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Für Cheyenne kann nun ihr Leben richtig beginnen. Ihre Hochzeit mit Nicolai steht kurz bevor. Ihr Peiniger Steve Bozman sitzt im Gefängnis und verbüßt seine Strafe. Aber halten ihn Gitterstäbe und Justiz von seinen durchtriebenen Plänen ab?
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Seitenzahl: 505
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Epilog
Für Cheyenne kann nun ihr Leben richtig beginnen. Ihre Hochzeit mit Nicolai steht kurz bevor. Ihr Peiniger Steve Bozman sitzt im Gefängnis und verbüßt seine Strafe. Aber halten ihn Gitterstäbe und Justiz von seinen durchtriebenen Plänen ab?
Ally Trust ist in Deutschland geboren und lebt dort in einem kleinen ruhigen Ort. Schon in der Kindheit hat sie sich Geschichten ausgedacht und begann in ihrer Jugend mit dem Schreiben. Seitdem schreibt sie leidenschaftlich gerne. 2011 veröffentlichte sie ihr erstes Buch. Vor ihren Büchern hat sie schon einige Kurzgeschichten geschrieben und veröffentlicht.
Ich lief so schnell ich konnte. Mein Herz raste. Panisch schaute ich mich immer wieder um. Er war noch da und kam immer näher.
„Cheyenne, ich werde dich kriegen. Du kannst mir nicht davonlaufen. Es gibt kein Entkommen“, lachte er höhnisch. Ich lief schneller, aber ich hatte das Gefühl, als ob ich gar nicht von der Stelle kam. Ich fiel hin. Ich versuchte aufzustehen, doch ich konnte nicht. Ich schaffte es einfach nicht.
„So jetzt habe ich dich“, hörte ich seine Stimme hinter mir. Ich sah hoch und schaute direkt in Steves grinsendes Gesicht. Ich schrie auf.
„Du kannst schreien, soviel du willst. Dich wird niemand hören und jetzt komm her.“ Er packte mich an meinem Arm und versuchte mich hochzuzerren. Ich schrie weiter und wehrte mich. Doch er ließ mich nicht los.
„Chey, Süße, wach auf. Es ist nur ein Traum“, hörte ich eine Stimme und tat, was sie sagte. Ich öffnete meine Augen und sah Nicolai, der neben mir im Bett saß und mich besorgt anschaute. Ich zitterte am ganzen Körper und merkte, dass mir die Tränen an den Wangen herunterliefen. Nicolai nahm mich in den Arm und ich schmiegte mich an seine Brust.
„Ich dachte, diese Träume sind endlich vorbei“, schluchzte ich, denn ich hatte sie schon seit einem Monat nicht mehr. Meine Therapie hatte ich erfolgreich abgeschlossen und Mrs. Snyder war stolz auf mich, dass ich die Ereignisse so gut verarbeitet hatte. Wobei Nicolai mir dabei auch sehr geholfen hatte. Es war für mich immer noch, wie in einen Traum, dass dieser tolle Mann mit mir zusammen war. Mich wirklich liebte. Vor einem Jahr lebte ich noch in der Hölle. Steve Bozman, mein Vormund seit dem Tod meiner Mutter, hatte mich täglich geschlagen. Am schlimmsten war es, wenn er mich genommen hatte. Nicolai war es, der mich aus dieser Hölle herausgeholt hatte. Ich war ihm unheimlich dankbar dafür. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten, diese Schläge und Qualen. Und nachdem Steve mich zwingen wollte die Adoptionspapiere zu unterschreiben und mich sogar zu prostituieren, wollte ich einfach mein Leben beenden. Nicolai hatte mich schließlich von dieser Brücke gezogen und mir geholfen gegen Steve vorzugehen. Steve wurde für seine Taten verurteilt und saß nun seit vier Monaten schon im Gefängnis. Dort würde er für fünfzehn Jahre bleiben. Das hoffte ich zumindest.
„Hey Süße, du hast viel durchgemacht in den letzten Jahren. Da kann es schon mal vorkommen, dass du mal einen Albtraum hast. Komm erzähl mir davon“, sagte Nicolai liebevoll.
„Es war so schrecklich. Ich lief und lief und Steve war hinter mir her. Ich fiel und er stand plötzlich neben mir. Er versuchte, mich zu sich zu ziehen. Er sagte, es würde kein Entkommen geben. Ich schrie und wehrte mich, aber er ließ mich einfach nicht los“, erzählte ich ihm.
„Es war nur ein Traum. Er sitzt im Gefängnis und kann dir nichts mehr tun“, beruhigte mich Nicolai und strich mir sanft über den Rücken.
„Ich weiß und darüber bin ich auch froh“, sagte ich und beruhigte mich langsam. „Es tut mir leid, dass ich dich durch mein Schreien geweckt habe.“
„Du weißt, dass du dich dafür nicht entschuldigen musst. Mir macht es nichts aus, wenn du mich weckst. Außerdem bin ich immer für dich da und helfe dir“, erwiderte Nicolai und schaute mir dabei fest in die Augen.
„Danke.“
„Du brauchst mir nicht zu danken. Das mache ich doch gerne. Komm, lass uns wieder hinlegen“, sagte er.
Die Sonne schien ins Zimmer, als ich am nächsten Morgen erwachte. Es war Juni und heute begannen die Semesterferien. Nun hatten wir bis Mitte August frei und brauchten nicht zur Uni. Es war einfach schön im Bett liegen bleiben zu können und auszuspannen.
„Hey, guten Morgen Süße“, sagte meine Lieblingsstimme. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und schaute in das lächelnde Gesicht meines Verlobten. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Wir würden wirklich heiraten. Er wollte mich zu seiner Frau nehmen. Unsere Hochzeit würde am elften September stattfinden. Vorher hatten wir in der Kapelle, in der wir heiraten wollten, keinen Termin mehr bekommen. Aber es war mir egal. Von mir aus hätten wir auch einfach im Standesamt heiraten können. Im kleinen Kreis. Aber ich wusste, dass Nicolai gerne eine große Hochzeit haben wollte. Ich wollte ihm einfach diesen Gefallen tun, da er so viel schon für mich getan hatte. Wie gesagt, mir war es egal. Die Hauptsache war, dass er glücklich war. Die Hochzeitsvorbereitungen selbst waren schon fast abgeschlossen. Die Einladungen waren verschickt und wir hatten einen Saal gemietet, indem wir nach der Trauung feiern würden. Zu Essen würde es ein Buffet geben, was wir noch aussuchen mussten. Die Dekoration würde Nicolais Mutter übernehmen, da ich Angst hatte, dass Elle es übertreiben würde, wenn ich ihr die Aufgabe geben würde. Elle und Kate würden mir beim Aussuchen des Hochzeitskleides helfen und waren meine Brautjungfern. Ich war sehr traurig darüber, dass ich niemanden hatte, der mich zum Altar führen würde. Normalerweise war das die Aufgabe des Brautvaters. Aber mein Vater war, als ich zehn Jahre alt war, gestorben. Nicolais Vater hatte sich angeboten diese Aufgabe zu übernehmen und ich hatte dankend zugestimmt.
„Morgen“, erwiderte ich und lächelte ebenfalls.
„Hast du noch gut geschlafen?“
„Ja, habe ich. Ich hatte einen sehr schönen Traum“, erwiderte ich. „So? Und wovon hast du geträumt“, fragte Nicolai interessiert.
„Von dir“, gestand ich ihm. Ich hatte wirklich von ihm geträumt. Eher gesagt von uns beiden, wie wir zusammen an einem Strand waren.
„Na das konnte ja wirklich nur ein schöner Traum sein“, grinste er, beugte sich zu mir herüber und gab mir einen Kuss, den ich sofort erwiderte. Seine Zunge bat an meiner Unterlippe um Einlass, dem ich ihm gewährte. Unsere Zungen begannen ein wildes Spiel und ein Stöhnen entfloh meiner Kehle. Ich legte meine Arme um seinen Nacken und zog ihn näher zu mir heran. Meine Finger griffen in seine dunkelblonden kurzen Haare, als er mit seiner Hand unter mein Schlafshirt glitt und über meinen Bauch führ. Nicolai löste sich von meinen Lippen und wanderte meine Wange entlang zu meinem Hals. Ich glitt mit meinen Händen gerade über seinen Rücken, fasste den Saum seines T-Shirts und wollte es ihm ausziehen, als es an der Tür klingelte.
„Muss das jetzt sein“, stöhnte ich genervt.
„Ignoriere es einfach“, nuschelte Nicolai an meinen Hals. Wieder klingelte es. Dieses Mal energischer.
„Das wird bestimmt Elle sein. Wir sind um elf Uhr zum Shoppen verabredet.“
„Du gehst freiwillig mit meiner Schwester shoppen“, fragte Nicolai überrascht und ließ von meinem Hals ab.
„Naja, sie hatte mich gefragt, und weil du doch mit deinem Vater zu diesem Meeting gehst, dachte ich, tue ich ihr den Gefallen“, gestand ich. Ich hasste es ihn anzulügen, aber es musste sein. Elle und ich würden nicht shoppen gehen. Zumindest hatten wir es eigentlich nicht vor. Wir würden zu einem Motorradladen fahren. Nicolai hatte am neunzehnten Juni Geburtstag und ich würde ihm ein Motorrad schenken. Ich hatte lange überlegt, was ich ihm schenken könnte. Er machte gerade seinen Motorradführerschein und hatte noch kein Motorrad. Deshalb dachte ich mir, dass es das perfekte Geschenk für ihn wäre. Natürlich war es ein teures Geschenk, aber Nicolai hatte so viel für mich getan und mir bei der schweren Zeit, die ich gehabt hatte, geholfen. Ich wusste nicht, wie ich ihm dafür danken konnte. Mit allem Geld der Welt war es eigentlich nicht zu bezahlen. Trotzdem wollte ich ihm dieses Geschenk machen. Er hätte sich sowieso ein Motorrad gekauft, sobald er seinen Führerschein hätte. Carlos würde uns begleiten, da ich mich mit Motorrädern nicht auskannte und ich wollte nicht, dass mich ein Verkäufer übers Ohr haute.
„Stimmt, ich muss ja heute mit meinem Vater zum Meeting. Wie viel Uhr haben wir denn eigentlich“, fragte er und schaute auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. „Es ist ja erst neun Uhr.
Was will sie denn schon hier?“
„Hey, macht auf. Ich weiß, dass ihr da seid“, rief Elle nun und klopfte gegen die Tür.
„Gib uns zwei Minuten“, erwiderte Nicolai laut und stand vom Bett auf. „Sei froh, dass du keine Geschwister hast. Sie können ganz schön nerven“, wandte er sich stöhnend an mich.
„Ich brauche gar keine Geschwister, wenn ich Elle zur Freundin habe“, grinste ich zurück.
„Da hast du auch wieder recht.“ Nicolai ging zum Kleiderschrank und holte sich etwas zum Anziehen heraus. Nicolai und ich hatten mein Zimmer zum gemeinsamen Schlafzimmer umgestaltet.
Nicolais Zimmer war nun unser Büro, wo unsere Schreibtische standen und auch gleichzeitig unser kleiner Fitnessraum. Denn unsere Sportgeräte standen ebenfalls in dem Zimmer. Außerdem hatte Nicolai dort auch den Boxsack aufgehängt, an dem ich meine Schlagtherapie anwenden konnte, wodurch ich meine Panikattacken losgeworden war. Ab und an trainierte ich auch noch an ihm. Ich stand ebenfalls auf und zog mir schnell eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Anschließend ging ich zur Wohnungstür und öffnete sie. „Guten Morgen Chey“, grüßte Elle und kam herein.
„Morgen Elle. Sag mal, wir waren doch erst um elf Uhr verabredet“, erwiderte ich und schloss die Tür.
„Ich weiß. Aber ich dachte mir, wir könnten doch zuerst zusammen frühstücken. Carlos kommt auch gleich. Er holt gerade noch beim Bäcker die Brötchen.“
„Guten Morgen Schwesterherz. Na was treibt dich denn schon so früh hier her“, fragte Nicolai, als er aus dem Schlafzimmer kam. „Frühstücken“, entgegnete sie grinsend.
„Und wo ist Carlos“, fragte er und schaute sich um.
„Der holt das Frühstück.“
Ich ging ins Schlafzimmer und holte mir eine blaue Jeans und ein dunkelrotes kurzärmliges Shirt aus dem Schrank. Dazu nahm ich mir noch Unterwäsche und Socken.
„Wo willst du denn hin“, fragte mich Nicolai, der mir entgegenkam, als ich gerade aus dem Schlafzimmer gehen wollte.
„Ich will eben duschen gehen und mich fertigmachen.“
„Du willst doch wohl nicht ohne mich duschen? Warte einen Moment“, sagte er und holte sich frische Unterwäsche aus der Kommode. Zusammen verließen wir das Schlafzimmer und machten uns auf den Weg ins Bad.
„Wir gehen eben duschen“, rief Nicolai seiner Schwester zu. „Alles klar. Ich werde schon mal den Tisch decken. Macht nichts Unanständiges im Bad. Ich höre alles“, erwiderte sie grinsend.
„Nein, werden wir nicht“, entgegnete Nicolai und grinste ebenfalls. Wir gingen ins Bad und Nicolai verschloss hinter uns die Tür. Ich zog mich aus und warf die dreckige Wäsche in den Wäschekorb.
Nicolai hatte sich ebenfalls ausgezogen und stellte das Wasser in der Dusche an. Er half mir beim Einsteigen in die Duschkabine und folgte gleich darauf. Ich nahm mir das Haarshampoo und schäumte meine Haare ein. Ich wollte mir gerade das Duschgel nehmen, als Nicolai mir zuvorkam.
„Ich mach das schon“, sagte er nah an meinem Ohr und ein leichter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Im nächsten Moment spürte ich schon seine Hände auf meiner Haut, die von meinen Schultern aus zu meinen Brüsten glitten. Ich stöhnte auf, als er begann, sie zu massieren.
„Nicolai, wir sollten das nicht tun. Deine Schwester kann uns hören“, keuchte ich.
„Was tun wir denn“, hauchte er in mein Ohr und eine Hand wanderte nun von meiner Brust hinunter zu meinem Bauch. Ich wusste, wo das enden würde und das durften wir nicht tun. Elle würde alles hören können und ich wollte nicht, dass sie unser Liebesspiel mitbekam. Seine Hand war nun an meiner empfindlichen Mitte angekommen und begann mich zu streicheln. Wieder stöhnte ich auf und ein wolliges Gefühl durchfuhr mich.
„Nicolai, das ist jetzt wirklich keine gute Idee. Elle wird uns hören.“ „Dann müssen wir halt leise sein“, erwiderte Nicolai und küsste meinen Hals.
„Hey ihr beiden. Das Frühstück ist fertig“, hörten wir Elle rufen. „Ignorier sie einfach“, flüsterte Nicolai und küsste sich meinen Hals entlang.
„Das funktionierte vorhin doch auch schon nicht.“
„Da hast du recht.“
„Beeilt euch mal“, rief sie nun und klopfte an die Tür.
„Muss sie uns immer stören“, fragte Nicolai genervt. „Wir sind ja gleich fertig“, rief er seiner Schwester zu. „Sie kann einem auch alles verderben“, murrte er nun. „Hm, dann müssen wir das hier eben auf heute Abend verschieben, wenn wir alleine sind.“
„Ich glaube, das wäre besser. Sie wird uns nicht eher in Ruhe lassen, bis wir aus dem Badezimmer kommen“, seufzte ich.
„Dann lass uns mal fertig duschen. So wie ich sie kenne, steht sie gleich sonst noch im Bad.“
Nachdem wir ausgiebig gefrühstückt hatten, machten wir uns auf den Weg zum Motorradhändler. Elle und ich führen in ihrem Wagen dorthin. Carlos führ uns mit seinem Auto hinterher, damit es nicht auffiel, dass sein Wagen noch in der Tiefgarage stand, er aber nicht da war. Er hatte Nicolai erzählt, dass er zu seinem Vater in die Firma fahren wollte. Da die Firma sich am anderen Ende der Stadt befand, wäre es auffällig gewesen, wenn er sein Auto stehen gelassen hätte. Wir parkten auf dem Parkplatz des Motorradhändlers, stiegen aus dem Wagen aus und betraten zusammen das Geschäft. Hier befand sich eine große Auswahl an verschiedenen Motorradmodellen.
„Hey Chey, wie wäre es mit dem hier“, fragte Elle lachend und zeigte auf ein pinkes Motorrad.
„Ich glaube nicht, dass es Nicolai gefallen wird“, grinste ich.
„Aber die Vorstellung, ihn zu sehen, wie er auf diesem Motorrad sitzt. Am Besten hat er dann noch die passende pinke Kleidung an und den Helm auf“, lachte sie.
„Ja, die Vorstellung ist wirklich gut, wie er dann durch die Stadt damit fährt“, stimmte ich in ihr Lachen mit ein. Wir schauten uns weiter um und Carlos half mir bei den technischen Daten, mit denen ich mich nicht so gut auskannte. Es dauerte nicht lange und ich fand die perfekte Maschine für Nicolai. Es war eine schwarz verchromte Harley Davidson Fat Boy Spezial.
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen“, fragte ein Verkäufer mittleren Alters mit leicht angegrauten, kurzen Haaren. Auf seinem Namensschild, welches er an seinem schwarzen Anzug befestigt hatte, stand Emilio Steal.
„Sehr gerne. Ich interessiere mich für dieses Motorrad“, erwiderte ich.
„Das ist eine sehr gute Maschine. Sie hat ... .“ Er begann, über die technischen Daten des Motorrads zu erzählen. Carlos übernahm für mich das weitere Gespräch und fragte noch einige Dinge.
„Könnte ich vielleicht eine Probefahrt mit dem Motorrad machen“, fragte Carlos und ich schaute ihn überrascht an.
„Aber natürlich. Ich werde gleich alles dafür veranlassen. Sie können gerne schon mal nach draußen gehen. Ich bringe Ihnen die Maschine dann gleich“, erwiderte Mr. Steal und verschwand.
„Du hast einen Motorradführerschein“, fragte ich ihn, als wir nach draußen gingen.
„Ja, den habe ich letztes Jahr gemacht. Gavin hat auch einen. Wir machen ab und zu zusammen Motorradausflüge.“
„Er auch? Das wusste ich gar nicht“, entgegnete ich. „Wo ist denn dein Motorrad?“
„Das steht bei uns zu Hause in der Tiefgarage. Allerdings auf der anderen Seite. Da neben meinen Parkplatz kein Platz mehr frei war“, erklärte er. Mr. Steal kam mit der Harley und einen Helm aus einer Halle, die an das Geschäft angrenzte. Er übergab Carlos den Helm, den er sich gleich aufsetzte, anschließend die Maschine, sowie den Schlüssel und den KFZ-Schein, falls er von der Polizei angehalten werden sollte. Schließlich müsste er ihnen den vorzeigen.
„Darf ich den Damen etwas zu trinken anbieten, solange Sie warten“, fragte Mr. Steal Elle und mich.
„Natürlich“, erwiderte Elle lächelnd. Wir folgten ihm wieder in den Laden und er brachte uns zu einer Sitzecke, wo wir uns setzten und warteten, bis Carlos von der Probefahrt zurückkam.
Nach einer halben Stunde war er auch schon wieder da und kam mit Mr. Steal zu uns.
„Und wie fährt sich das Motorrad“, fragte ich ihn.
„Es fährt sich richtig gut. Es lässt sich leicht lenken und liegt gut in den Kurven“, erwiderte Carlos.
„Also kann ich es für Nicolai kaufen?“
„Ja, also ich denke mal, er wird sich über diese Maschine freuen.“
„Soll ich dann den Kaufvertrag fertigmachen“, fragte Mr. Steal freundlich, wobei man bei ihm schon die Dollarzeichen in den Augen sehen konnte.
„Was meinst du“, fragte mich Carlos.
„Ich würde sagen, ich nehme sie“, erwiderte ich.
„Das ist eine sehr gute Wähl. Kommen Sie doch bitte mit in mein Büro. Dort mache ich die Unterlagen fertig“, sagte Mr. Steal. Wir folgten ihm in sein Büro und setzten uns. Mr. Steal nahm hinter seinem Schreibtisch platz und suchte alle erforderlichen Unterlagen heraus.
Eine halbe Stunde später war alles erledigt. Carlos hatte sogar noch mit dem Händler verhandelt und so bekam ich die Maschine etwas günstiger. Ich hatte mit Mr. Steal vereinbart, dass er das Motorrad zu uns nach Hause liefern lassen würde. Allerdings würde es Elle annehmen, damit Nicolai nichts merkte und in der Tiefgarage bis zu seinem Geburtstag verstecken.
„So und nun lasst uns noch ins Shoppingcenter fahren“, sagte Elle, als wir den Laden verlassen hatten und zu den Wagen gingen. „Muss das sein“, stöhnte Carlos.
„Ja das muss. Du musst ja nicht mitkommen. Ich werde dann mit Chey alleine gehen.“
„Aber Elle ...“, versuchte ich zu protestieren, doch es hatte einfach keinen Sinn. Ich kannte Elle. Sie würde ihren Willen durchsetzen. „Nein Chey, du kommst mit. Du hast doch meinem Bruder gesagt, dass du mit mir shoppen gehst. Da kannst du wohl kaum nach zwei Stunden wieder zu Hause sein. Er kennt mich und er weiß, dass ich nicht nur zwei Stunden shoppen gehe.“
„Da hast du recht. Es wäre zu auffällig, wenn wir so früh zurück wären.“ Das Meeting, wo Nicolai sich mit seinem Vater befand, würde nicht allzu lange dauern. Wenn Nicolai nach Hause käme und ich schon vorher da wäre, würde er mir wahrscheinlich nicht glauben, dass wir keine Lust mehr hatten. Elle beendete eine Shoppingtour eigentlich nie vor vier Stunden. Sie dauerte sogar eher länger. „Na gut. Fahren wir ins Shoppingcenter. Aber du wirst mich nicht zwingen etwas anzuprobieren und mich auch nicht in jeden Laden schleppen. Ach ja und wir gehen etwas Essen.“
„Das mit dem Essen ist machbar“, erwiderte sie.
„Elle“, ermahnte ich sie, denn ich würde meine Bedingungen durchsetzen. Würde ich es nicht tun, würde ich den ganzen Tag in Umkleidekabinen verschiedener Läden verbringen und dazu hatte ich keine Lust. Ich war nicht so shoppingverrückt, wie Elle. Ich ging eigentlich nur einkaufen, wenn es notwendig war.
„Ist ja gut. Ich werde dich nicht zwingen und auch nicht in jeden Laden schleppen“, gab sie schließlich nach. „Zufrieden?“
„Ja.“
„Okay, dann sehen wir uns nachher zu Hause. Viel Spaß euch zwei“, sagte Carlos und ging zu seinem Wagen.
„Danke, werden wir haben“, erwiderte Elle.
„Vielen Dank, dass du mitgekommen bist und mir bei dem Motorradkauf geholfen hast“, bedankte ich mich bei Carlos.
„Kein Problem. Das habe ich doch gerne gemacht“, entgegnete er lächelnd.
„So dann lass uns mal los, sonst werden wir nie ins Einkaufszentrum kommen“, drängte Elle und stieg in ihren Wagen. Ich winkte Carlos noch zum Abschied und stieg ebenfalls ein. Elle startete den Wagen und führ los.
Zehn Minuten später kamen wir am Einkaufszentrum an. Elle parkte das Auto im Parkhaus und wir stiegen aus. Wir gingen gerade zum Zugang des Shoppingcenters, als uns ein Ehepaar entgegenkam. Sie schauten mich mit einem bösen Blick an, und als wir an ihnen vorbei waren, hörte ich die Frau etwas von undankbar sagen. Ich wusste, dass sie über mich redeten. Das fing ja schon gut an. Noch ein Grund, warum ich nicht so gerne einkaufen ging.
Zumindest seitdem Steve im Gefängnis saß. So ungefähr die Hälfte der Bewohner der Stadt mochte mich nicht und glaubten an die Unschuld von Steve. Sie wollten nicht wahrhaben, dass dieser Typ wirklich ein gewalttätiger Mann war, der mich sogar umbringen wollte. Für sie war es der freundliche, hilfsbereite Mann, der nie einer Fliege etwas zuleide tun könnte. Ich dagegen war das verwöhnte, aufsässige Mädchen, was den Tod ihrer Eltern nicht verkraftet hatte und sowieso noch nie den neuen Freund ihrer Mutter leiden konnte. Dabei hatte er sich doch so aufopferungsvoll um das arme Mädchen gekümmert und bei sich aufgenommen, als sie ihre Mutter verloren hatte. Das war doch alles gelogen. Er hatte sich gar nicht um mich gekümmert. Ganz im Gegenteil. Ich war eher seine Haushaltshilfe oder mehr seine Sklavin, die er geschlagen und genommen hatte, wann er wollte. Außerdem hatte er sich mein Haus und alles, was meiner Mutter gehört hatte, unter den Nagel gerissen und als seines ausgegeben. Dabei hatte ich es alles von meiner Mutter geerbt gehabt. Ich und nicht er. Nun saß er zurecht im Gefängnis, denn schließlich musste er für seine Taten büßen. Seit dem Prozess kannte mich nun die ganze Stadt, denn die Presse hatte es am letzten Verhandlungstag geschafft Fotos von mir zu schießen, die anschließend in den Zeitungen gelandet waren. „Ignoriere diese Leute einfach. Sie wollen nur die Wahrheit nicht sehen“, sagte Elle, die ebenfalls die Blicke und das Gesagte mitbekommen hatte.
„Das versuche ich ja. Es ist allerdings nicht so einfach, wenn anscheinend die halbe Stadt gegen einem ist“, seufzte ich.
„Vielleicht. Dafür steht die andere Hälfte hinter dir und du weißt, dass du das Richtige getan hast. Er hat seine Strafe verdient.“
„Da hast du recht und ich bin wirklich froh, dass er im Gefängnis ist.“
„Da gehört er auch hin. Nun komm, lass uns shoppen gehen“, sagte sie, zog mich durch die Zugangstür und steuerte auch gleich den ersten Laden an. Kaum hatten wir den Laden betreten, wurden wir von einer Verkäuferin aufgehalten.
„Entschuldigen Sie, es tut mir leid, aber Sie müssen den Laden verlassen“, sagte sie etwas nervös.
„Warum denn“, fragte Elle und war ziemlich irritiert darüber, dass wir den Laden verlassen sollten.
„Das ist die Anweisung von meiner Chefin, dass Sie diesen Laden hier nicht betreten dürfen“, erklärte die Verkäuferin und wandte sich dabei an mich.
„Was ist denn hier los? Habe ich nicht ausdrückliche Anweisungen gegeben, dass diese Person meinen Laden nicht zu betreten hat“, rief eine Frau mittleren Alters und kam aufgebracht zu uns.
„Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Stone. Ich habe den beiden Damen gerade erklärt, dass sie den Laden verlassen müssen“, sagte die Verkäuferin und klang dabei ängstlich. Diese Mrs. Stone musste eine schreckliche Chefin sein, wenn ihre Angestellten Angst vor ihr hatten.
„Ja, ja schon gut“, entgegnete Mrs. Stone und sah zu mir. Sie blickte mich von Kopf bis Fuß herablassend an. „Sie haben in meinem Laden nichts zu suchen.“
„Und wieso nicht? Ich habe Ihnen doch gar nichts getan“, hakte ich nach. Ich konnte mir den Grund schon denken. Das war nicht der einzige Laden in dieser Stadt, den ich nicht mehr betreten durfte.
Der Grund dafür war, dass diese Ladenbesitzer zu Steve hielten und mich als Lügnerin darstellten.
„Weil Sie eine elende Lügnerin sind und einen unschuldigen Mann ins Gefängnis gebracht haben.“
„Ich lüge nicht und Steve Bozman ist kein unschuldiger Mensch“, verteidigte ich mich.
„Ja, ja hören Sie doch auf zu lügen und geben Sie endlich zu, dass Mr. Bozman unschuldig ist“, forderte Mrs. Stone.
„Niemals. Er ist nicht unschuldig. Er hat mir so einiges angetan und er verdient seine Strafe.“
„Ach erzählen Sie doch nichts. Sie werden noch sehen, was Sie von Ihren Lügen haben und jetzt verlassen Sie sofort meinen Laden. Sie haben hier Hausverbot.“
„Komm Chey, wir gehen. Und hier war ich mal Stammkundin“, sagte Elle entrüstet und drehte sich um.
„Miss Fresco, Sie dürfen selbstverständlich bleiben. Wir haben heute eine neue Kollektion hereinbekommen. Die sollten Sie sich mal ansehen“, entgegnete Mrs. Stone überfreundlich. Sie wusste, dass Elles Familie reich war. Vor allem kaufte Elle in diesem Laden regelmäßig ein und ließ dort eine Menge Geld. Mrs. Stone wusste das und jetzt hatte sie Angst eine ihrer Stammkundinnen zu verlieren.
„Nein danke. Sie haben mich als Kundin verloren. In einem Laden, wo meine beste Freundin nicht willkommen ist, werde ich auch keinen Fuß mehr setzen. Erkennen Sie endlich mal die Wahrheit. Ihr Steve Bozman ist ein Dreckschwein und hat nichts anderes als das Gefängnis verdient.“
„Aber ... Miss Fresco“, stotterte Mrs. Stone, doch Elle marschierte, ohne darauf zu reagieren, aus dem Laden. Ich folgte ihr sofort, denn ich wollte nicht länger in diesem Geschäft bleiben. Allerdings hatte ich ein schlechtes Gewissen. Meinetwegen konnte Elle nicht in diesem Laden, wobei sie dort immer gern eingekauft hatte.
„Du solltest ohne mich shoppen gehen. Dann kannst du wenigstens in jedes Geschäft“, sagte ich.
„Quatsch. Ich werde nicht ohne dich shoppen gehen. Vor allem brauche ich Ladenbesitzern nicht mein Geld geben, die dich als Kundin nicht akzeptieren. Also mach dir darüber keine Gedanken. Dieses Shoppingcenter hat noch genug Läden, die wir unsicher machen können“, erwiderte sie und zog mich auch gleich zum nächsten Geschäft. Wir gingen hinein und Elle lief zu den ersten Kleiderständern. Typisch Elle. Grinsend schaute ich zu, wie sie sich ein Teil nach dem anderen anschaute und überlegte, ob sie es anprobieren sollte oder nicht. Aus diesem Laden wurden wir zum Glück nicht herausgeworfen. Im Moment zumindest nicht. Ich wusste nicht, ob ich auch hier Hausverbot hatte und ob mich bis jetzt noch keine Verkäuferin erkannt hatte. Mein Handy klingelte. Ich holte es aus meiner Tasche heraus und sah auf das Display. Die Rufnummer war unterdrückt und so konnte ich nicht sehen, wer anrief.
„Ja“, meldete ich mich, nachdem ich den Anruf angenommen hatte. Niemand meldete sich.
„Hallo“, sagte ich nun, doch wieder meldete sich niemand. Ich hörte nur Atemgeräusche. Ich legte auf, denn es wurde mir doch zu blöd am Telefon ein Monolog zu führen. Ich steckte das Handy wieder in meine Tasche und schaute mich im Laden um. Vielleicht würde ich etwas Schönes finden, obwohl ich eigentlich keine Lust auf Shoppen hatte. Ich sah mir gerade eine Hose an, als wieder mein Handy klingelte. Ich nahm es aus meiner Tasche. Schon wieder war die Rufnummer unterdrückt.
„Hallo“, meldete ich mich. Wieder waren nur diese Atemgeräusche zu hören. „Hallo, wer ist denn da? Ich kann Sie hören. Was wollen Sie denn?“
„Du wirst sterben“, sagte eine männliche Stimme und legte auf. Ich nahm langsam das Handy von meinem Ohr und starrte auf das Display, was jetzt nur noch den beendeten Anruf anzeigte. Wer war dieser Anrufer? Woher hatte er meine Handynummer? Und warum sagte er, dass ich sterben würde? Hatte Steve etwa wieder jemanden beauftragt, der mich töten sollte? Das hatte er doch schon einmal getan. Ich bekam Angst. Sollte alles wieder von vorne losgehen? Ich hatte doch gerade erst wieder ein normales Leben begonnen. Bilder tauchten vor meinen Augen auf. Bilder, die ich nie wiedersehen wollte. Es waren Bilder aus meiner Zeit in der Hölle. Ich versuchte sie zu verdrängen, doch es gelang mir nicht. Auch hörte ich diese Stimme des Anrufers in meinem Kopf.
„Du wirst sterben“, sagte sie immer wieder.
„Chey“, hörte ich eine Stimme, aber ich konnte nicht darauf reagieren. Ich starrte immer noch, wie gelähmt, auf mein Handy. Steves Gesicht erschien vor meinen Augen und grinste mich an. Ich wollte ihn nicht sehen. Er sollte verschwinden.
„Chey, was ist los“, fragte jemand genau neben mir und rüttelte mich an der Schulter. Ich schaute auf und erkannte Elle, die mich besorgt ansah.
„Du bist ja kreidebleich und zitterst ja.“ Ich tat es wirklich und hatte es gar nicht gemerkt gehabt. Mir wurde schwindelig und in meinen Ohren begann es zu rauschen. Meine Beine wurden weich. Ich verlor den Halt und kippte zur Seite. Elle reagierte sofort und fing mich auf. Auch wenn sie etwas kleiner war, als ich, so hatte sie doch eine Menge Kraft.
„Chey, oh mein Gott“, rief sie und schaute mich an. „Bleib ja bei mir. Wehe du wirst ohnmächtig. Wir brauchen einen Arzt. Ruf doch mal jemand einen Arzt.“ Sie schaute eine Verkäuferin an, die uns beobachtete.
„Was sehen Sie mich so an? Dieser Person werde ich keinen Arzt rufen. Soll sie es doch selbst tun“, sagte diese schnippisch.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wissen Sie, was das ist? Das ist unterlassene Hilfeleistung und somit machen Sie sich strafbar. Wenn Sie das nicht wollen, sollten Sie schleunigst einen Arzt rufen.“
„Nein, das werde ich nicht tun. Dieser Person werde ich nicht helfen“, beharrte diese Frau und sah mich mit einem bösen Blick an. Noch eine Anhängerin von Steve. Mir schwirrte immer noch der Kopf, doch ich wollte keinen Arzt. Ich wollte hier nicht noch mehr Aufsehen erregen, als ich es schon getan hatte. Ich hatte vom letzten Jahr noch genug von Ärzten, als ich durch die ganzen Verletzungen in Behandlung gewesen war. Eigentlich wollte ich nur aus diesem Laden raus.
„Ich brauche keinen Arzt. Es geht schon wieder“, sagte ich zu Elle. „Du bist gerade zusammengebrochen. Natürlich brauchst du einen Arzt.“
„Nein, ich möchte keinen. Bitte Elle“, flehte ich sie an und stand vorsichtig auf. Dabei schwankte ich und Elle musste mich festhalten, damit ich nicht wieder umkippte.
„Also schön. Du möchtest keinen Arzt? In Ordnung, auch wenn ich nicht damit einverstanden bin. Aber ich bringe dich jetzt nach Hause und werde Nicolai anrufen. Mal sehen, was er dazu sagt“, erwiderte Elle streng. Oh nein. Wenn sie Nicolai anrief, dann würde er doch sofort von dem Meeting nach Hause kommen. Ich wollte ihn dort doch nicht wegholen, schließlich konnte er doch durch diese Gespräche, die dort geführt wurden, etwas lernen.
„Muss das sein? Du weißt, dass Nicolai sofort nach Hause kommen wird, wenn du ihn anrufst. Außerdem möchte ich dir die Shoppingtour nicht verderben. Mir geht es wieder gut, also lass uns weitershoppen.“
„Das kommt gar nicht infrage. Du schwankst, als wärst du betrunken und zitterst am ganzen Körper. Erzähl mir nicht, dass es dir gut geht. Das stimmt nämlich nicht. Komm jetzt. Wir fahren nach Hause. Shoppen können wir an einem anderen Tag immer noch.“ Elle legte stützend einen Arm um meine Taille und führte mich aus dem Laden. Mir ging es wirklich noch nicht wieder so gut, wie ich mir selbst eingestehen musste. Deshalb war ich froh, als wir ein paar Minuten später endlich in Elles Wagen saßen. Mir war immer noch so schummrig im Kopf. Ich sah, wie Elle ihr Handy aus der Tasche holte und eine Nummer wählte. Ich wusste, was nun kam.
„Nicolai? Ich wollte dir nur mitteilen, dass Chey gerade einen Schwächeanfall hatte und ich sie jetzt nach Hause bringe“, sprach sie ins Handy. Nun musste Nicolai etwas erwidern, denn sie war einen Moment lang ruhig. „Nein, sie wollte keinen Arzt. Du weißt doch, sie hat einen Dickkopf.“ Wieder hörte sie zu und verabschiedete sich anschließend. Sie legte auf, steckte das Handy wieder in ihre Tasche und startete den Motor.
„Nicolai ist schon zu Hause. Das Meeting dauerte nicht so lange“, teilte sie mir mit und führ los
„Ach ja, er ist nicht sehr erfreut darüber, dass du keinen Arzt wolltest.“
„Das kann ich mir vorstellen“, seufzte ich und lehnte meinen Kopf an die Seitenscheibe der Beifahrertür und schloss meine Augen.
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, standen wir schon in der Tiefgarage, des Hauses, auf Elles Parkplatz. Ich sah auf die Fahrerseite und bemerkte, dass Elle nicht mehr im Wagen saß und die Autotür offen stand.
„Da seid ihr ja endlich. Ihr habt ganz schön lange für den Weg gebraucht“, hörte ich Nicolai sagen.
„Es gibt halt einige Ampeln hier in Toronto, und wenn sie auf Rot stehen, darf ich leider nicht fahren“, erwiderte Elle. Ich löste den Sicherheitsgurt und öffnete die Beifahrertür. Ich wollte gerade aus dem Wagen steigen, als Nicolai mich aufhielt.
„Hey, da ist ja jemand wach geworden“, grinste Elle mich an.
„Warte Süße, ich helfe dir“, sagte Nicolai und hob mich auf seine Arme.
„Du brauchst mich nicht zu tragen. Ich kann doch selbst laufen.“
„Das habe ich im Shoppingcenter gesehen“, entgegnete Elle. „Wie geht es dir denn?“
„Etwas besser, wobei mir noch etwas schummrig im Kopf ist“, gab ich zu.
„Und dann wolltest du noch weiter mit mir shoppen gehen.“ Sie verschloss ihren Wagen und wir gingen zum Aufzug.
„Du wolltest was“, fragte Nicolai fassungslos. Wir stiegen in den Fahrstuhl und führen hinauf zu unserer Wohnung.
„Ich wollte Elle nicht die Shoppingtour vermiesen“, antwortete ich. „Ach Süße, du bist zu selbstlos. Denkst erst an alle anderen, anstatt an dich“, sagte Nicolai und schaute mich liebevoll an. Wir kamen bei unserer Etage an und stiegen, nachdem sich die Fahrstuhltüren geöffnet hatten, aus. Während wir zur Wohnung gingen, holte ich den Wohnungstürschlüssel aus meiner Handtasche heraus und gab sie Elle. Sie schloss die Tür auf und wir traten ein. Nicolai ging mit mir gleich ins Wohnzimmer und legte mich auf die Couch.
„Du bleibst jetzt erst einmal liegen“, wies er mich an. Er ging in die Küche und kam kurz darauf mit einem Glas Wasser zurück, welches er mir reichte. Ich setzte mich ein Stück auf und trank einen großen Schluck. Anschließend stellte ich das Glas auf dem Wohnzimmertisch an und legte mich wieder hin.
„Chey, was war in dem Laden los? Warum hattest du diesen Zusammenbruch“, fragte Elle, die sich auf den Sessel gesetzt hatte. Nicolai saß neben mir auf der Lehne der Couch und strich mir sanft über das Haar. „Ich habe dich mehrmals angesprochen, doch du hast nie reagiert und hast nur auf dein Handy gestarrt.“
„Stimmt, mein Handy. Wo ist es eigentlich“, fiel mir plötzlich ein und ich wollte aufstehen. Doch Nicolai hielt mich davon ab und drückte mich sanft wieder auf die Couch.
„Ich habe es in meine Tasche gesteckt, als du aufgestanden bist“, erwiderte Elle, holte es aus ihrer Handtasche heraus. „Oh du hast fünf Anrufe in Abwesenheit. Ich habe es gar nicht klingeln gehört.“
„Wer war es denn“, fragte ich, obwohl ich es mir eigentlich schon denken konnte.
„Das weiß ich nicht. Die Nummer war jedes Mal unterdrückt“, entgegnete sie, nachdem sie auf das Display geschaut hatte.
„Das war bestimmt wieder dieser Typ“, sagte ich mehr zu mir selbst, als zu den anderen. Ich fragte mich immer noch, wer dieser Kerl war und warum er gesagt hatte, dass ich sterben würde.
„Welcher Typ? Ich verstehe gerade gar nichts“, kam es von Elle und legte das Handy auf den Wohnzimmertisch.
„Ich auch nicht. Süße, wen meinst du und was war im Shoppingcenter los“, hakte Nicolai nach.
„Ich habe im Laden zwei Anrufe bekommen. Die Rufnummer war unterdrückt. Beim ersten Mal habe ich nur Atemgeräusche gehört. Ich legte auf, weil es mir doch zu blöd war, jemanden beim Atmen zuzuhören. Beim zweiten Anruf hat eine männliche Stimme gesagt, dass ich sterben würde, und legte dann auf. Ich habe Angst bekommen und die ganzen Bilder, sowie die Erinnerungen kamen wieder hoch. Mir wurde schwindelig und in meinen Ohren rauschte es. Dann verlor ich das Gleichgewicht“, erzählte ich ihnen und schauderte bei der Erinnerung des Anrufes.
„Oh mein Gott. Hast du die Stimme erkannt“, fragte Elle geschockt.
„Nein, leider nicht. Sie kam mir auch nicht bekannt vor. Ich weiß auch nicht, woher er meine Handynummer hat. Was machen wir denn jetzt? Was ist, wenn Steve dahintersteckt und er mir wieder einen Killer auf den Hals hetzt“, fragte ich und wurde panisch.
„Hey, keine Angst, Süße. Dir wird nichts passieren. Ich werde auf dich aufpassen. Du ruhst dich jetzt erst einmal aus und dann sehen wir weiter“, erwiderte Nicolai.
Zwei Wochen waren vergangen, seit dem Schwächeanfall im Laden vergangen. Ich hatte weiterhin Anrufe bekommen, wo mir immer wieder gesagt wurde, dass ich sterben würde. Wenn Nicolai ans Handy gegangen war, wurde sofort aufgelegt. Nicolai war mit mir zur Polizei gefahren. Doch dort konnte nichts unternommen werden, da die Rufnummer des Anrufers unterdrückt gewesen war und sie somit nicht orten konnten, woher der Anruf gekommen war. Sie rieten mir zu einer Fangschaltung, womit man dann herausfinden konnte, wer der Anrufer wäre beziehungsweise woher der Anruf kam. Das hatte auch funktioniert. Nur leider kamen die Anrufe von verschiedenen Telefonzellen. Derjenige war sehr clever gewesen und hatte per Tastenkombination die Rufnummerübermittlung in den Telefonzellen ausgeschaltet. Irgendwann hatte es mir gereicht und ich hatte mir im Telefonladen eine neue Handynummer besorgt. Dadurch brauchte ich die Fangschaltung nicht mehr. Die Polizei meinte trotzdem, ich sollte mich bei ihnen melden, wenn der Anrufer sich auf der neuen Nummer melden würde. Es konnte ja sein, dass er gute Kontakte hatte und so an meine Handynummer kam.
Heute war Samstag der neunzehnte Juni. Nicolais Geburtstag. Das Motorrad hatte der Händler Anfang der Woche geliefert und wie abgesprochen hatte Elle die Maschine angenommen und in der Tiefgarage versteckt. Mein Geschenk für Nicolai war genau passend, denn er hatte den Tag zuvor die Führerscheinprüfung bestanden und durfte nun Motorrad fahren. Zum Glück hatte er noch keine Zeit gehabt nach einer Maschine zu schauen, denn er musste sich um die Organisation seiner Geburtstagsparty kümmern, die er heute Abend in dem Club Sunrise schmeißen würde. Er wurde heute zwanzig Jahre alt und wollte etwas größer feiern. Ich war heute Morgen schon vor Nicolai wach geworden und zauberte ihm nun ein Geburtstagsfrühstück. Gestern Abend hatte ich, als Nicolai im Club noch etwas für die Party zu regeln hatte, einen kleinen Geburtstagskuchen gebacken, den ich im Küchenschrank versteckte. Es war ein Schokoladenkuchen. Jade hatte mir das Rezept für diesen Kuchen gegeben, weil ich ihn so gerne aß. Auch Nicolai schmeckte er und so hatte ich mich für diesen Kuchen entschieden. Ich war froh gewesen, dass Nicolai gestern nicht mehr an den Schrank gegangen war, sonst hätte er ihn gefunden. Der Kuchen stand nun auf dem gedeckten Tisch. Ich machte mir gerade einen Kakao, da ich Kaffee nicht mochte, als Nicolai in die Küche kam.
„Guten Morgen, Süße“, sagte er noch etwas verschlafen.
„Guten Morgen“, erwiderte ich und ging zu ihm. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Ich gab ihm einen Kuss auf seine wundervollen Lippen und umarmte ihn.
„Danke, Süße“, sagte er, nahm mich in seine starken Arme und küsste mich aufs Haar.
„Möchtest du erst frühstücken oder sofort dein Geburtstagsgeschenk“, fragte ich und löste mich aus seiner Umarmung.
„Ich glaube, die Frage hat sich wohl erledigt“, grinste er, als sein Magen laut knurrte.
„Gut. Das Frühstück ist auch schon fertig. Setzt dich“, sagte ich, holte die Kaffeekanne und goss ihn in die Tasse. Nicolai setzte sich und begutachtete den Tisch.
„Schokoladenkuchen“, fragte er schmunzelnd.
„Ja. Ich weiß doch, dass du ihn gerne isst.“
„Stimmt, ich esse ihn gerne, aber ich kenne da jemanden, der diesen Kuchen liebt“, grinste er und schnappte sich das Messer. „Dann werde ich ihn mal probieren.“
Nachdem wir ausgiebig gefrühstückt und uns fertiggemacht hatten, wurde es Zeit Nicolai sein Geschenk zu überreichen. Ich war ziemlich aufgeregt und hoffte, dass es Nicolai gefallen würde.
„Bereit für dein Geschenk“, fragte ich ihn.
„Ja, das bin ich“, erwiderte er lächelnd.
„Okay.“ Ich nahm einen Schal und verband ihm damit die Augen.
„Was wird das denn jetzt“, fragte Nicolai überrascht.
„Na ich werde dich jetzt zu deinem Geschenk bringen. Keine Angst ich werde dich führen. Vertrau mir.“
„Das tue ich doch, Süße. Na dann bin ich ja mal gespannt“, erwiderte er. Ich nahm seinen Arm und führte ihn aus der Wohnung. Mit dem Fahrstuhl führen wir in die Tiefgarage. Wir stiegen aus und ich führte ihn nun zum Aufenthaltsraum der Wachleute, wo wir das Motorrad nach Absprache mit dem Wachpersonal verstecken durften. Ich nickte George, den Wachmann, freundlich zu, der gerade den Raum verließ. Er lächelte ebenfalls und machte sich auf den Weg zu seinem Kontrollgang durch die Tiefgarage, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Ich stellte mich hinter Nicolai und nahm ihm den Schal von den Augen.
„Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz“, sagte ich und stellte mich neben ihn. Nicolai schaute sich kurz um und entdeckte dann sein Geschenk.
„Nein, das gibt es doch nicht. Wähnsinn. Aber das hättest du doch nicht ...“, sagte er überwältigt und ging auf das Motorrad zu.
„Doch. Du hast es nach alldem, was du für mich getan hast verdient“, entgegnete ich.
„Danke Süße. Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist das beste Geschenk, was ich je bekommen habe, abgesehen von dir natürlich. Du bist für mich das größte Geschenk, was deine Eltern mir machen konnten.“ Er kam mit strahlenden Augen zu mir und zog mich in seine Arme. Ich war so gerührt von seinen Worten. Er betrachtete mich als sein größtes Geschenk.
„Du bist so süß“, flüsterte ich, zog seinen Kopf zu mir herunter und küsste ihn. Sofort erwiderte er den Kuss und zog mich dichter an seinen Körper. Schwer atmend lösten wir uns wieder voneinander und schauten uns tief in die Augen.
„Ich liebe dich“, hauchte er.
„Ich liebe dich auch“, erwiderte ich.
„Und gefällt ihm die Maschine? Ansonsten würde ich sie gerne nehmen“, fragte George, der gerade in den Raum kam.
„Tut mir leid George, aber mir gefällt sie, sehr sogar“, erwiderte Nicolai grinsend.
„Schade, dann werde ich mir wohl doch eine kaufen müssen.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“
„Danke. Ja, das wirst du wohltun müssen. Dann können wir ja mal eine Motorradtour machen“, schlug Nicolai vor.
„Das ist eine gute Idee. Ach übrigens, für das Motorrad ist ein Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite von deinem Parkplatz reserviert. Ein anderer war leider nicht frei“, sagte George.
„Das ist kein Problem“, entgegnete Nicolai.
„Hier, den wirst du brauchen“, sagte ich und überreichte ihm den Zündschlüssel für die Maschine.
„Die Papiere für das Motorrad liegen oben in der Wohnung.“
„Danke Süße. Dann werden wir mal die Maschine zu ihrem Platz bringen und anschließend gehen wir shoppen.“
„Shoppen“, fragte ich überrascht. „Bist du jetzt zu deiner Schwester mutiert?“
„Nein, das bin ich nicht. Keine Angst. Ich brauche doch die passende Schutzkleidung. Du übrigens auch, wenn du mit mir fährst“, erwiderte er lächelnd.
„Ich soll mit dir auf diesem Ding fahren“, fragte ich geschockt, denn ich war noch nie mit so einer Maschine gefahren. Ich hatte schon ein wenig Angst während der Fahrt vom Motorrad zu fallen. Klar, wenn man sich richtig festhielt, könnte das nicht passieren. Aber in einem Auto fühlte ich mich doch irgendwie sicherer.
„Natürlich. Du brauchst auch keine Angst zu haben. Es wird nichts passieren. Du weißt doch, dass ich vorher schon Mofa gefahren bin. Motorrad ist fast das Gleiche, nur das die Maschine etwas größer ist. Aber dafür habe ich ja auch die Fahrstunden genommen und mit dem Führerschein darf ich offiziell Motorrad fahren. Na komm, wir haben heute noch viel vor“. Das stimmte. Heute Nachmittag würde Nicolais Familie bei uns zum Geburtstagskaffeetrinken vorbeikommen und abends würden wir dann in den Club gehen. Nicolai schob das Motorrad aus dem Aufenthaltsraum zu seinem Parkplatz und stellte es dort ab.
Anschließend führen wir mit dem Fahrstuhl zu unserer Wohnung, wo wir unsere Jacken und meine Tasche holten und machten uns auf dem Weg zu dem Motorradhändler.
„Oh guten Morgen, Miss Disseur. Es freut mich, Sie wiederzusehen. Was kann ich denn für Sie tun“, fragte Mr. Steal, der gleich zu uns kam, als wir den Laden betraten.
„Guten Morgen, Mr. Steal. Wir bräuchten Schutzkleidung für das Motorrad“, erklärte ich ihm.
„Da haben wir eine große Auswahl. Ich bin sicher, Sie werden etwas Passendes finden. Ich nehme an, Sie sind der Verlobte von Miss Disseur“, wandte er sich Nicolai zu.
„Ja genau“, erwiderte Nicolai.
„Ihre Verlobte hat mit der Maschine eine gute Wähl getroffen. Sie gefällt Ihnen doch, oder Mr. ...?“
„Fresco. Ja, sie gefällt mir wirklich gut. Meine Verlobte hat wirklich einen sehr guten Geschmack“, sagte Nicolai, legte seinen Arm um meine Taille und zog mich zu sich.
„Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Also, wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen den Raum, wo sich die Motorradbekleidung befindet.“
„Sehr gerne“, erwiderte Nicolai. Wir folgten Mr. Steal durch die Verkaufshalle zu einem Raum, indem sich die Motorradausrüstung befand. Es war, wie er gesagt hatte, eine große Auswahl an Helmen, Jacken, Hosen und weiteren verschiedenen Utensilien. Mr. Steal beriet uns sehr gut. Als wir fertig waren, hatten wir drei große Tüten voll. Wir verabschiedeten uns von dem netten Verkäufer und verließen den Laden.
„Ich muss noch eben in die Apotheke. Wir haben keine Kopfschmerztabletten mehr“, sagte ich, als wir zum Wagen gingen. „Hast du Kopfschmerzen“, fragte Nicolai besorgt.
„Nein, aber ich möchte sie vorsichtshalber für morgen holen, falls heute Abend zu viel gefeiert wird“, erklärte ich ihm.
„Du meinst wohl, falls du zu viel trinkst“, grinste er.
„Oder du“, konterte ich.
„Soll ich mitkommen?“
„Nein, brauchst du nicht. Die Apotheke ist ja gleich nebenan“, erwiderte ich und deutete auf den Laden neben dem Motorradgeschäft.
„Okay, ich lade in der Zeit die Sachen ins Auto“, sagte Nicolai und ich machte mich auf den Weg zur Apotheke. Ich betrat den Laden und bekam gleich die Feindseligkeit einiger Leute zu spüren, indem sie mir abfällige Blicke zuwarfen. Ich ignorierte sie so gut ich konnte und ging geradewegs zur Theke.
„Guten Tag, ich hätte gerne eine Packung Kopfschmerztabletten“, sagte ich freundlich zu der Verkäuferin, die hinter der Theke stand. Diese betrachtete mich ebenfalls abfällig. Sie wandte sich, ohne ein Wort zu sagen, um und ging zu einem Regal, aus dem sie eine Packung nahm. Sie kam wieder zur Theke zurück und knallte die Schachtel darauf. Ich bezahlte, ohne auf die Unfreundlichkeit der Verkäuferin zu achten und nahm die Tabletten.
„Na wen haben wir denn da“, hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. „Das ist doch das kleine Miststück, was unseren lieben Mr. Bozman ins Gefängnis gebracht hat.“ Ich drehte mich um und sah, dass ein großer stämmiger Mann genau auf mich zu kam. Ich wollte diesen Laden einfach nur verlassen. Ich wollte nicht hören, wie sie mich wieder als Lügnerin darstellten und mich beleidigten. „Na na na, wo willst du denn hin? Du bleibst schön hier und hörst dir an, was wir dazu zu sagen haben“, sagte dieser, als ich an ihm vorbeigehen wollte, und hielt mich am Arm fest.
„Lassen Sie mich los“, entgegnete ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Sein Griff war so fest, dass ich es nicht schaffte.
„Nein, du bleibst hier.“ Ich zog weiter an meinen Arm und schaffte es endlich mich zu befreien. Nun drängte ich mich an dem Mann vorbei, doch dieser stellte mir sein Bein in den Weg, worüber ich stolperte und auf dem Boden knallte. Ich schrie auf und hielt mir meinen linken Arm, auf den ich gefallen war. Statt mir zu helfen, lachten die Leute im Laden nur und bildeten einen Kreis um mich. Ich bekam Angst, denn ich wusste nicht, was sie nun tun würden. „Oh, du armes Ding, hast du dir etwa wehgetan? Du hast es nicht anders verdient, du elendiges Stück Dreck“, sagte eine ältere Frau. „Sie ist genauso eine Schlampe, wie ihre Mutter“, kam es von einer anderen Frau.
„Meine Mutter war keine Schlampe“, zischte ich und Wut kam in mir auf. Die Leute konnten über mich sagen, was sie wollten, aber über meine Mutter durften sie das nicht. Sie war eine herzensgute, freundliche und immer hilfsbereite Person gewesen. Sie hatte meinen Vater sehr geliebt und hatte sich, seit seinem Tod, der für sie sowie auch für mich ein großer Verlust gewesen war, zurück ins Leben gekämpft. Sie war immer für mich da gewesen, bis sie leider an Krebs gestorben war. Ich wusste nicht, warum sie sich in Steve verliebt hatte. Aber wenn sie gewusst hätte, was für ein Mensch er war und zu was er wirklich fähig war, hätte sie sich nie auf ihn eingelassen. Sein wahres Gesicht hatte er erst gezeigt, als meine Mutter tot war.
„Natürlich war sie das. Sie hat, bevor sie Bozman kennengelernt hat, regelrecht herumgehurt. War mit jedem Mann im Bett, den sie kriegen konnte“, behauptete ein junger Mann. „Ich hatte sie auch.“ Er grinste mich schelmisch an.
„Nein, das stimmt nicht. Sie lügen“, schrie ich ihn an.
„Wer hier lügt, ist doch wohl klar. Du bist die Lügnerin. Sag endlich die Wahrheit, damit Steve Bozman endlich aus dem Gefängnis freikommt. Außerdem wollen wir unseren Polizeichef zurück, der ebenfalls deinetwegen im Gefängnis sitzt“, kam es von der älteren Frau. Ja, Lewis Cunningham saß ebenfalls im Gefängnis, weil er Steve geholfen hatte. Er hatte genau genommen nicht nur verhindert, dass ich Steve anzeigte, sondern auch noch mich bedroht und die Bremsleitung an meinen Wagen durchschneiden wollen, damit ich womöglich starb und nicht gegen Steve vor Gericht aussagen konnte. Zum Glück wurde das durch die Wachleute in unserer Tiefgarage verhindert. Cunningham bekam für seine Taten zehn Jahre Haft.
„Ich habe die Wahrheit gesagt.“
„Nein, hast du nicht.“
„Vielleicht sollten wir die Wahrheit aus ihr herausprügeln“, rief der junge Mann und ich sah, wie er mit seiner Hand zum Schlag ausholte. Ich kniff die Augen zusammen und schützte meinen Kopf mit den Armen, wobei ein Schmerz durch meinen linken Arm schoss und ich zusammenzuckte. Anscheinend hatte ich ihn mir bei dem Sturz schwerer verletzt, als ich gedacht hatte. Ich hoffte nur, dass ich ihn mir nicht gebrochen hatte. Tränen der Angst begannen nun meinen Wangen entlangzulaufen und ich begann zu zittern. Ich wartete auf den Schlag, aber es passierte nichts. Stattdessen hörte ich einen Knall.
„Du wirst meine Verlobte nicht schlagen. Ich schwöre dir, rührst du sie einmal an, mache ich dich fertig“, knurrte jemand und ich war froh seine Stimme zu hören. Ich hob meinen Kopf und sah Nicolai, der wütend auf den Mann, der mich schlagen wollte, hinuntersah. Dieser lag nun auf dem Boden und hielt sich stöhnend seine Seite, auf die er gefallen sein musste. Was genau passiert war, wusste ich nicht, aber ich nahm einfach mal an, dass Nicolai ihn weggeschubst haben musste. Ich hoffte, dass es für Nicolai keine Folgen haben würde, denn ich wollte nicht, dass er meinetwegen bestraft wurde.
„Schämen Sie sich eigentlich nicht ein wehrloses Mädchen fertigzumachen und sogar schlagen zu wollen? Gehen Sie mit jedem so um, der nicht Ihrer Meinung ist“, fragte Nicolai die umstehenden Leute und kam zu mir. Er half mir auf und nahm mich in den Arm. „Hast du dir wehgetan“, fragte er mich besorgt. „Mein Arm tut mir weh, auf dem ich gefallen bin, als mir ein Bein gestellt wurde“, erwiderte ich leise.
„Wer war das“, fragte Nicolai und Wut flackerte in seinen Augen auf.
„Er“, antwortete ich und deutete mit dem Kopf auf den Herren, der mich zuvor festgehalten und zu Fall gebracht hatte. Früher hätte ich mich nie getraut jemanden zu verraten, der mir etwas angetan hatte. Aber Nicolai hatte mir beigebracht, mich zur Wehr zu setzen und mir nichts gefallen zu lassen.
„Mr. Conder. Sie haben also meine Verlobte verletzt? Das wird für Sie Konsequenzen haben. Wie würde Ihnen eine Anzeige wegen Körperverletzung gefallen“, wandte Nicolai sich an ihn. Seine Stimme war ruhig, doch es lag etwas Gefährliches darin. Es wurde Zeit die Apotheke zu verlassen, bevor doch noch etwas passierte, was Nicolai hinterher bereuen würde.
„Nicolai, lass uns bitte gehen“, flüsterte ich ihm zu.
„Das werden wir jetzt auch“, erwiderte er.
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Mr. Fresco. Zeigen Sie mich doch an, aber ich gebe Ihnen einen Tipp. Werden Sie dieses Mädchen los. Es schadet Ihnen nur Ihren Ruf und Ihrer Zukunft. Vor allem aber schadet sie der Firma Ihrer Familie. Wegen ihr werden Sie noch mehr Kunden verlieren“, sagte Mr. Conder. „Das sind Menschen, die Privates nicht von Beruflichem unterscheiden können. Im Übrigen kümmern Sie sich lieber mal um Ihre eigenen Angelegenheiten. Der Firma geht es gut und so wird es auch in Zukunft sein. Von meiner Verlobten werde ich mich übrigens auch nicht trennen, denn ich liebe sie, falls Sie wissen, was das ist“, entgegnete Nicolai und wandte sich dann mir zu.
„Komm Süße, wir gehen.“
„Ja, hau nur ab, du Schlampe. Am besten verlässt du gleich die Stadt, denn hier will dich sowieso keiner haben“, rief mir eine Frau hinterher, als wir zur Tür gingen.
„Wer hier die Schlampe ist, wissen doch alle. Schließlich durfte bei Ihnen doch die ganze Footballmannschaft ran“, konterte Nicolai bissig. Das hatte gesessen, denn die Frau schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen und aufgeklappten Mund an. Anscheinend stimmte es, was Nicolai gesagt hatte und sie hatte nicht damit gerechnet, dass er es wusste. Hinter mir hörte ich Getuschel. So wie es schien, war es für die Leute auch eine Neuigkeit. Darüber könnten sie sich ja jetzt ihr Maul zerreißen und mich dafür in Ruhe lassen. Nicolai führte mich aus der Apotheke zu seinem Wagen. Dabei hielt er mich weiterhin fest im Arm. Das Geschehene saß mir immer noch tief in den Knochen. Weder das Zittern noch die Tränen hatten nachgelassen. Ich war so froh, dass Nicolai mich gerettet hatte. Nicht auszudenken, was diese Leute noch mit mir gemacht hätten. Bei diesem Gedanken schluchzte ich laut auf. Wir waren mittlerweile am Wagen angekommen und blieben an der Beifahrertür stehen.
„Es ist alles gut, Süße. Ich bin bei dir. Diese Leute werden dir nichts mehr tun“, beruhigte mich Nicolai und zog mich noch dichter zu sich.
„Danke, dass du mich gerettet hast. Wer weiß, was sie noch alles getan hätten. Ich hatte solche Angst“, schluchzte ich.
„Du brauchst mir nicht zu danken. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du nicht zurückgekommen bist. Gott sei Dank bin ich noch rechtzeitig gekommen. Diesen Leuten ist wirklich alles zuzutrauen, aber sollte dich einer von ihnen auch nur anrühren, bekommt er es mit mir zu tun“, sagte er und Wut spiegelte sich in seinen Augen wider.
„Ich möchte nicht, dass du dich für mich strafbar machst.“
„Das werde ich schon nicht. Wenn ich dir helfe, ist es schließlich Notwehr. So und nun lass uns ins Krankenhaus fahren.“
„Aber ich möchte nicht ins Krankenhaus. Das mit dem Arm geht schon wieder. Siehst du“, erwiderte ich und bewegte als Beweis den Arm. Allerdings schoss ein Schmerz durch meinen Arm und ich verzog das Gesicht.
„Na das sieht aber nicht danach aus. Das sollte sich ein Arzt ansehen.“
„Muss das wirklich sein“, fragte ich, da ich keine Lust hatte ins Krankenhaus zu fahren.
„Ja, das muss sein. Und danach werden wir bei der Polizei Anzeige gegen diesen Conder erstatten.“
„Aber ...“, begann ich, wurde jedoch von meinem Verlobten unterbrochen.
„Nichts aber. Chey, wir werden Anzeige gegen ihn erstatten. Du musst den Leuten damit zeigen, dass du dir das nicht gefallen lässt. Außerdem hat er dich verletzt. Na komm schon. Steig ein“, sagte er, schloss das Auto auf und öffnete für mich die Beifahrertür. Ich seufzte und stieg schließlich ein. Nachdem Nicolai auf dem Fahrersitz platz genommen hatte, startete er den Motor und führ los. Ich schaute aus dem Seitenfenster und dachte darüber nach, was vorhin geschehen war. Die Leute würden mich nie in Ruhe lassen, auch wenn ich nun diesen Mann anzeigte. Aber was hatte er noch gesagt? Nicolai sollte mich loswerden, sonst würde es der Firma schlecht gehen. Ihnen liefen anscheinend immer noch die Kunden weg und das nur meinetwegen. Das war schon im letzten Jahr so gewesen, als die Leute erfahren hatten, dass Nicolais Eltern für mich die Vormundschaft übernommen hatten. Cristobal, Nicolais Vater, hatte mich beruhigt und gesagt, dass sie dafür neue Kunden bekamen und das viele seiner Kunden auf meiner Seite stehen würden. Aber anscheinend war es doch nicht so, sonst würden ihnen nicht die Kunden weglaufen. Wenn sie keine Kunden mehr hätten, würde die Firma pleitegehen. Aber das war doch genau das, was ich nicht wollte. Ich wollte doch nicht, dass die Firma bankrottging.
„Worüber denkst du nach, Süße“, fragte Nicolai und riss mich somit aus meinen Gedanken.
„Über vieles. Erst einmal darüber, wie es weitergehen soll, da mich die Leute nie in Ruhe lassen werden. In immer mehr Läden habe ich Hausverbot und in die ich noch darf, werde ich von den Leuten fertiggemacht. Ich weiß nicht, wie lange ich diesen Aggressionen noch standhalten kann. Dazu kommt noch, dass meinetwegen die Firma deiner Familie kaputtgeht und eure Existenz auf dem Spiel steht. Vielleicht wäre es besser, wenn ich einfach gehen würde. Weg aus dieser Stadt. Ihr hättet dann keine Probleme wegen mir mehr. Ihr könntet dann in Ruhe leben. Ihr könntet wieder in jeden Laden gehen und die Firma würde dann auch wieder besser laufen“, sagte ich leise und dabei traten mir die Tränen in die Augen, denn ich wollte eigentlich nicht weg von meiner neuen Familie und schon gar nicht von Nicolai. Kaum hatte ich das gesagt, führ Nicolai an den Straßenrand und hielt an.
„Das meinst du nicht ernst“, entgegnete er geschockt und schaute mich an.
„Was soll ich denn anderes tun? Ich liebe dich über alles und genau deswegen wäre es besser, wenn ich ginge. Dann könntest du ohne diese Probleme dein Leben weiterleben und bräuchtest dir keine Sorgen machen“, brachte ich schluchzend heraus.
„Cheyenne, schau mich bitte an“, forderte Nicolai mich ernst auf. Ich tat, was er sagte und sah in sein Gesicht. „Zu aller erst geht es der Firma nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Mein Vater möchte sogar eine Zweigstelle in London eröffnen, die Gavin leiten wird.“ „Er wird was“, fragte ich überrascht, denn davon hatte ich noch gar nichts gewusst.
„Ja, Gavin wird die Firma in London leiten und somit soll der europäische Markt in Angriff genommen werden. Die Firma hat schon Aufträge aus England bekommen und mein Vater möchte nun weiter expandieren. Er sucht jetzt nur noch Räumlichkeiten und Angestellte. Aber spätestens in einem halben Jahr soll alles laufen“, erklärte er mir.
„Und was ist mit Kate?“
„Sie will mit ihm gehen. Sie überlegt, ob sie dort nicht ein Lifestylemagazin herausbringen wird. Sich dort also selbstständig macht. Du siehst also, der Firma geht es wirklich gut.“
„Aber der Typ in der Apotheke hat doch gesagt, dass die Firma Kunden verliert.“ Ich hatte mich doch nicht verhört und jetzt versuchte Nicolai mir weiß zu machen, dass es der Firma gut ging. Wie sollte das denn sein, wenn sie doch Kunden verloren? „Da hat er recht. Es sind ein paar Kunden abgesprungen. Aber diese können Privates nicht vom Geschäftlichen trennen. Solche Kunden braucht die Firma nicht. Sie ist darauf nicht angewiesen. Du musst also nicht gehen. Vor allem möchte ich nicht, dass du gehst. Ich weiß, du würdest es aus Liebe zu mir tun, aber das brauchst du nicht. Du weißt, ich liebe dich und ich kann nicht ohne dich leben. Also wenn du gehen würdest, würde ich mit dir gehen, egal wohin“, sagte er und schaute mir dabei tief in die Augen. „Aber ich möchte nicht, dass du meinetwegen alles aufgibst“, erwiderte ich.
„Du bist für mich das Wichtigste in meinem Leben und ich würde dich niemals aufgeben. Mach dir bitte keine Gedanken mehr darüber. Und wegen der Leute hier in der Stadt werden wir eine Lösung finden. Wir schaffen das, okay?“ Ich nickte nur.
„Komm her“, sagte er und ich beugte mich zu ihm herüber, schlang meine Arme um seinen Hals und drückte mich eng an ihn. Nicolai erwiderte die Umarmung und hielt mich fest.
„Ich liebe dich“, sagte ich leise.
„Ich liebe dich auch.“ Ich löste mich ein Stück von ihm, aber nur um meine Lippen auf seine zu legen. Nicolai vertiefte sogleich den Kuss, wobei er sich leider viel zu schnell von mir löste und mir die Tränen von den Wangen wischte.
„Ist jetzt alles wieder gut“, fragte er liebevoll.
„Ja. Danke, dass du immer für mich da bist. Was würde ich nur ohne dich tun?“
„Naja, du würdest jetzt nicht ins Krankenhaus fahren und deinen Arm untersuchen lassen“, schmunzelte er.
„Da hast du recht.“ Seufzend ließ ich mich in den Beifahrersitz sinken.
„So schlimm ist es doch nicht“, gab Nicolai zurück und führ wieder auf die Straße Richtung Krankenhaus.