Terra-Utopia-Magazin Nr. 3 - Hermann Schladt - kostenlos E-Book

Terra-Utopia-Magazin Nr. 3 E-Book

Hermann Schladt

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Beschreibung

In dieser Folge: Science-Fiction-Gedichte von Andreas Haider Story: Fruchtgewässer von Daniel Huster Leseprobe: Das Zeitalter von Telomer von Carola Kickers und Jürgen Roshop Artikel: Iapetus von Gerhard Fritsch Story: Spritztour ins All von Christiane Kromp Rezensionen, Neuvorstellungen, Ausschreibung

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Hermann Schladt

Terra-Utopia-Magazin Nr. 3

Juli / August 2015

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Liebe Leserinnen und Leser,

 

hier haben Sie nun die dritte Ausgabe des Terra Utopia Magazin vor sich.

Die beiden ersten Ausgaben waren sozusagen >Versuchsballons<, mit denen wir testen wollten, ob ein solches Magazin in eBook-Form überhaupt von den Leserinnen und Lesern angenommen wird.

Erstellt wurden diese beiden Magazine aus Material, welches in den Schubladen der Redaktion schlummerte, sowie mit Neuvorstellungen und Rezensionen von eBooks ausschließlich aus unserem Verlag.

Trotzdem wurden beide Magazine sehr gut angenommen. Deshalb haben wir uns entschlossen, das Terra Utopia Magazin ab sofort regelmäßig alle zwei Monate herauszubringen.

Um Ihnen mit jeder neuen Ausgabe neue, interessante und qualitativ gute Beiträge liefern zu können, haben wir in den letzten Wochen den Kreis unserer Mitarbeiter erweitert. Auf unseren Aufruf haben sich zahlreiche Autorinnen und Autoren gemeldet und Beiträge eingeschickt. Eine erste Auswahl hiervon können Sie schon in dieser Ausgabe des Terra Utopia Magazins lesen.

 

Aber wir sind auch weiterhin auf der Suche nach Mitarbeitern, nach Artikeln, Rezensionen und Storys.

 

Wenn auch Sie mitmachen wollen, melden Sie sich bitte per Mail an

 

[email protected]

 

oder senden Ihren Beitrag direkt an diese Maiadresse.

 

Viel Spaß beim Lesen dieses Magazins.

 

Armin Bappert

 

Redaktion TU-Magazin

 

____________________________________________________

 

Impressum

 

Das Terra Utopia Magazin erscheint 6 x im Jahr und steht bei allen wichtigen eBook-Shops kostenlos zum Download bereit.

 

Verlag:

vss-verlag Hermann Schladt

Walter-Hesselbach-Str. 89

60389 Frankfurt am Main

 

Mail: [email protected]

STORY – Fruchtgewässer von Daniel Huster

 

Kannst du bitte herkommen? Irgendetwas stimmt nicht. Musste mich heute Morgen übergeben. Ruf wenigstens in der Pause kurz an. Hdl. L.

 

Der kleine Bildschirm wurde dunkel, noch bevor er eine Antwort tippen konnte. Seit zwei Tagen spielte der Akku verrückt. Wäre er bloß bei seinem alten Handy geblieben. Diese verdammten Smartphones waren nichts für ihn. Es dauerte, bis sein Daumen den richtigen Knopf gefunden hatte.

 

Kann jetzt nicht, sorry. Wir haben noch einen Transport. Die alte Lady. Danach ruf ich an. Warst du schon beim Arzt?

 

Marc drückte auf senden und steckte das Gerät zurück in die Hosentasche. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, kniff die Augen zusammen und versuchte, seine stechenden Kopfschmerzen zu ignorieren. Seit dem Aufstehen kamen sie immer wieder in Schüben zurück, zerrten die Welt um ihn herum in einen rot pulsierenden Schleier. Er atmete tief ein und lehnte den Kopf an das kühlende Seitenfenster des Wagens. Draußen schoben sich die Häuser vorbei; aufgereiht wie wartende Särge. Eins nach dem anderen. Eins wie das andere. Ein Meer aus Einheit und Verfall. Es war nicht die beste Gegend und diese niemals endende Wand aus tristen, grauen Fassaden zog sie schon fast zwanzig Minuten wie an einer Angelschnur quer durch die Stadt. Vor ihnen stauten sich die Autos. In einem Schwarm aus Altmetall krochen sie durch die Gassen und wichen kaum den Menschen aus, die ohne auf sie zu achten die Straßen überquerten. Marc schaute sie an. Gesichter, die er nicht kannte. Männer, Frauen, Kinder. Sie alle eilten an seinem Fenster vorbei und verschwanden für immer aus seinem Leben; zurück in die Tiefen, aus denen sie gekommen waren.

Schließlich bog der Krankentransporter rechts in eine Seitenstraße ein, quetschte sich zwischen schräg geparkten Wagen hindurch und blieb mit quietschender Federung vor einem mit Graffiti besprühten Reihenhaus stehen. Marc blickte in die Wolken hinauf. Wie riesige Wale zogen sie unbekümmert ihrer Wege.

„Was ist heut nur mit dir los, Mann? Stress mit deiner Alten?“

Die Stimme kam vom Fahrersitz, und Marc sah zu ihr auf. Julian, der sich selbst nur Jules nannte, war ein riesiger Kerl mit unrasiertem Kinn. Stets ein dämliches Grinsen im Gesicht und eine Zigarette hinterm Ohr.

„Es ist nichts“, antwortete Marc und schenkte ihm ein müdes Lächeln. „Hab nicht viel geschlafen, das ist alles.“

Dass er außerdem seine Freundin geschwängert haben könnte, behielt er vorerst lieber für sich. In der letzten Nacht hatte er sich mit Laura schon lange genug darüber unterhalten müssen, und wenn seine Mutter davon erfuhr, stand ihm sicher noch eine längere Diskussion ins Haus. Noch etwas, an das man besser nicht mehr dachte.

Er löste den Anschnallgurt und öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. Die kühle Herbstluft vertrieb den Schleier aus seinem Schädel, ließ ihn aufatmen und seine Sorgen für einen Moment vergessen. Das Haus vor ihm, ein Altbau mit bräunlich abbröckelndem Putz, ließ Marc jedes Mal an ein übergroßes Alien denken, das ihn aus toten Augen heraus anstarrte und sich langsam zu ihm hinunter beugte. Als wollte es ihn verschlingen. Er schüttelte den Kopf.

Jules kam um den Wagen herum. In der Hand trug er den silbernen Arztkoffer. Mit der orangefarbenen Warnkleidung sah er fast vertrauenswürdig aus, aber Marc wusste es besser. Wäre es seine Entscheidung gewesen, hätte sich Jules niemals hinter das Steuer eines Krankenwagens gesetzt. Auch wenn es nur einfache Transporte waren, die sie heute fahren durften.

„Gehst du, oder muss ich wieder den Samariter spielen?“, fragte Jules, griff hinter sein Ohr und zündete sich die Zigarette an.

„Ich gehe schon“, sagte Marc. „Wenn sie wieder Tee aufgesetzt hat, bring ich dir ein paar Kekse mit.“

Jules grinste, zeigte ihm den Mittelfinger und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Seite des Transporters. Leichte Rauchschwaden zogen in die wabernde Stadtluft davon.

Die alte Lady war ein Pflegefall. Schon seit über drei Jahren, soweit Marc es wusste. Sie hatte ihren Krebs zwar besiegt, konnte aber trotzdem kaum noch laufen und musste zweimal in der Woche in die Klinik. An guten Tagen war sie freundlich, machte manchmal sogar Waffeln und erzählte ununterbrochen von ihrer Tochter, die mit einem reichen Anwalt zusammen in Berlin lebte. An schlechten Tagen sagte sie meist gar nichts, stützte sich nur auf ihren Stock, klammerte sich schweigend an Marcs Unterarm und folgte ihm das Treppenhaus hinunter. Und heute war ein schlechter Tag. Das war ihm schon beim Aufstehen bewusst geworden.

Die Wohnungstür stand offen. Eine weiße Perserkatze saß auf der Schwelle und blickte Marc aus ihrem plattgedrückten Gesicht an. Sie war viel zu fett und maulte, als er an ihr vorbei ging, ohne etwas Fressbares fallen zu lassen. Der Kater war bestimmt schon seit fünf Minuten nicht mehr gefüttert worden, dachte Marc. Er musste halb verhungert sein.

Die Luft im Flur war stickig, und dieser eigentümliche Geruch von zwanzig Jahre alten Seifenstücken legte sich schwer auf seine Lunge. Er durchmischte sich mit dem Dunst angebrochener Medizinfläschchen, kaltem Schweiß und Kölnischwasser. Marc folgte dem schmalen Korridor und genoss die Stille, die ihn hier wie zum Schutz vor dem täglichen Lärm in eine sanfte Illusion des Friedens hüllte. Es war wie in einem Aquarium, dachte er. Draußen raste die Zeit; hier drin verschwamm sie gemächlich im Nichts.

Er blieb in der Küchentür stehen. Eigentlich war es nur ein Rahmen, denn das Türblatt fehlte völlig. Die alte Lady saß auf einem knarrenden Stuhl und starrte aus dem Fenster. Von hinten wirkte sie dürr wie eine Puppe aus Draht. Ihre Hände ruhten auf den wackligen Lehnen. In einer Pfanne auf dem Herd lag eine einsame Forelle und wartete darauf, gebraten zu werden. Die Platte war nicht eingeschaltet. Langsam aber stetig tropfte Wasser in den Ausguss.

„Wie geht es Ihnen heute?“, fragte Marc mit leiser Stimme und machte einen Schritt in den Raum hinein. Die Fliesen an den Wänden waren teilweise gesprungen; die auf dem Boden dazu noch schmutzig und verklebt. Ein Foto der Tochter hing schief an einer Pinnwand.

Ich hoffe, es geht dir gut, Mutter. Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr.

Selbstverständlich, dachte Marc. Und sicher brachten sie Blumen mit. Er hörte die Katze, die jetzt schnurrend vor dem Kühlschrank lag. Sie hatte sich vorbei geschlichen und fixierte ihn mit stechenden Augen. Kleine, schwarze Kugeln inmitten von dichtem, weißem Fell. Mit dem Schwanz malte sie Achten in die muffig stinkende Küchenluft.

Marc räusperte sich. Die Lady hatte schlechte Ohren.

„Wie geht es Ihnen, Frau…“

Als er ihr Gesicht sah, verschluckte er sich fast an seiner eigenen Stimme. Wieder kniff er die Augen zusammen, um den Kopf freizukriegen. Diesmal funktionierte es nicht. Stattdessen bohrte sich ein stechender Schwindel tief in sein Gehirn.