The Ark - Die letzte Reise der Menschheit - Patrick S. Tomlinson - E-Book
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The Ark - Die letzte Reise der Menschheit E-Book

Patrick S. Tomlinson

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Beschreibung

Die Einsätze sind hoch in Patrick S. Tomlinsons faszinierendem Science Fiction-Debüt - denn die Arche ist die letzte Hoffnung der Menschheit. Nachdem die Erde zerstört wurde, sind die letzten 50.000 Menschen auf einem gewaltigen Raumschiff, der "Arche" unterwegs zum nächsten bewohnbaren Planeten. Beinahe hundert Jahre hat die Reise bereits gedauert, erst die jetzige Generation von Bewohnern soll die Ankunft erleben. Das Leben an Bord ist streng reglementiert, jeder Bewohner ist über ein Implantat jederzeit zu orten. Dennoch verschwindet der brillante junge Wissenschaftler Edmond Laraby spurlos – und wird kurz darauf tot aufgefunden. "Selbstmord", heißt es von offizieller Stelle, doch Detective Bryan Benson hegt Zweifel: Was hat es mit den Aufnahmen von Tau Ceti auf sich, die Laraby ausgewertet hat? Und wie hängt eine Geheimorganisation, deren Mitglieder sich durch Vortäuschen des eigenen Todes der Überwachung entzogen haben, in der Sache mit drin? "Wenn Sie einen Mix aus hervorragender Science Fiction und Action-Thriller suchen, dem eine Prise Mystery beigemengt wurde, dann lesen Sie dieses Buch!" SF & F Reviews

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Seitenzahl: 486

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Patrick S. Tomlinson

The Ark – Die letzte Reise der Menschheit

Roman

Aus dem Englischen von Markus Mäurer

Knaur e-books

Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

WidmungKapitel einsKapitel zweiKapitel dreiKapitel vierKapitel fünfKapitel sechsKapitel siebenKapitel achtKapitel neunKapitel zehnKapitel elfKapitel zwölfKapitel dreizehnKapitel vierzehnKapitel fünfzehnKapitel sechzehnKapitel siebzehnKapitel achtzehnKapitel neunzehnKapitel zwanzigKapitel einundzwanzigKapitel zweiundzwanzigKapitel dreiundzwanzigKapitel vierundzwanzigKapitel fünfundzwanzigKapitel sechsundzwanzigKapitel siebenundzwanzigKapitel achtundzwanzigKapitel neunundzwanzigKapitel dreißigDanksagungen
[home]

Dieser Roman ist Annabelle gewidmet, in der Hoffnung, dass auch sie ihren Weg nach Hause findet.

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Kapitel eins

Der Anruf kam kurz vor dem Anstoß des vierten Spiels in der letzten je gespielten Meisterschaftssaison von Zero.

Bryan Benson nahm den Anruf entgegen – nicht, dass er eine andere Wahl gehabt hätte. Über sein Implantat hatte die Besatzung administrativen Zugang und hätte die Verbindung auch öffnen können, ohne es vorher klingeln zu lassen. Aber die gütigen Autokraten hatten über Generationen gelernt, dass sich kleine Zugeständnisse auf lange Sicht auszahlten.

»Hoffentlich ist es wichtig.«

»Tut mir leid, Detective. Störe ich?« Es war die Stimme des Ersten Offiziers Chao Feng oder zumindest die, die er für Plantatgespräche nutzte. Normalerweise erkannte man den Unterschied zwischen der Plantatstimme einer Person und ihrer echten nur am leichten Unterschied zwischen dem Klang im Kopf und dem für die Umwelt. Doch das traf nicht auf den Unterschied zwischen dem hohen Säuseln seiner wirklichen Stimme und dem Bariton zu, den Benson nun hörte.

Detective Benson lehnte sich zurück und verschränkte in der Gewissheit die Arme, dass mindestens eine Stadionkamera zusah. »Sie wissen, dass Sie stören. Nur noch zehn Sekunden bis zum Anstoß.«

»Ja, ich weiß. Aber Ihre geliebten Mustangs haben bereits ein fünftes Spiel erzwungen.«

»So spricht ein wahrer Zerofan.«

»Auch Fans haben noch einen Job, Detective. Deshalb rufe ich auch an. Wir haben hier etwas, das umgehend Ihre Aufmerksamkeit erfordert.«

»Nämlich?«

»Ein Besatzungsmitglied wird vermisst.«

Benson hoffte, dass die Kameras mitbekamen, wie er die Augen verdrehte; die notwendige Auflösung dafür besaßen sie auf jeden Fall. »Ich bin kein Techniker, schlage aber vor, dass Sie sein Plantat neu starten und seine Position orten. Fall abgeschlossen.«

Die Mannschaften schwebten auf ihre Positionen an den hinteren Wänden der Büchse, während die Kapitäne in letzter Sekunde noch kleine Veränderungen in der Aufstellung vornahmen. Die Torhüter scherten aus, um den Weg für die Pfeile auf der anderen Seite der Ringe frei zu machen. Die Zuschauer grölten in Erwartung des Anpfiffes, während Benson die neue, erst seit einer Saison bestehende Regenschirmaufstellung der Mustangs prüfte. Das war eine kühne Art, das Spiel zu beginnen, aber Mannschaftskapitän Sahni war kein Idiot. Sein Team spielte explosiv, hatte aber Schwierigkeiten, die Leistung dauerhaft beizubehalten. Die Punkte auf der Anzeigetafel mussten gleich am Anfang schrumpfen. Denn bei Zero wurde nicht gezählt wie bei den Sportarten auf der alten Erde. Jede Mannschaft begann mit vierzig Punkten auf der Anzeige; wer zuerst Zero Punkte erreichte, hatte gewonnen.

Lau, der Kapitän der Yaoguias, setzte auf eine konservativere Aufstellung, die man »Die große Mauer« nannte und die ihren Namen zu Recht trug. Sie machte jedem Flieger das Leben zur Hölle, der versuchte, die drei gestaffelten Fünfer-, Vierer- und wieder Fünferketten zu durchdringen. Aber mit der Flügelspanne eines Albatros und genug Durchhaltevermögen, auf Teufel komm raus einen Vorteil zu erringen, stellten diese verdammten Kenianer in den Ecken ein echtes Problem dar. Wie es dieser kleinen Gemeinschaft gelungen war, Inzuchtmerkmale in den letzten zehn Generationen zu vermeiden, war Gegenstand einer hitzigen Debatte unter den Zerofans.

»Detective? Können Sie mich hören?«

Gespräche mit anderen Menschen auszublenden war eine Sache, aber Stimmen im eigenen Kopf zu ignorieren war noch wesentlich schwieriger. Nach fünfzehn Jahren im Dienst, in denen er es mit häuslichen Streitigkeiten, Gesprächsverstößen und gelegentlich sogar echten Verbrechen zu tun gehabt hatte, hatte Benson gelernt, seinen inneren Monolog zu »blockieren«.

»Tut mir leid, Feng, sie stellen sich für den Anpfiff auf.«

»Verstehe. Ich wollte Sie bei Ihrem Sportgenuss natürlich nicht mit etwas so Trivialem wie dem Schicksal eines Menschen belästigen.«

Benson knirschte mit den Zähnen, als die Pfeife des Schiedsrichters ertönte. Die Pfeile flogen auf den Ball zu, der in der Mitte der Büchse schwebte.

»Wiederholen Sie das.« Es gelang Benson, den Mann am anderen Ende der Plantatverbindung nicht zu verfluchen – das hatte er sich ebenfalls antrainieren müssen.

»Ich sagte, wir haben bereits versucht, sein Plantat neu zu starten, sonst hätte ich Sie nie gestört. Wir erhielten keine Antwort auf unser Signal. Er ist vom Radar verschwunden.«

Das erregte Bryans Aufmerksamkeit. Man konnte sein Implantat nicht einfach abschalten. Es handelte sich dabei um ein neuronales Netzwerk, das die Oberfläche des Frontallappens wie ein dünner Film oder Plastikfolie bedeckte, den höheren Gehirnfunktionen lauschte und eine Verbindung zum Schiffsnetzwerk aufrechterhielt. Angetrieben wurde es wie der drahtlose organische Empfänger von den bioelektrischen Impulsen des Gehirns.

»Wie ist sein Name?«

»Edmond.«

»Edmond …« Benson wartete.

»Laraby«, antwortete Feng nach einer Pause. »Edmond Laraby. Ich schicke Ihnen gerade seine Akte rüber. Kurzfassung: Er arbeitet in den Biolaboren. Direktorin da Silva braucht ihn dringend wieder an seinen Messbechern.«

Larabys Name sagte ihm nichts. Aber da Silva leitete die Bioforschung bereits seit fünfzehn Jahren; eine mächtige Frau, mit der man es sich nicht verscherzen sollte.

»Wie lange wird er schon vermisst?«

»Wir haben die Verbindung zu seinem Plantat gestern Abend um 21 Uhr 36 verloren.«

Benson seufzte. »Das ist fast zwanzig Stunden her. Warum rufen Sie mich erst jetzt an?«

Die Leitung blieb still. Benson erhaschte einen Blick auf das Spiel. Vasquez, der Pfeil der Mustangs, erreichte den Ball zuerst, wie sie es die gesamte Saison schon verlässlich getan hatte. Sie schnappte ihn sich und passte ihn zurück zu Lindqvist, ihrem neuen starken Stürmer, aber dann rannte die Regenschirmformation der Mustangs direkt gegen die große Mauer und richtete ungefähr so viel Schaden an, wie man es von einem Stück gespannten Stoffs erwarten konnte, das gegen mehrere tausend Kilometer Mauerwerk prallte.

Commander Feng meldete sich wieder. »Der Alarm für den Signalausfall war kaputt. Man bemerkte sein Fehlen erst, als er nicht zur Arbeit erschien.«

»Ist ’ne Menge kaputt in letzter Zeit.«

»Tja, unsere alte Dame wird bald zweihundertdreißig Jahre alt. Jedenfalls hat Direktorin da Silva versucht, ihn zu kontaktieren, dann uns informiert, und ich habe Sie angerufen.«

»Schon gut, ich hab’s kapiert. Niemand hat Schuld.« Oder trägt die Verantwortung, dachte Benson. Schon witzig, wie oft das passiert. »Ich würde am liebsten so schnell wie möglich loslegen.«

»Damit Sie den Fall vor dem morgigen Anstoß abschließen können?«

»Das ist der Plan.« Benson lehnte sich zurück und sah zu, wie die Yaoguia den Ball auf wundersame Weise aus Lindqvists festem Griff stahlen und ihn dann für einen Fünf-Punkte-Abpraller in Richtung hinterer Wand sausen ließen. Bensons Magen zog sich zusammen, als der Ball für die ersten Punkte des Spiels abprallte, aber der Werfer hatte den Winkel falsch eingeschätzt, und der Ball landete direkt in den Handschuhen des Torhüters.

Gott sei Dank.

»Detective?«

»Ja?«

»Wie Sie schon betonten, ist Zeit von größter Bedeutung, wenn Sie Mr Laraby vor unserer Ankunft bei Tau Ceti finden wollen. Es ist sehr wichtig, dass er wieder an die Arbeit geht. In den Biolaboren herrscht ohnehin schon großer Stress.«

Das war die höfliche Schweber-Ausdrucksweise für »Erledigen Sie Ihren verdammten Job«. Benson verzog das Gesicht, während er seinen Sitzgurt löste. »Alles klar, Benson. Ende.« Er unterbrach die Verbindung, sah sich in der Skybox nach den anderen Mitgliedern der Zeromeistermannschaft der Mustangs von Zwei-Achtzehn-P.E. um und schenkte ihnen ein entschuldigendes Schulterzucken, bevor er zum Ausgang glitt.

Detective Benson schwebte durch die Schleuse, die das Stadion von seinem Heimatmodul Avalon trennte, und drückte auf den Knopf für den Aufzug. Dann rief er die diensthabende Beamtin, Lieutenant Theresa Alexopoulos, an.

Sie öffnete die Verbindung. »Wenn du von deiner schicken Loge aus anrufst, um dich dafür zu entschuldigen, mich während des Spiels für den Dienst eingeteilt zu haben – vergiss es.«

Benson grinste. »Wir sitzen jetzt im selben Boot, Esa. Habe einen Fall zu bearbeiten, eine vermisste Person.«

»Eine was?«

»Du weißt schon, eine Person, die man nicht finden kann.«

Er hörte praktisch durch die Plantatverbindung, wie sie die Augen verdrehte. »Ich weiß, was eine vermisste Person ist, Bryan. Aber wie es dazu überhaupt kommen kann, will mir nicht so recht in den Kopf.«

»Sein Plantat ist ausgefallen, und er ist nicht zur Arbeit erschienen. So ist es dazu gekommen.«

»Ein verrückter Hutmacher?«

»Das ist meine Vermutung. Ich schicke dir gerade die Akte. Gib eine Fahndung raus und lass die Gesichtserkennung über die Aufnahmen der Transitkameras und Schleusen ab gestern 21 Uhr laufen.«

»Zu Befehl, Captain.«

Benson schmunzelte. Diese Anrede war ein alter Insiderwitz zwischen ihnen. Im Polizeidienst der Arche gab es keine Captains. Der höchste Rang, den man bei der Polizei erreichen konnte, war der eines Chief Constables – ein Titel, den sich Benson mit Bahadur drüben im Shangri-La-Modul teilte. Der Captain war ein Überbleibsel aus der Zeit, als er die Mustangs zu ihrer ersten Meisterschaft seit dreiundzwanzig Jahren geführt hatte.

Die Aufzugstür öffnete sich und spuckte ein Dutzend verspäteter und leicht berauschter Zerofans in Mustang-Trikots mit riesigen Käsehüten aus Schaum aus. Niemand konnte sich erinnern, woher diese Tradition kam, aber sie war den Mustangfans – von denen niemand je richtigen Käse gegessen hatte – ebenso heilig wie das Feuerwerk in der Halbzeit den Yaoguiafans. Die Umwelttechniker hassten die Yaoguiafans.

Je näher die Drehung rückte, desto häufiger kam es zu Fällen von Trunkenheit in der Öffentlichkeit. Das machte die Besatzung nervös, aber Benson hatte seine Constables angewiesen, ein Auge zuzudrücken. Die Menschheit hatte in den letzten dreihundert Jahren genug durchgemacht, seit das Schwarze Loch namens Nibiru am Rande des Sonnensystems aufgetaucht war, und in genau zwei Wochen stand eine weitere fundamentale Änderung bevor. Es waren aufregende, stressige Zeiten. Ein Vollrausch mit schwarzgebranntem Schnaps gehörte noch zu den eher harmlosen Verarbeitungsstrategien.

Die Gruppe grüßte ihn wie an einem Spieltag üblich mit Jubelgeschrei und schlecht gezieltem Abklatschen. Benson nahm ihren Enthusiasmus gnädig entgegen und schüttelte jedem einzeln die Hand, während sein Plantat ihr Profil in der rechten Ecke seines Blickfeldes aufblitzen ließ und prüfte, ob einer von ihnen noch ausstehende Strafzahlungen hatte oder sich mit Sozialstunden im Verzug befand.

Sie stellten sich alle als sauber heraus. Es half, das Image des Sportidols aufrechtzuerhalten, wenn es daranging, die unangenehmen Fragen zu stellen. Tatsächlich vermutete er, dass man ihm vor allem deswegen eine Stelle bei der Polizei angeboten hatte, als er den Zerosport an den Nagel gehängt hatte.

Benson schwebte in den leeren Aufzug. Die Kabine, die mit Ausnahme einer flachen Bodenplatte rund war, schloss sich behutsam um ihn herum. Immer noch schwerelos orientierte er sich und schob die Füße in die dafür vorgesehenen Schlaufen. Die Rückseite des Aufzugs bestand aus einer durchgehenden Glaskuppel, die den Passagieren einen Ausblick über das gesamte Modul bot, gegen dessen Herrlichkeit Benson schon lange immun war. Ungerührt drückte er den Knopf für Speiche 15 und wartete. Die Kabine rotierte, bis sie sich auf den richtigen Schienen befand, und fuhr nach unten.

Im Inneren einer Röhre, in der nur die Zentripetalkraft für Gravitation sorgte, war »unten« ein relativer Begriff. Benson spürte, wie sein Gewicht auf seine Fußsohlen drückte, zunächst nur leicht, aber dann zunehmend stärker.

Licht strömte durch Kabinenfenster herein. Eine Säule erstreckte sich wie eine Achse sowohl über die gesamte Länge des Avalon-Moduls als auch durch Shangri-La, Avalons Zwilling auf der anderen Seite des Stadions. Unzählige Lampen waren über die komplette Säule verteilt und tauchten das komplette Habitat für zwölf Stunden in künstliches Tageslicht, ehe man sie abschaltete und den Strom zum gleichen Zweck zur Säule von Shangri-La umleitete. Jeden Tag arbeiteten zwanzig Leute daran, die ausgebrannten Birnen auszutauschen.

Die Lichter von Avalon leuchteten für fünfundzwanzigtausend Menschen. Seine kubischen, erdfarbenen Gebäude, die schlangengrünen Parks, die gitterförmigen Hydrokulturfarmen und der blau schimmernde See boten der halben Menschheit ein Zuhause. Aber Bensons Gedanken kreisten um einen einzelnen Mann. Wo bist du hingerannt, mein Lämmchen?

Die Chancen, dass sich Laraby noch in Avalon aufhielt, standen gut. Die Transferpunkte zwischen den sechs Modulen der Arche waren Nadelöhre. Das Überwachungsnetzwerk erfasste jeden, der von einem Modul zum anderen reiste. Doch es blieb rätselhaft, wie er überhaupt vom Radar hatte verschwinden können. Es gab ein paar Möglichkeiten, sein Plantat vor dem drahtlosen Netzwerk des Schiffes zu verbergen. Im Laufe der Jahrzehnte hatten die Leute alles Mögliche ausprobiert. Störsender und Zerhacker blockierten die Datenübertragung, aber ihre Signale konnte man per Triangulationsverfahren einfach orten.

Am besten funktionierte die von Spinnern bevorzugte Kopfbedeckung. Wenn man sich genug Alufolie um den Kopf wickelte, verschwand man vom Radar, wobei es dann schwierig wurde, sich in der Menge zu verstecken. Ob die glänzende oder die matte Seite zu sehen war, spielte keine Rolle. Die Constables bezeichneten die Träger als verrückte Hutmacher, Benson hatte allerdings schon einige Jahre keinen mehr aufgegriffen.

Es gab noch einen anderen Weg. Ab einer Wassertiefe von wenigen Metern war das Signal nicht mehr zu orten. Die Erinnerung daran, wie er ein Mädchen, das nicht älter als sechs Jahre gewesen war, aus dem Wasser gezogen hatte, ließ Benson schaudern.

»Esa, informiere den Rettungstaucher darüber, dass wir ihn eventuell brauchen werden.«

»Du glaubst, unser Junge ist vielleicht zum Nacktbaden gegangen?«

»Ich weiß es nicht, aber es bleiben nur wenig andere Optionen.«

»Verstanden.«

Als der Aufzug den Boden erreichte, trugen Bensons Füße wieder sein volles Körpergewicht von zweiundneunzig Kilogramm – vier mehr als vor fünf Jahren, als er sein Trikot an den Nagel gehängt hatte, aber niemand machte sich darüber lustig, dass er Kilos hortete. Er trug das überflüssige Fett mit Hilfe einer Menge langer Muskeln, die er im Fitnessstudio und bei morgendlichen Läufen um das Habitat trainierte. Alte Gewohnheiten wurde man nur schwer los.

»Esa, was für einen Job hatte unser Junge?«

»Du hast doch seine Akte, kannst du nicht nachschauen?«

»Ich bin gerade unterwegs.«

»Technikfeind«, stichelte sie. »Gib mir eine Minute.«

Larabys Akte wartete auf Benson in seinem Plantat. Er hätte über das AR-Interface darauf zugreifen können, das mit seinem visuellen Cortex verbunden war, aber Benson bevorzugte es, auf die altmodische Weise zu lesen: mit einem ordentlichen Tablet in der Hand, statt leer in die Ferne zu starren. Je weniger Dinge seinen Geist verwirrten, desto besser. Während er durch das Habitat schritt, wusste er, dass er mit dieser Einstellung allein auf weiter Flur war, aber manche Dinge empfand er als schlicht nicht verhandelbar.

Theresa meldete sich wieder. »Okay. Der Akte zufolge hat er als bioformender Genetiker an Getreideveränderungen und Terraformingmodellen für die neue Kolonie gearbeitet.«

Benson riss die Augen auf. Er hatte angenommen, Laraby sei Assistent oder Labortechniker, kein voll ausgebildeter Genetiker. Der Erfolg der neuen Kolonie hing maßgeblich davon ab, ob es den Forschern gelang, Pflanzen von der Erde in ihrer neuen Heimat wachsen zu lassen. Jetzt verstand er, warum Feng und Direktorin da Silva es so eilig hatten, ihn wieder am Arbeitsplatz zu sehen.

»Seine Mission ist von entscheidender Bedeutung. Wie kann er vom Radar verschwinden?«

»Du bist der Detective. Finde es raus.«

»Haben Sie sich kürzlich selbst für eine Degradierung gemeldet, Lieutenant Alexopoulos?«

»Wo ich doch die Nächste in der Reihe für deinen Job bin?«

Benson lächelte. Er und Theresa pflegten eine gesunde und professionelle Respektlosigkeit füreinander, was ihre Freizeit nur noch interessanter gestaltete.

»Morgen Abendessen?«, fragte Benson.

»Nur wenn du dich für Fisch begeistern kannst.«

Er ließ die Schultern hängen. »Komm schon, du weißt doch, dass ich dieses Kleinzeugs hasse. Es ist teuer und macht mich nie richtig satt.«

»Es sind weniger als zwei Wochen, bis wir das Schiff drehen. Wofür willst du es sonst ausgeben?«

»Ich glaube, du überschätzt das Gehalt eines Detectives.«

»Glaubst du, ich wüsste nicht, was du verdienst? Mach die Reservierung, Zeronummer.«

Benson knurrte gedämpft. »Schön, also ist es ein Date. Hast du die Fahndung schon rausgegeben?«

»Ja, und alle Beamten im Dienst haben sie bereits bestätigt. Dein Hutmacher wird sich heute Nacht nicht durch eine der Schleusen schleichen.«

»Gut. Schick jemanden los, der seine Wohnung für den Rest des Tages überwacht, falls er zurückkehrt, und sag ihm, er soll diskret sein.«

»Die Leute sind alle oben, um sich das Spiel anzusehen.«

»Ja und?«, sagte Benson mehr als nur leicht verärgert. »Heute wird sich nichts entscheiden. Die Fans werden sich bis morgen zurückhalten. Wie steht es denn eigentlich?«

»Die Mustangs haben drei Punkte mehr.«

»Scheiße.«

[home]

Kapitel zwei

In Larabys Wohnung lebte bereits jemand anderes. Die junge Frau sagte, sie sei vor weniger als einem Monat eingezogen, aber aus irgendeinem Grund war das nicht in den Unterlagen der Hausverwaltung verzeichnet. Sie gab ihm Larabys neue Adresse und wünschte ihm viel Glück. Es waren nur einige Minuten zu Fuß, über Avalons hinteres Schott ein Stück hinein in einen exklusiveren Vorort. Die Gebäude in diesem Bereich hatte man einem kleinen französischen Dorf nachempfunden. Er brachte die auf der Wache sitzende Theresa auf den neuesten Stand und bat sie, wen immer sie als Verstärkung losgeschickt hatte, zur neuen Adresse umzuleiten.

An der Wohnungstür traf Benson den Constable. Der uniformierte junge Mann stand in Habtachtstellung im Türrahmen, so diskret wie ein Zirkusclown bei einem Begräbnis, und salutierte prompt.

»Guten Morgen, Detective.«

Benson erwiderte den Gruß halbherzig. »Was tun Sie hier, Junge?«

Verwirrt stotterte der Constable eine Antwort. »Also, ich, äh … Lieutenant Alexopoulos hat mich gebeten hierherzukommen und die Wohnung zu bewachen, Sir.«

Benson schüttelte den Kopf. »Nein, was machen Sie hier? Sie sollen sie beobachten, warten, ob er zurückkommt, nicht steif wie eine Statue hier stehen, wo man Sie aus hundert Metern Entfernung sehen kann.«

Im Gesicht des Constables zeigte sich langsam die Erkenntnis. »Oh, oh, oh, natürlich, tut mir leid, Detective.«

»Gehen Sie und ziehen Sie zivile Kleidung an. Dann verstecken Sie sich in dem kleinen Wäldchen da drüben. Bringen Sie ein Tablet mit. Sie tun so, als würden Sie etwas lesen oder ein Video schauen, und wenn außer mir jemand diese Wohnung betritt oder verlässt, geben Sie mir umgehend Bescheid.«

»Jawohl, Sir!« Der Constable rannte los. Benson rieb sich eine Schläfe. Es war nicht sein Fehler. Eine ganze Gruppe neuer Rekruten hatte erst vor einer Woche die Ausbildung beendet. Jetzt, da Tau Ceti G so nah war, wurde die Bevölkerung unruhig. In den meisten Fällen hatte das positive Folgen. Die Menschen steckten voller Energie und konzentrierten sich auf die außerordentlich aufwendigen Vorbereitungen für die Drehung. Aber nun, da das Ende der Reise in Sicht war, gingen viele Bürger nachlässig mit den Erhaltungsrichtlinien um, die das letzte bisschen Menschheit über zweieinhalb Jahrhunderte am Leben gehalten hatten.

Neben einem Anstieg der Vorfälle mit betrunkenen oder pöbelnden Personen hatte es drüben in Shangri-La auch beinahe einen Aufstand gegeben, als einige Leute mit selbstgemachten Angelruten zu einem der Hydrorekultivierungsseen aufgebrochen waren. Er hatte sogar eine echte Weltuntergangssekte auflösen müssen, die allerdings lediglich aus drei Personen bestanden hatte. Nach zweieinhalb Jahrhunderten im Goldfischglas litten Recht und Ordnung ein wenig.

Benson beugte sich über die Gegensprechanlage an Larabys Tür und drückte auf den Daumenabdruckscanner. »Detective Benson, Notfallüberbrückung.«

Der Scanner piepste, und der Türriegel glitt beiseite. Benson drehte am Türknauf und trat in die Wohnung. Sofort schaltete sich die Wohnzimmerbeleuchtung an.

Benson pfiff leise. Das Zimmer war mindestens doppelt so groß wie seines, mit einer Wendeltreppe in der Ecke, die auf eine weitere Etage führte. Die Wohnung besaß eine komplett eingerichtete Küche inklusive eines Küchentresens. An den Wänden hingen viele Kunstwerke, von denen einige offenbar in echtem Holz gerahmt waren. Sogar ein antiker Lesesessel stand in einer Ecke.

Das war keine Wohnung, sondern ein richtiges Haus. Einer der Vorteile, die es mit sich brachte, Besatzungsmitglied zu sein.

»Mr Laraby?« Benson ging behutsam über den Boden aus Bambus. Die schmiedeeiserne Freitreppe war ein weiteres unerwartetes Zeugnis von Dekadenz. Achtzehn Stufen später erreichte er das Schlafzimmer. Kaum hatte sein Fuß den Teppich berührt, gingen die Lampen an. Teppich! Er selbst besaß gerade mal einen kleinen Läufer, wobei sein Zimmer ohnehin kaum Platz für mehr geboten hätte. Er kämpfte gegen das Bedürfnis, die Schuhe auszuziehen, um mit nackten Füßen über den Luxus zu schreiten, den er in diesem Zimmer sah.

Das schmale Doppelbett war leer, die seidene Bettwäsche ordentlich glattgestrichen. Die gesamte Wohnung sah aus, als hätte eine ganze Gruppe von Zimmermädchen eine Woche damit verbracht, sie bis auf den letzten Quadratzentimeter zu schrubben. Ein kurzer Blick ins Bad verriet, dass Edmond sich nicht selbst in der auf Klauenfüßen stehenden Badewanne ertränkt hatte.

»Unglaublich«, brummte Benson. Bei seiner letzten Beförderung hatte er nur eine Wohnung mit Standarddusche erhalten. Der Rest des Viehs musste sich mit Schallduschen und UV-Sterilisatoren zufriedengeben.

Vieh. Die meisten Bürger hatten das Wort zwar nie gehört, aber Benson kam durch seine Stellung als Chief Constable fast täglich mit Mitgliedern der Besatzung in Kontakt. Er wusste, als was sie die 98% der Menschheit bezeichneten, die nicht das Glück hatten, einer von ihnen zu sein. Sie galten einfach nur als Vieh, das man über eine Distanz von zwölf Lichtjahren durchs All transportierte und dessen Wert in der genetischen Diversität und der Arbeitskraft lag, die es der Kolonie Tau Ceti G brachten. Es spielte keine Rolle, dass jede Person an Bord der Arche ein direkter Nachfahre der fünfzigtausend intelligentesten, stärksten und gesündesten unter den zehn Millionen Menschen war, die kurz vor dem Ende auf der Erde gelebt hatten.

Natürlich kannte jeder den Namen der Herde für ihre Besatzung: Schweber, weil sie die meiste Zeit in der Mikroschwerkraft der Kommando- und Maschinenmodule verbrachten und ekligen Kothaufen ähnelten, die aus zu viel Fett bestanden, so dass sie beim Spülen in der Toilette über dem Wasser zu schweben schien.

Von den beiden Beleidigungen hatte Benson »Schweber« immer für die cleverere gehalten.

Während er zurück zur Treppe ging, entdeckte er ein Tablet und hob es auf. Die Schlafzimmerbeleuchtung ging automatisch aus, während die Wohnzimmerlampen ihn bereits strahlend erwarteten. Er durchquerte den Raum und ließ sich in den Lesesessel fallen. Mit einer Hand fuhr er über die Armlehne, und auch wenn er ohne die Expertise eines Museumskurators nicht sicher sein konnte, wettete Benson darauf, dass es sich um echtes Leder handelte.

Mit dem Daumen loggte er sich in das Tablet ein, das seinen vertrauten Desktopbildschirm zeigte, inklusive des Hintergrundbildes, das seine Meistermannschaft wenige Minuten nach dem Sieg über die Derwische zeigte.

Die Notfallautorisierung hatte ihre Grenzen. Er konnte Larabys Wohnung zwar ohne Durchsuchungsbefehl betreten, um sicherzugehen, dass der sich nicht darin aufhielt, doch auf seine E-Mails, Tagebucheinträge und andere private Daten hatte er keinen Zugriff – wohl aber auf die auf Bensons Plantat gespeicherte Personalakte.

Was er dort las, war die Geschichte eines attraktiven, vierundzwanzigjährigen Mannes, der sich von Ärger fernhielt, indem er für sich blieb. Seine Vorgesetzten mochten ihn, seine Kollegen hielten ihn für kompetent und respektierten ihn. In mehr als drei Jahren hatte Laraby nicht einen einzigen Tag auf der Arbeit gefehlt, keinen Eintrag in seine Personalakte kassiert und war um einige Jahre schneller befördert worden als üblich.

Kurz gesagt war er das genaue Gegenteil von jemandem, von dem man erwarten würde, dass er verschwand.

Benson suchte nach den nächsten Verwandten von Laraby, konnte aber niemanden finden. Er hatte keinen Partner und keine Geschwister angegeben, und seine Eltern waren bereits Teil der Uhr.

Benson stand wieder auf, um die Wohnung erneut abzugehen und so ein Gefühl für den Mann zu bekommen. Wie das Schlafzimmer oben waren Wohnzimmer und Küche in tadellosem Zustand. Nicht einfach sauber, sondern steril. Alles sah aus wie in einem Musterhaus, in dem niemand wohnte. Entweder litt Laraby unter einem Putzzwang, oder jemand war nach seinem Verschwinden gekommen, um alles abzuwischen. Plötzlich wirkte die Verzögerung von vierundzwanzig Stunden zwischen Edmonds Verschwinden vom Radar und Bensons Benachrichtigung darüber nicht mehr so harmlos.

Das Schimmern einer Wohnzimmerwand deutete darauf hin, dass es sich um eine bemalte OLED-Oberfläche handelte. Benson aktivierte sie und sah eine Abfolge von Bildern vorbeiscrollen. Es waren Archivbilder der Oberfläche von Tau Ceti G, aufgenommen von der Pathfinder-Sonde.

Pathfinder war vor fast zwei Jahren in die Umlaufbahn von Tau Ceti G eingetreten. Es handelte sich um einen unbemannten und abgespeckten Prototyp für viele Systeme der Arche, die Mission diente aber auch als Probelauf für groß angelegte orbitale Konstruktionsprojekte. Danach würde man Pathfinder neu betanken und mit Dutzenden kleiner Kommunikations-, Vermessungs- und GPS-Satelliten sowie Atmosphärenproben bestücken.

Nach ihrem Start von der Arche hatte die Sonde zwei Jahrhunderte als Frühwarnsystem für Weltraumtrümmer und Staub auf dem Kurs des größeren Schiffs gedient. Doch seit Pathfinder den Orbit erreicht hatte, bestand ihre Mission darin, Drohnen und Rover zur großflächigen Erforschung der Planetenoberfläche auszusenden und ein globales Kommunikationsnetzwerk aufzubauen, das betriebsbereit auf die ersten Kolonisten warten würde.

Am allerwichtigsten waren aber die Spulen aus Kohlenstoff-Nanoröhrenbändern von Zehntausenden Kilometern Länge. Unmittelbar nach der Errichtung einer kleinen Kolonie auf der Oberfläche würde sich die Arche außerhalb einer geostationären Umlaufbahn bewegen und zu einem Ankerpunkt für den ersten Weltraumaufzug des Planeten mit Hilfe der Bänder von Pathfinder werden.

Fast täglich wurden neue Bilder, die Pathfinder und seine zahlreichen Erkundungssonden von der neuen Heimat der Menschheit aufgenommen hatten, ins Netzwerk gespeist und begierig betrachtet, studiert und in der Öffentlichkeit diskutiert. Wenn etwas dem Sport Zero Konkurrenz als beliebteste Freizeitbeschäftigung machte, dann die Debatten über die Fotos der zukünftigen Heimatwelt.

Dass Laraby diese Bilder in seiner Wohnung anzeigen ließ, überraschte nicht, gehörte er doch zu dem Team, das das Getreide der Erde an die neue Umwelt anpassen musste. Wenn die Bilderschleife irgendetwas Ungewöhnliches enthielt, war es die Zahl der Orbitalbilder des Dunklen Kontinents, der so genannt wurde, weil ein hartnäckiger Zyklon den größten Teil der Landmasse bedeckte. Man hatte einen der Lander Pathfinders geschickt, um an Aufnahmen zu kommen, aber durch einen unglücklichen Blitzeinschlag hatten sich die Tragflächen noch bei Schallgeschwindigkeit gelöst, wodurch das Gefährt wie ein Taschentuch zerfetzt worden war. Der Lander und all seine Drohnen waren bei dem Absturz verlorengegangen.

Abgesehen von dem, was man durch orbitale Radarscans erfahren hatte, wusste man fast nichts über die drittgrößte Landmasse von Tau Ceti G. Sie war ein verlockendes Rätsel, das zu endlosen Spekulationen geführt hatte.

Benson schaltete die Wand ab und ging weiter. Die Kunstdrucke waren großformatige Reproduktionen klassischer Gemälde; einige zeigten religiöse Motive, bei anderen handelte es sich um Stillleben oder vertraut wirkende Bilder von Heuballen, die im Gegensatz zu den anderen ihre eigene Beleuchtung besaßen. Als er sie näher betrachtete, bemerkte Benson die Textur feiner Pinselstriche hinter dem Glas.

»Das ist gar kein Nachdruck?« Er hielt sein Tablet hoch, machte ein Foto und ließ eine Suche laufen. Das Ergebnis erschien fast umgehend:

Claude Monet. Heuschober. Spätsommer. Morgen. Öl auf Leinwand. 1891 AEZ.

Benson blieb kaum Zeit, die Information zu verarbeiten, als eine Stimme in seinen Kopf platzte.

»Detective Benson, wo haben Sie dieses Foto geschossen?«

Benson verspannte sich, als hätte einer seiner alten Lehrer ihm die Leviten gelesen. Die Stimme gehörte Mrs Devorah Feynman, einer Xanthippe, die die letzten fünfunddreißig Jahre als Kuratorin des Museums gedient hatte.

»Herrgott noch mal, Devorah. Würde es Sie umbringen, erst zu läuten? Sie haben mich zu Tode erschreckt.«

»Schreckhaftigkeit kann wohl kaum eine positive Eigenschaft für einen Polizeichef sein, schätze ich. Und keine Blasphemie!«

Benson ignorierte den Tadel. »Woher haben Sie so schnell von diesem Gemälde erfahren?«

»Ich habe ein Programm eingerichtet, das bestimmte Suchparameter und Bilddateien überwacht und mir eine Benachrichtigung schickt, wenn sie angewandt werden.«

»Ist das nicht etwas zu invasiv?«

»Ich habe eine gültige Anordnung für die Suche. Wir haben beide unsere Zuständigkeitsbereiche, Detective. Meiner beinhaltet die Bewahrung des kulturellen Erbes der Menschheit.«

Sie hat ihren Beruf verfehlt. Sie hätte Schauspiel unterrichten sollen, dachte Benson. »Sie können nur anhand eines Fotos feststellen, dass es sich nicht um einen Nachdruck handelt?«

»Es hat mein Interesse ausreichend geweckt, um eine Überprüfung anzuordnen. Sie sind sich sicher, dass es keine Reproduktion ist?«

Benson zuckte die Achseln. »Ich bin mir sicher, dass es kein Druck ist, aber das ist auch alles, was ich weiß. Es könnte sich immer noch um eine Fälschung handeln.«

»Geben Sie mir zwanzig Minuten. Bleiben Sie dort und lassen Sie niemanden in die Wohnung.«

Ihr Tonfall kränkte Benson. »Wie bitte? Ich bin keiner Ihrer Museumswärter. Ich führe eine Ermittlung durch.«

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen – das Äquivalent eines Blickduells. »Ich könnte den Rat anrufen und den Befehl offiziell machen, aber ich möchte das hier ohne großes Aufsehen über die Bühne bringen. Also würde ich es als Gefallen ansehen, wenn Sie irgendwelche betrunkenen Zerohooligans davon abhalten, diese verlorene Reliquie unserer gemeinsamen Vergangenheit zu stehlen oder sonst wie zu schänden. Einverstanden?«

Benson zwang sich zur Ruhe. Das Abendessen mit Theresa konnte gar nicht schnell genug kommen. »Es wäre mir eine Freude.«

»Gut. Rühren Sie es nicht an! Das kann ich gar nicht oft genug betonen.«

Benson schnaubte. »Keine Sorge. Ich werde Ihr kleines Bild nicht beschmutzen. Oh, da gibt es auch einen alten Stuhl, den Sie sich vielleicht ansehen wollen.«

Siebzehn Minuten später klopfte es. Benson legte das Tablet weg und ging die Tür öffnen. Eine winzige Frau, nicht größer als einen Meter sechzig und vom Alter gebeugt, fegte ins Wohnzimmer. Sie trug ihr silbernes Haar so eng zum Dutt zusammengesteckt, dass er unter der Spannung zu beben schien, gehalten von bösartig aussehenden schwarz lackierten Essstäbchen, die zweifellos noch älter als die Frau selbst waren.

Sie ignorierte Benson völlig, als sie das Gemälde an der hinteren Wand entdeckte und darauf zustapfte.

»Ihnen auch einen guten Tag, Devorah.«

Sie schaute zu ihm zurück. »Hmmm? Ja. Bringen Sie mir den Stuhl?«

Benson musste unweigerlich schmunzeln, als er den Stuhl vom Küchentresen vor dem Gemälde abstellte. Er bot der älteren Frau die Hand an, um ihr hochzuhelfen, aber sie würdigte ihn keines Blickes, während sie wie eine Bergziege auf den Stuhl hüpfte. Dann beugte sie sich näher an das Bild und flüsterte leise vor sich hin.

»Wer immer es gerahmt hat, hat gutes Glas verwendet, das ist ein Pluspunkt. Würde mich nicht wundern, abgängiges Glas zu entdecken, wenn ich in den Aufzeichnungen des Museums weit genug zurückgehe.« Sie holte ein Paar blütenweißer Handschuhe aus der Tasche und zog sie über ihre faltigen Hände, dann nahm sie das Bild von der Wand und legte es mit der Vorderseite nach unten auf den Tisch.

Nach einer kurzen Untersuchung löste sie die Rückwand und legte sie zur Seite. Dann holte sie das Bild mit einer Vorsicht aus seinem Rahmen, die sonst nur weinenden Babys oder tickenden Bomben vorbehalten war.

Mit der Vorderseite nach oben legte sie das Gemälde zum ersten Mal seit wer weiß wie vielen Jahren an die frische Luft und zog wie aus dem Nichts eine große, antik wirkende Lupe hervor.

»Die Textur aus Farbpigmenten und -schichten ist deutlich.« Mit einer behandschuhten Fingerspitze rieb sie über eine Stelle am Rand des Bildes, die unter dem Rahmen verborgen gelegen hatte. Sie leckte an der Fingerspitze, dann hielt sie sie sich an die Nase und atmete tief ein. »Spuren von Leinöl.«

»Was sagt Ihnen das?«

Sie schaute zu Benson auf, als wäre ihr gerade erst wieder eingefallen, dass er sich im Raum befand.

»So einiges. Erstens bedeutet es, dass es sich um ein echtes Bild handelt, keinen Druck, der mit einem Pinsel lackiert wurde. Zweitens ist die einzige Leinsamenpflanze an Bord im Genom-Archiv, was bedeutet, dieses Werk ist vor dem Start entstanden.«

Benson nickte, da er ihre erkennbare Begeisterung nicht dämpfen wollte. »Also ist es echt?«

»Es ist ein echtes, auf der Erde gemaltes Bild, ja. Aber ob es von Monet stammt oder von einem unglaublich begabten Fälscher, kann ich nicht sagen. Dafür muss ich es mit ins Museum nehmen, um spektrografische und Radiokarbonanalysen durchzuführen.«

Bensons linke Braue hob sich. »Zerstört das nicht das Bild?«

Devorah zuckte die Achseln. »Wir benötigen nur wenig Milligramm Material. Ein paar dünne Streifen Leinwand und eine oder zwei Flocken der Farbe von den Rändern werden reichen. Dann wissen wir nicht nur, wann es entstand, sondern auch, wo die Farbe herstammt.«

»Sie haben Aufzeichnungen über Farben, die so weit zurückgehen?«

»Ich habe sämtliche Daten aus allen Museen und Publikationen bis einen Monat vor dem Start. Sie reichen mindestens vierhundert Jahre zurück. Sicher stehen den Justizbehörden ähnliche Ressourcen zur Verfügung?«

Darüber musste Benson lachen. »Tut mir leid, ich will mich nicht darüber lustig machen, aber Sie werden verstehen, dass die Menschen auf der Erde deutlich mehr Zeit damit verbrachten, Verbrechen zu begehen, als Kunst zu schaffen, und dass viele Polizisten nicht annähernd so … akribisch vorgingen wie Sie.«

»Ich verstehe«, sagte sie betrübt. Ihr Gram galt nicht Benson, sondern der menschlichen Spezies im Allgemeinen. Sie konzentrierte sich darauf, das Bild wieder in den schützenden Kokon zurückzulegen.

»Wie oft zeigt Ihre Suche einen solchen Treffer an?«

»Nicht so oft wie in den vergangenen Jahren, aber noch oft genug. Wir suchen noch immer nach Stücken aus der Beute. Deshalb habe ich auch vierzig Jahre später noch meine Anordnung laufen.«

Benson nickte. Der Überfall war das dreisteste Verbrechen, das je jemand an Bord der Arche begangen hatte. Natürlich hatte es Morde und andere Verbrechen aus Leidenschaft oder Meinungsverschiedenheiten gegeben, aber nichts Vergleichbares zu dem Diebstahl von dreihundert unersetzlichen Artefakten aus dem letzten Museum der Menschheit. Für den damaligen Kurator hatte er das Ende seiner Karriere bedeutet, und Devorahs Aufstieg hatte begonnen. Beides hatte natürlich lange vor Bensons Zeit als Polizeichef stattgefunden. Sogar vor seiner Geburt.

»Ich dachte, man hätte alle Stücke schon vor Jahrzehnten wiedergefunden.«

»Das haben wir allen erzählt.« Sie setzte die Rückwand wieder ein. »Ich wollte die Menschheit glauben lassen, wir hätten gewonnen, und den Vandalen weismachen, wir hätten die Jagd aufgegeben. Ich wollte, dass sie unvorsichtig werden. Bis zu einem gewissen Punkt hat das auch geklappt. In aller Stille haben wir innerhalb kurzer Zeit fünfzig weitere Stücke erwischt, aber es fehlt immer noch etwa ein Dutzend.«

»Wenn das stimmt, warum haben Sie keine vollständige Durchsuchung der Habitate angeordnet? Inzwischen hätten wir das gesamte Schiff Hunderte Male auf den Kopf stellen können.«

»Ich bitte in jeder Versammlung darum, aber noch kein Rat hat bisher die Erlaubnis dafür erteilt. Darum. Sie fürchten Ausschreitungen.«

Vermutlich zu Recht, dachte Benson. »Könnte es sich hier um eines Ihrer fehlenden Stücke handeln?«

»Hmmm? Nein. Dieses Bild besaßen wir nie. Es gilt seit der Plünderung des Louvre 2136 als vermisst. Wir hatten nie einen Monet in unserer Sammlung.«

Benson rieb sich das Kinn. Nichts in diesem Fall ergab einen Sinn. Laraby ging es eindeutig besser als dem meisten Vieh, aber seine Stellung unter den Schwebern entsprach höchstens dem mittleren Management. Das Gemälde und auch das Haus selbst wirkten sehr extravagant.

»Was wird jetzt mit ihm passieren, nach den Tests, meine ich?«

»Wenn es eine Fälschung ist, werden wir es wohl dem zurückgeben, der hier lebt.«

»Sein Name ist Edmond Laraby«, ergänzte Benson freundlich. »Auch wenn er im Augenblick etwas schwierig zu erreichen ist.«

Sie fuhr fort, als hätte sie ihn nicht gehört: »Es gibt kein Gesetz, das private Kunstsammlungen verbietet, solange der Besitzer die Herkunft nachweisen kann. Ich habe in den Quartieren der Kommandobesatzung Stücke gesehen, die Ihnen die Tränen in die Augen treiben würden.« Sie sah zu Bensons eherner Miene auf. »Na ja, vielleicht Ihnen nicht, Detective.«

»Ich bin ein Banause.«

»Sicher. Andererseits, wenn es echt ist, dann ist es vor zweihundertfünfzig Jahren aus dem Louvre verschwunden und besitzt keine Herkunftsnachweise, die es vor der Konfiszierung bewahren würden.« Die winzige Frau leckte sich die Lippen. »Ich müsste es nicht mal neu rahmen.«

Devorah schien aus ihrem Tagtraum zu erwachen, hob das Bild auf und ging zur Tür.

»Ich benötige eine Eskorte zurück zum Museum. Kommen Sie, Detective.«

»Leider wartet hier noch einiges an Arbeit auf mich. Aber ich habe genau den richtigen Mann für den Job, direkt vor der Tür.« Devorah warnte Benson eindrücklich davor, den Rahmen zu berühren, während er vorbeiging und die Tür öffnete. Der Anfänger von zuvor saß wie befohlen in Alltagskleidung in dem Hain. Dennoch gelang es ihm, wie eine Haiflosse aus den Wellen an einem belebten Strand herauszustechen. Es war erbärmlich.

»Constable!« Benson winkte ihm zu. »Kommen Sie her.« Der junge Mann sprang auf und eilte im Laufschritt heran. »Wie ist Ihr Name?«

»Constable Korolev, Sir.«

»Ein starker, russischer Name, ausgezeichnet. Ich nehme an, Sie tragen Ihren Betäubungsstab bei sich?« Korolev nickte. Der Betäubungsstab war die härteste Waffe der Constables – und mehr als ausreichend. Er war so groß wie ein Bleistift, und wenn sich ein Verdächtiger widerspenstig gab, richtete man den Stab auf ihn und aktivierte ihn, was eine kleine elektrische Ladung durch das Implantat des Verdächtigen jagte und einen Grand-mal-Anfall auslöste. Jeder Constable hatte im Zuge der Ausbildung selbst einen durchmachen müssen, damit er wusste, welchen Effekt es hatte, den Auslöser zu betätigen. In seinen bisherigen Dienstjahren hatte Benson ihn erst einmal einsetzen müssen.

»Gut. Constable Korolev, das ist Kuratorin Feynman. Ich will, dass Sie sie zurück in ihr Museum eskortieren. Sorgen Sie dafür, dass ihr nichts passiert.«

»Zur Hölle mit mir«, protestierte Devorah. »Beschützen Sie das gottverdammte Gemälde!«

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck sah Benson erst zu ihr, dann zurück zu Korolev. »Verstanden, Constable?«

Der gab erneut einen perfekten Salut zum Besten. »Jawohl, Sir. Madame, wenn Sie mich bitte begleiten würden?«

Devorah trat vor und musterte den jungen Mann mit einem vernichtenden Blick von oben bis unten. »Woraus hat man Sie denn geschnitzt, Junge?«

Korolev zögerte keine Sekunde. »Entschlossenheit, Kuratorin.«

Devorah sah zurück zu Benson und schmunzelte. »Der tut’s.«

Benson grinste zurück. »Das dachte ich auch. Noch eine letzte Frage?« Devorah bedeutete ihm mit einem Nicken fortzufahren. »Wenn das Bild echt ist, was ist es dann wert?«

»Ein echter Monet? Unbezahlbar. Es würde zu den zehn bedeutendsten Gemälden der Sammlung gehören.«

Benson schüttelte den Kopf. Man konnte es weder essen noch tragen, es bereitete weder Sauerstoff noch Wasser auf. Welchen Wert konnte es schon haben?

»Er wäre also wertvoll genug, dafür zu töten?«

»Für die richtigen Leute auf jeden Fall. Warum?«

Benson verschränkte die Arme. »Wir haben beide unsere Zuständigkeitsbereiche, Kuratorin.«

Devorah musterte ihn lange, antwortete aber nur mit einem Achselzucken. Als die beiden davongingen, wurde Benson bewusst, dass Devorah zu sehr mit dem Bild beschäftigt gewesen war, um einen Blick auf den Stuhl zu werfen. Als Leiter der Ermittlung beschloss er, den Rest von Larabys Personalakte in ihm sitzend zu lesen.

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Kapitel drei

Im Kommandomodul war es für Bensons Geschmack immer ein wenig zu kalt. Das hatte natürlich Gründe. Dort gab es keine riesigen Strahler, die speziell dafür entworfen worden waren, natürliches Sonnenlicht zu simulieren, inklusive des Infrarotbereichs des Spektrums. Dort lebten auch nicht genug Menschen. Dadurch, dass jeder der fünfundzwanzigtausend Einwohner mit seinem Stoffwechsel Körperwärme in die Umgebung abstrahlte, blieb es in den Habitaten gemütlich warm.

Die Schweber mochten es kalt. Wenn man sie gefragt hätte, warum das so war, hätten sie behauptet, die Computer und Laborgeräte würden in kühlerer Umgebung besser arbeiten. Aber Benson hegte den Verdacht, sie bevorzugten niedrige Temperaturen, weil das Vieh, das zu Besuch kam, dann schneller wieder verschwand.

Benson glitt durch den Zentralkorridor zu dem Biolabormodul, wo ihm die Ehre einer zehnminütigen Audienz bei Ms Avelina Pereira da Silva zuteilwerden würde. Als Chefin der Abteilung für Umweltentwicklung und Forschung war sie in diesen Tagen eine vielbeschäftigte Frau. Das machte schon die Größe des Mitarbeiterstabes deutlich, durch den man sich kämpfen musste, um überhaupt einen Termin bei ihr zu erhalten.

Benson fand die richtige Schleuse und drückte die Ruftaste. »Benson hier. Ich habe einen Termin bei Direktorin da Silva.«

Das dunkle Gesicht eines Mannes erschien auf dem Bildschirm. »Haben Sie geduscht?«

»Ich dusche immer, ehe ich eine Dame besuche.«

Der Torwächter fand das nicht lustig. »Die Direktorin erwartet Sie, aber das ist ein Reinraum der Klasse drei. Sie müssen die Dekontaminationsprozedur durchlaufen und einen Overall anziehen, ehe ich Sie eintreten lasse.«

»Klingt witzig.«

»Ist es nicht.«

»Das hätten Sie mir auch diskreter beibringen können.«

»Takt gehört nicht zu meinen Stärken, Detective.« Zischend öffnete sich die Tür zur Luftschleuse. »Treten Sie bitte ein, ziehen Sie sich aus und legen Sie Ihre Kleidung in einen der Spinde.«

Nach fünfzehn Minuten und einer extrem gründlichen Reinigungsprozedur schwebte Benson in einem Anzug aus dünnen Mikrofasern durch die Tür, der wie die Footballpyjamas aussah, die er als Fünfjähriger getragen hatte, nur das Gefühl von Wärme und Geborgenheit fehlte. Wäre es wirklich so schlimm gewesen, wenn er seine Kleidung darunter anbehalten hätte?

Das Gesicht vom Bildschirm begrüßte ihn, falls man das im Inneren des Labors überhaupt so bezeichnen konnte. »Guten Tag. Direktorin da Silva befindet sich im Probengarten C5. Sie erwartet Sie, bat mich aber, Sie daran zu erinnern, dass das Treffen maximal zehn Minuten dauern wird.«

»Ich weiß. Können wir?«

»Gewiss. Folgen Sie mir, und fassen Sie nichts an. Das kann ich gar nicht oft genug betonen.«

»Das höre ich auch nicht zum ersten Mal.«

»Ein guter Rat.«

Benson unterdrückte den heftigen Drang, den Nacken seines Führers zu berühren. Die Anweisung, nichts zu berühren, hatte er in dieser Häufigkeit nicht mehr gehört, seit der Vater seiner ersten Freundin ihm die Regeln für eine erste Verabredung erläutert hatte.

Jedes Stockwerk des Labors war mit einem Buchstaben gekennzeichnet, während die einzelnen Labors Nummern trugen, weshalb sich C5 auf dem dritten Ring befinden musste. Für einen Durchschnittsmenschen wäre das Schweben nach unten (oder oben?) durch einen so großen, sechsseitigen Raum ohne feste Decken, Wände oder Böden vollkommen desorientierend gewesen, aber Benson war in dieser Hinsicht alles andere als durchschnittlich. Zerospieler kamen in der Schwerelosigkeit sehr gut zurecht.

Man hätte meinen können, es wimmle in den Zeromannschaften nur so von Schwebern, aber für die Besatzung lagen derartige Freizeitaktivitäten unter ihrer Würde. Als Benson die Techniker genauer betrachtete, die in der Abteilung arbeiteten, war der wahre Grund jedoch nicht zu übersehen: Die meisten Schweber hatten schlicht nicht genügend Muskelmasse, um bei irgendetwas mithalten zu können, das körperliche Fitness erforderte.

Sein Führer öffnete die äußere Tür zum Probengarten und winkte ihn hinein.

»Ich komme in zehn Minuten zurück, um Ihnen durch die Ausstiegsprozedur zu helfen.«

»Da freue ich mich schon drauf!« Benson grinste den jungen Mann breit an und klopfte ihm fest genug auf die Schulter, dass er herumwirbelte. »Oh, tut mir leid, mein Sohn, manchmal vergesse ich, wie stark ich bin.«

Der Techniker bekam einen Griff zu fassen und richtete sich auf. »Da bin ich mir sicher. Zehn Minuten.« Die äußere Tür schloss sich, und Benson blieb für einige Sekunden allein in der Luftschleuse zurück, während der Versiegelungsprozess ablief.

Die innere Tür öffnete sich zu einem ruhigen Garten, der von oben surreal wirkte. Ein Regal voller Pflanzen in allen Formen und Größen, die perfekt angeordnet in Reih und Glied standen und sorgfältig von Hand mit Bezeichnungen versehen worden waren, reihte sich an das nächste. Die Luft war viel wärmer als im Korridor, schon beinahe heiß, was zweifellos an den unzähligen Lampen lag, von denen die Pflanzen in orangefarbenes Licht getaucht wurden.

Einige der Proben schlugen sich offensichtlich besser als andere, aber interessanterweise besaßen sie alle eine violette oder lavendelfarbene Schattierung.

Eine bemerkenswerte Frau stieg mit einem Tablet in der Hand aus dem Labor zu ihm auf. Ihr rabenschwarzes Haar hatte silbrige Strähnen. Benson kannte sie; seine Klasse hatte von einer jungen Studentin, die gerade angefangen hatte, im Kommandomodul zu arbeiten, einen Gastvortrag über Bioforming erhalten. Für den jungen Benson war das sehr interessant gewesen, da er noch keinen Bereich der Arche jenseits von Avalon und des Zerostadions gesehen hatte. Es war, als hätten sie Besuch von einer Entdeckerin aus einem exotischen Land erhalten, auch wenn es nur fünf Kilometer entfernt lag.

Die Frau, die zu ihm heraufschwebte, war zwar gealtert, hatte aber nichts von der Neugierde in ihren Augen verloren.

»Detective Benson, es freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Avelina, als sie sanft gegen ihn stieß und ihm die Hand schüttelte.

»Genau genommen sind wir uns schon einmal begegnet, Direktorin.«

»Wirklich? Tut mir leid, aber daran erinnere ich mich nicht.«

»Das überrascht mich nicht. Ich glaube, ich habe Sie gefragt, wie Besatzungsmitglieder ihr Geschäft in der Schwerelosigkeit verrichten können.« Sie sah ihn fragend an. »Da war ich etwa in der fünften Klasse. Sie haben meine Schule besucht.«

Sie lachte. »Ich verstehe. Knaben in dem Alter haben ihre eigenen Prioritäten, nicht wahr? Ich hoffe, mein Assistent hat Ihnen nicht allzu viele Schwierigkeiten auf dem Weg hierher bereitet.«

»Auf jeden Fall bin ich jetzt so sauber wie schon lange nicht mehr.«

»Eine unumgängliche Vorsichtsmaßnahme, fürchte ich. Hier gibt es sehr teure Geräte, deren Ausfall wir uns nicht leisten können, und viele Proben, die nicht kontaminiert werden dürfen.«

»Das verstehe ich. Wie wird all das die Drehung verkraften?«

Sie zuckte die Achseln. »Das wissen wir erst, wenn es so weit ist. Was einer der Gründe ist, warum wir alles so eilig vorantreiben, ehe der Abbremsvorgang beginnt. Ehrlich gesagt habe ich noch nicht einmal angefangen, mein Quartier zu sichern – wir haben einfach zu viel zu tun.«

»Ich auch nicht. In meiner Wohnung wird das reinste Chaos herrschen, wenn ich mir nicht etwas Zeit nehme, um aufzuräumen und alles festzubinden.«

»Sind wir nicht tolle Vorbilder?«

»Das gehörte ehrlich gesagt nie zu meinen Stärken.« Benson drehte sich ein weiteres Mal zu den violetten Pflanzen um. »Stimmt irgendetwas mit dieser Charge nicht? Sie sieht irgendwie … falsch aus.«

Avelina grinste ihn an. »Offenbar hatte der Fünftklässler Benson Besseres zu tun, als meinem öden Vortrag zu lauschen. Nein, alles hier drinnen erfreut sich bester Gesundheit, mit Ausnahme der Süßkartoffeln, die nach einigen Generationen steril werden. Die Pflanzen sind violett, weil wir mit dem Terraforming für Tau Ceti G beschäftigt sind. Wie Sie wissen …«

Benson hatte es immer amüsiert, dass auf die Phrase »Wie Sie wissen« umgehend eine Erklärung folgte, die davon zeugte, dass der Sprecher seinem Zuhörer Unwissenheit unterstellte.

»… ist die Sonne Tau Cetis nur grob mit der unseren vergleichbar. Sie ist ein Stern der Klasse G, aber kleiner, weniger heiß und hell als unsere Sonne. Diese Faktoren verschieben ihren Spektralausstoß weiter in den Infrarotbereich. Deshalb arbeiten wir so hart daran, das Blattgrün und die photosynthetischen Prozesse aller Spezies in diesem Raum zu optimieren, damit sie mehr Energie aus dem Infrarotbereich absorbieren können. Sie sind nicht so sehr vom sichtbaren Anteil des EM-Spektrums abhängig, deshalb sehen sie so aus.«

Benson setzte seine verständnisvollste Miene auf und nickte weise. »Ist es deswegen so warm hier?«

»Genau. Die Lampen strahlen mehr Energie im Infrarotbereich aus. Sie sind fast so schlimm wie die ersten weißglühenden Glühbirnen, die Edison einst erfand. Sie sollen die Durchschnittstemperatur der tropischen Gebiete auf Tau Ceti G simulieren. Die Farbe ist die offensichtlichste Änderung, an der wir arbeiten. Pathfinder hat uns aber weit mehr als nur Bilder geschickt. Wir haben Erdproben, Daten über die Zusammensetzung der Atmosphäre und sogar Einblicke in den Bestand von Insekten und Mikroben vor Ort. Das Hauptgetreide müssen wir so optimieren, dass es all diesen Faktoren standhält.«

»Ich glaube kaum, dass sich viele Leute über die Hitze beschweren werden, während man sich an veilchenblauen Salat sicher erst einmal gewöhnen muss.«

»Das geht schnell, wenn die Alternative der Hungertod ist.«

»Stimmt.« Benson merkte, dass sie vom Thema abwichen. »Hat Edmond hieran gearbeitet?«

Die Begeisterung verschwand aus Avelinas Augen, als er ihren vermissten Mitarbeiter erwähnte. »Ja. Der arme Edmond. Was müssen Sie wissen?«

Benson ergriff eine Sprosse, um besser Halt zu finden. »Ich will ein Gefühl für den Mann bekommen. Er hat keine Verwandten, es ist auch keine Beziehung registriert, wodurch nur die Kollegen bleiben. Sie sind seit beinahe fünf Jahren seine direkte Vorgesetzte. Deswegen bin ich hier.«

»Ich verstehe. Nichts für ungut, Detective, aber sollten Sie Ihre Zeit nicht lieber dafür nutzen, ihn im Habitat zu suchen?«

Benson grinste. »Darauf habe ich meine Beamten angesetzt. Wir lassen die Gesichtserkennung auf allen internen Feeds und Schleusen laufen. Die Suche läuft also bereits, aber wir haben noch keinen Anhaltspunkt. Ich versuche, die Parameter einzugrenzen.«

Avelina nickte. »Verstehe. Es ist nur … das kam so unerwartet. Edmond war immer so pünktlich. So konzentriert. Er liebte seine Arbeit, sie war sein Leben.«

Na, vielleicht nicht sein ganzes Leben, dachte Benson. »Sie sprechen von ihm in der Vergangenheitsform.«

»Ich …« Sie schluckte heftig. »Das war mir nicht bewusst. Aber seien Sie bitte ehrlich. Er wird seit über einem Tag vermisst. Wie stehen die Chancen, dass Sie ihn lebend finden?«

»Das weiß ich nicht. Seit ich den Dienst angetreten habe, wurde noch niemand so lange vermisst. Es gibt kaum Verstecke, und unser Überwachungsnetz ist lückenlos. Die meisten wickeln sich einfach Alufolie um den Kopf. Sie sind leicht zu finden. Litt Edmond unter ungewöhnlich viel Stress?«

Avelina schnaubte. »Das tun wir alle. Aber ich habe keine Anzeichen für Überforderung gesehen, falls Sie das meinen.«

»Können Sie mir zeigen, woran er gearbeitet hat?«

»Natürlich, hier entlang.« Sie stieß sich ab und sank wieder zum Boden des Raums. Benson folgte ihr elegant durch den offenen Raum.

»Sie fliegen wie ein Besatzungsmitglied.«

Benson grinste. »Danke, aber fünfzehn Jahre Zero würde jedem ein Gefühl dafür verleihen.«

»Ja, davon habe ich gehört. Sie waren Mannschaftskapitän, nicht?«

»So was in der Art. Sie sind wohl kein Fan?«

»Dafür hat mir immer die Zeit gefehlt. Hier.« Sie zog eine Ablage mit winzigen, lavendelfarbenen Pflanzen hervor, die alle nur wenige Zentimeter hoch waren. Ihre Wurzeln ragten aus einer durchsichtigen, gelatinösen Schicht hervor und endeten in einem nährstoffreichen hydrophonischen Bad. Sie ähnelten den mehrstöckigen aeroponischen Turmfarmen in den Habitatmodulen sehr, waren nur viel kleiner. Benson kannte diese Farmen gut. Er hatte auf einer von ihnen gearbeitet. Zero hatte ihn vor diesem Leben bewahrt.

»Ich weiß, sie sehen nach nicht viel mehr als Gras aus, aber das hier sind Weizensetzlinge, Detective, und zwar ganz besondere.«

Sie zog einen aus dem Setzkasten heraus. »Wir nennen sie ›Schieber‹. Statt den Teil ihres Erbguts zu extrahieren und mit dem zu ersetzen, den sie benötigen, um sich an Tau Ceti G anzupassen, haben wir einen Weg gefunden, die ursprüngliche DNS intakt, aber inaktiv zu lassen. Ökologische Trigger entscheiden, welche Codierung am besten funktioniert. Die Pflanze kann dann einfach darauf zurückgreifen. Dieser Strang kann unterschiedliche Pakete aktivieren. Jedes passt zu einem anderen Ökosystem.«

Avelinas Begeisterung war ansteckend, aber Benson konnte ihr nicht mehr folgen. »Wie hilft uns das? Ich dachte, Sie würden sie für die neue Kolonie bioformen?«

»Für die erste Kolonie, ja, aber Tau Ceti G ist nicht der einzige Kandidat. Tau Ceti E und F kamen in Betracht, ehe man G entdeckte, obwohl sie nicht annähernd so geeignet waren. Das alte Goldlöckchenproblem: Ein Planet ist zu heiß, der andere zu kalt. Aber das Saatgut dieser Schieberpflanze kann auf beiden wachsen. Man müsste es nicht länger in endlosen Prozeduren an jedes neue Ökosystem anpassen. Das ist eine Universalpflanze.«

Benson rieb sich das Kinn. »Daran hat Edmond gearbeitet?«

»Genau. Es war seine Idee. Er hat seine Dissertation darüber geschrieben. Ich war die Einzige in der Abteilung, die sie nicht für Unsinn hielt.« Sie schüttelte den Setzling. »Jetzt ist sie wahr geworden.«

»Vorsicht. Es ist noch nicht lange her, dass man Ihr Labor gestürmt und Sie beschuldigt hat, Gott zu spielen. Das könnte wieder geschehen.«

»Sollen sie nur kommen. Ich bin katholisch erzogen worden, Detective. Ich kann jedes Kapitel, jeden Bibelvers auf Latein zitieren.«

»Haben Sie denn keine Gewissensbisse wegen – na ja, Sie wissen schon – der Flickschusterei?«

Sie zuckte die Achseln. »Not ist die Mutter der Erfindung – vor allem, wenn es um Bibelinterpretationen geht. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir hier Gott spielen. Aber ich glaube, er hat uns seinen Werkzeugkasten unverschlossen zurückgelassen, damit wir ihn nutzen können, wenn wir ihn am meisten brauchen.«

»Aber jetzt benötigen wir eine neue Heimat, nachdem er unsere zerstört hat?«

»Wir haben sie zerstört, nicht er. Nibiru hat die Sache nur um ein oder zwei Jahrhunderte beschleunigt. Diesmal müssen wir es besser machen.«

»Sie sind Wissenschaftlerin. Sie gehören doch sicher nicht zu den Leuten, die glauben, Nibiru sei eine Strafe Gottes gewesen?«

Falls die Frage sie verärgerte, ließ da Silva es sich nicht anmerken. »Sobald sich die Wissenschaft entschieden hat, bin ich offen für eine bessere Erklärung.«

Benson dachte darüber nach. Nibiru hätte es dem Vernehmen nach gar nicht geben dürfen. Jahrhundertelang hatte man zu wissen geglaubt, ein Stern müsse die mehrfache Masse der Sonne besitzen, um zur Supernova zu werden und daraufhin zu einem Schwarzen Loch zu kollabieren. Nibiru war mit einem Drittel der Sonnenmasse viel zu klein. Die Physiker suchten nach wie vor nach einer Erklärung, einige hielten Nibiru für ein zufällig entstandenes Schwarzes Loch, ein Relikt aus den frühesten Augenblicken des Universums, das sich direkt nach dem Urknall gebildet hatte, als die Gesetze der Physik noch dehnbarer gewesen waren. Andere bestanden darauf, Nibiru sei ein Beweis dafür, dass sich Schwarze Löcher durch einen unbekannten Prozess teilen konnten, vielleicht durch kosmische Strings oder wenn sie sich so schnell drehten, dass sie auseinanderbrachen. Beide Möglichkeiten verwarf die jeweils andere Seite als völlig unmöglich, wenn nicht gar verrückt.

Da die Wissenschaft keine eindeutige Antwort lieferte, war es nicht verwunderlich, dass die Religion vielen eine vermeintliche boten. Eine signifikante Minderheit hielt Nibiru noch immer für Gottes Zorn oder vermenschlichte es derart, dass sie ihm eine eigene Agenda unterstellte.

Benson entschied sich, diesen Teil des Gesprächs zurückzustellen. »In den letzten Generationen haben wir uns hier ganz gut geschlagen«, antwortete Benson. »Ich glaube, wir sind bereit, uns um eine neue Welt zu kümmern.«

»Das mussten wir. Die Leute benahmen sich gut, weil die Gefahr stets präsent war. Wenn wir zu viel aßen oder verbrauchten, betraf uns die Knappheit direkt, sie war nicht irgendein vages Konzept, das Problem zukünftiger Generationen. Aber was passiert, wenn alle Limitierungen verschwinden, wenn es keine Leute wie Sie mehr gibt, die die Erhaltungsvorschriften durchsetzen? Ich befürchte, dann fallen wir in die alten Verhaltensmuster zurück. Falls wir lange genug leben.«

»Was meinen Sie damit?«

»Ich meine, dass wir nur ein abtrünniges Prion oder eine Pilzinfektion vom Aussterben entfernt sind. Es geht auch nicht nur um uns. Selbst wenn nichts davon Gefallen an uns Menschen als Träger findet, reicht schon eine Mehltauinfektion aus, um unsere Getreidevorräte zu zerstören. Dann sind wir so tot wie der Weizen.«

»Ich dachte, unser Getreide wäre krankheitsresistent?«

»Resistent gegen irdische Krankheitserreger, und das bedurfte Jahrtausende sorgfältiger selektiver Züchtung und jahrzehntelanger genetischer Manipulationen. Wir werden bald auf einer vollkommen fremden Welt mit einem einzigartigen Ökosystem landen, an das wir uns innerhalb von Monaten, maximal ein paar Jahren anpassen müssen. Wer sagt, dass die Mutation, die unser Getreide vor Halmbruch schützt, es nicht anfälliger für einen Parasiten von Tau Ceti macht? Wir treffen alle Vorkehrungen, die in unserer Macht stehen, aber ohne Proben ist das so effektiv, als versuche man, einen Faustkampf zu gewinnen, während man nur durch einen Strohhalm sehen kann. Ehrlich gesagt haben wir keine Ahnung, was uns dort erwartet, und es gibt keine Garantie, dass wir uns schnell genug daran anpassen können.«

»Dann können wir wenigstens behaupten, wir hätten es ja schon immer gewusst.«

Da Silva lachte, aber Benson hörte keinen Humor. »Ich versuche nur, jemandem die Scheiße zu erklären, mit der ich mich rumschlagen muss. Verzeihen Sie bitte meine Wortwahl.«

»Keine Sorge, das kann ich verstehen. Hatte Edmond irgendwelche Feinde? Jemanden, der ihm Schaden zufügen könnte?«

»Bei Gott, nein. Er war ein netter Junge, immer sehr höflich. Hat an jeden Geburtstag hier im Labor gedacht, hatte immer ein Geschenk für das Geburtstagskind.«

Na klar, dachte Benson. »Gab es kürzlich Streit? Verschmähte Liebe oder so etwas?«

»Nein, nichts in der Art. Ich glaube nicht, dass ich ihn je mit einer Frau zusammen gesehen habe. Ihnen gegenüber war er immer schüchtern.«

»Ich war heute Morgen in Edmonds Wohnung, nur ein Routinecheck, um sicherzugehen, dass er nicht dort ist. Dabei ist mir aufgefallen, wie … sauber alles wirkte, fast steril. Ich werde das Gefühl nicht los, dass jemand dort alles gründlich gereinigt hat.«

Avelina winkte ab. »Nein, nein, Detective. Er war ein kleiner Putzteufel. Die Sachen hatten immer ihre Ordnung zu haben, selbst hier im Labor, manchmal sogar an den Arbeitsplätzen von anderen. Wenn er eine nervige Eigenschaft besaß, dann war es sein Reinlichkeitswahn, auch wenn selbst der irgendwie liebenswert war.«

Die Tür am Ende des Raumes öffnete sich und spuckte den Techniker von zuvor aus. »Die Zeit ist um, Detective Benson.«

Avelina sah überrascht auf ihr Tablet. »Tatsächlich! Ich muss wirklich zurück an die Arbeit, Detective. Wir haben nur noch zwei Wochen, und bis dahin gibt es noch eine Menge Fehler zu beheben. Wenn Sie irgendetwas wissen müssen, können wir uns über das Komm unterhalten.«

»Natürlich. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich muss mich jetzt um meine eigene Arbeit kümmern und Ihren vermissten Kollegen finden.«

»Falls Ihnen das gelingt, werde ich Ihnen ewig dankbar sein. Wir vermissen Edmond hier bereits schmerzlich.«

Benson stieß sich ab und hielt auf die Schleuse zu. Aber als er sie erreichte, rief er Avelina noch zu: »Oh, Direktorin, noch eine letzte Frage. Hat Edmond Ihnen gegenüber je ein Interesse an Kunst geäußert, vor allem für Bilder aus der Zeit vor dem Start?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Warum fragen Sie?«

»Habe nur etwas überprüft. Danke für Ihre Hilfe.«

Sie winkte. »Möge Gott mit Ihnen sein.«

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Kapitel vier

Benson goss sich eine weitere Tasse Sake ein und schaute auf die antike Uhr an der Wand des Restaurants. Dann wurde ihm bewusst, dass er gar nicht darauf geachtet hatte, wo der kleine Zeiger stand.

Es musste ungefähr 20 Uhr 40 sein, doch so genau ließ sich das nicht sagen, da der verdammte Uhrmacher nur Punkte und Striche statt Zahlen verwendet hatte. Trotzdem war er ziemlich sicher, dass Theresa spät dran war, was bei ihr äußerst selten vorkam.