The Lost - Jack Ketchum - E-Book

The Lost E-Book

Jack Ketchum

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Beschreibung

Ein heißer Tag. Ein Campingplatz im Wald. Zwei Frauen – Opfer für den Teenager Ray, der töten will. Er richtet ein Blutbad an, bei dem seine Freunde tatenlos zusehen. 1969, fünf Jahre später: Ray konnte nie überführt werden und ist nach wie vor auf freiem Fuß. Doch er lebt immer einen Schritt vom Abgrund entfernt, und seine Scheinwelt aus Drogen, Sex und krankhaftem Egoismus droht zusammenzubrechen. Was folgt, ist ein Ausbruch des Wahnsinns von albtraumhafter Intensität.

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Seitenzahl: 540

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Das Buch

Der psychopathische Ray Pye wird von seinen Freunden Jennifer und Tim gefürchtet und vergöttert. Sie ahnen nicht, wie weit der Größenwahn des charismatischen Ray geht: An einem idyllischen Sommertag wird er zum Mörder. Vor ihren Augen löscht er brutal die Leben zweier Frauen aus.

Fünf Jahre später: Obwohl Ray der Hauptverdächtige war, konnte er nie überführt werden. In jenem Sommer, in dem Amerika seine Unschuld verliert und die Manson-Morde der Love&Peace-Generation alle Illusionen nehmen, lebt er immer einen Schritt vom Abgrund entfernt. Bis seine Scheinwelt aus Drogen, Sex und krankhaftem Egoismus in sich zusammenbricht. Ray dreht durch – und für Tim und Jennifer beginnt der Horror von Neuem.

Der Autor

Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Seine Horrorromane zählen in den USA unter Kennern neben den Werken von Stephen King oder Clive Barker zu den absoluten Meisterwerken des Genres und wurden mehrfach ausgezeichnet.

www.jackketchum.net

Am Ende des Buchs finden Sie ein ausführliches Werkverzeichnis aller im Wilhelm Heyne Verlag erschienen Ketchum-Romane

Inhaltsverzeichnis

Über den Autorprologteil eins
12345678910111213141516171819202122232425
teil zwei
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hinterherflower powerDANKSAGUNGCopyright

»Alle hoffen wir auf eine edlere Sorte des Wahnsinns, unsere Wunden aber sind erheblich uninteressanter als unsere Heilmittel.«

– JIM HARRISON, The Beige Dolorosa

prolog

»This world is long on hunger, This world is short on joy.«

– Jackson Browne

Juni 1965 · Sparta, New Jersey

Im Lichtschein des Lagerfeuers sah er, wie sie sich küssten. Nur eine kurze Berührung der Lippen, nichts Besonderes, und auch nur ein einziges Mal. Danach setzten sie sich neben dem Baum im Schneidersitz vor ihr Abendessen, das anscheinend aus Würstchen und Bohnen bestand.

Keine große Sache. Nur ein flüchtiger Kuss. Aber, gottverdammt, er fand es widerlich.

»Unfassbar«, sagte er. »Lesben. Mann, ist das eklig.«

Tim grinste. »Bleib locker, Ray. Du weißt doch gar nicht, ob sie lesbisch sind. Vielleicht sind es Schwestern. Oder der Kuss war freundschaftlich gemeint.«

»Hast du jemals ein Mädchen so geküsst, Jen? Oder ihr so übers Haar gestrichen wie die gerade?«

»Natürlich nicht.«

»Bist du jemals nackt vor anderen Mädchen rumgelaufen, so wie die beiden vorhin? Ich meine, außer im Duschraum nach dem Sportunterricht? Da geht’s ja nicht anders. Aber einfach so, nur, weil du Lust drauf hattest?«

»Jetzt hör schon auf, Ray, okay?« Als ob Jennifer von anderen Frauen träumen würde. Konnte er sich kaum vorstellen. Sie lallte schon ein bisschen, hatte wohl zu viel getrunken. Wie wir alle, dachte er.

»Siehst du? Ich sag’s doch. Die beiden sind Lesben.«

Nachmittags gegen zwei hatte er die Brünette aus dem Klohäuschen des Zeltplatzes kommen sehen, splitternackt bis auf ihre Badelatschen. Er hatte kacken müssen und war praktisch über sie gestolpert, hätte fast die Scheißhaustür in die Fresse gekriegt. Er wusste nicht, wer überraschter gewesen war, die Brünette oder er, aber wer von ihnen die Begegnung mehr genossen hatte, stand fest.

Er hatte sie ausgelacht. Hast du eine Zigarette?, hatte er gefragt. Hoppla, ich schätze nicht.

Mein Gott, sagte sie. Ich dachte, wir wären allein hier oben! Tut mir leid. O Gott! Sie versuchte mit einem Arm ihre Titten zu bedecken, warf die Hand über die rechte Brust und wollte die linke in die Armbeuge klemmen, während sie die andere Hand auf ihre Scham legte. Aber die linke Titte spielte nicht mit. Er konnte den runzeligen braunen Rand des Warzenhofes erkennen. Das Mädchen hatte eine tolle Figur, so viel stand schon mal fest. Groß, üppig und fest, ganz nach seinem Geschmack. Ihr Gesicht war auch nicht übel.

Aber ihm gefiel die Stimme nicht. Irgendetwas an der Art, wie sie redete. Ihr Akzent klang nicht so, als stammte sie aus der Gegend. Ihr Tonfall ließ vermuten, dass Daddy Geld hatte.

Entschuldige, falls ich dir einen Schreck eingejagt habe, sagte er. Ich wollte … ähem … nur auf die Toilette. Das Ähem gefiel ihm auch nicht. War gar nicht seine Art, so rumzustottern. Das lag irgendwie an ihrer Stimme. Eigentlich war er viel lässiger. Aber er lächelte sie trotzdem an und tat so, als wolle er nun aufs Klo gehen und sein Geschäft verrichten. Das Mädchen erwiderte das Lächeln, nickte verlegen und wandte sich ab, um den Pfad hinunterzulaufen.

Ihr Hintern war auch nett. Wie er hin und her wackelte, während sie davoneilte. Nur eine kleine Portion Extrafett an den Pobacken. Nicht viel.

Scheißen konnte er auch später noch. Er schlich ihr nach, hielt sich auf dem schmalen gewundenen Pfad dicht hinter den Büschen. Sie überquerte den Hügel und trottete zum See hinunter. In seinen Stiefeln bergab zu gehen war unangenehmer als bergauf, aber wie immer ignorierte er seine schmerzenden Füße.

Ich dachte, wir wären allein hier oben.

Er musste unbedingt herausfinden, wer wir war.

Wie sich herausstellte, war es eine bleiche, extrem zierliche Rothaarige mit dicken rosigen Nippeln, krauser Wuschelmähne und etwas helleren, karottenfarbenen Schamhaaren. Eine goldene Halskette glitzerte im Sonnenschein, ein goldenes Armband am Handgelenk. Ihr Gesicht war hinter der Wuschelmähne verborgen. Aber auch so konnte er sich denken, was die Brünette ihr erzählte. Hier oben ist jemand, wir müssen uns anziehen. Denn die Rothaarige, die am Ufer in der Sonne lag, setzte sich plötzlich auf, und man sah, wie sie gestikulierte und halbherzig widersprach. Na und? Ist doch egal. Aber die Brünette war bereits in ihre Jeans gestiegen und knöpfte die ärmellose Bluse zu, und dann beobachtete er, wie die Rothaarige seufzend nach ihrem T-Shirt griff.

Danach hatte er sich davongestohlen.

Er war zum feuchten, stinkenden Klohäuschen zurückmarschiert. Anschließend war er wieder den Hügel zum großen Felsen hinaufgestiegen, wo Tim und Jennifer im Schatten hockten, Marlboros rauchten und Starkbier tranken. Er hatte sich auch eine Dose aufgemacht, die schlanke Remington Kaliber .22 mit Walnussgriff aufgehoben und sich auf das Gewehr gestützt wie auf einen Gehstock, während er ihnen von den Mädchen berichtete. In seiner Schilderung hatte er die beiden hübscher gemacht als sie wirklich waren, hatte ein wenig übertrieben, besonders bei der Rothaarigen, deren Gesicht er überhaupt nicht gesehen hatte. In erster Linie, um Jennifer zu ärgern, sie eifersüchtig zu machen, das alte Feuer nicht verlöschen zu lassen.

Aber irgendwie war es enttäuschend, nun mit Tim und Jen untätig hinter den Büschen in der Dunkelheit zu kauern; es machte ihn fast wütend auf die beiden Mädchen. Wer war schon eifersüchtig auf zwei gottverdammte Lesben, die sich im Wald küssten? Jennifer bestimmt nicht. Vorhin war er noch so scharf gewesen, dass er die Brünette am liebsten übel durchgefickt hätte. Aber daran war nun nicht mehr zu denken.

Denn die beiden jetzt angezogen vor ihrem schicken Zelt sitzen zu sehen, bestätigte seinen ersten Eindruck: Die beiden waren die Kinder reicher Eltern. Er wäre sowieso nie im Leben an sie rangekommen. Mit der Sorte von Mädchen kannte er sich aus. Sie gingen in niegelnagelneuen Jeans zum Campen, verdammt nochmal. Waren mit teurem Equipment ausstaffiert: hochwertiges Isolierzelt, wahrscheinlich von L. L. Bean, glänzender tragbarer Butankocher, große, nagelneue Coleman-Laterne.

Zwei verwöhnte Ziegen mit reichen Daddys. Wahrscheinlich waren sie aus der Stadt hier raufgekommen.

Verwöhnte Lesben noch dazu.

Er hasste Schwule und Lesben. In der elften Klasse hatte es im Englischunterricht einen Homo namens Billy Dultz gegeben. Der Kerl hatte jedem, der ihm fünf Dollar zahlte oder die Fresse polierte, den Schwanz gelutscht. Er kannte Typen, die hatten Dultz auf beide Arten entlohnt, manchmal direkt nacheinander. Zuerst hatten sie ihm den Fünfer in die Hand gedrückt, und hinterher hatten sie ihm eine reingehauen. Aber nicht er. Nicht Ray. Nie im Leben würde er sich von einem Typen einen runterholen oder blasen lassen oder sich in den Arsch ficken lassen – das war krank –, und seiner Meinung nach galt für Lesben dasselbe. Jedes Mädchen, das lieber an einer Muschi als an einem Schwanz lutschte, hatte es verdient, auf der Stelle tot umzufallen.

Das ist das Allerletzte, dachte er.

Er ließ den Busch los, den er herabgedrückt hatte, um besser sehen zu können. Wer wollte schon zwei reichen Weibern beim Würstchenfressen zugucken?

Aber die Würste rochen gut. Und er hatte Kohldampf.

Er hob die Remington auf.

»Weißt du, was, Timmy?«, sagte er. »Lass sie uns abknallen!«

»Was?« Er hörte an ihrer Stimme, dass er Jennifer erschreckt hatte. Das freute ihn. Er musste grinsen. Es war dieses breite, leicht spöttische Elvis-Grinsen, das er den beiden jetzt zuwarf. Jennifer zu erschrecken machte ihm noch mehr Spaß, als sie eifersüchtig zu machen. Er wusste nicht, warum es so war. Aber so war es eben. Tim sagte nichts, aber das lag daran, dass Tim ein beschissener Feigling war. Genau betrachtet, waren die beiden doch fast noch Kinder. Er beschloss, sie noch ein bisschen zu ärgern.

»Wir sollten sie abknallen«, flüsterte er. »Hey, Tim und ich haben schon öfter darüber gesprochen, stimmt’s, Tim? Wie es wäre, jemanden abzuknallen. Du warst nie jagen, Jen, deshalb kannst du das nicht verstehen. Du hast nie einen Hasen abgeschossen. Tim und ich schon. Man sieht es in ihren Augen. In einem Moment ist alles okay, nach dem Motto: Hey, wir hoppeln den Karnickelpfad runter! Und im nächsten Moment sind sie in der Karnickelhölle. Man hat das völlig in der Hand. Man selbst hat den Hasen auf Nimmerwiedersehen ins Jenseits befördert. Deshalb beginnt man, sich irgendwann zu fragen, wie es wohl wäre, mal einen Menschen zu erschießen. Und verfickte Lesben wie die beiden da unten kann man doch sowieso kaum als vollwertige Menschen bezeichnen. Sie werden niemals Kinder kriegen, stimmt’s? Wer wird sie schon groß vermissen?«

»Ray, um Himmels willen, du kannst doch gar nicht wissen, ob sie wirklich lesbisch sind, nur weil sie sich geküsst und nackt gesonnt haben.«

Er konnte die Furcht in Tims Stimme hören. Auch das machte ihm Spaß. Aber langsam wurde es ihm ein bisschen zu viel.

»Verdammt, schrei nicht so rum, Tim.«

»Okay. Ist ja gut. Aber du kannst wirklich nicht wissen, ob sie lesbisch sind. Ich hab gehört, in Europa legen sich die Leute alle nackt in die Sonne, und Freundinnen spazieren Arm in Arm durch die Straßen. Manche Mädchen drücken sich in der Öffentlichkeit sogar hin und wieder einen Kuss auf die Lippen. Vielleicht kommen die beiden ja aus Europa.«

Fast hätte er losgeprustet.

»Tim, du bist echt bescheuert. Aus Europa?«

»Na, man kann ja nie wissen, oder?«

»Die Brünette jedenfalls kommt nicht aus Europa. Die ist so amerikanisch wie warmer Apfelkuchen. Außerdem hat sie Geld. Also, was meinst du? Abknallen oder durchficken?«

»Mann, Ray!«

Er grinste und zuckte die Achseln. »Man sollte sich immer klarmachen, welche Möglichkeiten man hat, Timmy. Das sollte man nie vergessen.«

»Um Gottes willen, du bist doch eine wunderschöne Frau«, hatte Elise zu ihr gesagt. »Zum Teufel mit Phillip. Du wirst einen viel, viel Besseren finden, wart’s ab.« Und dann hatte sie ihr übers Haar gestrichen und sie kurz auf den Mund geküsst.

Diese Art von Gute-Nacht-Kuss hatten sie sich schon als kleine Mädchen gegeben, wenn es Zeit war, ins Bett zu gehen. Ein kurzes aufmunterndes Küsschen unter besten Freundinnen, wenn die eine bei der anderen übernachtete.

Und ein bisschen Aufmunterung konnte sie im Moment gut gebrauchen.

Die Sonne und das kühle klare Seewasser hatten ihr gutgetan. Sogar die Würstchen mit Bohnen hatten ihr gutgetan. Sie hatte einfach das Bedürfnis gehabt, mal für einen Tag aus Short Hills rauszukommen, und Elise war diejenige gewesen, die das begriffen hatte. Natürlich Elise, wer sonst? Von ihnen beiden war Elise die Starke und Selbstsichere, diejenige, die die Dinge in die Hand nahm. Auch wenn man ihr das kaum zutraute, so zierlich und zerbrechlich, wie sie wirkte, und mit ihren lustig gekräuselten feuerroten Haaren.

Sie verputzte den Rest des Hotdogs und wischte sich mit der Serviette den Mund ab.

»Ich wünschte, ich könnte ihn jetzt wenigstens richtig hassen, verstehst du?«, sagte sie.

»Ja, das wär schön. Ich sag dir was: Wie wär’s, wenn ich ihn für dich hasse?«

Sie lächelte. »Das tust du doch schon.«

Elise warf einen Zweig ins Feuer. »Schau, Lisa. Du hast dich in einen gut aussehenden Kerl verknallt, der eine glänzende rote Corvette fährt und dich mit seiner Mitleidstour um den Finger gewickelt hat, außerdem war Frühling. Okay. Und dann findest du heraus, dass sich hinter dem charmanten Lächeln und der Ich-armer-Kerl-hatte-soeine-schwere-Kindheit-Nummer ein fieses versoffenes Arschloch verbirgt. Ein Kerl, der ständig auf Studentenpartys abhängt und sich bis zum Anschlag mit Bier volllaufen lässt und der, wenn er betrunken ist, Leute verprügelt. Vor allem Schwächere. Vor allem Frauen. Wie kann man so einen Mistkerl nicht hassen?«

»Ich weiß. Das Problem ist, dass es ihm hinterher immer wahnsinnig leidtut.«

»Ja und? Er hat dich schon zweimal geschlagen, Lisa. Und in diesem Fall glaube ich nicht, dass drei eine magische Zahl ist.«

»Auch das weiß ich.«

So war es schon immer zwischen ihnen gewesen. Als Elise ins Nachbarhaus gezogen war, war sie sieben und Lisa gerade acht geworden. Doch von Beginn an war Elise diejenige gewesen, die den klareren Blick auf die Dinge hatte. So hatte sie zum Beispiel erkannt, dass ihre beiden Väter sich auf dem Golfplatz weitaus wohler fühlten als zu Hause beim sonntäglichen Abendessen. Und dass sie und Lisa eher Vorzeigeobjekte waren als Wunschkinder. Und dass sie niemals Brüder oder Schwestern haben würden.

Ihre Eltern verkehrten in ganz unterschiedlichen Kreisen; Lisas waren russisch-jüdische Liberale, die einige Jahre zuvor aus Manhattan fortgezogen waren, und Elises Eltern waren strenggläubige irische Katholiken aus Baltimore. Trotzdem hatte niemand etwas dagegen gehabt, dass die beiden Mädchen einander mehr oder weniger adoptierten. Und das hatten sie dann auch getan. Die beiden waren unzertrennlich. Sie übernachteten abwechselnd fast jedes Wochenende beieinander, im Sommer auch unter der Woche, und so ging es die gesamte Schulzeit hindurch. Sie stritten kaum, und wenn, dann vertrugen sie sich rasch wieder.

Es war, als hätte jedes der Mädchen die Schwester gefunden, nach der es sich so gesehnt hatte. Und als Lisa sich mühsam durch die Pubertät kämpfte und Elise wie auf Flügeln durch diese Phase zu schweben schien, vergaben sie einander bereitwillig all die Macken, die sie neuerdings entwickelten.

Elise und Lisa. Lisa und Elise.

Schon ihre Namen klangen wie die von Schwestern.

Nach der Highschool schrieben sie sich auf dem gleichen College ein: Wellesley. Und sorgten dafür, dass sie sich ein Zimmer teilten. Lisas Hauptfach war Pädagogik, Elises Betriebswirtschaft. Trotzdem hatten sie immer noch viele gemeinsame Interessen. Sie mochten die Beatles, Bob Dylan und Judy Collins – obwohl Elise meinte, der Sängerin mangele es an Gespür für Ironie. Ironie, sagte sie, sei genau das Quäntchen Wissen, das die Katze dem Hund voraushabe. Als sie sich einen Kater anschafften, nannten sie ihn Dylan.

Sie mochten Julia Child und Betty Friedan, Helen Gurley Brown dagegen überhaupt nicht. Nie hätte man eine von ihnen in einem Oben-ohne-Badeanzug von Rudi Gernreich zu Gesicht bekommen, obwohl sich beide wohl in ihrem Körper fühlten. Sie hatten einander von Kindesbeinen an nackt gesehen. Und natürlich waren sie keine Jungfrauen mehr.

Außerdem zogen sie sich beide gerne an abgeschiedene Orte zurück und genossen das einfache Leben.

So wie hier. Zelten im Wald.

Der Ausflug zum Turner’s Pool war das dritte Mal, dass sie diesen Sommer aufs Land gefahren waren, doch zum ersten Mal taten sie es nicht nur zum Vergnügen.

Der Grund dafür war Phillip. Er war zum Problem geworden.

Lisa erschlug eine Mücke.

»Hoffentlich fressen die uns heute Nacht nicht bei lebendigem Leib auf«, sagte sie.

»Ich habe Mückenspray dabei.«

»Gut.«

Sie warf den Pappteller ins Feuer und beobachtete, wie er sich an den Rändern aufrollte und in der Mitte verkohlte.

Plötzlich merkte sie, dass sie die Stirn runzelte. Das entging auch Elise nicht. Sie sah, wie ihre Freundin sich seufzend gegen die Eiche lehnte und anfing, mit ihren langen schlanken Fingern die Rinde vom Stamm zu pulen.

»Selbst wenn er dich nicht geschlagen hätte, hätte es mit euch beiden nicht geklappt. Das weißt du ganz genau.«

»Kann schon sein.«

»Kann sein? Erinnerst du dich noch an Johnny Norman, damals auf der Highschool? Genau der gleiche Typ, Lisa. Gutaussehend und wahnsinnig beliebt und dermaßen von sich eingenommen, dass du ihn nach – was? –, nach zwei Monaten nicht mehr ertragen konntest. Der einzige Unterschied war, dass er nicht ausflippte, wenn er trank. Und er hat immer mehr getrunken, als er vertragen konnte.«

»Du hast Recht. Ich kapier’s nicht. Warum tue ich mir das immer wieder an?«

»Hey, so was passiert halt, wenn man sich mit Männern einlässt, es gibt jede Menge solcher Typen. Du bist vielleicht nur etwas zu mitfühlend, und das haben sie ausgenutzt  – na und? Was willst du jetzt machen? Dich nicht mehr verlieben? Aufhören, dich mit Männern zu treffen? Vertrocknen wie dieses arme verdörrte Gras hier? Du tust genau das Richtige. Bloß noch nicht mit dem Richtigen, das ist alles.«

Lisa spürte, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Sie wollte nicht wieder losheulen wegen dieses Kerls; das hatte sie Elise schon oft genug angetan. Aber sie hatte immer noch das Bild vor Augen, wie er sie an jenem Abend mit hochrotem Kopf und gebleckten Zähnen angebrüllt hatte: Halt’s Maul, halt’s Maul! Und dann hatte er die rechte Hand zur Faust geballt und zugeschlagen. Und hinterher hatte sie gespürt, dass sie ihn immer noch liebte, diesen Scheißkerl, und bereit war, ihm zu verzeihen.

Elise breitete die Arme aus.

»Ach, komm mal her.«

Lisa rutschte rüber, schlang die Arme um Elise und ließ sich von den Tränen überwältigen; sie schluchzte nicht nur, wie beim letzten Mal, sondern ließ den Tränen freien Lauf, so dass sie auf Elises gelbes T-Shirt tropften. Sie spürte die Finger ihrer Freundin im Haar, hörte das Knistern des Feuers, das Zirpen der Grillen im Gras, die quakenden Frösche unten am See.

»Du bist, wie du bist«, sagte Elise. »Nämlich ganz normal. Ich meine, wir alle machen Fehler. In unserem Alter, wer macht da keine Fehler? Aber nicht alle Typen sind Arschlöcher. Wir werden schon welche finden, an denen es nichts auszusetzen gibt. Wart’s ab.«

Lisa spürte, wie etwas von hinten gegen ihre Schulter prallte. Eine Eichel, von ganz oben, dachte sie, aus dem Baum. Doch sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, dass der Gegenstand (was immer es war) sie viel zu hart getroffen hatte, und dann hörte sie plötzlich das Knacken, als wäre jemand im Unterholz auf einen Zweig getreten, noch spürte sie allerdings keinen Schmerz, da war nur der Schreck über das Geräusch, das mit der Welt nicht im Einklang zu sein schien. Doch das Geräusch und die plötzliche Feuchtigkeit an der Schulter ließen sie herumfahren.

Und in diesem Moment explodierte ihr Gesicht.

Die Kugel zerschmetterte ihr Gebiss, durchschlug den Oberkiefer und zerfetzte zusammen mit einigen Zahnsplittern die Wange.

Hätte sie ihren Hals einen halben Zentimeter weiter nach rechts gedreht, hätte die dritte Kugel die Drosselvene durchtrennt und den Kehlkopf einen Fingerbreit nach links gedrückt. So aber trat das Geschoss sauber wieder aus und schlug neben Elises Schulter in den Baum ein.

Lisa schrie auf, wurde herumgerissen und kippte zur Seite. Ihr Schrei klang komisch, ein gurgelndes Husten, sie spuckte Blut und Zahnsplitter, die Elise im Gesicht und am Hals trafen und ihr selbst als feiner dunkler Speichelfaden übers Kinn liefen. Sie schluckte; der Geschmack war ekelhaft und überlagerte alle anderen Sinneseindrücke.

Wäre Lisa nicht zur Seite gekippt, hätte die vierte Kugel ihr Rückgrat getroffen.

So aber schlug das Geschoss direkt unter dem Haaransatz über dem linken Auge in Elises Kopf ein und schleuderte sie gegen die raue Baumrinde. Blut floss ihr über die Stirn und in die Augen und spritzte an Lisas blutverschmierte Wange. Elise schüttelte den Kopf, wie ein aufgeschreckter nasser Hund, und hob die Hände, um sich das Blut aus den Augen zu wischen, damit sie etwas erkennen konnte, und Lisa sah, wie der fünfte Schuss ihre Freundin direkt unter der Brust traf. Aus dem Loch, das plötzlich im T-Shirt klaffte, quoll Blut. Geh in Deckung, dachte sie. Versteck dich! Hinter den Baum!

Elise wirkte benommen und verblüfft zugleich, wie ein Kind, dessen Spielzeug hinuntergefallen war und nun zerbrochen vor ihm lag; ihre weit aufgerissenen Augen blinzelten gegen den fortwährenden Blutstrom an. Lisa rollte zur Seite, rappelte sich taumelnd wieder auf, packte Elise am Arm und zerrte sie mit sich. Irgendwo in den Büschen hörte sie jemand brüllen; sie spürte das Blut in ihrem Mund und musste sich fast übergeben, spürte die gezackten Ränder ihrer zerschmetterten Zähne.

»Elise!«, sagte sie. »Steh auf! Elise!«

Ihre Stimme war nicht mehr ihre eigene. Ihre Worte klangen völlig unverständlich. Sie packte Elises anderen Arm und zog mit aller Kraft, schleifte ihre Freundin weiter mit sich fort, und dann waren sie auf der anderen Seite des Baumes, für einen Moment in Sicherheit vor dem unbekannten Angreifer. Aber ihr war klar, dass sie von hier fortmussten und dass Elise nicht laufen konnte; offensichtlich konnte sie sich kaum noch bewegen, geschweige denn aufstehen. Sie hörte gar nicht mehr auf zu blinzeln, und überall war das Blut aus ihrer Kopfwunde, lief ihr in die Augen und am Hals hinunter, durchtränkte ihr T-Shirt, glänzte im Mondschein auf ihrer Jeans.

Sie musste Hilfe holen. Irgendwen finden. Aber der Gedanke, Elise allein im Wald zurückzulassen, war unerträglich. Sie hatte Angst, dass sie ihre Freundin verlieren könnte, dass sie ihr einfach wegsterben würde. Aber gleichzeitig fürchtete sie sich davor, bei ihr zu bleiben. Denn da hinten waren immer noch diese Leute.

Sie würden kommen und die Sache hier zu Ende bringen.

Im Grunde hatten sie gar keine andere Wahl.

O mein Gott, Elise.

Sie konnte nicht bei ihr bleiben.

Wenn sie blieb, würden sie beide verbluten.

Vor wenigen Sekunden erst hatte sie die Fremden gehört, trotz ihrer Panik. Sie bildete sich das nicht bloß ein. Dort draußen in der Dunkelheit. Es klang, als würden sie streiten. Mindestens zwei Männerstimmen und eine Frauenstimme, hinten in den Büschen.

Sie waren stehen geblieben.

Vielleicht haben sie Angst gekriegt, überlegte sie. Vielleicht waren sie weggerannt.

Falls dem so war, konnte sie ebenfalls fortrennen und Hilfe holen.

Sie musste es versuchen.

Sie tätschelte Elises Hand. Wie klein und zerbrechlich sie sich doch anfühlte. Und dann ließ sie sie los, und dieses Loslassen war selbst schon eine Art Tod, ein Aufgeben, das sie laut aufschluchzen ließ im plötzlich stillen Wald.

Sie spähte hinter dem Baum hervor. Und das Letzte, was sie im aufblitzenden Mündungsfeuer sah, war ein Mann, der ihr von irgendwoher vage bekannt vorkam. Er stand knapp einen Meter von ihr entfernt und blickte am Gewehrlauf entlang.

Und ihr allerletzter Gedanke war: Warum?

Ray war verärgert.

Normalerweise war er kein so beschissener Schütze. Aber nach dem ersten Schuss hatten Tim und Jennifer plötzlich einen Heidenlärm veranstaltet, und das hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Deshalb hatte er nach den ersten fünf Schüssen näher herangehen müssen, aber da hatten sich die Mädchen schon hinter dem Baum versteckt. Und das gefiel ihm nicht. Es war gefährlich, denn wer zum Teufel wusste schon, in welchem Zustand sie waren und ob sie noch genug Kraft hatten, um sich zu wehren oder abzuhauen oder was auch immer? Aber er hatte Glück gehabt. Derjenigen, die sich noch auf den Beinen halten konnte, hatte er einen sauberen Kopfschuss verpasst, direkt ins Auge.

Die andere, die Rothaarige, die zusammengesunken am Baumstamm lehnte, würde nirgendwo mehr hingehen.

Aber er war erstaunt. Es war nicht wie im Film gewesen.

Die Leute machten viel zu viel Aufhebens ums Töten.

Sechs Schüsse, den letzten mitgerechnet. Vier hatte allein die Brünette abbekommen. Schulter Gesicht Hals Auge.

Er bezweifelte, dass er für die Rothaarige eine siebte Kugel benötigte.

»Was machen wir jetzt, um Himmels willen?« Er hatte es satt, dass Tim ihm immer wieder diese Frage stellte. Hätte er sich gerade nicht so saugut gefühlt und wäre die ganze Sache nicht so verdammt cool gewesen, wäre er wahrscheinlich ernsthaft sauer geworden. Aber mit Timmy musste man Geduld haben.

»Wir verbuddeln sie, Tim. Danach packen wir ihr Zeug zusammen und werfen es auf den Müll. Niemand wird je herausfinden, dass die beiden hier draußen waren. Ist das ein guter Plan oder was?«

»Ich möchte weg von hier«, sagte Jennifer. Sie hatte sich abgewendet, sah ihn nicht an. Schaute sich nicht einmal die Leichen an. Während er selbst kaum den Blick von ihnen lösen konnte.

»Du willst sie verbuddeln? Womit denn?«, sagte Tim. »Siehst du hier irgendwo eine Schaufel?«

»Du und Jennifer, ihr fahrt mit meinem Chevy zu mir nach Hause. Im Schuppen liegen eine Schaufel und eine Mistgabel. Es ist niemand zu Hause, also macht euch keine Sorgen. In der Zwischenzeit räume ich hier auf. Ich packe das Zeug zusammen und mache das Feuer aus, damit keiner was mitkriegt. Gib mir deine Taschenlampe. Hier, nimm die Schlüssel. Der hier ist für den Schuppen. Vergesst nicht, ihn wieder abzuschließen, wenn ihr geht. Und Tim, du fährst. Ich glaube, Jennifer ist im Moment ein bisschen durcheinander. Aber fahr vorsichtig, verstanden? Halt dich ans Tempolimit und lass dir Zeit. Versau mir die Sache nicht, klar?«

»Ja.«

»Ich will, dass Tim mich nach Hause bringt.«

»Nein, das willst du nicht. Das bildest du dir bloß ein, Jen.« Er ging zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm. »Hör mal, du bist Teil dieser Geschichte. Ich will, dass du Teil dieser Geschichte bist. Das ist mir wichtig. Du hast so was noch nie getan, und wahrscheinlich wirst du es auch nie wieder tun. Tim und ich könnten immer noch eingezogen werden, wer weiß? Und man kann nicht wissen, wie viele Menschen wir dann noch töten werden. Aber für dich war es das erste und letzte Mal. Du wirst dich dein ganzes Leben lang an heute Nacht erinnern.«

»Ich möchte mich aber nicht daran erinnern.«

Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr.

»Wenn wir hier fertig sind, wirst du es wollen, Jen. Ich verspreche es.«

Er nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie sanft auf die Lider. Das funktionierte fast immer. Es schien eine beruhigende Wirkung auf sie zu haben.

»Und jetzt fahrt los. Seid vorsichtig.«

Er blickte ihnen nach, während sie den Pfad hinabliefen und in der Dunkelheit verschwanden. Er wusste, dass sie auch ohne Taschenlampe den Weg fanden. Sie kannten die Gegend fast genauso gut wie er. Sie würden seine Anweisungen befolgen, alles erledigen, ohne Aufsehen zu erregen, ohne dass irgendjemand etwas mitbekam. Das machte sie zu seinen Komplizen, und genau darum ging es ihm. Beihilfe zum Mord nannte man das.

Ihm wurde klar, dass die beiden jetzt auf Gedeih und Verderb an ihn gekettet waren.

Er schaute noch einmal nach der Rothaarigen. Ihr Atem ging ganz flach. Sie hatte sich nicht bewegt. Durch das blutgetränkte T-Shirt sah man ihre Titten. Von der Taille aufwärts war sie praktisch nackt, so eng klebte ihr das T-Shirt am Leib. Es waren wohlgeformte Titten. Klein, aber fein.

Es würde interessant werden zu beobachten, wie lange es dauerte, bis sie tot war.

Er hatte mal einen Hasen abgeschossen, ihm voll den Schädel weggepustet, und danach hatte er ihn beobachtet und gewartet. Es hatte vielleicht fünf, sechs Minuten gedauert, bis der Hase tot war, und ganz am Ende hatte er wild herumgezuckt, als hätte man ihn an eine Steckdose gehalten.

Er schlenderte durch das Lager. Die beiden hatten nicht viel Zeug dabei. Wahrscheinlich waren sie nur für eine Nacht hergekommen. Da war das Zelt, im Innern zwei neue Schlafsäcke und eine zweite neue batteriebetriebene Laterne, die er vielleicht behalten würde, sowie ein Rucksack, in dem sich lediglich ein paar Klamotten in zwei Größen befanden, teure Sachen, sauber und akkurat zusammengelegt.

Verwöhnte Ziegen. Lesbenschlampen. Sie hätten ihm nicht einmal gesagt, wie viel Uhr es war.

Jetzt waren sie dazu sowieso nicht mehr in der Lage.

Vor dem Zelt lag ein zweiter Rucksack, der eine Dose Insektenspray und zwei Taschenbücher enthielt. Eines hieß Einer flog über das Kuckucksnest, das andere Der Tod in Venedig, dazu ein Schreibblock, ein Kugelschreiber, ein altes, zerkratztes Schweizer Armeemesser, Pappteller und Plastikbesteck, eine ungeöffnete Packung Wrigley’s Spearmint, die er einsteckte, und eine halbvolle Packung Juicy Fruit, die er aber nicht mochte. Sie hatten eine Kühlbox mit drei Pepsis und vier Dosen Ginger Ale dabei, des Weiteren eine offene Packung Hot-Dog-Würstchen und eine mit Hamburger-Fleisch, Brötchen für beides, eine Plastikflasche mit Senf und eine mit Ketchup, eine Dose Bohnen und eine mit Sauerkraut.

Kein einziges Bier weit und breit, also machte er sich eine Pepsi auf.

Er blickte zur Rothaarigen hinüber. Sie atmete noch. Zuckte aber nicht.

Zähes kleines Lesbenluder.

Zäher jedenfalls als der Hase.

Er wollte den Moment nicht verpassen, wenn sie anfing zu zucken.

Er trank die Pepsi aus und legte die leere Dose zurück in die Kühlbox. Zog die Schlafsäcke aus dem Zelt, rollte sie zusammen und verschnürte sie, stellte die Laternen und die Rucksäcke zur Seite. Riss das Zelt um und warf die Holzpflöcke ins Feuer. Die Flammen erinnerten ihn daran, dass er Hunger hatte. Das Feuer brannte noch recht kräftig, also nahm er sich zwei Hot-Dog-Würstchen, durchbohrte mit denselben Stöcken, die die Mädchen benutzt hatten, jeweils eine Wurst und steckte die Stöcke zwischen die Steine rings ums Feuer, so dass die Würstchen geröstet wurden, ohne hineinzufallen. Dann holte er zwei Hot-Dog-Brötchen und stellte die Ketchup-Flasche bereit.

Die meisten Leute mochten Senf. Er nicht.

Er packte Zelt, Kühlbox, Schlaf- und Rucksäcke, die Laternen und sein Gewehr fein säuberlich zusammen, so dass man alles problemlos verstauen konnte, sobald Tim und Jennifer zurück waren. Schließlich wendete er die Würstchen und machte sich noch eine Pepsi auf.

Er sah nach der Rothaarigen.

Sie atmete immer noch. Hatte sich nicht gerührt. Er betrachtete sie eine Weile.

Noch immer kein Zucken. Nichts. Selbst mit ihren hübschen Titten war sie sterbenslangweilig.

Er machte sich über die in Ketchup gebadeten Hot Dogs her; als er den zweiten halb verputzt hatte, wünschte er, er hätte die Brötchen ebenfalls geröstet. Scheiß drauf, sagte er sich und spülte den letzten Bissen mit der Pepsi runter. Ihm gefiel, was er eben getan hatte und noch immer tat, deshalb ließ er sich Zeit, um es noch eine Weile zu genießen. Schließlich kickte er die Steine vom Feuer fort, knipste die Taschenlampe an und trat Erde über die glühenden Holzreste, bis nur noch eine dünne weiße Rauchfahne in die Dunkelheit aufstieg und seine Füße in den schwarzen ledernen Cowboystiefeln schmerzten.

Dann wandte er sich wieder zur Rothaarigen um.

Sie war verschwunden.

Nicht gestorben, sondern einfach verschwunden.

In den Scheißwald geflohen.

Sie hatte einen Kopfschuss, verdammt nochmal! Wie in aller Welt hatte sie das geschafft? Wieso hatte er nichts gehört? Er spürte, wie ihn ein Anflug animalischer Panik durchfuhr, bis er die Blutstropfen bemerkte, die in das Unterholz führten, und ihm klarwurde, dass sie nicht weit gekommen sein konnte. Nicht in ihrem Zustand. Und dann spürte er, wie die Panik in brennende Wut umschlug, denn er begriff, dass ihn das Mädchen komplett verarscht hatte.

Sie hatte ihn verarscht, indem sie geflohen war.

Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Doch damit stellte sich die Frage, was Tim und Jennifer bei ihrer Rückkehr denken würden, wenn sie bemerkten, dass er und das Mädchen verschwunden waren. Eigentlich müssten die beiden bald zurück sein. Womöglich wären die beiden zu Tode erschrocken, so dass sie ihn im Stich ließen. Den Wagen nahmen und einfach davonbrausten. Zuzutrauen wäre es ihnen. Die beiden gingen noch zur Schule, verdammt nochmal. Wenn er ihnen nicht sagen konnte, was zu tun war, würden sie die Sache glatt versauen und ihn hier draußen zurücklassen, so dass er alles allein regeln musste.

Das ganze Zeug war voll mit seinen Fingerabdrücken. Sie mussten es auf den Müll werfen. Und dafür benötigten sie den Wagen.

Scheiße!

Du Schlampe, dachte er. Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege. Diesmal brauche ich kein Gewehr. Du wirst dir wünschen, du wärst längst tot.

Er dachte wieder an die vielen Fingerabdrücke und daran, was er alles angefasst hatte. Doch plötzlich fiel ihm der Rucksack mit dem Block und dem Kugelschreiber ein. Und da wusste er, wie er Tim und Jen mitteilen konnte, was sie tun sollten, ohne es ihnen persönlich zu sagen. Er stürzte zum Rucksack hinüber, riss ihn auf, holte Block und Kugelschreiber heraus und schrieb in großen Buchstaben BLEIBT HIER! auf den Zettel. Dann klemmte er den Block so in den aufgestellten Rucksack, dass er nicht umfallen konnte. Anschließend holte er die batteriebetriebene Laterne, schaltete sie ein und strahlte damit den Block an. Er war jetzt nicht mehr zu übersehen, wenn man nicht völlig blind war. Als Letztes hob er das Gewehr auf, denn man konnte nie wissen, was einen erwartete. Am liebsten wollte er das Miststück tottreten oder ihr mit bloßen Händen das Leben aus dem Leib prügeln. Aber vielleicht würde er sie erst mit einer Kugel zu Fall bringen müssen, diese durchtriebene Lesbenfotze. Und dann rannte er ihr hinterher.

teil eins

»Mary McGrory sagte mir, wir würden nie wieder lachen. Ich hab gesagt: ›Du lieber Himmel, Mary. Natürlich werden wir wieder lachen. Wir werden bloß nie wieder jung sein.‹«

– DANIEL PATRICK MOYNIHAN, November 1963

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Freitag, 1. August 1969 · Die Katze/Schilling

Die Katze wich vor Charlie Schillings Füßen zurück, als dieser über den Parkplatz auf Panik’s Bar and Grille zuging. Sie war zwei Jahre alt, hatte bernsteinfarbene Augen und ein pechschwarzes Fell, abgesehen von dem weißen Fleck neben ihrer Nase, den weißen Pfoten und einem weiteren hellen Fleck am Bauch. Sie war hungrig, aber das war sie fast immer, seit ihre Besitzer, ein frisch verheiratetes Pärchen aus Hopatcong, sie vor drei Monaten nach Sparta gefahren und in der stillen Straße hinter Paul’s Delicatessen ausgesetzt hatten und davongebraust waren. Die neugeborene Tochter des Pärchens hatte eine Katzenhaarallergie. Doch die Katze wusste nichts von Allergien, sondern nur, dass sie mal wohlgenährt gewesen war, es warm gehabt hatte und nette Menschen sich um sie gekümmert hatten. Jetzt hingegen war sie ganz allein, nachts fror sie, und meistens knurrte ihr der Magen. Sie wich vor Schillings Füßen zurück, weil er ein großer, unbekannter Mann war, und große unbekannte Männer hatten schon öfter nach ihr getreten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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