dass die Menschheit erst auf den Plan tritt, wenn das Schauspiel längst vorüber ist?
Bei aller Neugier bewegen sich Kruses Leute vorsichtig und leise. Sie müssen so handeln, weil sie wissen, dass etwas auf dem Spiel steht, aber leider nicht was.
Kruse Kosmos bevölkern nur wenige noch aktive Außerirdische. Die Hauptbühne ist bemerkenswert leer, das universale Theater pausiert gerade, aber im musealen Staub der Bühnenbretter zeichnen sich noch Spuren der einstigen Akteure ab. Da sind vor allem die als galaktische Konservatoren auftretenden Springer, aber auch manche Völker auf den Nebenschauplätzen, deren Tausendjahrespläne sich nach Tiefschlafphasen in Luft aufgelöst haben.
Dichtungslogisch ergibt sich daraus, dass sehr viele Details der früher ablaufenden Geschichte dialogisch vermittelt werden. Zumal Kruse linear erzählt und sich keine Rückblenden zugesteht. Dass die informativen Dialoge keinen trockenen Referatscharakter annehmen, liegt daran, dass Kruse sie mit Hinterlist und Lüge, politischem und militärischem Kalkül würzt. Nicht alles, was erst einmal von den Leuten behauptet wird, ist wirklich wahr. Und passt das nicht herrlich zur Doppelnatur der hier allerorten waltenden „Liebenswürdigkeit”? Doch gegen Ende der einzelnen Episoden klärt Kruse beinah jede Frage, darunter zu unserer Überraschung auch einige, die wir Leser nicht gestellt haben.
Mag es einen wirklich wundern, dass im Jahr 3000plus undichte Raumanzüge und penetrant leuchtende Druckknöpfe noch immer eine tragende Rolle spielen? Nein, denn das ist Absicht! Noch einmal heißt es bei Kruse „Öffnet den Himmel” (wie ein Titel von Robert Silverberg lautet). Und noch einmal feiert er die enthusiastischen Momente der bereits historisch gewordenen realen Weltraumära und die damit verbundenen Erwartungen – im Rahmen eines Science-Fiction-Romans.
Frank Neugebauer
Autor von „Die Nelke im Knopfloch”
„Rechte Steuerdüse zehn Sekunden voller Schub.”
„Verstanden, rechte Steuerdüse zehn Sekunden voller Schub.”
„Rechte Steuerdüse eine Sekunde voller Schub.”
„Verstanden, rechte Steuerdüse eine Sekunde voller Schub.”
„Linke Steuerdüse eine Sekunde halber Schub, dann sofort Schubumkehr volle Kraft, zwei Sekunden lang.”
„Verstanden, linke Steuerdüse eine Sekunde halber Schub, dann Schubumkehr volle Kraft, zwei Sekunden lang.”
Der Gleitschlitten näherte sich, der Taumelbewegung des Prospektorenschiffes nunmehr angepasst, bis auf wenige Meter. Der Pilot des Schlittens führte noch eine kleine Kurskorrektur durch und dockte dann mithilfe der an dem Gleitschlitten befestigten Elektromagneten an der Außenhülle des Schiffes an. Sofern sich im Innern des Schiffes noch Atmosphäre befand, hallte die Schiffshülle sicherlich wie eine große Glocke ob der recht unnatürlichen Art und Weise, mit der der Schlitten Kontakt gefunden hatte.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und nochmaliger Überprüfung der Magnethalterungen gab der Pilot des Schlittens vorsichtig wieder Schub. Mit Erfolg – das Prospektorenschiff beendete langsam seine Taumelbewegung und flog geradlinig, sodass es für das andere, sich in unmittelbarer Nähe befindende Schiff möglich war, vorsichtig Kurs und Geschwindigkeit anzugleichen, dass die beiden Schiffe bald relativ zueinander scheinbar bewegungslos im Raum hingen.
„Wie viel Zeit haben wir noch?”, fragte der Pilot über seinen Helmfunk das von ihm vor einer Ewigkeit – zumindest kam es ihm subjektiv so vor – verlassene Schiff.
„Etwa drei Stunden bis zur Kollision, wir haben genug Zeit, Jarvis”, tönte die Stimme seiner Partnerin Irina über den Helmlautsprecher in sein Ohr. „Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, das ist unsere Chance, vermassele es bloß nicht!”
Der zurechtgewiesene Pilot des Schlittens fluchte leise in sich hinein und begann damit, starke Stahltrossen von den auf dem Schlitten vorhandenen Winden abzuwickeln und deren Enden sicher an Haken auf der Außenhülle des fremden Schiffes zu befestigen. Nach getaner Arbeit löste er den Schlitten von der Hülle des fremden Schiffes und schwebte langsam zu seinem eigenen hinüber. Auch hier wurden die Stahltrossen befestigt. Ungefähr eine Stunde war vergangen, seit er die Taumelbewegung des fremden Schiffes gestoppt hatte. Nun öffnete er die Schleusentür seines Schiffes und begab sich zurück in die relative Sicherheit der so zerbrechlich wirkenden Schutzhülle.
Im Kontrollraum angelangt blickte er das erste Mal wieder richtig nach draußen. Er konzentrierte sich immer auf seine Arbeit, wenn er außerhalb war, und nahm den Raum um sich herum gar nicht wahr. Genauso wie sie es ihm seinerzeit bei ASTROMINC beigebracht hatten.
„Da bist du ja endlich”, empfing ihn seine Partnerin ungeduldig. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie es eigentlich bereits sehr weit gebracht, schoss es ihm durch den Kopf. Selbstständige Prospektorin hier draußen im Gürtel. Zwar wirtschaftlich abhängig von ASTROMINC, aber das war schließlich jeder hier! Außerdem arbeiteten sie gerade daran, die Hypotheken, die auf ihrem Schiff lasteten, für immer loszuwerden. Dieses fremde Prospektorenschiff war sozusagen ihr Glücksfall, wie ein Sechser im Lotto, verbunden mit der richtigen Zusatzzahl! Hätten sie nicht eingegriffen, das Schiff wäre binnen kürzester Zeit mit einem Asteroiden kollidiert – woraus folgerte, dass an Bord niemand mehr die Kontrolle über dieses Schiff ausübte. Was wiederum bedeutete, dass das Schiff ihnen gehörte, wenn es ihnen gelang, es zu bergen. Sie konnten damit beliebig verfahren, es veräußern, beleihen, vermieten, einfach alles damit tun, was ihnen einfiel. Natürlich nur dann, wenn es ihnen gelang, es nach ASTROMINC-Station zu schleppen. So war die Gesetzeslage hier draußen im Gürtel.
Die Außenhülle des Schiffes schien noch weitgehend intakt zu sein. Es schien lediglich eine unglückliche Kollision mit einem der zahlreich vertretenen Felsbrocken hinter sich zu haben, der sich ausgerechnet eine neuralgische Stelle kurz hinter den Antriebsaggregaten ausgesucht hatte; durch die Kollision war das Schiff manövrierunfähig geworden. Pech für die Insassen, Glück für sie.
Jarvis starrte noch immer wie gebannt auf den Bildschirm, der die Außenansicht des fremden Schiffes zeigte. „Wir sollten langsam beginnen, sonst stellen wir vielleicht zu spät fest, dass wir etwas vergessen haben”, bemerkte er.
Langsam nickend betätigte Irina verschiedene Knöpfe auf dem Armaturenbrett vor ihr und gab langsam Schub auf die Düsen. Die Stahltrossen hielten, die Hülle des fremden Schiffes brach nicht. Allmählich konnten sie das Schiff auf eine neue Flugbahn ziehen. Eine Kurve, die sie zwar immer noch in die Nähe des Asteroiden bringen würde, mit dem Kollisionsgefahr bestanden hatte, der nun aber in sicherer Entfernung vorüberziehen würde.
Wenige Stunden später waren sie wieder auf Kurs Richtung ASTROMINC-Station. Ein seltsames Gefühl machte sich breit. Irgendwie kam es ihnen nicht richtig vor, dass sie nach lediglich fünf Wochen draußen wieder heimkehren sollten. Ihre Haare waren noch nicht lang genug; normalerweise fuhr man kahlköpfig hinaus und kam mit einer Mähne wieder zurück; ein Brauch, der sich in den zwanzig Jahren intensiven Erzabbaus im Asteroidengürtel eingebürgert hatte.
Es war falsch, jetzt schon umzukehren, das sagten sie sich beide immer wieder, aber wenn sie das Schiff jetzt nicht zurückschleppten, dann würde sich unter Umständen ein anderer bedienen. Außerdem hatte die Besatzung des Schiffes da drüben ja unter Umständen abbauwürdige Funde gemacht, das alles würde ihnen schließlich auch gehören.
Nach einer kurzen Schlafperiode legte die Pilotin ihren Raumanzug an und begab sich nach draußen. Mit dem Schlitten glitt sie zu dem anderen Schiff hinüber und untersuchte die Schleuse. Triumphierend öffnete sie sie und stieg vorsichtig in das fremde Schiff ein.
Im Innern bot sich ihr ein katastrophaler Anblick. Wohl durch die Taumelbewegung des Schiffes hatten sich zahlreiche Ausrüstungsgegenstände losgerissen und viele Teile der Inneneinrichtung zerstört. Atmosphäre war tatsächlich noch vorhanden, auch Energie wurde vom Reaktor noch geliefert. Ohne Gefahr konnte sie ihren Raumanzug ablegen.
Ein Geräusch lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen Schrank, der noch intakt zu sein schien. In seinem Innern fand sie eins der Besatzungsmitglieder, einen Mann, wie sie auf den zweiten Blick bemerkte, physisch und psychisch am Ende seiner Kräfte. Von seinem Partner fehlte jede Spur.
ASTROMINC-Station, ein riesiges, ständig rotierendes Doppelrad, mitten im Asteroidengürtel. Effektvoll leuchtete das an der Radnabe installierte Logo der Asteroid Mining Incorporated, ein riesiges stilisiertes A, mit einigen wie Diamanten in Schmuckstücken eingelegten Felsbrocken versehen, ins All hinaus.
Scheinbar träge näherten sich die zwei Prospektorenschiffe der großen Raumstation. Ihre Geschwindigkeit war fast auf null, relativ zur Raumstation, abgesenkt worden. Die das zweite Schiff haltenden Stahltrossen wurden von Menschen in Raumanzügen gelöst, die die Raumschiffe wie Bienen ihren Stock umschwärmten, und an Schleppschlitten befestigt, die das beschädigte Schiff sanft in die Landebucht der Raumstation in der Radnabe zogen. Das unbeschädigte Prospektorenschiff folgte kurze Zeit später aus eigener Kraft.
Stunden ermüdenden Berichtverfassens und Formularausfüllens schlossen sich an das geglückte Manöver an. Das geborgene Besatzungsmitglied des beschädigten Prospektorenschiffes war bereits frühzeitig in die medizinische Abteilung verbracht worden. Endlich konnten die zwei zwar erschöpften, aber überglücklichen Prospektoren ihre Suiten in einem der vornehmsten Hotels von ASTROMINC beziehen.
„He, Jarvis. Was meinst du, wie lange der Formalismus noch dauern wird?”, fragte Irina, mittlerweile wieder schwarzgelockt, während sie es sich in ihrem Bett bequem machte. Als Antwort erhielt sie lediglich ein undefinierbares Brummen aus Richtung der Dusche. „Schätze, es interessiert dich ohnehin nur einen feuchten Kehricht”, murmelte sie vor sich hin. „Irgendwie scheint es ein Fehler gewesen zu sein, in unserem Partnerschaftsvertrag darauf zu bestehen, dass ich den kaufmännischen Part abwickle. – Jedes Formular darf ich ausfüllen, das habe ich jetzt davon.”
Zwei Wochen waren vergangen, seit sie an ASTROMINC-Station angedockt hatten. Zwei lange Wochen des Wartens und Anfragens wegen ihres Antrages auf Übereignung des fremden Schiffes. Die Reaktion der Sachbearbeiter war gleich null. Keinerlei Informationen über die möglicherweise entdeckten Erzvorkommen, nicht einmal über den Stand der Dinge überhaupt. Es war zum Verzweifeln.
Inzwischen war das Schiff identifiziert worden. Es hatte eine Besatzung von zwei Personen gehabt. Über den Verbleib des zweiten Piloten, einer Frau, waren keine Informationen bekannt gegeben worden. Ohne Sauerstoffvorrat und schützendes Schiff musste sie jedoch mittlerweile tot sein.
Der Überlebende hieß Martin Ares. Er und seine Partnerin hatten das Schiff lediglich von ASTROMINC gemietet. Vielleicht war das der Grund, dass die Übereignung nicht so schnell wie bei freien Prospektorenschiffen vonstattenging. ASTROMINC verzichtete ungern auf sein Hab und Gut.
„Wir sollten vielleicht diesen Ares selbst befragen, was und vor allem ob sie überhaupt etwas entdeckt haben, was sich abzubauen lohnt.” Jarvis war unbemerkt aus der Dusche herausgetreten. „Dann könnten wir unsere Ansprüche konkretisieren. Was hältst du davon, Irina?”
„Wie willst du das anstellen?”, entgegnete sie. „Er liegt auf der Intensivstation der medizinischen Abteilung, im Koma!”
„Herrgott noch mal, irgendetwas müssen wir tun”, entfuhr es ihm. „Wenn wir noch länger hier herumsitzen, frisst uns die Miete für diese Luxusbude auf! – Wer weiß, ob wir überhaupt jemals unsere Ansprüche durchbekommen!”
„Das Gesetz …”
„Vergiss nicht”, unterbrach er sie, „dass ASTROMINC hier draußen das Gesetz ist – und wir stellen eine Forderung gegen diesen Giganten.”
„So betrachtet …, vielleicht sollten wir wirklich alle Möglichkeiten nutzen. Komm, wir besuchen mal die medizinische Abteilung.”
Sein Gesicht zeigte herbe Enttäuschung. „Jetzt?”, entgegnete er. „Ich dachte, wir machen es uns ein wenig bequem und …” Er deutete auf das Bett.
Lachend schüttelte sie den Kopf. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!” Mit einem Satz war sie aus dem Bett und begann damit, sich anzukleiden.
„Ares, Martin Ares, sagten Sie?” Der dunkelhäutige Mann im Empfangsraum der medizinischen Abteilung schüttelte seinen Kopf. „Tut mir leid, ist nicht im Computer. Sind Sie sicher, dass er hier eingeliefert wurde?”
„Absolut sicher. Wir haben ihn aus einem trudelnden Schiff herausgeholt, Sie verstehen?”, entgegnete Irina, während sie sich über die Theke lehnte, um einen Blick auf den Computerbildschirm zu werfen. „Er muss hier sein. Wir erhielten vor einer Woche die Auskunft, dass er auf der Intensivstation …”
„Ach, dieser Fall. Ich erinnere mich.” Der Mann sah erstaunt hoch. „Ich glaube, er ist gestorben, warten Sie mal … ja, hier.” Er hatte eine andere Datei aufgerufen. „Sehen Sie, kurz nach der Einlieferung Exitus. – Tut mir leid. Ein Freund von Ihnen?”
„Kurz nach der Einlieferung? Aber das kann doch nicht sein”, entfuhr es Jarvis. „Vor einer Woche erhielten wir von der Verwaltung die Mitteilung, er läge auf der Intensivstation …”
Der Mann hinter der Theke lehnte sich unbehaglich zurück. „Ich kann Ihnen nur sagen, was hier gespeichert ist. Bei Rückfragen müssen Sie sich schon an die Verwaltung wenden.”
„Schon gut”, griff Irina beschwichtigend ein. „Wir haben da sicherlich etwas durcheinandergebracht. Komm, Jarvis, wir gehen.” Mit diesen Worten zog sie ihren Partner mit sich aus dem Raum und machte Neuankömmlingen Platz.
Draußen auf dem Gang machte Jarvis seinem Ärger Luft. „Das gibt’s doch nicht. Die Sache stinkt zum Himmel, Irina. Die wollen uns wohl alle für dumm verkaufen …”
„Komm wieder runter, Partner”, flüsterte Irina. „Die Leute drehen sich schon nach uns um. Wir suchen uns jetzt ein ruhiges Plätzchen und bereden die Sache, in Ordnung?”
Wenig später ließen sie sich in einer kleinen Kneipe nieder.
„Die wollen uns hinhalten, Irina. Dieser Ares und seine Partnerin haben ein reiches Erzvorkommen entdeckt und das wollen sie uns nicht überlassen. Deshalb haben sie uns sogar den Tod des Burschen verschwiegen, einfach nur um uns hinzuhalten, ich fasse es nicht! – Und währenddessen schicken sie irgendein ASTROMINC-Schiff hin, um den Fund nochmals zu entdecken.”
Irina starrte stumpfsinnig in ihr Bier. „Du magst recht haben. – Und wenn wir uns nicht drum kümmern, dann entgeht uns auch noch das Schiff. Hast du eine Idee, wie wir weiter vorgehen sollen?”
Nach einigen Bieren wurde eine wahnwitzige Idee geboren. Die beiden verschafften sich während einer Schichtpause der Werftarbeiter unerkannt Zugang zu dem Hangar, in dem das havarierte Schiff instandgesetzt wurde. Wenig später hatten sie die Schleuse des Schiffes geöffnet und stürzten sich auf den Computer.
„Das hätten wir schon viel früher tun sollen”, bemerkte Jarvis trocken.
„Du weißt, dass wir während des Fluges keine Zeit dafür hatten. Vergiss nicht, dass wir uns um Ares kümmern mussten. Er hätte sterben können!”
„Und was hat er jetzt getan?”, entgegnete Jarvis. Irina blieb ihm eine Antwort schuldig.
Energie war vorhanden, der Computer hochgefahren. Die Reparaturcrew beabsichtigte wohl, keine lange Pause zu machen.
„Beeile dich lieber”, flüsterte Irina ihrem Partner zu, während der dem Computer das Logbuch mit den Eintragungen der letzten Reise zu entlocken versuchte. „Sie kommen bestimmt bald zurück.”
„Das ist unser Schiff, vergiss das nicht, meine Liebe. Was wir hier tun, ist nicht ungesetzlich!”
„Und warum tun wir es dann heimlich? Beeile dich, bitte”, entgegnete sie.
„Verdammt!” Der Fluch kam fast unhörbar über seine Lippen. Irina sah ihn fragend an. „Alles gelöscht, kein Logbuch mehr da. Irina, sie haben uns alle Aufzeichnungen gestohlen!”
Irina sah ihn entgeistert an und schnauzte: „Zieh ein Backup vom Logbuchspeicher, auch wenn er leer ist. Einer meiner früheren Partner ist ein Computerfreak, vielleicht kann er etwas machen.”
Der Datenträger, den Jarvis in den Schacht gesteckt hatte, wurde mit einer Kopie sinnlos verwirbelter Daten gefüllt. Für einen Laien war er nach wie vor leer.
„Du weißt, dass es mir nicht passt, wenn du ihn triffst”, bemerkte Jarvis scharf.
„Du hast kein Monopol auf mich. Ich kann immer noch selber entscheiden, mit wem ich wann was mache”, entgegnete sie gereizt. Solange sie alleine mit ihm in ihrem Prospektorenschiff war, kamen sie eigentlich gut miteinander zurecht. Schlagartig änderte sich das jedoch, wenn sie sich auf der Station unter Menschen – vor allem anderen Männern – bewegten. Er legte unweigerlich ein Besitzverhalten ihr gegenüber an den Tag, das sie überhaupt nicht leiden konnte. Lief ihr dann auch noch einer ihrer ehemaligen Partner über den Weg … –
Und dieses eine Mal würde es ja eigentlich auch auf seinen Wunsch hin passieren. Warum beschwerte er sich dann, zumal er auch noch dabei
war?
Sektor Blau, Ebene 19, hier waren sie richtig. Eine Gegend der riesigen Station, die mit einem Slum gleichzusetzen war. Hier fanden die von ASTROMINC absolut Abhängigen eine Bleibe. Zu horrenden Preisen vermietete die Corporation den für sie arbeitenden Menschen Quartiere, zog die Miete, wie alles andere auch, vom ohnehin kärglichen Lohn ab. Die Masse der Beschäftigten geriet in eine Schuldenspirale. Um die Schulden abzutragen, mussten sie für ASTROMINC arbeiten, waren gleichzeitig gezwungen, alles Lebensnotwendige wie Luft, Wasser, Nahrungsmittel und Unterkunft zu überhöhten Preisen zu kaufen. Eine moderne Leibeigenschaft hatte sich im Gürtel entwickelt, kaum beachtet von der Menschheit auf der Erde, die einfach nur auf die Rohstoffausbeute aus dem Gürtel schielte.
Das Quartier war heruntergekommen, wie erwartet. Hakso war seinerzeit durch einen teuren Maschinenschaden an seinem Prospektorenschiff in die Abhängigkeit von ASTROMINC geraten, einer der Gründe für Irinas Trennung.
Die Türglocke funktionierte nicht. Jarvis hämmerte mit der Faust gegen das recht mitgenommene Schott. Nach einiger Zeit schob sich die Tür langsam in die Wand zurück. Ein Schwall abgestandener Luft drang aus dem Inneren der Behausung und vermischte sich mit den nicht gerade angenehmen Düften des Korridors. Eine hagere, ja, fast schon abgemagerte Gestalt blickte fragend aus der Türöffnung. Sekunden des Erinnerns vergingen, bevor in ihren Gesichtszügen Erkenntnis sichtbar wurde.
„Irina”, sagte der Mann leise. „Du suchst mich hier auf?”
„Lässt du uns rein, Hakso?”, fragte die Frau. Ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, wie unangenehm ihr die Begegnung trotz allem war. „Rein geschäftlich”, fügte sie noch hinzu.
Der Mann verharrte kurz und machte dann mit seiner Hand eine einladende Bewegung.
„Meine Hütte ist auch die deine, wie armselig sie auch sein mag”, war sein Kommentar.
„Lass das, Hakso. Rein geschäftlich, verstehst du? – Das ist Jarvis, mein Partner”, stellte sie ihren Begleiter vor. „Wir haben da ein Computerproblem mit unserem Logbuch und dachten, du könntest uns vielleicht helfen.”
„Ich? – Nachdem sich die ASTROMINC-Spezialisten in den Docks die Zähne daran ausgebissen haben? – Ah, ich verstehe”, unterbrach er sich, nachdem er den beiden Gästen forschend in die Augen geblickt hatte. „ASTROMINC weiß nichts von eurem Computerproblem, oder noch besser: soll nichts davon erfahren?”
Irina und Jarvis nickten zustimmend.
„Zwei Monatsrationen Luft und Wasser, ist das als Bezahlung okay?”
Ein erneutes, wenn auch schwerfälliges Nicken der zwei Prospektoren entlockte dem Gastgeber ein Grinsen.
„Na, dann mal her mit eurem Problem.”
Der weitere Nachmittag und der Abend vergingen quälend langsam. Mit immer neuen Methoden versuchte Hakso, dem Datenträger die Informationen zu entlocken, an denen Irina und Jarvis so viel lag. Schließlich warf er sich mit einem Stöhnen auf den Lippen in seinem Stuhl zurück und hämmerte auf die Tastatur seines Terminals.
„Mehr kann ich nicht für euch tun. Leider ist es dürftig genug. Der genaue Kurs ist leider nicht mehr rekonstruierbar. Lediglich der ungefähre Sektor, in dem sich das Schiff aufgehalten hat, ist noch zu erkennen. Tut mir leid.”
„Mehr, als wir alleine geschafft hätten”, bemerkte Jarvis trocken. „Zusammen mit unseren Daten über Abfangwinkel und Geschwindigkeit bei der Bergung müssten wir damit klarkommen.” Er blickte seine Partnerin auffordernd an, die den Spielball dann auch aufgriff.
„Wir würden es vorziehen, dir keine offizielle Transaktion auf dein Konto zukommen zu lassen. Ist das auch in deinem Sinne?”, fragte sie.
Hakso nickte und sah sie noch einmal lange an. „Ich kann dich nicht dazu bewegen, mich mit ins Boot zu nehmen, oder? – Ich meine, ihr seid da wahrscheinlich einem dicken Fisch auf der Spur, da könnt ihr doch jede Hilfe gebrauchen – und zu verlieren habe ich nichts mehr …”
„Danke für das Angebot, Hakso. Aber wir kommen ganz gut alleine klar”, erwiderte Jarvis.
„Vielleicht können wir ja wirklich einen Verbündeten hier auf der Station brauchen”, schwächte Irina die Aussage ihres Partners ab. „Wir bleiben in Kontakt, ja? – Gibst du mir die Nummer deines Komanschlusses?”
Später, auf dem Weg zu ihrem Schiff, konnte sie Jarvis’ Gedanken mehr schlecht als recht von Hakso weg auf die zukünftigen Aktionen richten.
Ein Stationsschiff hatte ASTROMINC vor einer Woche mit Kurs auf „ihren” Sektor verlassen. Das Schiff war aufgrund seiner im Vergleich mit einem Prospektorenschiff größeren Masse nur zu einer geringen Beschleunigung und somit geringen Reisegeschwindigkeit fähig. Irina und Jarvis sahen die Möglichkeit, mit einer menschenunwürdigen Beschleunigung „ihren” Sektor vor dem Schiff von ASTROMINC-Station zu erreichen.
Drei Monate mit fast ununterbrochener Beschleunigung. Davon war der letzte Monat am härtesten, da sie während der Bremsphase noch mehr g ertragen mussten. Irina und Jarvis waren physisch und psychisch am Ende, als sie im Zielgebiet eintrafen.
Die Langstreckensensoren sondierten während des ganzen Fluges ständig den sie umgebenden Raum, um das ASTROMINC-Schiff rechtzeitig ausfindig zu machen. Obwohl sie ziemlich sicher sein konnten, das Stationsschiff überholt zu haben, hatten ihre Scanner nichts aufgezeichnet.
„Und jetzt?”
Irinas Frage blieb in der Luft hängen. Wie oft hatten sie diese Frage schon diskutiert? Gesetzt den Fall, sie kamen wirklich vor dem ASTROMINC-Schiff an, was, wie sich jetzt herausstellte, wohl geschehen war, was sollten sie dann tun? Wie sollten sie ohne nähere Angaben die Erzvorkommen finden? Wie sollten sie diese schnell genug registrieren lassen, bevor das Stationsschiff dies tat? ASTROMINC-Schiffe registrierten die von ihnen gemachten Funde immer sofort rechtsgültig vor Ort, während freie Prospektoren zuerst zur Station zurückmussten, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Immer mehr kam ihnen ihre Aktion als das vor, was sie wohl auch war: blinde Verzweiflung. Vielleicht hätten sie sich damit abfinden sollen, um ihren Fund – in ihren Köpfen hatte sich diesbezüglich ein gewisses Rechtsverständnis etabliert – gebracht worden zu sein.
„Weiter scannen. Was bleibt uns anderes übrig? Jetzt aufzugeben, wäre das Falscheste, was wir tun könnten”, entgegnete Jarvis.
Der Scanner verzeichnete nichts Außergewöhnliches in der näheren Umgebung. Kartenmaterial dieses Gürtelabschnittes existierte noch nicht in detaillierter Form; hier waren noch nicht viele Schiffe gewesen. Es war tatsächlich sehr wahrscheinlich, dass hier draußen ein Fund gemacht worden war, der sich lohnte.
Drei Tage später, während der Ruheperiode, gab der Bordcomputer Annäherungsalarm. Irina und Jarvis sprangen aus ihren Kojen und prüften die Instrumente. Entgegen ihrer Erwartungen war jedoch von dem ASTROMINC-Schiff keine Spur zu entdecken. Stattdessen hing dort draußen ein Asteroid mit ungefähr einem Kilometer Durchmesser rund einhundert Kilometer von ihnen entfernt im All. Der Computer hatte ihn durch seine routinemäßigen Sensorchecks entdeckt. Annäherungsalarm hatte er gegeben, weil dieser Felsbrocken zwei Stunden vorher noch nicht an diesem Platz gewesen war.
„Flugbahn berechnet?”, fragte Irina den Computer. Dieser spuckte die gewünschten Daten auf dem Bildschirm aus.
„Das ist unmöglich, die Geschwindigkeit ist viel zu langsam. Er hätte auch vor zwei Stunden schon in unserem Scannerbereich sein müssen”, bemerkte Jarvis trocken. „Außerdem fliegt er von uns weg, er hätte vor zwei Stunden …, ja, sieh her.” Er deutete auf den Bildschirm. „Vor zwei Stunden hätte er uns viel näher sein müssen als jetzt! Entweder sind unsere Instrumente defekt, was ich nicht annehme, oder wir sollten das näher unter die Lupe nehmen.”
Der alte Prospektorengeist schien wieder zum Leben erweckt. Alle Sorgen um ASTROMINC waren vergessen. Langsam nahm das Schiff Fahrt auf und bewegte sich auf den Asteroiden zu.
Kurze Zeit später schrillte der Annäherungsalarm erneut durch die Kabine. Der Nahbereichsscanner machte weitere Materieteilchen aus, die sich dem Schiff gefährlich genähert hatten. Kleine Steine, nicht mehr als faustgroß, dafür aber für ein Raumschiff nicht weniger gefährlich.
„Wo kommen die plötzlich her?”, schrie Jarvis.
„Aus einem Winkel von rund zehn Grad bezogen auf unsere Flugebene. Fast identisch mit der Flugbahn des dicken Brockens da draußen”, entgegnete Irina. „Laut Scannerbericht waren sie vor zehn Minuten noch nicht da. Sie hätten aber ebenfalls schon lange erfasst werden müssen!” Sie sah ihren Partner bedeutungsvoll an. „Da wirft jemand mit Steinchen nach uns. Sollten wir uns nicht mal die Quelle ansehen?”
Ein Nicken war die Antwort. In einer lang gezogenen Kurve schwenkte das Prospektorenschiff auf die Flugbahn der Steine ein. Zwei Minuten später ertönte erneut der Annäherungsalarm. Ein kleiner Brocken mit vielleicht fünfzig Zentimeter Durchmesser kam ihnen frontal entgegen. Zum Ausweichen war es zu spät. Der Computer errechnete einen Einschlagpunkt knapp oberhalb der Antriebsaggregate des kleinen Schiffes.
Sekunden nach Ausgabe dieser Berechnung erschütterte ein Stoß das Schiff. Der Stein hatte die Außenwandung durchschlagen, auf seinem Weg durch das Schiff weitere Wände zerfetzt und war an der anderen Seite wieder ausgetreten, als ob die Schiffshülle aus Butter bestünde. Wie durch ein Wunder waren keinerlei lebenswichtige Einrichtungen beschädigt worden. Die Löcher in der Außenhülle konnten abgedichtet werden; lediglich der Verlust an Sauerstoff war … unschön. Wären sie auf einer normalen Mission gewesen, so hätten sie diese abgebrochen und wären zur ASTROMINC-Station zurückgekehrt.
Das Schiff war für die Dauer der Reparaturarbeiten auf Automatik geschaltet worden. Weitere Annäherungsalarmsignale waren nicht mehr zu verzeichnen gewesen. Als sich die beiden Prospektoren wieder ihren Instrumenten zuwenden konnten, erlebten sie eine Überraschung: der Computer konnte ihren Standpunkt nicht mehr bestimmen. Schnelle Untersuchungen ergaben, dass dies nicht auf Spätfolgen des Einschlags, sondern auf eine komplett veränderte Umgebung des Schiffes zurückzuführen war.
Die Scanner registrierten unverändert eine Vielzahl von Asteroiden um das Schiff herum, das war jedoch die einzige Übereinstimmung zur vorherigen Lage. Keiner der Asteroiden um sie herum entsprach in Größe, Geschwindigkeit oder Flugbahn den gespeicherten Daten. Das fiel allerdings gar nicht so sehr ins Gewicht, wie eine andere vom Computer verkündete Entdeckung: Zwei Sonnen beschienen dieses System, eine in ungefähr fünfzehn, die andere in etwa hundertdreißig Lichtminuten Abstand zu ihrer Position.
„Ich denke, wir können uns jetzt ausmalen, was Martin Ares und seiner Partnerin widerfahren ist”, brummte Irina trocken. „Hast du eine Idee, was hier geschehen ist?” Sie blickte auffordernd zu ihrem Partner, der zusammengesunken und schweißgebadet in seinem Sessel hockte.
„Nein”, ächzte er mit zittriger Stimme. „Ich denke jedoch, dass es sich für ASTROMINC lohnt, uns um diese Entdeckung zu bringen. Wir haben, scheint’s, den Weg zu den Sternen gefunden!”
„Es scheint tatsächlich so”, entgegnete Irina nachdenklich. „Wir sollten hier so viel wie möglich scannen und dann versuchen, den Weg zurück zu finden, möglichst unbeschädigt. Was angesichts der vielen kleinen Gesteinsbrocken hier nicht so einfach werden dürfte. Bisher haben wir unverschämtes Glück gehabt. Denk an Ares’ Schiff”, fügte sie nachdenklich an.
„Ja, machen wir uns an die Arbeit”, sagte Jarvis und wandte sich den Kontrollen zu.
Ihre Scanner waren nicht darauf vorbereitet, ein ganzes System zu untersuchen. Trotzdem konnten sie erstaunlich viele Einzelheiten herausfinden. Das Zweisonnensystem besaß anscheinend keine Planeten. Es wies vielmehr mehrere Asteroidenfelder auf. Vermutlich eine Folge der starken Gravitationskräfte der beiden Sonnen, die seit Urzeiten die Materie daran hinderten, sich zu Planeten zu verdichten.
An einem bestimmten Punkt innerhalb des Asteroidenfeldes, in dem sie sich befanden, konnten sie beobachten, wie ständig kleinere und größere Brocken Gestein verschwanden oder wie aus dem Nichts erschienen. An diesem Punkt waren auch sie in dieses System eingetreten. Irgendwie beruhigte es sie, dass der Sprungpunkt, wie sie ihn getauft hatten, so offensichtlich von seiner Existenz kundtat. Die Tür nach Hause war nicht vor ihrer Nase zugeschlagen worden.
Der Standardrasterscan kam langsam voran. Gut zwei Drittel des sie umgebenden Raumes waren, so gut es mit ihren beschränkten Möglichkeiten machbar war, abgetastet worden, als der Scanner ein Objekt erfasste, das überhaupt nicht ins vorgegebene Schema passte.
„Künstlich, eindeutig künstlich”, war Jarvis’ Antwort auf die unausgesprochene Frage seiner Kollegin. „Dieser Zylinder da draußen kann nicht natürlichen Ursprungs sein.”
„Wie weit ist das Ding entfernt?”, fragte Irina leise.
„Knapp außerhalb des Asteroidenfeldes, vielleicht zwei Flugtage bei normaler Beschleunigung”, entgegnete der Mann. „Sollen wir hin?”
Irina nickte. „Zuerst die Entdeckung des Sprungpunktes und jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Beweis für die Existenz nichtmenschlichen intelligenten Lebens. Wir müssen einfach hin!”
Zweieinhalb Tage später befand sich das Prospektorenschiff in unmittelbarer Nähe des rund fünfzig Meter langen und etwa zehn Meter durchmessenden Zylinders. Irina war in einen der Schlitten gestiegen und näherte sich vorsichtig dem eindeutig künstlichen Objekt. Aus der Nähe ließen sich mehrere Luken erkennen, von denen ein fluoreszierendes Licht ausging. Langsam glitt der Schlitten an eine der Luken heran, bis er nach und nach von der Leuchtbarriere verschluckt wurde. Jarvis beobachtete den Vorgang mit besorgter Miene.
Die Funkverbindung wurde zwar schwächer, riss jedoch nicht vollständig ab. Irinas Stimme klang seltsam ruhig, während sie sich langsam in das Innere des Zylinders vortastete und ständig ihre Beobachtungen weitergab. Ihren Schlitten hatte sie in der Schleuse – sie hatten beschlossen, den Raum hinter der Lichtschranke so zu nennen – stehen lassen.
„Niedrige Gänge, niedrige Räume. Schätze, die Erbauer hatten eine geringere Körpergröße als wir. Ich muss mich bücken, um hier durchzukommen.”
„Sei bloß vorsichtig”, bemerkte Jarvis, auf die Gefahr hin, sich einen Anpfiff seiner Gefährtin einzuhandeln, deren Nerven ohnehin blank lagen. Sie beachtete seine Bemerkung jedoch nicht und fuhr in ihren Schilderungen fort.
„Ich verlasse jetzt den Mittelgang und wende mich nach rechts, in einen kleinen Raum. Hier sind Computer aktiv. Auf Bildschirmen kann ich die unmittelbare Umgebung des Zylinders erkennen. Auch unser Schiff ist auf einem zu sehen. – Unter den Bildschirmen sind Bedienungselemente angebracht.”
Jarvis sog unvermittelt die Luft ein und wollte sich in den Funkverkehr einschalten, als Irina fortfuhr.