The Shieldmaid - Teil 2 - Die Reise des Björn - Jens Schumacher - E-Book

The Shieldmaid - Teil 2 - Die Reise des Björn E-Book

Jens Schumacher

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Beschreibung

Ein Bauernjunge wird aus der Not von seiner Familie an einen Händler "verkauft". Es ist eine Reise voller Abenteuer, die Ihn in ein fernes, fremdes Land führen. Die aus einem Bauernjungen einen Krieger der Waräger Garde werden lässt. Mit Harald Schönhaar, der irgendwann König von Norwegen werden möchte, hat er einen Förderer gefunden, der Ihm viel beibringt und hilft. Schön bald ist er Teil der berühmten Waräger Garde und dient dem Kaiser. Er lernt sehr viel und sehr schnell. Er findet sich mit seiner neuen Situation zurecht, doch tief in Ihm schlummert die Sehnsucht irgendwann nach Hause zurück zu kehren, zu seiner Familie, in seine Heimat. The Shieldmaid Teil 2 - Die Reise des Björn ist ein Prequel zum ersten Teil.

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The Shieldmaid

Teil 2

Die Reise des Björn

von Jens Schumacher

The Shieldmaid Teil 2 – Die Reise des Björn von Jens Schumacher

Dies ist die Geschichte von Björn, der aus der Not heraus von seiner Familie an einem Händler verkauft wird. Für ihn beginnt nun eine Reise voller Abenteuer, die ihn in ein fernes und fremdes Land führt und die aus einem Bauernjungen einen Krieger der Waräger Garde werden lässt. Mit Harald Schönhaar, der irgendwann König von Norwegen werden möchte, hat er einen Förderer gefunden. Er hilft ihm und bringt ihm viel bei. Schon bald ist er Teil der berühmten Waräger Garde und dient dem Kaiser. Er lernt viel und schnell, und findet sich mit seiner neuen Situation zurecht. Doch tief in ihm schlummert die Sehnsucht, irgendwann wieder nach Hause zurückkehren zu können, zu seiner Familie, in seine Heimat. Wird ihm das gelingen?

„The Shieldmaid Teil 2 – Die Reise des Björn“ ist ein Prequel zum 1. Teil „The Shieldmaid“.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nachwort

Impressum

Kapitel 1

Die Reise beginnt

~Anno 873 im Namen des Herrn~

In einem kleinen Dorf an der Küste im Norden Europas, lebt ein Fischer und Bauer mit dem Namen Jasper. Er lebt dort mit seiner Familie und wie immer muss er dafür sorgen, dass sie über den Winter kommen. Doch das stellt sich in diesem Jahr als nicht sehr einfach heraus.

Es ist bitterkalt und Jasper blickt sorgenvoll drein. Die letzte Ernte war mehr schlecht als recht und die Trockenheit im Sommer hat einen großen Teil seiner hart erarbeiteten Kohlernte ruiniert.

Das Gemüse kaufte er von einem Händler aus dem Mittelmeerraum. Nachdem er über Jahre hinweg Weizen angebaut hat, wollte er es diesmal mit dem neuen Gemüse versuchen. Hätte er jedoch gewusst, wie schnell es verdirbt, hätte er sich vermutlich gegen diesen Schritt entschieden.

Seine geliebte Frau hat versucht, es ihm auszureden, sie war von Anfang an nicht seiner Meinung. „Bleib lieber bei dem Weizen, bleib bei dem Altbewährten“, hatte sie mehr als einmal auf ihn eingeredet. „Ich weiß nicht, ob es im Moment eine so gute Idee ist, sich an etwas Neuem zu wagen.“

Jetzt weiß Jasper, dass er besser auf sie hätte hören sollen. Aber wer weiß, wie es dann jetzt um sie stehen würde. Wahrscheinlich wären sie nicht besser dran als jetzt auch. Die Weizenernte wurde über die Jahre hinweg immer schlechter, es wurde immer weniger. Er musste einfach etwas Neues ausprobieren, um sein und das Überleben seiner Familie zu sichern.

Aber er ist ja nicht nur Bauer, sondern auch ein leidenschaftlicher Fischer. Jedoch sieht es mit seinem Fang in letzter auch nicht besser aus. Ihm scheint es fast so, als wolle etwas verhindern, dass ihm auch nur ein Fisch ins Netz schwimmt.

Vielleicht liegt es auch nur daran, dass er sein kleines Boot nur in Strandnähe benutzen kann. Wenn er zu weit damit rausfährt, besteht die Gefahr, dass er nicht mehr zurückkommt. Mit dieser Nussschale kann er sich auf keinen Fall zu weit vom Ufer entfernen und er ist sich sicher, dass er damit niemals das offene Meer zu Gesicht bekommt.

Die kleine Siedlung, in der sie leben, ist über all die Jahre hinweg stetig gewachsen. Es gab Zeiten, in denen fast täglich Menschen zu ihnen stießen und sich ihnen anschlossen. Jasper und seiner Frau ging es eigentlich immer relativ gut. Er würde sogar behaupten, dass sie ein paar sorgenlose Jahre hatten.

Aber die Missernten der letzten Zeit stellen die Familie nun vor eine große Herausforderung. Jasper lebt nicht nur mit seiner Frau in der Siedlung, sondern auch mit seinen Kindern. Sie sind alles für ihn und um deren Überleben zu sichern, würde er alles tun.

Im letzten Winter mussten sie eines ihrer Kinder gehen lassen. Es starb und niemand wusste, warum. Das war eine schreckliche Zeit für die ganze Familie, aber seine Frau litt ganz besonders darunter. Sie ließ sich teilweise nichts anmerken und blieb für die anderen Kinder stark, aber Jasper sah in ihren Augen den Schmerz des Verlustes.

Jedoch gebar sie im Frühjahr darauf ein weiteres Kind. Das kleine Mädchen machte die Familie wieder komplett. Sie tauften sie auf den Namen Fenja, danach wurde ein großes Fest gefeiert.

Hier in der Gegend glauben viele Menschen an den neuen Gott und seinen Sohn Jesus Christus. Die Kirche gewinnt immer mehr an Einfluss, aber auch viele Bewohner glauben noch an die alten Götter. Von daher bricht oft Zwietracht zwischen den unterschiedlichen Glaubensrichtungen auf.

Streit, der nach Jaspers Meinung unnötig ist, wenn die Menschen nicht immer darauf beharren würden, den anderen ihren Glauben aufzuzwingen. Aber so war es schon immer und so wird es vermutlich auch immer bleiben. Was für einen Grund sollte es geben, dass sich dieses Verhalten der Menschen irgendwann einmal legt?

Gedankenversunken sitzt Jasper am Tisch und beobachtet seine Familie. Normalerweise wäre es überhaupt nicht still, immer hatte jemand etwas zu erzählen. Aber heute hängt er seinen Gedanken zu sehr nach.

Mit einem kleinen Lächeln auf seinen schmalen Lippen richtet er den Blick auf seinen erstgeborenen Sohn Björn. Für sein Alter hat er schon eine stattliche Erscheinung. Jasper würde lügen, wenn er nicht stolz auf ihn ist. Björn ist bereits groß und sehr kräftig.

Egal bei welcher Arbeit, er ist seinem Vater immer ein guter Helfer. Er lernt sehr schnell und ist geschickt mit seinen Händen. Dazu fragt er sehr viel und Jasper liebt es, wenn er seinem Sohn etwas Neues beibringen kann. Er ist sich sicher, dass Björn den Hof eines Tages weiterführen wird. Natürlich nur, wenn er bereit dazu ist.

Anschließend wandert sein Blick zu Hendrik. Er ist der jüngere von den beiden Söhnen. Er kam ein paar Jahre nach Björn zur Welt und das sieht man ihm auch an. Hendrik ist kleiner, wesentlich schmächtiger und schmaler als sein großer Bruder. Aber Jasper ist sich sicher, dass er im Laufe der nächsten Jahre genauso eine beachtliche Erscheinung wie Björn bekommen wird.

Wie es so üblich ist, lebt Jasper mit seiner ganzen Familie unter einem Dach und er hofft, dass das noch viele Jahre so sein wird. Auf was er jedoch verzichten könnte ist, dass auch sein Vieh immer mit dabei ist. Aber was soll er tun, das ist nun einmal so. In der jetzigen Situation, in der sie stecken, können sie sich keinen eigenen Anbau für die Tiere leisten.

So haben sie es wenigstens schön warm, denn das Feuer, welches im Kamin brennt, war nicht mehr aus, seit der Winter hereingebrochen ist. Das ist für Jasper sehr wichtig, denn wenn sie jetzt auch noch frieren müssten, wüsste er nicht mehr, was er tun könnte, um das Überleben seiner Familie zu sichern.

Einige wohlhabende Bauern sind schon so weit, dass sie ihr Vieh in separaten Hütten untergebracht haben. Manche sind sogar größer als ihre eigenen Häuser. Irgendwann, wenn es beim Fischen und mit der Ernte wieder besser läuft, hat Jasper auch vor, einen eigenen Stall für seine Tiere zu bauen.

Ihm persönlich macht es nichts aus, mit dem Vieh unter einem Dach zu leben. Aber seine Kinder und seine Frau lassen es ihn schon manchmal wissen, wenn sich in dieser Hinsicht etwas ändern muss. Der Geruch ist teilweise schon sehr lästig, zumal die Ausscheidungen der Tiere im Sommer immer unnötig die Fliegen anziehen.

Obwohl seine jetzige Lage ausweglos erscheint, ist er doch voller großer Hoffnung, dass er im nächsten Frühjahr mit dem Bau eines Stalles beginnen wird. Wenn Björn und Hendrick mit anfassen, werden sie damit schnell fertig sein.

„Wir werden im Frühjahr einen Stall für das Vieh bauen“, versichert er seiner stillenden Frau, als sie die Nase verzieht, weil ihnen ein unangenehmer Duft entgegenkommt.

Zum Abendessen gibt es, wie so oft in letzter Zeit, mal wieder eine Kohlsuppe. Jasper weiß nicht, wie lange seine Söhne diese noch zu sich nehmen werden. Denn er merkt jedes Mal, dass sie ihnen schon fast zum Hals heraushängt. Aber was will man machen? Sie müssen essen. Egal, was man ihnen vor die Nase setzt. Wenn sie überleben und kräftig werden wollen, müssen sie sich mit der Kohlsuppe zufriedengeben.

Es ist nicht so, dass die Suppe nicht schmeckt. Ganz im Gegenteil, seine Frau ist eine hervorragende Köchin. Mit einem Stück harten Brot macht sie vollkommen satt. Und zu sehen, wie sich seine Familie den Bauch vollschlagen kann, stimmt ihn zufrieden. Denn nicht jeder kann in der heutigen Zeit von sich behaupten, satt ins Bett gehen zu können.

***

Noch am Tisch, als alle ihre Schüsseln bis auf den letzten Tropfen leer gegessen haben, stillt seine Mutter Nele seine kleine Schwester Fenja. Björn mag das Mädchen, vor allem, wenn es mal nicht schreit. Aber solange sie an der Brut seiner Mutter ist, ist er sich sicher, dass dies nicht passieren wird.

Aber Björn hat ja nicht nur seine kleine Schwester, sondern auch einen kleinen Bruder. Er merkt wie Hendrik, der neben ihm sitzt, langsam unruhig wird. Er sieht zu ihm herüber und schenkt ihm ein Lächeln. Sein blondes Haar wird jeden Monat länger, ein Teil hängt ihm schon in den Augen.

Björn weiß, was passieren wird, wenn Hendrik nicht still sitzen kann. Er ist sich sicher, dass es nicht mehr lange dauert, bis seine Eltern sie zum Ausmisten schicken. Und er weiß auch, dass es nicht nur an seinem kleinen Bruder liegt, sondern auch daran, dass sein Vater und seine Mutter fast jeden Abend an der Erweiterung der Familie arbeiten. Das ist teilweise nicht zu überhören.

Björn schmunzelt, als es dann auch schon so weit ist.

„Kinder, es wird Zeit, euren Arbeiten nachzugehen. Geht ausmisten“, befiehlt sein Vater, während er aufsteht und die Schüsseln des Abendessens zusammenstellt.

„Ja, Vater“, erwidern die Kinder und stoßen sich gegenseitig an, bevor sie aufstehen und zu dem Vieh rennen.

„Nicht so hastig“, ermahnt sie ihre Mutter, aber das bekommen sie gar nicht mehr mit. Viel zu sehr sind sie nun damit beschäftigt, sich um die Tiere zu kümmern. Dabei erkennt Björn, dass sich Hendrik bei der Arbeit sehr ungeschickt anstellt.

Er beobachtet ihn kurz. „Hendrik, du darfst nur zu einer Seite kehren, sonst verteilst du den ganzen Mist nur“, redet er auf seinen Bruder ein. „Das bringt ja alles dann gar nichts.“

Hendrik sieht zu ihm auf, die Flammen des Feuers bringen seine Gesichtszüge zum Zucken. Björn findet, dass das auf der einen Seite witzig aussieht, aber auf der anderen wirkt es befremdlich.

„Wenn du es besser kannst, dann mach es doch allein“, kontert der Kleine, worauf Björn sich ein Grinsen verkneifen muss. Hendrik hat zwar noch nicht viel Kraft, aber sein Mund funktioniert sehr gut.

Er geht auf ihn zu und durchwuselt sein Haar. „Sei nicht so frech zu mir und pass auf, dass das Vater nicht hört“, ermahnt er ihn. Jedoch fällt ihm plötzlich auf, dass seine Eltern gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt sind.

Normalerweise verschwinden sie in ihrem Bett hinter den dicken Vorhang, aber heute nimmt ihr Vater sie auf dem Küchentisch, wo sie vor nicht allzu langer Zeit noch gegessen haben. Sie versuchen leise zu sein, aber ihr wildes Stöhnen hören sie trotzdem.

Er kneift die Augen zusammen und schiebt Hendrik hinter einen Pfosten. „Hier, kümmere dich heute um die Hühner“, sagt er zu seinem kleinen Bruder. Damit will er verhindern, dass er das wilde Treiben seiner Eltern mitbekommt.

Hendrik stampft auf den Boden. „Aber das machst du doch sonst immer, warum muss ich …“

Björn gibt ihm einen leichten Schubs. „Weil ich es sage“, antwortet er.

Hendrik verdreht die Augen und fügt sich seinem Schicksal, während ihm die Schweine mit einem Grunzen nach sehen und so wirken, als würden sie sich dieselbe Frage stellen, die Hendrik gerade von sich gab.

Eine kurze Zeit später kommt seine Mutter zu ihnen. „Na, meine kleinen Kämpfer. Seid ihr schon fertig?“, sagt sie mit einem liebevollen Ton, während sie mit den Fingern ihr durcheinandergeratenes Haar kämmt und danach ihr Kleid zurechtrückt. Björn ist überrascht, denn normalerweise brauchen sie länger.

Hendrik lehnt seinen Besen an die Wand und lächelt seiner Mutter zu. „Ja, wir sind fertig“, erwidert er. Björn nickt nur und stellt den Ziegen noch einen Bottich mit frischem Wasser hin.

Ihre Mutter winkt sie zu sich. „Dann ab ins Bett, es ist schon spät. Morgen steht wieder eine Menge Arbeit an.“

Björn bläst die einzige Lichtquelle im Stall aus, während Hendrik zu seiner Mutter rennt, ihre Hand nimmt und sich von ihr in eine kleine Nische führen lässt, in der sich ihr Bett befindet. Einen letzten Blick richtet Björn noch einmal an das Vieh. Ihm ist wichtig, dass es den Tieren gut geht und dass sie versorgt sind. Schließlich sind sie wichtig für die Familie und sie sind auf sie angewiesen.

Er zuckt zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürt. Schnell dreht er sich herum und nimmt auch gleich seinen Vater wahr. „Vater“, sagt er und atmet tief durch.

Jasper klopft ihm auf die Schulter. „Geh schlafen, mein Sohn. Es war ein langer Tag.“

Björn mustert ihn kurz und erkennt in jeder Falte, die sein Gesicht seit ein paar Jahren zieren, Sorgen und Bedenken. Er presst die Lippen zusammen und nickt. „Gute Nacht, Vater.“ Einen Wimpernschlag später gesellt er sich zu seinem kleinen Bruder, der schon auf ihn wartet. „Na, hast du das Bett für mich schon einmal vorgewärmt?“, fragt er spaßend und legt sich zu ihm.

Hendrik gähnt nur, dreht sich herum und schläft auch sofort ein. Ihre Betten bestehen aus ein paar Ballen Stroh und Leinensäcken. Björn ist damit sehr zufrieden, denn nicht jeder hat so etwas zur Verfügung. Manche können nur von so einem weichen Bett träumen.

Björn weiß, dass es ihnen im Großen und Ganzen noch ganz gut geht. Aber ihm ist natürlich nicht entgangen, dass keine Fische anbeißen und dass die Ernte nicht so ausgefallen ist, wie sein Vater sich das erhofft hat. Schon allein die Kohlsuppe fast jeden Abend verrät ihm, dass dieses Gemüse niemand haben möchte.

Aber wenn es ihnen hilft, dass sie über den Winter kommen, wird er sie weiter essen. Vor ein paar Nächten hat er ein Gespräch seiner Eltern mitbekommen. Auch dieses sagte ihm, dass sie sich Sorgen und dass sie hoffen, dass der Winter bald vorüber ist. Denn dann ist ein Problem, die Kälte, schon einmal weg.

Björn braucht noch eine Weile, bis er endlich die Augen schließt und einschläft. Seine Eltern versuchen zwar die Probleme und Zukunftsängste vor ihnen so gut es geht zu verstecken. Aber wenn man Tag und Nacht zusammen ist, ist das so gut wie unmöglich. Die Sorgen seiner Eltern sind auch seine, und er wird alles tun, um ihnen zu helfen.

***

Am nächsten Morgen wird die Familie wie üblich vom lauten Krähen des Hahnes geweckt. Aber nicht nur das. Die Familie merkt schon beim Öffnen der Augen, dass eine gewisse Unruhe in der Luft liegt.

Björn ist der Erste, der aus seinem Bett steigt und zum Fenster läuft. Keinen Atemzug später steht sein Vater hinter ihm. „Was ist denn da los?“, fragt Björn, während er die nervösen Dorfbewohner draußen beobachtet. Einige sind sogar bewaffnet, aber in manchen Gesichtern kann Björn sehen, dass sie nicht einmal wissen, warum.

Jasper reibt sich den Bart und kann sich die ganze Stimmung auch nicht erklären. Dennoch ist ihm klar, dass irgendetwas sein muss, denn die Bewohner reagieren nicht ohne Grund so aufgebracht.

„Ich habe keine Ahnung, mein Junge.“ Er wendet sich von Björn ab und holt aus einer Truhe einen wohlgeformten Holzknüppel und eine Axt.

„Du bleibst mit Hendrik hier“, sagt er zu seiner Frau, die Fenja auf dem Arm hält und ihn mit einem sorgenden Blick ansieht. „Ich gehe mit Björn nachschauen, was da los ist.“

Kaum sind seine Worte zu Ende, drückt er seinem Ältesten den Holzknüppel in die Hand, die Axt behält er bei sich. Und ehe Björn sich versieht, ist er auch schon vor dem Haus und folgt seinem Vater Richtung Dorfmitte.

Er wusste nicht so recht, was er von dem allen halten soll. Es war nicht das erste Mal, dass die Leute im Dorf unbegründet Alarm schlugen. Aber bisher durfte er noch nie mit seinem Vater mitkommen.

Deshalb ist er umso konzentrierter. Seine Augen huschen von links nach rechts. Er schaut sich alle Leute, die ihren Weg kreuzen, genau an, um herauszufinden, wer nicht zu ihrer Gemeinschaft gehört. In jeden noch so kleinen Gang lugt er hinein, um einen Feind auszumachen. Dazu hält er seinen Knüppel in Kampfstellung, so dass er jederzeit kampfbereit ist.

Aber je näher sie der Dorfmitte kommen, desto mehr bemerkt Björn, dass sie überhaupt nicht angegriffen werden. Ihnen droht keine Gefahr. Auf der einen Seite ist der Junge sehr erleichtert, aber auf der anderen würde er auch gerne einmal kämpfen.

Der Grund für die ganze Unruhe am Morgen war ein Treck von Händlern, die am Waldrand erschienen. Erst jetzt, als die ganze Anspannung von Björn abfällt, bemerkt er die eisige Kälte, die durch seine Adern fließt. Durch die ganze Aufregung hatte er nicht einmal Zeit, sich noch ein Fell überzuziehen, als sie das Haus verließen.

Björn wagt einen Blick zu seinem Vater, der sich mit einem anderen Bewohner unterhält. Jasper geht es nicht anders und er würde behaupten, dass es heute noch kälter ist als am Tag zuvor. Alle Bewohner wissen, dass die Winter im Norden kalt und hart werden können. Aber wenn man dann wirklich in diese Situation kommt, ist man doch immer erstaunt und verwundert.

Trotz der Kälte am frühen Morgen ist mittlerweile das ganze Dorf auf den Beinen. Sobald sich die Lage etwas beruhigt hat, stoßen auch Nele mit Fenja und Hendrik zu ihnen. Jasper drückt seiner Frau einen Kuss auf die Stirn, als sie ihm und Björn ein Fell reicht. Er liebt sie über alles und er liebt sehr an ihr, dass sie immer erst an andere denkt.

Diese Fähigkeit haben nicht viele Menschen.

Jetzt ist das Dorf nicht mehr in heller Aufruhr vor Angst, sondern vor Freude und Nervosität. Denn Händler bedeuten Handel und Geld. Denn nicht nur Jaspers Familie lebt am Limit. Es hat auch viele andere im Dorf schwer erwischt.

Jedoch verfliegt die Vorfreude bei einigen Leuten auch wieder, als ihnen klar wird, dass sie nicht viel haben, womit es sich handeln lässt. Der letzte Sommer war einfach viel zu feucht und ein Großteil der Ernte ist verschimmelt. Der Winter wird nicht nur für einige Familien eine harte Prüfung, sondern für das gesamte Dorf.

Einige Frauen im Dorf wissen jedoch, wie sie schnelles Geld verdienen können. Manche machen es gerne, andere wiederum tun es nur, um das Überleben ihrer Familie zu sichern. Ihnen bleibt nichts anderes übrig. Während sich diese Frauen in der einzigen Taverne des Dorfes prostituieren, versuchen die Männer einen guten Handel abzuschließen.

***

Viele dieser Menschen werden den Winter nicht überleben, denkt sich Hartmut, während er seine Hose zurechtrückt und die Taverne verlässt. Er atmet tief die kalte Luft ein und sieht sich um. Dabei beobachtet er die Leute und fragt sich, wer von ihnen wohl im nächsten Winter noch auf zwei Beinen stehen wird. Er würde sich wundern, wenn es die Hälfte des Dorfes schafft.

Hartmut ist einer der Händler des Trecks. Diesmal wurde er sogar von Berittenen bewacht, was nicht sehr oft vorkommt. Meistens müssen sich die Händler selbst verteidigen. Aber diesmal sind einige Wohlhabende dabei und sie können es sich leisten, eine eigene Leibwache mitzuführen.

Warum soll er davon nicht profitieren?

Ihr Ziel ist der weit entfernte Orient und Hartmut ist sich sicher, dass der Treck im Laufe der Reise noch anwachsen wird. Bis sie ihr Ziel erreicht haben, könnten es noch doppelt so viele werden wie jetzt.

Er hat nichts gegen Gesellschaft. In Gesellschaft lässt es sich besser reisen. Aber nur solange sich die Händler benehmen. Er mag es immer gar nicht, wenn jemand Stunk in einen Treck bringt. Aber bisher blieb er davon verschont.

Auf Hartmuts Gesicht bildet sich ein Lächeln. Er schließt kurz die Augen und verbannt die Kälte von seiner Haut und den Gestank nach Mist aus seiner Nase. Oh ja, der Orient, denkt er sich. Dort ist der Himmel auf Erden für ihn, das Paradies. Dort ist es warm und die Frauen duften nach frischen Blüten.

Er öffnet seine Lider wieder und nickt einer jungen Frau zu, die an ihm vorbeiläuft. Ja, er muss zugeben, dass sie ihm ein wenig leidtun. Sie duften leider nicht nach Blüten, sondern sie stinken nach Kuhdung. Aber genau genommen können sie ja nichts dafür.

Wieder muss er lächeln, als er an die zierliche und junge Frau denkt, die er in der Taverne gebumst hat. Ob sie nun stank oder nicht, er musste sie einfach besteigen und sich Erleichterung verschaffen. Schließlich weiß er nicht, wann er das nächste Mal dazu kommen würde.

Wie es der Frau nun geht, interessiert ihn wenig. Sie hat ihr Geld bekommen und das war für Hartmut Zufriedenheit genug. Er ist und war noch nie ein Kind der Traurigkeit und er nimmt sich, was er kriegen kann. Zu einer guten Nummer würde er niemals Nein sagen.

So auch heute nicht.

Mit einem Räuspern steigt er auf seine Kutsche und fordert seine zwei Pferde zum Laufen auf. Für ihn wird es Zeit, langsam wieder den Ortsausgang aufzusuchen. Er hat hier bekommen, was er wollte. Manche Bewohner, die seinen Weg kreuzen, bieten ihm noch ihre Ware an, aber er lehnt jedes Mal mit einem netten Nicken ab.

Jedoch bekommt plötzlich ein ganz bestimmtes Haus seine Aufmerksamkeit, worauf er sein Gespann zum Anhalten auffordert. Vor der Tür erfasst er eine Frau, die ihr Baby stillt und zwei weitere halbwüchsige Burschen, zusammen mit ihrem Vater. Sie bieten den vorbeifahrenden Händler ihren trockenen Fisch und einige Holzwerkzeuge an.

Ein jämmerlicher Anblick, denkt sich Hartmut und beschließt sich dazu, weiterzufahren, um dem Elend hier nicht mehr länger ausgesetzt zu sein. Aber dann fällt sein Blick auf den ältesten Sohn des Ehepaares. Der Junge hat eine beachtliche kräftige Statur für sein Alter, wie er feststellt.

Hartmut kommt eine Idee. Er steigt von seiner Kutsche und nähert sich der Familie. Sobald der Mann ihn bemerkt, strahlt er über das gesamte Gesicht in der Hoffnung, er könne tauschen oder verkaufen. Ja, dazu ist Hartmut bereit, jedoch wird dem Mann nicht gefallen, was er ihm gleich vorschlägt.

Hartmut hebt zum Gruß die Hand. „Sei gegrüßt, ich bin ein Händler dieses Trecks, wie du sicher weißt.“ Er nickt ihm zu, genauso wie seiner Frau. „Ich muss mit dir reden, unter vier Augen, wenn du verstehst.“

Der Mann runzelt die Stirn und Hartmut kann in seinen Augen sehen, dass er etwas skeptisch ist. Deshalb versucht er, ihm die Skepsis etwas zu nehmen. „Mein Name ist Hartmut“, stellt er sich vor.

Der Mann nickt und deutet mit ausgestreckter Hand ins Haus. „Ich bin Jasper. Dann gehen wir am besten ins Haus, denn drinnen ist es wärmer.“

Hartmut nickt dem Mann dankend zu. Sobald er das Haus betritt, muss er sich zusammenreißen, um nicht zu husten. In dem Gebäude ist es zwar wärmer, aber bestimmt nicht besser als draußen.

Die Familie lebt, wie bei Bauern und Familien üblich, mit Ihrem Vieh in einem Raum. Hartmut stutzt. Nur was für Vieh? Es gibt fast keines, die drei kleinen Hühner, die zwei mickrigen Schweine und die zwei kaum sichtbaren Ziegen sind wohl der Rest. Dennoch stinkt es und ist kaum auszuhalten für Hartmut.

Aber da muss er jetzt durch, wenn er sein Vorhaben in die Tat umsetzen möchte. „Ich habe dir einen Tausch anzubieten“, sagt er zu dem Vater, als sie sich an einen kleinen Tisch setzen. „Ich biete dir zwei doppelt so große Ziegen an wie deine, damit dürfte das Überleben deiner Familie für diesen Winter gesichert sein, was mit großer Sicherheit nicht von allen Dorfbewohnern hier erwarten kann.“

Jasper ist etwas verwundert über diese Aussage. Alle wissen, dass es nicht gut um das Dorf steht, aber aussprechen möchte es niemand. „Ich verstehe nicht“, erwidert Jasper, während er ein Holzscheit auf das Feuer wirft, damit es nicht erlischt. „Was kann ich dir für zwei Ziegen geben?“

„Ich möchte deinen ältesten Sohn“, antwortet Hartmut kurz und trocken.

Jaspers Augen werden mit einem Mal groß. „Bist du von bösen Geistern befallen“, sagt er mit einem ärgerlichen Unterton. „Niemals werde ich eines meiner Kinder für Vieh verkaufen.“

Hartmut hat mit dieser Reaktion gerechnet. Er ist schon immer ein gewiefter Händler gewesen und er weiß genau, was er sagen muss, um Jasper umzustimmen. Er schmunzelt. „Nein, was erzählst du denn da, mein Guter“, sagt er mit einer amüsierten Stimme. „Ich tausche doch nicht mein Vieh gegen deinen Sohn. Was denkst du von mir. Nein, ich nehme ihn nur mit und werde ihn ausbilden. In einigen Jahren kann er dann wieder zu euch zurück.“

An Jaspers Gesichtsausdruck erkennt Hartmut nun, dass er gewonnen hat.

Der Vater kommt ins Grübeln.