Terra sempervirens (Verfemung der Sterne 10) - Jens Fitscher - E-Book

Terra sempervirens (Verfemung der Sterne 10) E-Book

Jens Fitscher

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Beschreibung

Als Connar in der Krankenstation der KLONDIKE, nach dem aufgezwungenen ‚Distanzlosen Seelen-Transfer‘, wieder zu sich kommt, wird er mit persönlichen Problemen konfrontiert. Carolin, seine Frau, will zurück zur Erde in ihre alte Welt. Da sie sich im Moment noch im Jahre 2274 Erdzeitrechnung befindet, ist dies ein etwas aufwendiges Unterfangen. Aber auch Jet’ha, der junge Zisslies Krieger, tut kund, dass er seine eigenen Wege gehen möchte. Er will versuchen, seinen Stamm wiederzufinden. Carolin ist zurückgekehrt in das Jahr 2023. Das Wettrüsten der Nationen scheint wieder einmal seinen Höhepunkt zu erreichen. Terror in allen erdenklichen Formen überzieht die westliche Welt. Die alte Ordnung wird in Frage gestellt, als sich außerirdische Intelligenzen bemerkbar machen. Als Carolin Connar Zeuge eines terroristischen Überfalls wird, beginnt sie die Welt plötzlich mit anderen Augen zu sehen. Etwas nimmt mit ihrem Geist Kontakt auf, dass sie zunächst nicht begreift. Die Schöpferkraft des Planeten Erde hat beschlossen, sich bemerkbar zu machen und dem beginnenden Untergang entgegenzutreten. Sie beginnt damit, ihre Krieger zu rekrutieren.

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Seitenzahl: 285

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JENS FITSCHER

TERRA

SEMPERVIRENS

VERFEMUNG DER STERNE

BUCH 10

© 2022 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage

ISBN: 978-3-96674-379-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Leben heißt Veränderung. Leider haben wir dies nicht unter Kontrolle. Wir werden überrollt und müssen es akzeptieren. Gefühle, Liebe, Beziehung, Vertrauen sind Variable in einem ständig wechselten Lebensumfeld. Wir hecheln allem hinterher, ohne zu begreifen, dass es auch anders geht. Warum akzeptieren wir nicht das Unumgängliche als Teil des Lebens und freuen uns auf das vor uns liegende Neue?

Es bleibt uns jedenfalls nichts anders übrig. Es geschieht, was geschehen muss.  

Die Welt zwischen Himmel und Erde ist unendlich. Wir glauben zwar, alles zu sehen, alles wahrnehmen zu können und alles zu begreifen, aber das stimmt nicht. Der Mensch ist zu materialistisch eingestellt, um zu begreifen, dass es noch mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als das, was er mit seinen fünf irdischen Sinnen wahrzunehmen in der Lage ist.

Unsere Urahnen wussten mehr, als wir heute denken, es zu tun. Sie waren noch viel stärker verbunden nicht nur mit der Schöpfung, mit der Mutter Erde und der Weltenmacht.

Inhaltsverzeichnis:

Tarja und Zeno

Tarik Connar

Beziehungschaos

Der Weg ist das Ziel

Erde, 2023

Mars, 2274

Connars Ziel

Im Sternbild der Lyra

Vergangenheit

Terror

Unvollkommen

Die neue Verbundenheit

Gegenwart der Allmacht

UFO

Zwischen den Fronten

Eskalation der Gewalt

Botschafterin Carolin

Der Königsbussard

Mysterien der Welt

Steigende Verantwortung

Botschafter der ‘Schöpfung’

Welt am Abgrund

Außerirdische Präsenz

Phönix aus der Asche

Sein oder Nichtsein

Internalarm

Entführt

Eskalation der Gewalt

In den Händen der Separatisten

Die raue Wirklichkeit

Tarja und Zeno

„Was ist nur los mit dir, Zeno?“

Tarja blickte gereizt auf ihren Partner.

„Nichts, überhaupt nichts. Mir gehen bloß das Nichtstun und das Warten auf den Geist!“

Sie befanden sich in einer Schiffskabine auf der KLONDIKE. Zwei Wochen waren vergangen, seitdem Connar in ein mysteriöses Komma gefallen war. Selbst die hochentwickelte Medo-Positronik der Krankenstation konnte nichts tun, außer seinen Körper künstlich zu ernähren.

„Syeel wird morgen mit der SOWALLO zu seinem Heimatplaneten aufbrechen. Nachdem Altrea sich einigermaßen von der Umwandlung ihres Körpers erholt hat.“

„Ich weiß. Wir sind ihm eine Antwort schuldig. Sein Angebot, dass wir mit ihnen kommen können, steht immer noch.“

Zenos mürrischer Gesichtsausdruck war trotz der Stahlmimik seines künstlichen Schädels deutlich zu erkennen.

„Was soll ich machen? Ich kann jedenfalls Tarik nicht allein lassen. Nachdem alle, die von den VR-Strahlen betroffen waren, wieder erwacht sind, muss es doch einen Grund geben, warum er immer noch ohne Bewusstsein ist.“

„Ich denke, für ihn ist gut gesorgt. Carolin, seine Frau und Jet’ha wachen über ihn. Außerdem sind da ja noch seine Körper-Naniten, die sich ständig erneuern und ihn damit relativ unsterblich machen.“

Tarja versuchte einen gemeinsamen Nenner zu finden.

„Du kannst ihm nicht wirklich helfen. Die Krankenstation der KLONDIKE kümmert sich um seinen Körper. Tariks Geist wirst du nicht erreichen können und du hilfst niemanden damit, dass du tatenlos hier herumhängst und immer mürrischer wirst!“

„Ich glaube langsam auch, dass du recht hast!“ Zeno nickte ihr zu.

„Ich werde Syeel informieren, dass wir mit ihm kommen werden!“

„Moment, Moment, nicht so eilig. Ich muss zuvor noch etwas mit dir klären.“

Tarja ging langsam auf Zeno zu. Dieser blickte ihr etwas verblüfft entgegen.

„Wie geht es mit uns beiden weiter?“

Ihre Frage stand unvermittelt im Raum, als sie auch schon direkt vor ihm stand. Ihre künstlichen Augen fokussierten sich in die seine.

„Was meinst du?“ Zeno suchte ebenfalls ihren Blick.

„Weißt du noch, wie es war, als du mich so gut wie tot gefunden und meinen Körper zu meiner Rettung der Chron-Bastion zur Umwandlung übergeben hast?“

Zeno wusste nicht wirklich, auf was sie hinauswollte.

„Ja, ich glaube, das werde ich niemals vergessen!“

„Ich habe Syeel beobachtet. Die ganze Zeit über, auf der Suche nach Altrea, da gab es für ihn kein anderes Thema, als sie zu finden. Er wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben war, aber sein Glaube war unerschütterlich, dass er sie wiedersehen würde. Was hat er wohl gefühlt, als er ihren Körper, wie du damals mich, der Chron-Bastion zur Umwandlung übergeben musste, weil sie sonst ebenfalls gestorben wäre? Ist das wirkliche Liebe, über die körperlichen Bedürfnisse hinaus?“

Tarjas Blick hatte etwas Flehendes, als sie Zeno von untern herauf ansah.

Ihre Körpergröße war von der Chron-Bastion tatsächlich etwas kleiner gewählt worden, als es Zenos Körper entsprach.

Die Frage, ob dies dem Umstand gezollt war, dass sie ein weibliches Wesen ihrer Gattung darstellte, blieb wohl für immer unbeantwortet.

Als Zeno nicht sofort antwortete, legte sie vorsichtig beide Arme um seine Hüfte und zog ihn ganz nahe zu sich heran.

„Ich möchte meine eigenen Nanobot-Kolonien befehligen. Kannst du mir dabei helfen?“

Zeno wusste nicht, wie ihm geschah, als er ihre Handflächen an seinem Gesäß spürte.

Sie verweilten dort jedoch nur wenige Sekunden, dann wanderte zumindest Tarjas rechte Hand nach vorne. Ihre Augen fixierten dabei beständig seine Pupillen und als sie seinen Phallus ergriff, kam es bei ihm zu einer explosionsartigen Pupillenerweiterung.

„Zeno, ich möchte, dass es wieder so wird zwischen uns, wie damals, als wir beide von dem merkwürdigen Raumschiff WERSTLES entführt worden sind.“

„Du vermisst doch nicht Ul’f und seine Kumpanen!“ Zeno ließ vorsichtig seine Handflächen über ihre Schulter wandern.

„Doch, das tue ich irgendwie. Die Zeit damals war so anders. Ich denke oft an ihn, an Ara’k, Zeh’ltak und Fer’me ebenfalls. Ich glaube, ich vermisse mein altes Leben. Meinst du, wir können Syeel überzeugen, dass er mit uns zusammen nach meinem Heimatplaneten sucht?“

Zeno hörte nur noch mit einem Ohr ihren Worten zu. Seine Gefühle begannen Purzelbäume zu schlagen.

Konnte es tatsächlich sein, dass sein künstlicher Körper begann, Unmengen von Testosteron zu produzieren?

„Wir können es zumindest versuchen. Wir begleiten zunächst ihn und Altrea zu ihrem Heimatplaneten und danach werde ich ihn fragen.“

Zeno und Tarja standen sich in ihren Robotkörper vollständig nackt gegenüber. Die geschmeidige Metalllegierung imitierte fast zu perfekt menschliche Haut.

Seine Hände begannen ihre erigierten Brustspitzen zu streicheln, während sie sich mit seinem besten Stück beschäftigte, das sich ihr aufmunternd entgegenstreckte.

„Meinst du, es ist genügend Zeit verstrichen, dass dein Körper eine neue Nanobot-Kolonien hergestellt hat?“

Ihre rechte Hand strich zaghaft über seine Hoden.

„Lass es uns ausprobieren.“

Zeno zog sie zuerst noch näher zu sich heran, um sie dann ruckartig nach hinten auf das Bett zu stoßen. 

Tarik Connar

Ich war mehr als verwirrt! Wo war ich; was war geschehen. Der Ruf, richtig. Ich war in einem fremden Körper gefangen gewesen.

Ich musste mehrmals fest blinzeln, um die Blendung der grellen, weißen Lichtflut, die unvermittelt auf mich einstürzte, Einhalt zu gebieten, oder besser gesagt, sie erträglich werden zu lassen.

Es dauerte aber nur wenige Sekunden, und meine Körper-Naniten hatten das Problem erkannt und bereinigt. Links und rechts von mir fuhren die positronisch-mechanische Elemente zur Seite, welche mein Arme zuvor fast vollständig umschlossen hatten.

Soviel ich mich erinnerte, handelte es sich hierbei um die Vorrichtung einer künstlichen Ernährung. Sofort wurde ich hellhörig.

Ich erinnerte mich noch daran, dass ich vor dem Zentralschirm gestanden hatte und die Vernichtung des Schläfer-Baus darauf mitverfolgte. Dann sah ich Carolin, die etwas versetzt neben mir stand, unvermittelt zu Boden sinken. Dann war nichts mehr.

Natürlich war mir sofort klar, dass wir den VR-Strahlen zum Opfer gefallen waren.

Ich sinnierte noch vor mich hin, wie lange ich wohl im Schlaf gefangen gewesen war, als das Schott sich öffnete.

Meine Frau Carolin, gefolgt von Jet’ha, dem junge Zisslies Krieger, trat ein.

„Tarik, endlich! Wir dachten schon, du würdest überhaupt nicht mehr aufwachen!“

Carolin kam direkt auf mich zu, blieb dann jedoch am Fußteil des Bettes stehen.

„Die VR-Strahlen, richtig? Wie ist es euch denn ergangen?“ Meine Gegenfrage schien sie kurz zu irritieren. Jet’ha antwortete dafür sofort.

„Mein Strahlenabsorber hat vorzüglich funktioniert. Ich habe von alledem nichts gespürt, im Gegenteil zu ihr. Sie hat ihren von der Chron-Bastion übergebenen Absorber leider nicht am Körper getragen und ist ebenfalls in eine Traumphase gefallen. Aber nicht so lange, wie du!“

„Plaudertasche!“

Ich überhörte Carolins Einwurf.

„Wie lange war ich den ohne Bewusstsein?“

Ich war mir schon klar, dass es sich nicht um eine normale Traumphase, ausgelöst durch die VR-Strahlung, gehandelt hatte. Dafür waren die Erlebnisse zu plastisch gewesen, ganz anders, als ich es aus vorherigen Träumen gewöhnt war.

„Fasst sechseinhalb Wochen liegst du hier“, platzte es aus Carolin heraus.

„Du kannst dir denken, dass wir uns ernste Sorgen gemacht haben. Auch wenn die digitale Überwachung deiner Körperfunktionen keine unmittelbare Gefahrenquelle erkennen konnte, war es schon beunruhigend und kruselig.“

Das letzte Wort sprach sie sehr leise.

„Die Medo-Positronik hat klar erkannt, dass deine Körper-Naniten ohne Komplikationen arbeiten und dein Leben nicht gefährdet war. Es musste lediglich eine künstliche Ernährung eingeleitet werden“, ergänzte Jet’ha.

Langsam wurde mein Kopf immer klarer. Sechseinhalb Wochen waren eine sehr lange Zeit. Irgendetwas war schiefgelaufen, das konnte ich mit jeder Faser meines Körpers spüren.

Das war kein normaler VR-Traum gewesen.

Mit einem beherzten Sprung stand ich vor dem Bett.

Carolin schnappte nach Luft, als sie mich so nackt plötzlich vor sich stehen sah.

Das hätte wohl kein normaler Mensch geschafft, dessen Muskulatur sich nach über sechs Wochen im Bett stark reduziert hatte. Außerdem würde auch der Kreislauf dies nicht mitmachen.

Ich bemerkte leider zu spät, dass ich damit Carolins Argwohn mir gegenüber nur noch mehr schürte.

Meine Körpern-Naniten waren eben Meister in speziellen Situationen. Sie hatten meinen Körper während meiner geistigen Abwesenheit sehr gut gepflegt und fit gehalten.

Ich ging schnell an ihr vorbei an den hinter ihr befindlichen Wandschrank, indem sich Bordmonturen verschiedener Größen befanden.

Jet’ha und Carolin schauten mir beim Ankleiden zu und ich war mir nicht sicher, wer von beiden dabei trübsinniger aussah.

„Was ist los mit euch?“

„Du hast gut reden. Wir stehen uns hier die Beine in den Leib, Woche um Woche und warten darauf, dass du endlich aufwachst!“

Carolins schaute mich mit finstere Miene an.

„Warum habt ihr nicht mit Hilfe der Medo-Positronik versucht, mich aufzuwecken?“

„Tarik, jetzt gehst du aber zu weit. Glaubst du wirklich, wir hätten irgendwelche Gehirnschädigungen bei dir in Kauf genommen, nur um nicht noch länger warten zu müssen?“

Auch Jet’ha schien regelrecht angespannt zu sein.

Das kannte ich bisher nicht an ihm. Die lange Zeit des Wartens schien an beiden nicht ganz spurlos vorbeigegangen zu sein.

Natürlich konnte ich mir vorstellen, dass es nicht ganz einfach gewesen war, tagein, tagaus nichts tun zu können und nur auf ein bestimmtes Ereignis zu warten. Aber ist konnte auch nichts dafür, dass es mich so schwer erwischt hatte.

„Was machen denn überhaupt Zeno und Tarja?“

Ich wollte sie mit dieser Frage erst einmal ablenken, traf aber wohl wieder genau ins Schwarze.

„Die haben es richtig gemacht. Sind vor etwa vier Wochen einfach mit diesem Syeel und seiner Partnerin davongeflogen. Wir erfuhren erst davon, als sie sich über Funk von der SOWALLO aus gemeldet haben.“

Carolin blickte kurz Jet’ha an, als erwarte sie von ihm Schützenhilfe.

Dieser schwieg jedoch ostentativ.

„Was ist überhaupt genau passiert? Ich glaube noch gesehen zu haben, dass die SOWALLON mit energetische Kampfgeschosse auf den Schläfer-Bau feuerte. Dann tat sich bereits der Planetenboden auf und ganze Magmaschübe schossen heraus und tauchten alle sin ein blutrotes Meer. Danach erinnere ich mich an nichts mehr.“

Meine Frage galt Jet’ha. „Der VR-Verstärker ist explodiert und eine hohe Restmenge an VR-Strahlen hat die Weiten des Sternhaufens MAMMALIA überflutet. Das hat die Chron-Bastion TILMUN eindeutig anmessen können. Da du nicht durch einen Strahlenabsorber geschützt wurdest, hat es dich natürlich voll erwischt.“   

Ich blickte ihn durchdringend an. Natürlich konnte das nicht die Erklärung dafür sein, dass ich so lange in einem komaähnlichen Zustand verbracht hatte.

Meine Gedanken kreisten um das im Traum erlebte. War es wirklich nur ein Traumgewesen?

Jet’ha und Carolin würden mir dies nicht beantworten können.

Wenn es jemand konnte, dann wohl nur die Chron-Bastion TILMUN. Sie war ein Hightech-Produkt und analysierte die VR-Strahlung bereits seit ihrer Entstehung.

„Ich muss dringend hinunter zur Chron-Bastion, um etwa zu klären.“

Carolin schaute mich verblüfft an.

„Was ist?“

Ich vernahm ihre Stimme nur noch am Rande, da ich bereits die Krankenstation durch das sich wieder hinter mir schließende Schott verlassen hatte. Ich hatte es plötzlich sehr eilig.

Ich flog tatsächlich TILMUN mit einem Beiboot der KLONDIKE an, anstatt mit dem Distanzlosen Schritt ohne Umwege direkt dorthin zu gelangen.

Vielleicht hatte mich mein Unterbewusstsein gelenkt und mir dadurch etwas mehr Zeit gegeben, um über das Erlebte zunächst nachzudenken.

Marlon hieß der junge Mann, in dessen Körper ich die letzten Wochen anscheinend verbracht hatte.

Wie war es nur dazu gekommen? An die VR-Strahlen als alleinige Verursacher konnte ich nicht glauben.

Zumindest hätte dann auch Carolin derart betroffen sein müssen, was wohl nicht der Fall war.

Als ich die Chron-Bastion betrat, beschlich mich ein eigenartiges Gefühl. Es war wie Gänsehaut, nur etwas anders.

Merkwürdigerweise schwieg mein Bauch. Kam dieses Gefühl womöglich von den Körper-Naniten? Ich war kurz stehengeblieben, als sich auch schon die quasi Intelligenz TILMUN meldete.

„Ich grüße dich, Commander Tarik Connar. Wie kann ich dir behilflich sein?“

Ich ging langsam weiter, während ich antwortete.

„Es gibt tatsächlich ein merkwürdiges Ereignis, das womöglich mit den VR-Strahlen in Verbindung steht, und dass ich mit dir besprechen möchte.“ „Sollte ein Bio-Scan benötigt werden, folge dem Wegweiser.“

Direkt vor mir erschien eine holografische, gelb leuchtenden Raute mitten in der Luft. Sie begann sich vor mir her zu bewegen und bog dann nach wenigen Metern in den sich kreuzenden Gang rechts ab.

Ich folgte ihr automatisch, obwohl ich noch überlegte, wieso TILMUN überhaupt von sich aus einen Bio-Scan vorgeschlagen hatte, obwohl die Chron-Bastion von mir noch keine Details mitgeteilt bekommen hatte.

Natürlich widersetzte ich mich nicht. Schließlich musste ich wissen, was dieser Quasitraum in einem fremden Körper zu bedeuten hatte.

Wenn den VR-Strahlen wirklich direkt oder indirekt etwas damit zu tun hatten, dann würden die Hightech Maschinen der Chron-Bastion es bestimmt herausfinden.

Zumindest, wenn es noch Spuren an mir gab. Das wichtigste Organ des Scans war mein Gehirn.

Die dicht um den Kopf sitzenden, Hauben förmige Apparatur gab ein leises Brummen von sich, mehr bemerkte ich nicht.

Ich lag inmitten eines vollkommen Weiß gehalten, quadratischen Raum auf einer Flex-Liege, umgeben von allerlei autonom agierenden Maschinen.

Irgendwie erinnerte es mich an Zenos Erzählung von der Umwandlung seines Körpers.

Nach einer gefühlten Stunde klappte endlich die Haube zurück, und die posidronisch-hadronischen Maschinen fielen wieder in ihren Ruhezustand.

Ich erhob mich.

Es war gespenstig ruhig im Raum.

Wenn ich jetzt erwartet hatte, dass sich TILMUN meldete, dann lag ich daneben.

Ich saß etwas verloren auf der Liege, ließ meine Beine baumeln und sah mit fragenden Blick hinauf zur Decke, wo ich die Sprechgitter der Chron-Bastion vermutete.

Wieso machte sie es so spannend?

Ich hatte ja bisher noch überhaupt keine Details berichtet. Endlich, nach einer weiteren gefühlten Stunde meldete sich TILMUN.

„Ein fehlender Algorithmus hat in der Abfolge aller Handlungen innerhalb der Problemlösung zu einem Bug geführt. Dies ist bisher noch niemals geschehen. Meine ganze Aufmerksamkeit wurde benötigt, um einen Lösungsweg zu finden. Bitte entschuldige die dadurch entstandene Zeitdifferenz.“

Ich verstand nicht wirklich.

„Welche Problemlösung? Du hast doch lediglich an mir einen Bio-Scan durchgeführt!“

„Commander Connar, es ist nicht einfach, deine Körpermatrix zu verstehen, aber umso schwieriger ist es dein zunächst durch die Ellio’sh veränderte Gehirnstruktur zu erfassen. Diese ist mittlerweile mutiert, was wohl an dem Einfluss deiner Körper-Naniten liegt. Eine genauso Analyse ist in Bearbeitung. Die parapsychisch mutierten Sektoren blocken sich dermaßen ab, dass ein Zugang zu tieferen Regionen nicht mehr möglich ist. Umso wichtiger ist es, eine systemanalytische Wahrscheinlichkeitsanalyse zu erstellen, welche wiederum an der Art der Gehirnumstrukturierung scheitert. Die Problematik der VR-Strahlen ist hierbei zweitrangig, da ihre Struktur und Wirkungsweise eindeutig bekannt sind.“

„Da beißt sich der Hund in den Schwanz“, dachte ich laut.

„Commander, bitte Aussage verifizieren. Unlogische Sachzusammenhänge können nicht verarbeitet werden.“

Ich musste grinsen. „Vergiss meine letzte Bemerkung. Ich erzähle dir jetzt ein Erlebnis, das ich hatte, als mich die VR-Strahlen erwischten. Vielleicht kannst du trotzdem etwas dazu beitragen, was mir weiterhilft.“

Ich begann über meinen sogenannten Quasitraum zu berichten.

Es war tatsächlich dabei nicht einfach, so objektiv wie möglich zu bleiben. Immer wieder rückten meine Gefühle und Eindrücke in den Vordergrund.

Wohl auch deswegen unterbrach mich die Chron-Bastion immer wieder, um Fragen zu stellen. Besonders der Beginn und das Ende meiner sogenannten Echttraumerfahrung stand auffallend oft im Interesse der Nachfragen.

„Es gibt, wie bereits mitgeteilt, einen unbekannten Faktor, welcher deine Gehirnanomalien betrifft. Bereits das über einer normalen parapsychischen Fähigkeit hinausgehende Vermögen des ‚Distanzlosen Schritts‘ zeigt, dass hier Kräfte in Gehirnregionen aktiv sind, die keinen der bekannten Naturgesetzten unterworfen sind. Eine Analyse ist nahezu unmöglich. Eine Hypothese könnte jedoch sein, dass du durch die VR-Strahlung einer Modifizierung unterzogen wurdest. Dies könnte bewirkt haben, dass anstatt des Distanzlosen Schritts ein Distanzloser Seelen-Transfer stattgefunden hat. Eine qualifizierte Erklärung kann jedoch in diesem Stadium und zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben werden.“

Die Aussage der Chron-Bastion deckte sich in etwa mit meinen eigenen Überlegungen.

Es blieb mir im Augenblick wohl nichts anderes übrig, als dies so zu akzeptieren.

Jedenfalls musste ich mich zunächst damit abfinden.

Beziehungschaos

„Du bist nicht der Nabel der Welt!“

Carolin stampfte wütend mit dem rechten Bein auf. Was meinte sie jetzt damit schon wieder?

Ich wollte eigentlich nur objektiv mit ihr reden.

Aber irgendwie schien sie mit ihren Gedanken weit weg zu sein, oder sie hatte sich in irgendein Hirngespinst verrannt.

„Können wir mal vernünftig miteinander reden?“

„Das sagst gerade du!“

Sie stampfte mit beiden Füßen kurz auf, wie ein kleines Mädchen, das seinen Willen nicht bekam.

Wir waren allein in unserer Kabine. Jet’ha hatte ich seit meinem Aufwachen nicht mehr gesehen, Ich glaubte sogar, er ging uns aus dem Weg.

„Was willst du?“ Meine Frage ließ ihre Gesichtsfarbe rot werden.

„Du hast nichts verstanden, richtig. Überhaupt nichts.“

Ich stand vor ihr, wie ein begossener Pudel, der sich tatsächlich keiner Schuld bewusst war. So zornig kannte ich Carolin nicht.

Als ich mich ihr nähern wollte, machte sie hektisch einen Schritt zurück.

„Komm mir bloß nicht zu nah und fass mich nicht an. Du bist nicht mehr der Tarik, den ich geheiratet habe. Du bist eine Ansammlung von außerirdischen Zellen!“

„Das war es also“, dachte ich mit zunehmenden Unbehagen.

Das war das Ende unserer Beziehung. Schon merkwürdig, wie schnell so etwas geschah.

Dabei war der Auslöser ein Geschenk von Aruru, das mir Unsterblichkeit verlieh. Damals war es ein Geschenk, jetzt ein Unglück.

Wie sollte man sich da verhalten?

Meine Überlegungen überstürzten sich und meine Gedanken schlugen Purzelbäume.

Merkwürdigerweise hatte sich mein Bauchgefühl bisher nicht gemeldet. Normalerweise bekam ich in Gefahrensituationen immer rechtzeitig ein entsprechendes Feedback in Form von schmerzhaften Stichen. Dem war bisher nicht so.

Carolins extreme Abneigung gegen alles Nichtmenschliche schien mein Bauchgefühl nicht als Gefahr für mich zu erkennen. Meine Seele war ihm wohl dabei vollkommen gleichgültig.

„Was soll ich tun?“

„Das weiß ich nicht. Jedenfalls kann ich mit dir so nicht mehr zusammenlaben. Am liebsten würde ich zurück zur Erde und mein Leben neugestalten!“

„Dein Leben auf der Erde liegt 252 Jahre zurück, vergiss das nicht“, konnte ich mir die anzügliche Äußerung nicht verkneifen.

Die Retourkutsche kam sofort: „Genau! Du hast mich entführt und eine Rückkehr in mein altes Leben unmöglich gemacht. Du Alien, du!“

Erste Tränen kullerten aus ihren rot unterlaufenen Augen und als ich sie reflexartig in den Arm nehmen wollte, stieß sie mich grob zurück.

Es ging tatsächlich nicht nur um meine Gefühle, das wurde mir jetzt klar. Sie spielte mir nichts vor.

Ich musste einlenken, auch wenn ich mir selbst und meinen Gefühlen damit keinen Gefallen tat.

„Wir finden einen Ausweg. Tut mir leid, dass es so gekommen ist.“

Mehr wusste ich in diesem Moment nicht zu sagen. Sie blickte mich unvermittelt mit großen, traurigen Augen an.

„Wie meinst du das?“

„Ganz einfach, wir fliegen zurück zur Erde und wir schicken dich in der Zeitkammer des Tohikum Pangae zurück ins Jahr 2022 beziehungsweise 2023. 2022 wäre zu gefährlich, da es hier ungewollt noch zu einem Zeitparadoxon kommen könnte. Und glaube mir, davon habe ich genug.“

„Das geht so einfach?“

„Warum sollte es nicht gehen? Natürlich könnte es sein, dass das Tohikum Pangae irgendwelche Einwände hat, aber ich bin schließlich der Vermächtnisnehmer der Ellio’sh und vom Tohikum anerkannt. Das kriegen wir schon hin!“

„Tut mir leid, Tarik, aber ich kann nicht anders!“

Carolin blickte zu Boden und schniefte herzzerreißend.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Ich möchte einfach nur zurück in meine Welt.“

Ich konnte in diesem Moment wieder nicht anders und ging auf sie zu, um sie erneut in den Arm zu nehmen und diesmal ließ sie es sogar zu.

„Glaube mir, hätte ich deine Aversion gegen alles außerirdische von Anfang an gewusst, wäre wohl alles ganz anders gekommen.“

Sie blickte mich mit großen Augen an, während ich zart über ihre Wangen strich.

„Tarik, ich habe dich so vermisst. Glaub mir das. Aber …“

Ihre Augenlieder begannen zu flackern und ich konnte nicht anders, als sie zu küssen. Sie erwiderte tatsächlich den Kuss, obwohl ich erwartet hatte, dass sie mir eine Ohrfeige geben würde.

In mir begann ein Wettstreit der Gefühle. Mir wurde gleichzeitig warm und kalt.

Ich fühlte ihren warmen Körper in meinen Armen, spürte plötzlich, dass sie sich wie eine Ertrinkende an mich klammerte.

Der Reisverschluss ihrer Bordmontur begann sich wie von Zauberhand langsam zu öffnen.

Ich weiß nicht, was in diesem Moment in uns beiden vorging. Jedenfalls fanden wir uns in einer unheimlichen Schnelligkeit nackt auf dem Bett wieder.

Es war wie ein Rausch, der uns von Höhepunkt zu Höhepunkt trieb.

Wir sprachen die ganze Zeit kein Word, ließen uns nur treiben.

Als wir dann völlig entspannt nebeneinanderlagen, wusste ich zunächst nicht, wie ich mich ihr gegenüber weiter verhalten sollte. Sie machte es mir einfach, als sie unvermittelt aufstand, sich auf die Bettkannte setzte und begann, sich schweigend anzuziehen.

Ich beobachtete sie ein Zeitlang, ebenfalls ohne ein Wort zu sagen. In der Kabine herrschte Dämmerlicht.

Ich wartete, bis sie sich vollständig angezogen hatte, dann stellte ich die Frage: „Willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen?“

Die Kabinenpositronik hatte die Lichtverhältnisse dem Geschehen angepasst.

Ich konnte jede kleinste Falte erkennen, die ihre nachdenklichen Gesichtszüge durchzogen.

Sie blickte mir kurz, aber sehr intensiv in die Augen.

„Nein!“

Die Antwort ließ mich kurz zusammenzucken.

Bevor ich darauf reagieren konnte, hatte sie sich bereits umgedreht und ging auf das Kabinenschott zu.

Ich schaute noch lange auf das sich hinter ihr schließende Schott und wusste ihr Verhalten jetzt erst recht nicht mehr einzuordnen. Es war alles nur noch schlimmer geworden.       

Der Weg ist das Ziel

Jet’ha hatte lange nachgedacht. Jetzt stand für ihn fest, dass er nicht mehr länger Connar folgen wollte. Er würde sich aufmachen, um nach seinem Volk zu suchen.

Es war eine Art Sehnsucht in ihm erwacht, die er momentan noch nicht so richtig verstand.

Allen Anschein nach vermisste er immer mehr die Gegenwart von Artgleichen.

„Wie alt bist du, Jet’ha?“

Diese einfach gestellte Frage von Carolin hatte ihn besonders melancholisch gemacht, obwohl solche Gefühlsregungen bei seinem Volk normalerweise nicht vorkamen.

Nun, die Antwort auf dieses einfache Frage wusste er nicht. Bei dem animalischen Volk der Zisslies gab es so etwas wie ‚Geburtstage‘ nicht.

Man zählte auch nicht die Planetenumläufe nach einer Geburt. Warum auch? Er war ein Krieger und bereit, zu kämpfen und sterben. So, wie er geboren wurde, würde er auch eines Tages wieder gehen.

„Was ist mit dem anderen Geschlecht? Es gibt doch auch bei deinem Volk Männer und Frauen, oder ist das nicht so?“

Die zweite Frage von Carolin ließ in unvermittelt stark transpirieren.

Dieses Verhalten seines Körpers kannte er ebenso wenig, wie er zunächst in der Lage, war, darauf zu antworten. Überhaupt gefiel ihm das von Connars Frau angesprochene Thema überhaupt nicht.

Ihm wurde regelrecht übel, wenn er nur an eine weibliche Zisslies dachte.

Dann, nur wenige Minuten später, begann sein Körper regelrecht zu brennen und ein unbändiges Verlangen durchdrang sein Bewusstsein; ein Verlangen nach körperliche Nähe.

Jet’ha stöhnte kurz auf und knurrte Carolin zornig an.

„Es ziemt sich nicht, darüber zu sprechen!“

Er wandte sich abrupt von ihr ab und ging mit schnellem Gang auf das Zentralschott zu, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.

Fast wäre er mit Connar zusammengestoßen, als dieser von der anderen Seite fast gleichzeitig durch das sich öffnende Schott trat.

„Tarik, ich muss mit dir sprechen, dringend!“

Connar blieb stehen und schaute ihn verblüfft an. Jet’has Stimme klang sehr ernst.

„Alles in Ordnung mit Dir? Um was geht es?“

„Nicht hier. Lass uns in die Kantine gehen. Mit vollem Magen lässt es sich besser reden. Außerdem habe ich Hunger!“

Er warf einen raschen Blick in Richtung Carolin und ging dann durch das noch offenstehende Zentralschott.

Connar folgte ihm mit einem jetzt doch mulmigem Gefühl in der Magengegend.

„Es ist frustrierend“, Jet’ha stopfte sich ein großes Stück Synthetik Fleisch in den Mund, während er zu sprechen begann.

Connar saß ihm gegenüber und versuchte seine Worte trotz des vollen Mundes und des Kauens noch zu verstehen.

„Das Leben im Allgemeinen und mein jetziges Dasein füllt mich nicht mehr aus. Ich werde etwas ändern müssen!“

Jet’ha zerfetzte mit einem Ruck das riesige Stück Fleisch in seinen Klauen, während sein Blick in weiter Ferne gerichtet zu sein schien.

Connar schaute seinen Freund vom animalischen Volk der Zisslies nachdenklich an. Ihn beschlich eine böse Vorahnung.

„Tarik, ich habe eine große Bitte an dich. Die KLONDIKE verfügt über einige überlichtfähigen Raumboote. Wäre es im Sinne unserer Freundschaft zu viel verlangt, wenn du mir eines dieser Boote für unbestimmte Zeit zur Verfügung stellen könntest?“

Jetzt war die Katze aus dem Sack. Connar verstand jedoch noch immer nicht ganz, was sein tatsächliches Bestreben war.

„Warum nehmen wir nicht die KLONDIKE? Sag mir, was du vorhast und ich bin dabei!“

Jet’ha stellte abrupt das Kauen ein und schniefte lautstark durch seine Nüstern.

„Tarik, du hast mich anscheinend immer noch nicht verstanden.“

Er würgte den letzten Fleischbrocken unzerkaut hinunter und spülte mit einem halben Liter Wasser hinterher.

„Ich bitte dich um ein Raumboot, weil ich mich allein auf den Pfad des Kriegers begeben möchte. Unsere Wege werden sich trennen, auf die eine oder andere Weise!“

Connar blickte ihn ungläubig an. Hatte sich jetzt die ganze Welt gegen ihn verschworen?

„Du bis dir ganz sicher, dass du das tun willst?“

„Ja!“ Es war nur ein einziges Wort, aber es bedeutete so viel.

Es bedeutete eine weitere Trennung für Connar.

„O.K. Dann soll es so sein! Was ist mit dem Raumboot. Ich glaube nicht, dass es über einen weitreichenden Überlichtantrieb verfügt. Aber das können wir leicht feststellen.“

Er blickte kurz zur Decke. Das Schiffsgehirn der KLONDIKE war fast von überall zu erreichen.

„KLONDIKE, verfügen die an Bord befindlichen Raumboote über einen Überlichtantrieb und wenn ja, mit welcher Reichweite.“

„Sämtliche zwölf Raumboote verfügen über ein Kurzstrecken-Überlicht-Triebwerk. Dieses erlaubt einen Überlichtetappenflug von 1.125 Lichtstunden mit einer Gesamtlaufleistung von 50 Lichtjahren. Danach ist eine Überholung wichtiger Bauteile notwendig.“

Jet’ha hatte aufgehört zu kauen. Er schien überrascht.

„Das hätte ich jetzt nicht gedacht!“

„Ich denke, das wird für deine Zwecke nicht ausreichend sein.“

Er blickte mich nachdenklich an und erwiderte nach einer gedanklichen Pause: „Ja, damit hast du recht!“

Jet’ha Stimmung sank gegen null, das bemerkte ich an seiner ganzen Körperhaltung. Wie konnte ich ihm nur helfen?

Unvermittelt schoss ein Gedanke kurz durch meinen Kopf.

„Vielleicht kann TILMUN hier behilflich sein“, sprach ich laut aus.

„Wie meinst du das?“

„Die Chron-Bastion verfügt über eine Technologie, welche es eigentlich ermöglichen müsste, den Antrieb eines Raumboots entsprechend zu modifizieren, sodass sich eine größere Triebwerksreichweite ergibt.“

Jet’ha sprang spontan von seinem Platz auf.

„Richtig. Waren die Ellio’sh nicht auch am Bau der Chron-Bastion beteiligt gewesen? Ich meine, etwas in dieser Richtung vernommen zu haben.“ 

Wir waren mit einem der fünf vorhandenen Beiboot der KLONDIKE, die über ein eigenes Schiffsgehirn verfügten, gestartet und flogen soeben in einen der Hangar der Chron-Bastion TILMUN ein. Sämtliche Abläufe waren automatisiert.

Das Raumboot drehte sich vor dem Aufsetzen wie majestätisch wieder in Flugrichtung zum Ausflugschott.

Jet’ha stand bereits am Ausgangsschott, während ich mich gerade von meinem Sitzplatz erhob.

Er schien es nicht abwarten zu können, mit der Chron-Bastion zu sprechen.

Da TILMUN im gesamten Stationsbereich allgegenwärtig war, brauchten wir natürlich nicht erst die Zentrale aufzusuchen, um mit dem Stationsgehirn zu sprechen.

Bereits direkt nachdem wir das Raumboot verlassen hatten und sich das Schleusenschott hinter uns schloss, stellte ich die entscheidende Frage: „TILMUN, hast du die technologischen Möglichkeiten, aus einem Kurzstrecken-Überlicht-Triebwerk ein Langstrecken-Überlicht-Triebwerk zu machen?“

Wir waren auf dem Weg zur Zentrale kurz stehengeblieben, als ich die Frage stellte.

Jet’ha und ich blickten gespannt zur Decke, dorthin, wo wir zumindest ein Sprachgitter des hadronischen Stationsgehirns vermuteten.

Die Antwortlich ließ nicht lange auf sich warten. „Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer Modifikation. Jedoch sind die Art und Herkunft des Triebwerks, sowie sein technologischer Entwicklungsstand von maßgeblicher Bedeutung.“

Jet’ha wurde zusehend nervöser.

„Kannst du das Raumboot, mit dem wir gekommen sind, diesbezüglich checken lassen!“

„Kannst du das bitte sofort erledigen. Das Schiff wird dringend benötigt“, ergänzte Jet’ha hastig.

„Kein Problem. Eine mobile Tec-Einheit ist bereits unterwegs“, ertönte es aus einem der unsichtbar verbauten Sprachgitter.

„Nur die Ruhe, das wird schon!“

„Du hast gut reden. Ein Umbau wäre jetzt wohl die einzige Möglichkeit, um an ein überlichtschnelles Raumschiff zu kommen. Ich muss aber unbedingt mein Volk aufsuchen, allein. Das kannst du nicht verstehen.“

Jet’ha und Connar waren langsam weitergegangen, während die interne Kommunikation zwischen dem Bordgehirn des Raumboots und der Chron-Bastion auf Hochtouren lief.

TILMUN fragte sämtliche zur Verfügung stehende Daten ab.

Gleichzeitig trat der Tec-Spezialist im Maschinenraum des kleinen Schiffs in Tätigkeit.

Die Triebwerkaggregate hatten lediglich eine Gesamtlaufleistung von 50 Lichtjahren.

Inwieweit dies geändert werden konnte, hing nicht nur an dem Knowhow der hiesigen Station und der maschinellen Umsetzung des Umbaus, sondern auch an der Verfügbarkeit der benötigten Bauteile.

Jet’ha’s Gedanken kreisten genau um diesen Umstand und je länger nun die Wartezeit sich streckte, umso mutloser wurde er.

Es war wohl doch nur eine absurde Idee von Tarik gewesen, mehr nicht.

Er saß zusammen mit Connar in einem der vielen leerstehenden Gemeinschaftsräumen.

Connar kommunizierte gerade über sein Logcom mit der KLONDIKE oder mit seiner Frau.

Wenn er Connars wechselnden Gesichtsausdruck richtig deutete, wohl eher mit seiner noch Frau. Natürlich hatte er die Spannungen und den Unfrieden zwischen den beiden mitbekommen.

Er verstand zwar nicht ganz, um was es im Endeffekt wirklich ging, aber sie befanden sich in einer sehr tiefen Krise, das war nicht zu übersehen.

Konnte er ihn jetzt überhaupt alleinlassen? Vielleicht war es Schicksal, dass sein Vorhaben nicht umzusetzen war.

„Was soll ich denn noch tun? Du bist ganz schön ungerecht, weißt du das!“

Connar war unvermittelt aufgesprungen und schritt mehrmals durch den Raum, bis er wieder auf ihren Tisch zukam. Seine Augen funkelten wütend, als er sich wieder setzte. Jet’ha beobachtete ihn beunruhigt.

„Commander, Inspektion der Triebwerksaggregate abgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass ausschließlich Ellio’sh Technologie verbaut wurde, besteht die Möglichkeit, die Laufleistung entsprechend zu modifizieren. Die so gewonnenen Kapazitäten würden sich auf insgesamt 102.950 Lichtjahre summieren. Danach ist eine Generalüberholung notwendig. Es ist nicht möglich, das Überlicht-Triebwerk im Ganzen auf eine unbegrenzte Laufleistung zu bringen, da es sich in der Bauform lediglich um ein Kurzstrecken Überlichtaggregat handelt.“

Jet’ha hatte, während der Durchsage, die Luft angehalten.

Connar blickte ihn gespannt an.

„Reichen die 102.950 Lichtjahre?“

Der Zisslies Krieger atmete lautstark ein.

„Sie müssen reichen. Ich habe keine andere Wahl.“

Connar fackelte nicht lange.

„TILMUN, veranlasse bitte sofort alles Notwendige und beginne mit der Modifikation.“

Die Stunde der Trennung war gekommen. Ich stand Jet’ha gegenüber und wusste nicht, was ich sagen sollte.

Ihm ging es wohl ähnlich, denn er rülpste mehrmals lautstark vor sich hin.

Wir befanden uns in der kleinen Steuerzentrale des Raumboots, das nunmehr mit dem modifizierten Antrieb über eine Überlichtreichweite von fast 103.000 Lichtjahren verfügte.

Damit konnte er unsere Galaxie einmal ganz durchfliegen, wenn er es gewollt hätte. 

Das lag aber nicht in seinem Sinn. Sein Bestreben war zu seinem Volk zurückzukehren, was ich gut nachvollziehen konnte.

„Tarik, es muss sein. Aber wir werden uns eines Tages bestimmt wiedersehen. Das Schicksal lässt gute Freunde nicht allein!“

Ich lauschte seinen Worten nach und nickte.

„Ich wünsche dir eine gute Fahrt und dass du deine Sehnsucht zu stillen vermagst. Aber vergiss nicht, das Raumboot ist nur geliehen. Ich will es eines Tages zurückhaben.“

Natürlich wusste er, wie ich es meinte und gab ein lautes Gaggern von sich, das Äquivalent eines menschlichen Lachens.

„Keine Angst. Wie sagt ihr Menschen doch so schön, ‚Kraut vergeht nicht‘!“

Erde, 2023

Das Sonnensystem der Erde im Jahre 2274 war stark frequentiert und ebenso stark abgesichert.

Die terranische Militär-Raumflotte nahm ihre Hoheitsrechte als Exekutivorgan innerhalb des Solaren Systems sehr genau.

Jedes einfliegende sowie ausfliegende Raumschiff wurde genau registriert.

Als die KLONDIKE hinter dem sechsten Planeten des Sonnensystems die Überlichtphase verlies, wurde der Verband von drei überschweren Kampfkreuzer der terrestrischen Raumflotte in nur 300.000 Kilometern Entfernung sofort geortet.

Das Ellio’sh-Schiff hatte sich aber bereits zuvor in ein Anti-Ortungsfeld gehüllt sowie den Tarnkappen-Modus aktiviert. Somit war es nicht nur ortungstechnisch, sondern ebenfalls visuell nicht auszumachen.

Trotzdem hielt Connar kurz den Atem an, als er die drei Kampfschiffe auf dem Zentralschirm sah.

„Können unsere Ortungsstrahlen von den Schiffen nicht erfasst werden?“

Carolins Frage war nicht ganz unberechtigt.

„Die Ortung erfolgt unter Nutzung des sogenannten Tarn-Streu-Effektes. Das Volk der Ellio’sh hat eine Technik entwickelt, welche in der Lage war, die kosmische Strahlung, also die hochenergetische Teilchenstrahlung, die von der Sonne, der Milchstraße und fernen Galaxien kommt, zu erfassen, zu bündeln und wie ein Trojaner nutzbar zu machen. Unsere Ortung wird dadurch vollkommen überlagert und ist für den Gegner nicht mehr zu erkennen.“

Die Erklärung des Schiffgehirns war auch für Connar neu.

Die KLONDIKE trieb mit jetzt mäßiger Fahrt unter den Ringen des Saturns hindurch auf die noch in weiter Ferne befindliche Erde zu.

Ein Pop-up an der rechten, unteren Seite des Zentralschirms wies in kurzen Lettern und Zahlen eingehende Ortungsmeldungen aus.

Die Ringdicke, bedingt durch den Flug des Schiffs und die immer neu auftreffenden Ortungsstrahlen, änderte sich ständig, wurde anfangs mit 2,542 Metern angegeben und jetzt mit 111,25 Metern.

Die Ortung ergab, dass die Saturnringe überwiegend aus Bruchstücken von Wassereis bestanden, die unterschiedlich stark mit andersfarbigen Beimengungen wie Silikatmineralen oder organischen Molekülen verunreinigt waren.

Fast der gesamte Hintergrund des Zentralschirms wurde von einer hellbraune Planetenkugel eingenommen, welche jetzt langsam nach links auszuwandern begann, als die KLONDIKE jetzt wieder beschleunigte.

Connar nahm nur noch am Rand einige statistische Daten war: Mittlere Abstand zur Sonne: 9,55 Astronomische Einheiten; Exzentrizität: 0,06; Umlaufdauer: 10756 Tage; Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik: 2,5 Grad; Durchmesser: 12540 Kilometer; Achsenneigung: 26,7 Grad; Rotationsperiode: 10 Stunden 39.

Er verfolgte die langsam wieder zunehmende Fahrt des Schiffs schweigsam auf dem Zentralschirm.

Als Carolin die Zentrale betrat, war der Saturn bereits wieder vom Zentralschirm verschwunden.

Sie hatte sich seit dem Abflug aus dem SOSEMT System in ihrer Kabine aufgehalten.

Wie weit ist es noch?“ Sie stellte die Frage noch bevor sie Connar erreicht hatte.

„Du kannst es wohl überhaupt nicht abwarten. Die KLONDIKE muss vorsichtig agieren. Im Vergleich zu deiner Zeit ist im Jahre 2274, in dem wir uns ja befinden, ein reger Schiffsverkehr innerhalb des Sol-Systems zu verzeichnen. Da wir unter Tarnung fliegen, ist es gar nicht so einfach, unbemerkt die doch stark frequentierte Erde zu erreichen.“

Er schaute zu Carolin und seine Miene verfinsterte sich kurz, als er ihren freudig erregten Blick bemerkte.

Ihre Augen blitzten regelrecht vor Erwartung und anscheinend war auch Vorfreude dabei; so sehr wünschte sie sich in ihr altes Leben zurück.

Connar spürte einen Stich in der linken Körperseite. Diesmal war es nicht sein sogenanntes Bauchgefühl, es war sein Herzmuskel, der sich verkrampfte.

Er würde sie vermissen, das zweite Mal, obwohl sie noch gar nicht gegangen war.

Unvermittelt wurde am unteren, rechten Rand des Zentralschirms ein Pop-up Fenster sichtbar.

„Entfernung zum Zielplanet: 1.221.096.000 Kilometer“, war dort zu lesen. Auch Carolin hatte es sofort gesehen.

„Noch über eine Million Kilometer. Wie lange ist das in Stunden?“

„Kommt auf die Geschwindigkeit an, mit der wir uns bewegen. Das Licht würde dafür, zum Beispiel, etwa eine Stunde benötigen. Wir dagegen brauchen wohl etwas länger!“

Ich grinste sie ungeniert an.

„Willst du mich veralbern?“ Ihre Miene wurde übergangslos ernst.

„Würde ich doch nie tun!“

Ich schritt unbewusst auf sie zu und sie reagierte sofort.

„Fass mich bloß nicht an“, kam es explosionsartig aus ihrem Mund.

Gleichzeitig wich sie meinen ausgestreckten Arme mit einer schnellen Linksdrehung ihres Oberkörpers aus.

Ich stand unvermittelt wie ein begossener Pudel vor ihr.

„Unsere Fahrt beträgt zurzeit etwa 50.000 Kilometer/Sekunde. Wir müssen jedoch weiter die Geschwindigkeit reduzieren, da der Schiffsverkehr zunimmt, je näher wir der Erde kommen. Ich schätze, dass wir in gut 7 Stunden dort sind!“

Sie machte ein erstauntes Gesicht.

„Ich dachte wirklich, es würde noch Tage dauern. Aber umso besser.“

„Ich hoffe nur, wir erreichen unbemerkt die Anden. Die KLONDIKE muss nämlich das dortige TOHIKUM über unsere Ankunft per Funk informieren. Der Funkspruch ist zwar verschlüsselt, aber er könnte abgehört werden.“

Ich hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da fauchte sie mich an: „Schwarzseher! Immer nur das Negative annehmen. So warst du schon immer!“

Mit einem Ruck drehte sie sich um und ging auf das Schott zu.

„Ruf mich, sobald wir gelandet sind!“

Dann hatte sie die Zentrale verlassen. Ich verstand die Welt nichtmehr. Was war nur los mit ihr?

Allein, dass meine Körperzellen aus Naniten bestanden, konnte es doch nicht sein. Sie hatte sich urplötzlich in eine vollkommen fremde Frau verwandelt.  

Das Ellio’sh Raumschiff erreichte nach genau 6 Stunden und 45 Minuten die Erde und schwenkte in eine Orbitalbahn über den südamerikanischen Anden ein, während es einen kurzer Funkspruch an das TOHIKUM PANGAE sendete.

Es waren keine drei Monate vergangen, seitdem sie von hier gestartet waren.

Es erfolgte kein Leitimpuls, das hätte ortungstechnisch eine zu hohe Gefahr der Entdeckung mit sich gebracht.

Außerdem war der KLONDIKE der genaue Standort des Einflugschachtes bekannt.

Das TOHIKUM PANGAE lag gut versteckt über eintausend Meter tief im Felsgestein der Anden und war bisher noch von keiner Nation der Erde entdeckt worden. Das sollte nach der Grundsatzprogrammierung des Ellio’sh Bauwerks auch so bleiben.